ArbG Berlin: Initiativrecht des Betriebsrats
ArbG Berlin, Beschluss vom 20.3.2013 - 28 BV 2178/13
Leitsätze
I. Dem Betriebsrat steht das sogenannte Initiativrecht auf dem Gebiet der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 BetrVG auch für den Sachbereich in Nr. 6 a. a. O. und damit der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen zu, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (entgegen BAG 28.11.1989 – 1 ABR 97/88 – BAGE 63, 283 = AP § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht Nr. 4). II. Persönlichkeitsbelangen betroffener Arbeitnehmer (§ 75 Abs. 2 BetrVG) ist im Rahmen der Kontrolle der Verhandlungsergebnisse der Betriebsparteien oder der Einigungsstelle im Rahmen des § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG sachgerecht Geltung zu verschaffen (s. zur Methodik anschaulich BAG 26.8.2008 – 1 ABR 16/07 – BAGE 127, 276 = AP § 75 BetrVG 1972 Nr. 54 = NZA 2008, 1187).
Sachverhalt
A.
Es geht um die Einsetzung einer betrieblichen Einigungsstelle (§ 76 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BetrVG1, § 98 Abs. 1 ArbGG2) zur Regelung elektronisch unterstützter Erstellung von Personaleinsatzplänen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG3). - Vorgefallen ist dies:
I.
Die Arbeitgeberin (Antragsgegnerin) betreibt mit einer bundesweit dreistelligen Zahl von Verkaufsstellen ein Unternehmen des Textileinzelhandels, darunter die an der Schönhauser Allee in Berlin-Prenzlauer Berg gelegene Filiale 765, deren fünfköpfiger Betriebsrat der hiesige Antragsteller ist. Sie leitete (wohl) im Oktober 2012 beim Arbeitsgericht Hamburg ein Beschlussverfahren mit dem Ziel ein, eine Einigungsstelle betreffend die „Erstellung von Personaleinsatzplänen in Excel" mit dem Gesamtbetriebsrat zu errichten. Durch einen Beschluss vom 22. November 20124, auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, entsprach des Arbeitsgericht Hamburg dem Begehren. Zwar sei die Regelungszuständigkeit zwischen den Betriebsparteien strittig, es erscheine aber zumindest möglich, dass statt der örtlichen Belegschaftvertretungen der Gesamtbetriebsrat für die Einrichtung des „Excel-Tools" der richtige Ansprechpartner sei.
II.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 20125 (Kopie: Beschlussanlage I.) wandte sich der hiesige Betriebsrat mit der Aufforderung an die Arbeitgeberin, mit ihm in Verhandlungen zu treten, um eine Betriebsvereinbarung zum Thema „PEP6 in Excel" abzuschließen. Weiter heißt es in dem Brief an „Antje" an zuständige Filialleiterin im Stil des Hauses per „Du":
„Als mögliche Verhandlungstermine schlagen wir die Kalenderwochen drei und vier vor.
Bis dahin bitten wir dich, uns alle Informationsmaterialien dazu einzureichen.
Unter anderem interessiert uns:
1. Wie sieht das Programm aus?
2. In welchem Umfang soll die PEP erstellt werden?
3. Welche Daten werden hinterlegt, wer hat darauf Zugriff?
4. Gibt es Schnittstellen zu anderen Programmen?
5. Wie soll der Betriebsrat beteiligt werden, wie kann eine Überprüfung der PEP vorgenommen werden?
6. ...
Alles weitere können wir gern in unserem ersten Verhandlungstermin besprechen".
2. Dazu („Verhandlungstermin") kam es nicht. Die Arbeitgeberin ließ dem Gremium durch besagte „Antje" unter dem 20. Dezember 20127 (Kopie: Beschlussanlage II.) nämlich folgendes erwidern:
„ ... Ihr macht mit Eurem o.g. Schreiben ein Mitbestimmungsrecht zum Thema 'PEP in Excel' geltend.
Die Einführung eines Tools 'PEP in Excel' wird von Seiten des Unternehmens derzeit lediglich geprüft und wäre unter Umständen auch wünschenswert. Eine Einführung dieses Tools in der Filiale 765 steht bis auf Weiteres jedoch nicht in Aussicht.
Sollte das Unternehmen beschließen, ein Tool wie 'PEP in Excel' in 765 einführen zu wollen, dann sehen wir die Zuständigkeit hierzu - sofern und soweit ein Mitbestimmungsrecht bestehen sollte - auch eher beim GBR.
Wie Ihr sicher wisst, ist der GBR in das Thema 'PEP in Excel' auch bereits involviert".
3. Damit will es der Betriebsrat nicht bewenden lassen. Er ließ die Arbeitgeberin über seine Ansprechpartnerin („Antje") per 9. Januar 20138 (Kopie: Beschlussanlage III.) daher folgendes wissen:
„ ... Antwort auf Dein Schreiben vom 09.01.2013.
Die Information über die Prüfung der Einführung von PEP in Exel an den BR ist nicht erfolgt. Laut Betr. VG § 90 ist es aber die Pflicht des Arbeitgebers dies zu tun. Die Aussage, dass PEP in Exel bis auf weiteres nicht in unserer Filiale eingeführt wird, zeigt uns, dass es doch beabsichtigt ist. Wenn auch nicht heute oder morgen.
Im Übrigen sehen wir der BR 765 unsere Mitbestimmung, auch wenn H. PEP in Exel deutschlandweit einführen möchte. Die Einführung neuer Technologien ist laut Betr. VG § 87 für den BR mitbestimmungspflichtig. Außerdem möchten wir gerne wissen, was wie geplant ist und ob zwischen den Exel-Programmen Schnittstellen zu anderen EDV-Anwendungen oder der Personalabteilung geplant sind.
Deshalb fordern wir Dich noch einmal auf mit uns in Verhandlungen zu gehen, um über eine BV PEP in Exel zu sprechen.
Wir haben dir schon Terminvorschläge mitgeteilt (Fragenkatalog Monatsgespräch). Daher setzen wir dir noch einmal bis zum 25.01.2013 eine Frist, um mit uns erstmalig in Verhandlung zu treten".
III.
Daraus wurde nichts. Nachdem die Store Managerin gegenüber dem Betriebsrat am 22. Januar 2013 bekräftigt hatte, keine Bereitschaft zu Verhandlungen mit ihm zu hegen9, nimmt das Gremium die Arbeitgeberin mit seiner am 13. Februar 2013 bei Gericht eingereichten und fünf Tage später (18. Februar 2013) zugestellten Antragsschrift auf Errichtung einer Einigungsstelle zur Verhandlung über die Angelegenheit mit jeweils drei Beisitzern nunmehr gerichtlich in Anspruch. Es behauptet, die Arbeitgeberin plane zukünftig die Einführung und Nutzung eines Programms zu Erstellung der Personaleinsatzplanung mittels des „Tools Excel von Microsoft"10. Der von ihr favorisierte Gesamtbetriebsrat betrachte sich als unzuständig, was er ihr bereits am 26. Oktober 2012 mitgeteilt habe11. Mit der Stufenvertretung sei er darüber einig, dass eine Zuständigkeit der örtlichen Belegschaftsvertretungen gegeben sei12. Im Übrigen sei, wie auch das Verfahren beim Arbeitsgericht Hamburg (s. oben, S. 2 [I.]) belege, unstreitig, dass „das Excel-Tool an sich geeignet und auch dazu bestimmt" sei, „den Personaleinsatz und damit die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen"13. Technische Gründe für eine einheitliche unternehmensweite Regelung lägen nicht vor14. Ohnehin beständen in den verschiedenen Verkaufsbetrieben der Arbeitgeberin unterschiedlichste Regelungen zur Mitbestimmung der Arbeitszeiten, die auch unterschiedliche Beteiligungsformen des jeweiligen Betriebsrates enthielten15. Damit sei der örtliche Betriebsrat letztlich sogar „offensichtlich zuständig"16.
IV.
Der Betriebsrat beantragt sinngemäß,
1. den Vorsitzenden Richter am LAG Berlin-Brandenburg, Herrn M. W., zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Erstellung der Personaleinsatzpläne (PEP) in Excel von Microsoft (Office)" zu bestellen.
2. die Zahl der Beisitzer einer jeden Seite auf drei festzusetzen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
V.
Sie sieht keine Veranlassung, mit dem Betriebsrat über die Angelegenheit zu verhandeln, da sie „derzeit nicht" beabsichtige, in der Filiale 765 das „PEP in Excel" einzuführen17. Außerdem bestehe diesbezüglich, wie sie meint, auch kein Initiativrecht des Gremiums18.
VI.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Betriebsparteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Anhörung vom 6. März 201319 verwiesen.
Aus den Gründen
B.
Das Gericht hat dem Bestellungsbegehren des Betriebsrates im Wesentlichen entsprochen. Allerdings sollten die Betriebsparteien mit jeweils zwei Beisitzern einer jeden Seite auskommen. - Im Einzelnen sind dafür folgende Überlegungen maßgeblich:
I.
Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 BetrVG20 ist zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden, deren Einsetzung im hier angestrengten Verfahren nach § 98 ArbGG21 auch erzwungen werden kann. Zur prozessualen Handhabung solcher Verfahrensbegehren bestimmt die mit der Beschleunigungsnovelle vom 21. Mai 197922 in das Gesetz eingefügte Vorschrift des § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, dass die Anträge wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle vom Arbeitsgericht nur dann zurückgewiesen werden können, wenn die Einigungsstelle „offensichtlich unzuständig" ist. Ist sie dies nicht, so obliegt es der Einigungsstelle, über ihre „Zuständigkeit" ggf. als Vorfrage etwaiger Sachbefassung in eigener Verantwortung - dann freilich wiederum gerichtlich überprüfbar - selber zu befinden23.
II.
Das ist hier der Fall. Soweit die Arbeitgeberin die Anträge für gegenstandslos hält, kann dem nicht gefolgt werden:
1. Der im Einsetzungsverfahren allein statthaften „Evidenzkontrolle"24 hält das Verfahrensbegehren des Betriebsrats nämlich allemal stand. Insofern besteht insbesondere kein Grund, der Einigungsstelle und ihrer vorerwähnten kompetenziellen Selbstprüfung vorzugreifen. Als Prüfungsmaßstab besagter Evidenzkontrolle haben sich die befassten (Instanz-)Gerichte für Arbeitssachen in Ermangelung25 gesetzesredaktioneller „Gebrauchsanweisungen" mehrere griffige Faustregeln geschaffen, die im Wesentlichen auf dasselbe hinauslaufen: So hat das LAG Berlin schon im Februar 198026 in einer seinerzeit ersten fundierten Stellungnahme zum noch fast „druckfrischen" § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG die Formel geprägt, eine „offensichtliche" Unzuständigkeit der Einigungsstelle sei (nur) dann gegeben, wenn „sich die beizulegende Streitigkeit bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort27 erkennbar nicht unter die mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren" lasse28. Etwas anders und unter Rückgriff auf ministerielle Hinweise der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Fachreferenten akzentuierte das LAG Düsseldorf bereits Ende 198129 den Inhalt der Vorschrift: Das Gericht befand, Offensichtlichkeit im Sinne des Gesetzestexts sei „nur dann gegeben", wenn die Zuständigkeit der Einigungsstelle „unter keinem denkbaren Gesichtspunkt als möglich" erscheine30.
2. Von solchen Verhältnissen ist das hiesige Begehren des Betriebsrates weit entfernt. Es spricht vielmehr alles dafür, dass dem Betriebsrat die beanspruchte Mitsprache zusteht. Daran können die Einwände der Arbeitgeberin nichts ändern. - Der Reihe nach:
a. Keinen Bedenken unterliegt zunächst, dass der gewünschte Verhandlungsgegenstand dem Mitspracherecht des Betriebsrates thematisch unterliegt. Wie eingangs (s. oben, S. 2 [A.]) bereits zitiert, hat die Belegschaftsvertretung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG31 mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Hierzu hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bekanntlich schon kurz nach Inkrafttreten des BetrVG 1972 entschieden, dass das Beteiligungsrecht vom Nachweis einschlägiger Überwachungsabsicht des Arbeitgebers nicht abhängig sei: Vielmehr genüge, dass die betreffende Einrichtung sich zur Überwachung objektiv und unmittelbar eigne32. Dass die Einführung des betreffenden „Excel-Tools" hiernach thematisch ohne Weiteres in den Bereich der sogenannten erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrates fällt, macht die Arbeitgeberin dem hiesigen Antragsteller zu Recht nicht streitig. Dergleichen wäre angesichts ihrer Position im eingangs erwähnten Hamburger Verfahren umgekehrter prozessualer „Gefechtsordnung" (s. oben, S. 2 [I.]), auch widersprüchlich.
b. Wenn sie hier daher stattdessen darauf verweist (s. oben, S. 4-5 [V.]), die Einführung des „Excel-Tools" in ihrer Verkaufsfiliale 765 derzeit nicht zu beabsichtigen, so stellt dies gleichfalls keinen zureichenden Grund dar, dem Anspruchsteller die erstrebten Verhandlungen in der Einigungsstelle abzuschlagen:
ba. Ausgangspunkt dieses Befundes ist zunächst die langjährig gesicherte Erkenntnis, dass die erzwingbare Mitbestimmung in § 87 BetrVG innerhalb seines Anwendungsbereichs strukturell darauf abzielt, beiden Betriebsparteien die gleichen Rechte zu vermitteln: „Mitbestimmung", so heißt es beim Ersten Senat des BAG daher schon im November 197433 prägnant, „gleiche Rechte für beide Teile". Danach kann jede der Betriebsparteien bei Bedarf die Initiative ergreifen und bei Verweigerung der Gegenseite die Befassung der Einigungsstelle mit der Angelegenheit erzwingen. Nicht ohne Grund hat sich der parlamentarische Gesetzgeber seinerzeit gegen die Aufteilung des Mitbestimmungskatalogs des § 87 Abs. 1 BetrVG in solche Themenbereiche ausgesprochen, in denen dem Betriebsrat das sogenanntes „Initiativrecht" zustehen, und solche, in denen er nur reaktiv Mitsprache einfordern können sollte34. - Richtig ist allerdings auch, dass der Erste Senat des BAG dem Betriebsrat im gerade zitierten Beschluss aus dem November 198935 ein Initiativrecht auf dem Gebiet des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ausdrücklich abgesprochen hat36: Da es dem Sinn des Mitbestimmungstatbestandes entspreche, Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer anhand anonymer technischer Kontrolleinrichtungen nur bei gleichberechtigter Mitsprache des Betriebsrates zuzulassen, komme der Einschaltung der Belegschaftsvertretung hier „eine Abwehrfunktion" zu37. Dieser Zweckbestimmung des Mitbestimmungsrechts widerspreche es, „wenn der Betriebsrat selbst - gleich aus welchen Gründen - die Einführung einer solchen Kontroll-einrichtung" verlange38.
bb. Daraus ergibt sich jedoch kein Hindernis, dem Antragsbegehren des hiesigen Betriebsrats zu entsprechen. Zwar steht in der Tat außer Frage, dass das Beteiligungsrecht in § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG im Jahre 1972 als „kollektivrechtliche Ergänzung des individuellen Persönlichkeitsschutzes"39 der einzelnen Mitarbeiter in das Gesetz aufgenommen worden ist40. Das ist aber kein Grund, den Betriebsrat von jeder Initiative zur einschlägiger technischer Ausrüstung abzusprechen. - Im Gegenteil: Die Befugnisse des Gremiums wegen des besagten Schutzzweckes auf eine „Abwehrfunktion" (BAG a.a.O.) zu reduzieren, schüttet das Kind mit dem Bade aus. Dergleichen ist im Interesse des besagten Schutzes nicht erforderlich und verstellt den Weg zu gerade in jüngerer Zeit zunehmend bitter benötigter Dokumentationsvorsorge:
(1.) Der vorerwähnten Judikatur ist im Fachschrifttum treffend eine „unzulässige paternalistische Einstellung" vorgehalten worden, die mit dem Grundsatz auf gleichberechtigte Teilhabe nicht zu vereinbaren sei41. Ob die Arbeitnehmer und ihre Repräsentanten „ein Interesse an dokumentierten - und somit auch kontrollierten - Arbeitsbedingungen" hätten, sei „von diesen allein zu entscheiden"42. Soweit sich aus den Resultaten solcher Initiativen Unvereinbarkeiten mit geschützten Persönlichkeitsbelangen betroffener Arbeitspersonen ergäben, erfolge die benötigte Grenzziehung nicht beim Initiativrecht, sondern durch die „Binnenschranken der Betriebsautonomie"43. Dem entsprechen andere Stimmen im Schrifttum, die in ganz ähnlicher Weise neben Gestaltungsaufträgen an die gewählten Repräsentanten der Belegschaft44 insbesondere den in § 75 Abs. 2 BetrVG45 kodifizierten Persönlichkeitsschutz betonen, dem im Rahmen der Rechtskontrolle der Verhandlungsergebnisse der Betriebsparteien nach § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG4sachgerechter Geltung zu verschaffen47 sei.
(2.) Das ist auch richtig und sollte eine „Frontbegradigung" im Mitbestimmungskatalog des § 87 Abs. 1 BetrVG heute umso leichter fallen lassen, als die ebenso konkrete wie flexible Abstimmung widerstreitender Belange beim Persönlichkeitsschutz mittlerweile hinreichend entfaltet und geläufig ist48. Hinzu kommt, dass eine technische Verbesserung insbesondere des Nachweises betrieblicher Präsenz von Arbeitspersonen gerade in jüngster Zeit unter neuem Blickwinkel eingefordert wird: Gemeint ist die aktuelle Judikatur auf dem leidigen49 Gebiet der Vergütung von Über- und Mehrarbeit: Wie der Fünfte Senat des BAG50 unlängst überzeugend herausgearbeitet hat, genügt der Arbeitnehmer nunmehr insoweit seiner Darlegungslast, wenn er vortrage, „er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten", um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen51. Nicht zuletzt auf diesem Gebiet eröffnet sich ein weites Feld für die Neubewertung persönlichkeitsrelevanter Interessenlagen im Dienste realisierter Vertragsgerechtigkeit, die möglicherweise auch hinter der Initiative des hiesigen Antragstellers stehen. Jedenfalls bietet sich gerade mit Rücksicht darauf eine gute Gelegenheit, die merkwürdige Anomalie einer asymmetrischen52 Zuteilung von Initiativbefugnissen in § 87 Abs. 1 BetrVG in Übereinstimmung mit weiteren Stimmen des Fachschrifttums53 ohne Gesichtsverlust endlich fallenzulassen.
3. Da eine Alleinzuständigkeit des Gesamtbetriebsrates nach § 50 Abs. 1 BetrVG54 im Übrigen weder unterbreitet55 noch ersichtlich oder angesichts der unwidersprochenen Ausführungen des Betriebsrates zur Regelungsvielfalt der einzelnen Filialen (s. oben, S. 4 [vor IV.]) auch nur naheliegend erscheint, ist für Gestaltungsinitiativen örtlicher Belegschaftsrepräsentanten in Ermangelung entsprechender Delegation (§ 50 Abs. 2 BetrVG56) jedenfalls bis auf Weiteres allemal Raum.
III.
Die Konsequenzen spiegeln sich im Tenor zu I. und II. dieses Beschlusses, während die erwähnte (s. oben, S. 5 [B.]) Limitierung der Kopfzahl der Einigungsstelle auf jeweils zwei Beisitzer neben dem Vorsitzenden ihre Spur im Tenor zu III. hinterlässt.
Fußnoten
1) S. Text: „§ 76 Einigungsstelle.(1) Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. ... (2) Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seite einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsgericht. Dieses entscheidet auch, wenn kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielt wird".
2) S. Text: „§ 98 Entscheidung über die Besetzung der Einigungsstelle.(1) In den Fällen des § 76 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Betriebsverfassungsgesetzes entscheidet der Vorsitzende allein. Wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle können die Anträge nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. ... ".
3) S. Text: „§ 87 Mitbestimmungsrechte.(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: - 1. ... 6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen".
4) S. Kopie als Anlage A 5zur Antragsschrift (Bl. 21-30 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA"]).
4) S. Text: „§ 76 Einigungsstelle.(1) ... - (5) In Fällen, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, wird die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite tätig. Benennt eine Seite keine Mitglieder oder bleiben die von einer Seite genannten Mitglieder trotz rechtzeitiger Einladung der Sitzung fern, so entscheidet der Vorsitzende und die erschienenen Mitglieder nach Maßgabe des Absatzes 3 allein. Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen. Die Überschreitung der Grenzen des Ermessens kann durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Zuleitung des Beschlusses an gerechnet, beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden".
5) S. Kopie als Anlage A 1zur Antragsschrift (Bl. 17 GA).
6) Betriebliches Kürzel für „Personaleinsatzpläne"; d.U.
7) S. Kopie als Anlage A 2zur Antragsschrift (Bl. 18 GA).
8) S. Kopie als Anlage A 3zur Antragsschrift (Bl. 19 GA).
9) S. Antragsschrift S. 3 (Bl. 11 GA): „Im Monatsgespräch am 22.01.2013 hat Frau H.ihrem Betriebsrat erklärt, dass sie nicht bereit sei, mit dem Betriebsrat Verhandlungen zu 'PEP in Excel' aufzunehmen".
10) S. Antragsschrift S. 2 (Bl. 10 GA).
11) S. Antragsschrift S. 3 (Bl. 11 GA).
12) S. Antragsschrift a.a.O.
13) S. Antragsschrift S. 4 [3 a.] (Bl. 12 GA).
14) S. Antragsschrift S. 5 [vor c.] (Bl. 13 GA).
15) S. Antragsschrift a.a.O.
16) S. Antragsschrift a.a.O.
17) S. Antragserwiderungsschrift vom 19. Februar 2013 S. 2 (Bl. 37 GA).
18) S. Antragserwiderungsschrift a.a.O.
19) S. Sitzungsniederschrift vom 6.3.2012 (Bl. 41-42 GA).
20) S. Text oben, S. 2 Fn. 1.
21) S. Text oben, S. 2 Fn. 2.
22) S. Art. 1 Nr. 71 des Gesetzes zur Beschleunigung und Bereinigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens vom 21.5.1979 (BGBl. I S. 545, 556).
23) S. statt vieler bereits BAG3.4.1979 - 6 ABR 29/77 - AP § 87 BetrVG 1972 Nr. 2 [II.4 a.], wonach „die Einigungsstelle über ihre eigene Zuständigkeit als Vorfrage zunächst ... selbst zu entscheiden" habe.
24) S. im gleichen Sinne zutreffend schon LAG Berlin18.2.1980 - 9 TaBV 5/79 - AP § 98 ArbGG 1979 Nr. 1 [II.4 a.], wo im Interesse der Beschleunigung des Bestellungsverfahrens von einer (bloßen) „Offensichtlichkeitsprüfung" gesprochen wird; s. deutlich auch BAG24.11.1981 - 1 ABR 42/79 - AP § 76 BetrVG 1972 Nr. 11 [B.1.]: „weitgehende Einschränkung der Zuständigkeitsprüfung".
25) S. RegE zur Beschleunigungsnovelle zum ArbGG 1979 in BT-Drs. 8/1567 S. 39: „Bisher war streitig, ob der Vorsitzende bei der Bestellung des Vorsitzenden der Einigungsstelle nach § 76 zu prüfen hatte, ob die zugrunde liegende Frage überhaupt zur Zuständigkeit der Einigungsstelle gehört. Nach herrschender Auffassung ist dies der Fall, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Dem trägt das Gesetz jetzt ausdrücklich Rechnung".
26) S. LAG Berlin18.2.1980 (Fn. 24) [II.4 a.], wonach zumindest der „Blick in einen Kommentar" zur Vergewisserung über die richterliche Spontanbeurteilung unschädlich sei.
27) S. zur Relativierung dieses „Zeitfaktors" LAG Berlin18.2.1980 (Fn. 24) [II.4 a.], wonach zumindest der „Blick in einen Kommentar" zur Vergewisserung über die richterliche Spontanbeurteilung unschädlich sei.
28) S. LAG Berlin18.2.1980 (Fn. 24) [II.4 a.]; im Anschluss z.B.; LAG Hamburg9.3.1985 - 8 TaBV 11/85 - LAGE § 98 ArbGG 1979 Nr. 7 [1 a.]; LAG Hamm16.4.1986 - 12 TaBV 170/85 - BB 1986, 1359,1360 [II.B.1.]; LAG Nürnberg21.9.1992 - 7 TaBV 29/92 - NZA 1993, 281, 282; im gleichen Sinne etwa auch LAG Düsseldorf4.11.1988 - 17 (6) TaBV 144/88 - NZA 1989, 146 [III.2 a.]: Bestellungsantrag nur dann zurückzuweisen, „wenn sich aus dem zu seiner Begründung unterbreiteten Sachverhalt bei fachkundiger Beurteilung sofort erkennbar ergibt, dass die Subsumtion unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand nicht möglich ist. Dies muss ohne weitere Nachprüfung zweifelsfrei erkennbar sein. Der sachkundigen Beurteilung - hier durch den Kammervorsitzenden - muss sich das Fehlen jeglichen erzwingbaren Mitbestimmungsrechts und damit die Unbegründetheit des Antrags ohne weiteres aufdrängen".
29) S. LAG Düsseldorf21.12.1981 - 20 TaBV 92/81 - EzA § 98 ArbGG 1979 Nr. 4 [I.1.].
30) S. im Begründungskontext LAG Düsseldorf21.12.1981 a.a.O. [I.1.]: „Was offensichtlich (evident) ist, liegt auf der Hand und bedarf auch keiner weiteren Überlegungen oder Nachforschung in der Rechtsprechung und Rechtslehre. Es ist jedermann unmittelbar einsichtig und bedarf mit Ausnahme des Hinweises auf die Offensichtlichkeit keiner weiteren Begründung. Offensichtlichkeit ist danach nur dann gegeben, wenn die Zuständigkeit der Einigungsstelle unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint (so ausdrücklich Wlotzke-Schwedes-Lorenz, Das neue Arbeitsgerichtsgesetz 1979, § 98 Rn. 1)"; ähnlich LAG München13.3.1986 - 7 TaBV 5/86 - LAGE § 98 ArbGG 1979 Nr. 10 [I.]; LAG Düsseldorf21.8.1987 - 9 TaBV 132/86 - NZA 1988, 211, 213 [II.2 a.]; LAG Niedersachsen30.9.1988 - 3 TaBV 75/88 - NZA 1989, 149.
31) S. Text oben, S. 2 Fn. 3.
32) S. BAG9.9.1975 - 1 ABR 20/74 - BAGE 27, 256 = AP § 87 BetrVG 1972 Überwachung Nr. 2 = EzA § 87 BetrVG 1972 Kontrolleinrichtung Nr. 2 = NJW 1976, 261 [Leitsatz 1. u. II.3. - „Juris"-Rn. 25]: „Eine technische Einrichtung i.S. des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist dann dazu bestimmt, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, wenn die Einrichtung zur Überwachung objektiv und unmittelbar geeignet ist, ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitgeber dieses Ziel verfolgt und die durch die Überwachung gewonnenen Daten auch auswertet"; [II.3. - „Juris"-Rn. 25]: „Schutzgedanke der neuen Mitbestimmungsnorm ist es, Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer durch Verwendung anonymer technischer Kontrolleinrichtungen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen (...). § 75 Abs. 2 BetrVG verpflichtet Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Dieses Gebot ist auch bei der Auslegung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 a.a.O. zu berücksichtigen. Im Hinblick auf den überwachten Arbeitnehmer, in dessen Persönlichkeitsrecht eingegriffen wird, besteht aber kein Unterschied, ob seine Überwachung das erklärte Ziel der technischen Einrichtung oder nur ein Nebeneffekt ist und ob die aus der Überwachung gewonnenen Daten im Hinblick auf den Arbeitnehmer ausgewertet werden oder nicht. Eine Überwachung beginnt nicht erst mit der Auswertung der durch eine Überwachung ermittelten Werte"; entsprechend BAG14.9.1984 - 1 ABR 23/82 - BAGE 46, 367 = AP § 87 BetrVG 1972 Überwachung Nr. 9 = EzA § 87 BetrVG 1972 Kontrolleinrichtung Nr. 11 = NZA 1985, 28 [B.IV.1. - „Juris"-Rnrn. 47 u. 49]: „Unter technischer 'Überwachung' von Leistung oder Verhalten der Arbeitnehmer hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung stets einen Vorgang verstanden, durch den mit Hilfe einer technischen Einrichtung Informationen über das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer erhoben und - jedenfalls in der Regel - aufgezeichnet werden, damit diese Informationen auch der menschlichen Wahrnehmung zugänglich gemacht werden. ... [49] Zur Überwachung bestimmt ist eine solche technische Einrichtung dann, wenn diese aufgrund des verwendeten Programmes Verhaltens- oder Leistungsdaten selbst erhebt und aufzeichnet unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die durch die technische Einrichtung erfassten und festgehaltenen Verhaltens- oder Leistungsdaten auch auswerten oder zu Reaktionen auf festgestellte Verhaltens- oder Leistungsweisen verwenden will"; ständige Judikatur.
33) So BAG14.11.1974 - 1 ABR 65/73 - AP § 87 BetrVG 1972 Nr. 1 [II.2.]: „Wie das LAG dazu richtig ausführt, bedeutet 'Mitbestimmung' gleiche Rechte für beide Teile. Das hat zur Folge, dass - soweit sich nicht eine andere Regelung aus dem Gesetz oder dem Tarifvertrag ergibt - sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat die Initiative für eine erstrebte Regelung ergreifen und erforderlichenfalls zur verbindlichen Entscheidung der Einigungsstelle gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG unterbreiten kann"; im Anschluss BAG31.8.1982 - 1 ABR 27/80 - BAGE 40, 107 = AP § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 8 = EzA § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 13 = NJW 1983, 953 [B.III.3. - „Juris"-Rn. 53]; 28.11.1989 - 1 ABR 97/88 - BAGE 63, 283 = AP § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht Nr. 4 = EzA § 87 BetrVG 1972 Kontrolleinrichtung Nr. 18 = NZA 1990, 406 [B.II.2 a. - „Juris"-Rn. 21]: „Mitbestimmung beinhaltet gleiche Rechte für beide Teile mit der Folge, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat die Initiative für eine erstrebte Regelung ergreifen und zu deren Herbeiführung erforderlichenfalls die Einigungsstelle anrufen können".
34) S. dazu den Bericht des zuständigen Fachausschusses des Bundestages in BT-Drs. zu VI/2729 S. 4: „Allerdings sprach sich die Mehrheit gegen die im CDU-/CSU-Entwurf vorgesehene Aufteilung der sozialen Angelegenheiten aus, die zwischen solchen, in denen der Betriebsrat ein echtes Mitbestimmungsrecht, d.h. auch ein eigenes Initiativrecht hat, und solchen, die ausschließlich von der Initiative des Arbeitgebers abhängen und lediglich der Zustimmung des Betriebsrates bedürfen, unterscheidet. Die Mehrheit des Ausschusses erkannte an, dass nach der CDU/CSU-Vorlage der Kreis der beteiligungsbedürftigen Angelegenheiten ebenfalls erweitert werden sollte. Sie sah jedoch in dieser Aufspaltung eine sachlich nicht gebotene Einschränkung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates".
35) S. BAG28.11.1989 (Fn. 33).
36) S. BAG28.11.1989 (Fn. 33) [Leitsatz]: „Das Initiativrecht des Betriebsrats hinsichtlich des Mitbestimmungstatbestandes nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat nicht zum Inhalt, dass der Betriebsrat auch die Einführung einer technischen Kontrolleinrichtung verlangen kann".
37) S. BAG28.11.1989 (Fn. 33) [B.II.2 b. - „Juris"-Rn. 22].
38) S. BAG28.11.1989 (Fn. 33) [B.II.2 b.]: „Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kommt daher eine Abwehrfunktion gegenüber der Einführung solcher technischer Kontrolleinrichtungen zu, deren Einführung als solche nicht verboten ist und deren Anwendung unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer auch sinnvoll und geboten sein kann. Dieser Zweckbestimmung des Mitbestimmungsrechts widerspricht es jedoch, wenn der Betriebsrat selbst - gleich aus welchen Gründen - die Einführung einer solchen technischen Kontrolleinrichtung verlangt. Das gilt unabhängig davon, ob durch eine Kontrolleinrichtung tatsächlich Interessen der Arbeitnehmer berührt werden, ob der Betriebsrat eine solche Interessenbeeinträchtigung sieht oder ob er diese durch die nähere Ausgestaltung der mitbestimmten Regelung über die Anwendung der Kontrolleinrichtung ausschließen will".
39) So schon Günther Wiese, Anm. BAG [14.5.1974 - 1 ABR 45/73] AP § 87 BetrVG 1972 Überwachung Nr. 1 [II.]: „Entscheidend ist jedoch, dass dadurch ein präventiver Schutz der Persönlichkeitssphäre potentiell betroffener Arbeitnehmer ermöglicht wird (vgl. allgemein zur 'Filterwirkung' des Betriebsverfassungsrechts [Alfred] Söllner, Betrieb und Menschenwürde, RdA 1968, 437 [438]). Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 bildet somit die kollektivrechtliche Ergänzung des individuellen Persönlichkeitsschutzes".
40) S. Regierungsentwurf zum BetrVG in BT-Drs. VI/1786 S. 48-49 [Zu § 87- Mitbestimmungsrechte]: „Nummer 6ist neu und sieht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung solcher technischer Einrichtungen vor, die den Zweck haben, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, da derartige Kontrolleinrichtungen stark in den persönlichen Bereich der Arbeitnehmer eingreifen".
41) S. Wolfhard Kohte, in: Franz-Josef Düwell(Hrg.), Hako/BetrVG, 3. Auflage (2010), § 87 Rn. 20: „Dies ist eine unzulässig paternalistische Einstellung, die mit dem Grundsatz der gleichberechtigten Teilhabe nicht vereinbar ist. Ob die Arbeitnehmer und ihre Repräsentanten ein Interesse an dokumentierten - und insoweit auch kontrollierten - Arbeitsbedingungen haben, ist von diesen allein zu entscheiden; sofern eine solche Kontrolle mit § 75 unvereinbar ist, scheitert ein solcher Vorschlag nicht am Initiativrecht, sondern an den Binnenschranken der Betriebsautonomie"; s. derselbe a.a.O. Rn. 72: „Entgegen der Rechtsprechung des BAG ist auch ein Initiativrecht des Betriebsrats zu bejahen; dies ergibt sich aus dem Grundsatz der gleichberechtigten Teilhabe sowie aus dem bereits angesprochenen Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts".
42) S. Wolfhard Kohte(Fn. 41) - Zitat dort.
43) S. Wolfhard Kohte(Fn. 41) - Zitat dort.
44) S. hierzu etwa schon Jürgen Schlömp-Röder, Initiativrecht des Betriebsrates bei der Einführung technischer Kontrolleinrichtungen, CR 1990, 477, 479 [IV.]: „Die Mitbestimmung bei technischer Überwachung konnte vielleicht noch 1972 ausschließlich auf den Normzweck einer 'Abwehrfunktion' beschränkt werden. Angesichts der aktuellen Weiterentwicklung und Verbreitung computergestützter Datenverarbeitung stehen jedoch Betriebsräte bei einer klassischen 'Gefahrenabwehr' durch Verweigerung auf verlorenem Posten: reaktive Schutzstrategien reichen nicht aus, allein frühzeitige und aktive Gestaltungsvorschläge [mit Hinweis auf Albert Gnade/Karl Kehrmannu.a., BetrVG-Basiskommentar, 4. Auflage, 1990, § 87 Rn. 24] sichern einen gewissen Einfluss - und umgekehrt entwickelt Arbeitgeber ihrerseits Beteiligungskonzepte"; ders. AiB 1990, 475, 476.
45) S. Text: „§ 75 Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen.(1) ... (2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern".
47) S. dazu Wolfhard Kohte(Fn. 41) - Zitat dort; Jürgen Schlömp-Röder(Fn. 44) CR 1990, 477, 478 [III.]: „Die generelle Rechtsfolge des § 87 Abs. 1 BetrVG - 'der Betriebsrat hat ... mitzubestimmen' - wird für das Mitbestimmungsverfahren konkretisiert durch § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG, wonach die Einigungsstelle ihre Beschlüsse 'unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen' fasst. Dieser Ermessens-(Gestaltungs-)spielraum muss der Einigungsstelle zur Entscheidung von Regelungsfragen eingeräumt werden, wobei diese Entscheidung letztlich den Inhalt bzw. die Reichweite des Mitbestimmungsrechts konkretisiert. ... - Genau dieses Abgrenzungsproblem von Mitbestimmungsrecht und Regelung stellte Hanau bereits 1973 heraus: es gehe gar nicht um das Initiativrecht, sondern um die Abgrenzung des gesetzeskonformen Ermessens von Betriebsrat und Einigungsstelle bei der Mitbestimmung über materielle Angelegenheiten. ... Danach ist das berechtigte Interesse des Betriebsrates an einer konkreten Regelung bei der Ausübung seines Initiativrechts im Mitbestimmungsverfahren zu prüfen und nicht via Normzweck zu einer Einschränkung des Mitbestimmungstatbestandes bestimmt"; s. dazu auch den erwähnten Peter Hanau, Allgemeine Grundsätze der betrieblichen Mitbestimmung, RdA 1973, 281, 286: „Damit bringen die Autoren, die bekanntlich maßgeblich an der Ausarbeitung des neuen Gesetzes beteiligt waren, zum Ausdruck, dass der Betriebsrat an der Ausübung eines Initiativrechts nicht in allen Fällen ein berechtigtes Interesse habe. Trotzdem liegt das Problem m.E. etwas anders als es bisher meist gesehen wird. Es geht nämlich gar nicht um das Initiativrecht, sondern um die Abgrenzung des gesetzeskonformen Ermessens von Betriebsrat und Einigungsstelle bei der Mitbestimmung über materielle Angelegenheiten".
48) S. hierzu besonders anschaulich BAG26.8.2008 - 1 ABR 16/07 - BAGE 127, 276 = NZA 2008, 1187 = AP § 75 BetrVG 1972 Nr. 54 = EzA § 87 BetrVG 2001 Überwachung Nr. 2 [B.II.2 c. - „Juris"-Rn. 17]: „Eingriffe der Betriebsparteien in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer müssen durch schutzwürdige Belange anderer Grundrechtsträger gerechtfertigt sein. Das zulässige Maß einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser Grundsatz konkretisiert die den Betriebsparteien nach § 75 Abs. 2 BetrVG aufgelegte Verpflichtung (...). Er stellt einen tauglichen Maßstab zur Überprüfung von Betriebsvereinbarungen dar. ... [wird ausgeführt; d.U.]".
49) S. zum empirischen Lagebild instruktiv Joachim Klueß, Anm. BAG 16.5.2012 [5 AZR 347/11] ArbuR 2012, 408, 410 [I.]: „Pro Jahr fallen in Deutschland zwischen 1,5 Mrd. (2011) und 2,5 Mrd. (2010) Überstunden an. Ein kleinerer Teil wird bezahlt, ein größerer durch Freizeit abgegolten. Für 55% erfolgt jedoch keinerlei Ausgleich. Das wären im Schnitt über 1 Mrd. Überstunden jährlich, für die die AN keinerlei Gegenwert erhalten"; s. zum Problem bei Interesse etwa auch ArbG Berlin2.11.2012 - 28 Ca 13586/12 - DB 2012, 2875 [Leitsatz] (Volltext: „Juris") [I.2.]: „Die gutgemeine Rechtsprechung errichtet allerdings auch vielfach unübersteigbare Hürden gegen die Durchsetzung vollauf berechtigter Mehrarbeitsansprüche: Sie setzt nämlich beim Anspruchsteller ein Ausmaß an Dokumentationsvorsorge('Tagebuch') voraus, wie dieses herkömmlich allenfalls bei zutiefst gestörten Arbeitsbe-ziehungen anempfohlen oder im sogenannten 'Enthüllungsjournalismus' praktiziert wird".
50) S. BAG16.5.2012 - 5 AZR 347/11 - NJW 2012, 2680 = NZA 2012, 939 = MDR 2012, 1170.
51) S. BAG16.5.2012 (Fn. 50) [III.2 a. - „Juris"-Rn. 26]: „Da die konkret zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen".
52) S. pointiert Reinhard Richardi, in: ders. (Hrg), BetrVG, 13. Auflage (2011), § 87 Rn. 519: „Zustimmungsrecht und Initiativrecht sind ebenso wie bei der Mitbestimmung nach Nr. 3 nicht symmetrischausgestaltet (...)".
53) S. statt vieler etwa Gerd Engels/Ingrid Schmidt/Yvonne Trebinger/Wolfgang Linsenmeier, in: Karl Fitting(Begründer), BetrVG, 26. Auflage (2012), § 87 Rn. 251: „Auch im Rahmen der Nr. 6 hat der BR ein Initiativrecht. Er kann die Änderungbestehender Kontrolleinrichtungen verlangen (...). Er kann auch die Einführung der techn. Kontrolleinrichtung auf Grund seines im MBR nach Nr. 6 enthaltenen Mitgestaltungsauftrags (...) dann fordern, wenn dies im Interesse der ArbN (besonders) geboten erscheint: zB Kontrolleinrichtung zur Vermeidung unwürdiger (unangenehmer) körperlicher Untersuchungen oder Gesundheitsschäden der ArbN (...) oder zur Vermeidung der 'Selbstausbeutung' im Rahmen sog. Vertrauensarbeitszeit (...)"; s. auch Thomas Klebe, in: Wolfgang Däubleru.a. (Hrg.), 13. Auflage (2012), § 87 Rn. 166: „In dieser Allgemeinheit ist die Auffassung des BAG abzulehnen. So kann die Einführung oder Beibehaltung technischer Einrichtungen durchaus im Interesse der AN liegen und auch vom Schutzzweck umfasst werden, wie bei der zum Nachweis der eigenen Arbeitsleistung erforderlichen Zeiterfassung (...) oder in den von Däubler(...) angeführten Beispielen für Gesundheitsschutz und ärztliche Untersuchungen (...)".
54) S. Text: „§ 50 Zuständigkeit.(1) Der Gesamtbetriebsrat ist zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können; seine Zuständigkeit erstreckt sich insoweit auch auf Betriebe ohne Betriebsrat. Er ist den einzelnen Betriebsräten nicht übergeordnet".
55) S. zu den diesbezüglichen Anforderungen statt vieler BAG28.11.2006 - 1 ABR 4/06 - BAGE 120, 146 = AP § 87 BetrVG 1972 Überwachung Nr. 43 = EzA § 50 BetrVG 2001 Nr. 6 = NZA 2007, 399 [Leitsatz 1.]: „Die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Einführung eines elektronischen Datenverarbeitungssystems, das zur Verhaltens- und Leistungskontrolle bestimmt ist, obliegt gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG dem Gesamtbetriebsrat, wenn das System betriebsübergreifend eingeführt werden soll und eine unterschiedliche Ausgestaltung in den einzelnen Betrieben mit der einheitlichen Funktion des Systems nicht vereinbar wäre. (Rn. 29)".
56) S. Text: „§ 50 Zuständigkeit.(1) .. (2) Der Betriebsrat kann mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder den Gesamtbetriebsrat beauftragen, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln. Der Betriebsrat kann sich dabei die Entscheidungsbefugnis vorbehalten. § 27 Abs. 2 Satz 3 und 4 gilt entsprechend".