LAG Bremen: Gewöhnlicher Arbeitsort bei Montagearbeiter
LAG Bremen, Urteil vom 9.10.2014 – 1 SHa 4/14
Leitsätze
1. Ein fehlerhafter Verweisungsbeschluss wegen örtlicher Unzuständigkeit ist im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nur dann nicht bindend, wenn er offensichtlich fehlerhaft und zugleich greifbar gesetzwidrig ist.
2. Ein Montagearbeiter, der an verschiedenen Orten tätig werden soll, hat keinen gewöhnlichen Arbeitsort im Sinne des § 48 Abs. 1 a Satz 1 und 2 ArbGG, wenn er an seinem Wohnort keine Arbeitsleistungen wie z.B. Planung von Reisetätigkeiten, Schreiben von Berichten oder andere mit der Arbeitsleistung verbundene Tätigkeiten verrichtet. In einem solchen Fall kommt eine örtliche Zuständigkeit am Sitz des Betriebes gemäß § 29 ZPO bzw. § 12 ZPO in Betracht.
Aus den Gründen
I.
Mit seiner Klage vom 18.04.2013, beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven am 26.04.2013 eingegangen, hat der Kläger gegenüber den Beklagten verschiedene Anträge geltend gemacht:
1) Es wird festgestellt, dass der Kläger bei der Beklagten seit dem 13.08.2012 bis zum 31.01.2013 als Arbeitnehmer beschäftigt ist.
2) Die Beklagte zu I wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Oktober 2012 den sich aus einem Nettobetrag in Höhe von € 2.662,00 ergebenden Bruttobetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB auf den Nettobetrag seit dem 16. November 2012 zu zahlen.
3) Die Beklagte zu I wird verurteilt, an den Kläger für den Monat November 2012 den sich aus einem Nettobetrag in Höhe von € 2.273,60 ergebenden Bruttobetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB auf den Nettobetrag seit dem 16. Dezember 2012 zu zahlen.
4) Die Beklagte zu II wird (als Gesamtschuldnerin mit der Beklagten zu II) verurteilt, an den Kläger für den Monat Oktober 2012 einen Betrag in Höhe von netto € 1.573,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16. November 2012 zu zahlen.
5) Die Beklagte zu II wird (als Gesamtschuldnerin mit der Beklagten zu II) verurteilt, an den Kläger für den Monat November 2012 einen Betrag in Höhe von netto € 1.520,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16. Dezember 2012 zu zahlen.
8) Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Unterzeichnenden als Prozessbevollmächtigte, auch für den Mehrwert eines Vergleiches, bewilligt.
Mit einem 18.11.2013 beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven eingegangenen Schriftsatz vom 15.11.2013 hat der Kläger die Klage um folgende Anträge erweitert:
9. Die Beklagte zu 1). wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Dezember 2012 den sich aus einem Nettobetrag in Höhe von € 1.017,50 ergebenden Bruttobetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf den Nettobetrag seit dem 16. Januar 2013 zu zahlen.
10. Die Beklagte zu 1). wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Januar 2013 den sich aus einem Nettobetrag in Höhe von € 2.064,15 ergebenden Bruttobetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf den Nettobetrag seit dem 16. Februar 2013 zu zahlen.
Mit einem am 26.03.2014 beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven eingegangenen Schriftsatz vom 26.03.2014 hat der Kläger den Klagantrag zu 10. wie folgt geändert:
10. Die Beklagte zu 1). wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Januar 2013 brutto € 2.064,15 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf den Nettobetrag in Höhe von € 1.127,37 seit dem 16. Februar 2013 zu zahlen.
Am 30.09.2013 schlossen der Kläger und die Beklagte zu 2) folgenden Vergleich:
1. Die von der X gmbh am 06.06.2013 in der Angelegenheit I. ./. X bei den Rechtsanwälten ... treuhänderisch hinterlegten 3.098,00 € sichern nunmehr etwaige gegenüber der X bestehenden Ansprüche des Herrn P. aus dem Bauvorhaben Y in Bremen.
2. Herr P. erklärt in dem beim ArbG Bremen-Bremerhaven rechtshängigen Verfahren, Az.: 5 Ca 5189/13, den Rechtsstreit, soweit sich die Klage gegen die X gmbh richtet, für erledigt.
3. Sollte die mitverklagte Frau E in dem Klageverfahren 5 Ca 5189/13 rechtskräftig zur Zahlung der geltend gemachten Forderung ganz oder teilweise verurteilt werden sollte, wird entsprechend dem Rechenweg in der Klageschrift unter Berücksichtigung des gesetzlichen Mindestlohns ermittelt, welcher Nettobetrag von der X an Herrn P. zu zahlen wäre. Dieser Betrag wird dann aus dem treuhändisch hinterlegten Betrag an Herrn P. - zu Händen der Rechtsanwältin M. - ausgezahlt.
Sollte die Klage gegenüber Frau E abgewiesen werden, steht der treuhänderisch hinterlegte Betrag der X zur freien Verfügung.
Durch Beschluss vom 06.05.2014 wies das Landesarbeitsgericht, dem inzwischen die Beschwerde gegen den die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss vorlag, auf Bedenken hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts hin (Bl. 55 f d. PKH-Hefts). Mit einem am 16.05.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragte die Beklagte zu 1) Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgerichts Berlin, da die Beklagte dort ihren Sitz habe. Mit einem am 23.05.2014 beim Landesarbeitsgericht Bremen eingegangenen Schriftsatz vom 23.05.2014 hat der Kläger vorgetragen, dass das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven gemäß § 48 Abs. 1 a ArbGG örtlich zuständig sei. Im Übrigen habe der Kläger von seinem Wahlrecht nach § 35 ZPO Gebrauch gemacht. Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven sei auch wegen des Erfüllungsorts örtlich zuständig.
Durch Beschluss vom 28.05.2014 erklärte sich das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Berlin. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 296 ff. d. A. Bezug genommen. Durch Beschluss vom 13.06.2014 lehnte das Arbeitsgericht Berlin die Übernahme des Rechtsstreits ab und gab die Sache zurück an das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 303 f d. A. verwiesen.
Durch Beschluss vom 08.08.2014 trennte das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven den Rechtsstreit der Beklagten zu 2) ab. Ferner fasste das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven am 08.08.2014 einen Beschluss, in dem es sich für den Rechtsstreit für örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Berlin verwies. Wegen der Einzelheiten dieses Beschlusses wird auf Bl. 316 ff. d. A. Bezug genommen. Das Arbeitsgericht Berlin lehnte durch Beschluss vom 27.08.2014 erneut die Übernahme ab und verwies darauf, dass durch die Ablehnung der Übernahme mit Beschluss vom 13.06.2014 bereits die Situation des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO eingetreten sei. Das Arbeitsgericht Berlin fasste darüber hinaus den Beschluss:
Der Rechtsstreit wird gemäß § 36 Abs. 2 ZPO dem Landesarbeitsgericht Bremen zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Als örtlich zuständiges Arbeitsgericht ist das Arbeitsgericht Berlin für den Rechtsstreit zu bestimmen.
1. Nachdem sich sowohl das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven als auch das Arbeitsgericht Berlin mit rechtskräftigen - gemäß §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 und 3 GVG unanfechtbaren - Beschlüssen für örtlich unzuständig erklärt haben, ist das Landesarbeitsgericht Bremen gemäß § 36 Abs. 2 ZPO als das Landesarbeitsgericht, in dessen Bezirk das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven als das zunächst mit der Sache befasste Gericht liegt, dafür zuständig, auf die Vorlage des Arbeitsgerichts Berlin das örtlich zuständige Arbeitsgericht zu bestimmen.
Handelt es sich um einen Streit über die örtliche Zuständigkeit innerhalb des beschrittenen Rechtswegs, ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 36 Abs. 2 ZPO das Landesarbeitsgericht zuständig, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört (BAG Beschl. v. 07.02.2014 - 10 AS 3/14; Hessisches LAG Beschl. v. 09.06.2008 - 1 SHa 1/08). Die Vorlage ist in dem hier gegebenen Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auch ohne Antrag einer Partei von Amts wegen zulässig, um einen Verfahrensstillstand zu vermeiden (BGH Beschl. v. 31.01.1979 - IV ARZ 111/78 - NJW 1979, 1048; BGH Beschl. v. 07.03.1991 - I ARZ 15/91 - MDR 1991, 1199; Hessisches LAG Beschl. v. 09.06.2008 - 1 SHa 1/08).
2. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist das Arbeitsgericht Berlin als örtlich zuständiges Arbeitsgericht zu bestimmen.
a) Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit sind nach den §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, grundsätzlich bindend. Ein Verweisungsbeschluss, der mit verfahrensrechtlicher Bindungswirkung erlassen worden ist, wirkt auch im Bestimmungsverfahren fort und ist dort zu beachten. Die fehlende Anfechtbarkeit von Beschlüssen über die örtliche Zuständigkeit bewirkt, dass die Fehlerhaftigkeit eines Verweisungsbeschlusses demgemäß grundsätzlich hinzunehmen ist und nicht zu einer Anfechtbarkeit führt. Dies gilt selbst dann, wenn der Verweisungsbeschluss offensichtlich fehlerhaft ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss neben einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit zugleich noch greifbar gesetzeswidrig ist. Von einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit ist nur dann auszugehen, wenn eine krasse Rechtsverletzung vorliegt. Dies kann der Fall sein, wenn der Verweisungsbeschluss jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefasst ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem von ihnen beruht (BAG Beschl. v. 06.01.1998 - 4 AS 30/97). In einem solchen Fall wäre der Verweisungsbeschluss unter Berücksichtigung elementarer rechtsstaatlicher Grundsätze nicht mehr verständlich, damit offensichtlich unhaltbar und nicht mehr hinnehmbar (BAG Beschl. v. 06.01.1998 - 5 AS 30/97; LAG Schleswig-Holstein Beschl. v. 04.12.2008 - 4 SHa 8/08; LAG Köln Beschl. v. 17.08.2010 - 1 SHa 13/10 - LAGE Nr. 3 zu Art. 101 GG; LAG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 23.12.2010 - 6 SHa 2694/10; LAG Rheinland-Pfalz Beschl. v. 24.02.2012 - 8 SHa 3/12; LAG Hamm Beschl. v. 27.11.2013 - 1 SHa 17/13).
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verweisungsbeschlüsse des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 28.05.2014 und 08.08.2014 in einer Weise rechtsfehlerhaft sind, die an diesen Grundsätzen orientiert eine Durchbrechung der gesetzlichen Rechtsbindung rechtfertigen würde.
b) Der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 28.05.2014 ist nicht unter Versagung des rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten ergangen.
Das Landesarbeitsgericht hatte in dem Beschwerdeverfahren einen umfangreichen Hinweis zu der Frage der örtlichen Zuständigkeit erteilt. Zu diesem Hinweisbeschluss haben beide Parteien schriftsätzlich vorgetragen und ihre Auffassung mit Argumenten untermauert. Der Verweisungsbeschluss vom 28.05.2014 ist erst danach ergangen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 103 GG kann deshalb nicht angenommen werden, denn die Parteien mussten davon ausgehen, dass das Arbeitsgericht die rechtlichen Hinweise des Landesarbeitsgerichts verwerten würde und auch die Stellungnahmen der Parteien dazu. Wenn die Parteien nach Rückverweisung des Beschwerdeverfahrens - auch wenn sich dies auf die Versagung der Prozesskostenhilfe bezog - nicht weiter zu der Frage der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts vortrugen, obwohl die Beklagte zu 1) einen Verweisungsantrag an das Arbeitsgericht Berlin gestellt hatte, so ist festzustellen, dass den Parteien hinreichendes rechtliches Gehör, und zwar auch nach ihrer eigenen Ansicht gewährt worden war.
Sollte man entgegen der vorstehenden Auffassung der Meinung sein, dass vor Erlass des Verweisungsbeschlusses vom 28.05.2014 kein genügendes rechtliches Gehör den Verfahrensbeteiligten gewährt worden sei, so wäre jedenfalls ein solcher Verstoß geheilt. Nach Rückgabe der Akte durch das Arbeitsgericht Berlin mit Beschluss vom 13.06.2014 hatten die Parteien genügend Gelegenheit, zur Frage der örtlichen Zuständigkeit Stellung zu nehmen und haben davon auch Gebrauch gemacht. Durch den Beschluss vom 08.08.2014 hat das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven sich erneut für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Berlin verwiesen. Dieser Beschluss ist erst nach den weiteren Stellungnahmen der Parteien ergangen.
c) Die Verweisungsbeschlüsse können auch nicht deshalb als greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich eingeordnet werden, weil eine rügelose Einlassung der Beklagten zu 1) anzunehmen wäre.
Gemäß § 39 ZPO kann eine Zuständigkeit aus einer rügelosen Verhandlung zur Hauptsache erfolgen. Abgesehen davon, dass eine Belehrung hierzu gemäß § 504 ZPO erforderlich ist, ist nach der Rechtsprechung des BAG eine zuständigkeitsbegründende rügelose Einlassung erst durch mündliches Verhandeln im Kammertermin möglich (BAG Urt. v. 02.07.2008 - 10 AZR 355/07 - AP Nr. 1 zur Verordnung Nr. 44/2001/EG). Deshalb kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte zu 1) erst durch ihren Antrag auf Verweisung in dem Schriftsatz vom 15.05.2014 die Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts gerügt hat. Da ein Kammertermin nicht stattgefunden hatte, war die Rüge immer noch rechtzeitig.
d) Die Verweisungsbeschlüsse des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven sind nicht offensichtlich fehlerhaft und greifbar gesetzeswidrig.
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aa) Ein fehlerhafter Verweisungsbeschluss kann zwar grundsätzlich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf, darstellen. Eine krasse Rechtsverletzung, die willkürlich erscheint, kann aber regelmäßig nicht aus einer fehlerhaften materiellen Rechtsanwendung abgeleitet werden. Im Bereich der materiellen Rechtsanwendung ist die Annahme von Willkür nur unter besonderen Umständen möglich. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Gerichte wegen der den Richterinnen und Richtern verliehenen Unabhängigkeit (Art. 97 GG) bei der Auslegung und Anwendung von Normen einer vorherrschenden Meinung nicht zu folgen brauchen und jederzeit ihre eigene Rechtsauffassung vertreten können. Auch Rechtsanwendungsfehler, die zu einem Verweisungsbeschluss führen, der nicht hätte ergehen dürfen, lassen nicht automatisch dessen Bindungswirkung entfallen. Von willkürlicher Rechtsanwendung kann erst dann gesprochen werden, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt wird oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird (BVerfG Beschl. v. 03.11.1992 - 1 BvR 1243/88 - AP Nr. 5 zu § 31 BRAGO; BVerfG Beschl. v. 01.10.2009 - 1 BvR 1969/09 - NZS 2010, 384). Eine willkürliche Missdeutung liegt dabei noch nicht vor, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (LAG Köln Beschl. v. 17.08.2010 - 1 SHa 13/10 - LAGE Nr. 3 zu Art. 101 GG).
bb) Im vorliegenden Fall hat sich das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven in den Verweisungsbeschlüssen eingehend mit der Rechtslage auseinandergesetzt. Es hat § 48 Abs. 1 a ArbGG herangezogen und dessen Anwendungsbereich ausgelegt. Nach § 48 Abs. 1 a Satz 1 ArbGG ist für Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis auch das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Ist ein Arbeitsort in diesem Sinne nicht feststellbar, so ist nach § 48 Abs. 1 a Satz 2 ArbGG das Arbeitsgericht örtlich zuständig, von dessen Bezirk aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt verrichtet hat. Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass der Kläger seine Arbeiten an verschiedenen Orten verrichten sollte, da er Montagearbeiten verrichten sollte. Ein gewöhnlicher Ort der Arbeitsleistung war deshalb nicht feststellbar, auch wenn der Kläger im Verlauf des Vertragsverhältnisses die Arbeitsleistung zeitlich überwiegend in Bremen ausgeübt hat. Ehe der Kläger nach Bulgarien wieder ausreiste, war er zuletzt in Sindelfingen tätig und sollte an sich in Frankfurt weiter tätig sein. Ein gewöhnlicher Ort der Arbeitsleistung ist deshalb nicht feststellbar, auch ein zuletzt gewöhnlicher Arbeitsort nicht.
Ist ein gewöhnlicher Arbeitsort nicht feststellbar, so ist nach § 48 Abs. 1 a Satz 2 ArbGG eine örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gegeben, von dessen Bezirk aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt verrichtet hat. Dafür genügt es, wenn dort in gewissem Umfang Arbeitsleistungen erbracht werden, so z.B. Reisetätigkeiten geplant werden, Berichte geschrieben werden oder andere mit der Arbeitsleistung verbundene Tätigkeiten verrichtet werden (LAG Rheinland-Pfalz Beschl. v. 24.02.2012 - 8 SHa 3/12; LAG Sachsen-Anhalt Beschl. v. 23.07.2014 - 5 SHa 6/14). Es ist nicht vorgetragen worden, dass der Kläger in irgendeiner Weise von seinem Wohnort aus Arbeitsleistungen erbracht hat, sodass keine Anwendbarkeit von § 48 Abs. 1 a Satz 2 ArbGG gegeben ist. In der Bundestagsdrucksache (BT-Drucksache 16/7716, Seite 24) ist zu § 48 Abs. 1 a ArbGG Folgendes ausgeführt:
„(§ 48 a Abs. 1 a) Satz 2 regelt den Fall, dass ein Schwerpunkt der Tätigkeit nicht ermittelt werden kann, zum Beispiel, weil Tätigkeiten vertragsgemäß in mehreren Gerichtsbezirken zu erbringen sind. Es ist dann auf den Ort abzustellen, von dem aus die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung erbringt. Der Wohnort kann Arbeitsort sein, wenn dort mit der Arbeitsleistung verbundene Tätigkeiten erbracht werden, z. B. wenn ein Außendienstmitarbeiter zu Hause seine Reisetätigkeit für den ihm zugewiesenen Bezirk plant, Berichte schreibt oder andere mit der Arbeitsleistung verbundene Tätigkeiten verrichtet. Kein Arbeitsort ist gegeben, wenn sich z. B. ein Montagearbeiter oder ein Kraftfahrer im Rahmen einer Vielzahl einzelner weisungsgebundener Entsendungen vom Wohnort aus zum jeweiligen Einsatzort begibt.“
Es wird deshalb die Auffassung vertreten, dass in Fällen, in denen weder ein gewöhnlicher Arbeitsort feststellbar ist noch Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers von seinem Wohnsitz aus erfolgen, keine Zuständigkeit gemäß § 48 Abs. 1 a ArbGG begründet wird (ArbG Stendal Beschl. v. 24.03.2010 - 1 Ca 165/10; LAG Hamm Beschl. v. 27.11.2013 - 1 SHa 17/13: offen gelassen; GMP/Germelmann, ArbGG, 8. Aufl., Rdnr. 35 f zu § 48 ArbGG). Jedenfalls kann es dann nicht als willkürlich eingeordnet werden, wenn eine örtliche Zuständigkeit in dem Verweisungsbeschluss nicht gemäß § 48 Abs. 1 a ArbGG bejaht wird, sondern am Sitz des Betriebes, von dem die Arbeitsleistung gesteuert wird (LAG Köln Beschl. v. 17.08.2010 - 1 SHa 13/10 - LAGE Nr. 3 zu Art. 101 GG; LAG Hamm Beschl. v. 27.11.2013 - 1 SHa 17/13).
cc) Die Verweisungsbeschlüsse des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven sind auch nicht deshalb offensichtlich fehlerhaft und willkürlich, weil das Gericht nicht eine von dem Kläger getroffene Rechtswahl gemäß § 35 ZPO beachtet hätte.
Eine greifbare Gesetzeswidrigkeit wird insoweit angenommen, wenn sich das Gericht bei einer Verweisung über das dem Kläger gemäß § 35 ZPO zustehende Wahlrecht zwischen verschiedenen örtlich zuständigen Arbeitsgerichten und die erfolgte Wahl hinweggesetzt hat (LAG Sachsen-Anhalt Beschl. v. 23.07.2014 - 5 SHa 6/14; LAG Schleswig-Holstein Beschl. v. 04.12.2008 - 4 SHa 8/08). Das Wahlrecht gemäß § 35 ZPO kann bis zur Rechtshängigkeit einer Klage ausgeübt werden.
In der Klagschrift finden sich keine Hinweise darauf, dass der Kläger ein Wahlrecht ausüben wollte und die Klage etwa am Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO, wie er später vorgetragen hat, erheben wollte. Es ist demnach nicht erkennbar, dass der Kläger sein Wahlrecht ausüben wollte.
Selbst wenn man der Meinung wäre, dass allein in der Erhebung der Klage beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven die Ausübung des Wahlrechtes liegen sollte, würde dies nicht zu einer örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven für den Rechtsstreit führen. Zwar hat sich das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven in den Beschlüssen nicht ausdrücklich mit dem Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO auseinandergesetzt - es hat lediglich darauf hingewiesen, dass eine örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven nicht aus sonstigen Gründen oder Regelungen ersichtlich sei -. Verkennt das Arbeitsgericht, dass es für eine Klage auch nach § 29 ZPO zuständig sein könnte, so kann der Verweisungsbeschluss möglicherweise keine Bindungswirkung entfalten (BAG Beschl. v. 06.01.1998 - 5 AS 30/97). Im vorliegenden Fall führt dies aber nicht zur Fehlerhaftigkeit des Verweisungsbeschlusses, weil keine örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven gemäß § 29 Abs. 1 ZPO für den vorliegenden Rechtsstreit begründet ist.
Nach der Rechtsprechung des BAG ist zur Bestimmung des Erfüllungsorts bei Arbeitsverhältnissen in der Regel von einem einheitlichen (gemeinsamen) Erfüllungsort auszugehen. Dies ist der Ort, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat, wobei der Gerichtsstand des Erfüllungsorts für alle Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis gilt (BAG Urt. v. 09.10.2002 - 5 AZR 307/01 - AP Nr. 18 zu § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit; LAG Schleswig-Holstein Beschl. v. 04.12.2008 - 4 SHa 8/08). Nach der Rechtsprechung des BAG soll aber in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer an mehreren Orten tätig ist, und in denen eigentlich ein einheitlicher (gemeinsamer) Erfüllungsort nicht festgestellt werden kann, der Wohnsitz des Arbeitnehmers als einheitlicher Erfüllungsort für sämtliche Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer von seinem Wohnsitz aus Arbeitsleistungen erbringt (BAG Urt. v. 12.06.1986 - 2 AZR 398/85 - AP Nr. 1 zu Art. 5 Brüsseler Abkommen). Im Gegensatz hierzu sollen die Fälle stehen, in denen der Arbeitnehmer vom Betriebssitz aus weisungsgebundene Entsendungen erhält und damit Schwerpunkt der Dienstleistung der Sitz des Betriebes ist. Dies gilt insbesondere auch für Montagearbeiter (BAG Urt. v. 12.06.1986 - 2 AZR 398/85 - AP Nr. 1 zu Art. 5 Brüsseler Abkommen; ArbG Stendal Beschl. v. 24.03.2010 - 1 Ca 165/10; GMP/Germelmann, ArbGG, a.a.O., Rdnr. 42 zu § 48 ArbGG). Danach ist im vorliegenden Fall auch in Anwendung des § 29 ZPO für das Vertragsverhältnis der Parteien nicht Bremen als einheitlicher Erfüllungsort anzusehen, sondern es verbleibt bei dem allgemeinen Gerichtsstand des Sitzes der Beklagten zu 1) (§§ 12, 13 ZPO). Deshalb hat das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven nicht verkannt, dass der Kläger ein ihm zustehendes Wahlrecht ausgeübt hat und zutreffender Weise für die Klageinreichung das Gericht des Erfüllungsorts im Sinne des § 29 ZPO gewählt hat. Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven konnte in dem Verweisungsbeschluss daher darauf abstellen, dass eine örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven auch nicht aus sonstigen Gründen oder Regelungen ersichtlich sei.
dd) Die Bindungswirkung der Verweisungsbeschlüsse des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven wird damit nicht unterbrochen. Die Verweisung stellt sich nicht als eine Fehlerhaftigkeit dar, die eine krasse Rechtsverletzung beinhaltet und sich als Beleg willkürlicher Rechtsfindung einordnen lässt. Das Arbeitsgericht Berlin ist daher aufgrund des Verweisungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven für den Rechtsstreit örtlich zuständig.
3. Mangels Abweichung von einer Entscheidung des BAG oder einer Entscheidung eines anderen Landesarbeitsgerichts bedurfte es keiner Vorlage an das BAG entsprechend § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
4. Die Kosten des Beschlusses sind Kosten des Verfahrens (BGH Beschl. v. 10.12.1987 - I ARZ 809/87 - NJW 1988, 1794; LAG Hamm Beschl. v. 27.11.2013 - 1 SHa 17/13; LAG Sachsen-Anhalt Beschl. v. 23.07.2014 - 5 SHa 6/14 - m.w.N.).
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 37 Abs. 2 ZPO).