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Arbeitsrecht
11.08.2022
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Gerichtsgebühr – Vergleich nach Urteilsverkündung

LAG Nürnberg, Beschluss vom 3.6.2022 – 8 Ta 33/22

Volltext: BB-Online BBL2022-1907-3

Leitsatz

Auch wenn die Parteien im arbeitsrechtlichen Verfahren erst nach Verkündung eines Urteils, aber vor dessen Rechtskraft oder vor Einlegung eines Rechtsmittels einen verfahrensbeendenden Vergleich schließen, entfallen die Gerichtsgebühren nach der Vorbemerkung 8 KVGKG

 

Sachverhalt

A.

Im Ausgangsverfahren hat das Arbeitsgericht Bamberg am 09.11.2021 ein Endurteil verkündet und mit diesem Endurteil der Kündigungsschutzklage gegen eine außerordentliche Kündigung, vorsorglich ordentliche Kündigung, vom 20.04.2021 in vollem Umfang stattgegeben. Nach Verkündung dieses Urteiles hatten die Parteivertreter außergerichtliche Vergleichsverhandlungen aufgenommen, die erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Mit Beschluss vom 28.01.2022 hat das Arbeitsgericht Bamberg gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt, dass ein gerichtlicher Vergleich zustande gekommen ist, mit dem die Parteien den Rechtsstreit vollumfänglich erledigt und darüber hinaus das Arbeitsverhältnis vollständig abgewickelt haben. Darüber hinaus waren sich die Parteien einig, dass aus dem Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 09.11.2021 keine Rechtswirkungen hergeleitet werden und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.

Nach dieser Feststellung nach § 278 Abs. 6 ZPO hat der Erstrichter ein Endurteil abgesetzt und von der Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe aufgrund des Vergleiches vom 28.01.2022 und der dadurch bewirkten Erledigung des Rechtsstreits analog § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 313a Abs. 1 und Abs. 2 ZPO abgesehen.

Die Urkundsbeamtin des Arbeitsgerichts Bamberg hat das Verfahren am 22.02.2022 als gebührenfrei behandelt und die Akte dem Bezirksrevisor des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vorgelegt. Der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse vertritt die Auffassung, dass bei der vorliegenden Konstellation die Verfahrensgebühr nicht entfallen sei, sondern sich lediglich auf 0,4 ermäßigt habe. Deshalb legte er gegen den Kostenansatz der Urkundsbeamtin des Arbeitsgerichts Bamberg am 25.02.2022 Erinnerung ein und beantragte den entsprechenden Gebührenansatz und die Zulassung der Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Nürnberg wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die Kostenbeamtin half der Erinnerung des Bezirksrevisors nicht ab und legte sie dem Kammervorsitzenden der 5. Kammer des Arbeitsgerichtes Bamberg zur Entscheidung vor. Sie ist der Ansicht, dass die Kostenprivilegierung gemäß der Vorbemerkung 8 KVGKG greife. Diese Regelung sei auch nach Urteilsverkündung anwendbar. Eine zeitliche Begrenzung der Vorbemerkung 8 KVGKG lasse sich der Regelung nicht entnehmen, der Gebührenwegfall sei in der Vorbemerkung auch nicht an bestimmte Verfahrensabschnitte gebunden. Bei der Vorbemerkung 8 KVGKG handele es sich um eine Besonderheit, die mit ihrem Inhalt ausschließlich für die Gerichte für Arbeitssachen gelte. Hintergrund der Regelung sei nicht allein die Arbeitsersparnis für die Gerichte. Nach der Gesetzesbegründung solle vielmehr jede Form der Verständigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in besonderer Weise auch gebührenrechtlich gefördert, also ein sozialpolitischer Zweck verfolgt werden.

Der Vorsitzende der 5. Kammer des Arbeitsgerichts Bamberg wies mit Beschluss vom 11.04.2022 die Erinnerung des Bezirksrevisors vom 25.02.2022 gegen den Kostenansatz der Kostenbeamtin vom 22.02.2022 zurück und ließ die Beschwerde zu. Nach Wertung des Vorsitzenden umfasse die Vorbemerkung 8 KVGKG auch die verfahrensgegenständliche Konstellation, dass die Parteien den Rechtsstreit im Anschluss an ein gerichtliches Endurteil durch gerichtlichen Vergleich erledigen. Die umfassende Beilegung des Rechtsstreits im Anschluss an das verkündete, aber noch nicht vollständig abgefasste Endurteil vom 09.11.2021 erfülle die Voraussetzungen der Vorbemerkung 8 KVGKG. Die Kostenprivilegierung nach der Vorbemerkung 8 KVGKG entspreche dem Willen des Gesetzgebers, den Abschluss eines Vergleichs in größerem Maße zu belohnen als die anderen in der Nr. 8211 KVGKG aufgeführten Erledigungstatbestände. Aus dieser Vorbemerkung 8 sei eine zeitliche Begrenzung, dass diese nach Urteilsverkündung unanwendbar sei, nicht ersichtlich. Es lasse sich auch nicht entnehmen, dass der Gebührenwegfall an bestimmte Verfahrensabschnitte gebunden sei. Zwar würde bereits die Ermäßigung der 2,0 Gebühr nach Nr. 8210 KVGKG auf eine 0,4 Gebühr nach Nr. 8211 KVGKG eine signifikante Kostenprivilegierung darstellen, die nach den Erledigungstatbeständen Nrn. 1, 2 und 3 der Nr. 8211 KVGKG erkennbar der gerichtlichen Arbeitsersparnis Rechnung trage. Diese Erledigungstatbestände würden jedoch nicht die Beendigung des Verfahrens durch einen gerichtlichen Vergleich betreffen. Ein gerichtlicher Vergleich entfalte gegenüber anderen Erledigungstatbeständen Vielfachregelungen, die über den Verfahrensgegenstand hinausgingen. Es erscheine sachgerecht, den Abschluss eines Vergleichs in besonderem Maße durch einen vollständigen Gebührenentfall zu honorieren.

Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 11.04.2022 hat der Bezirksrevisor mit Schreiben vom 26.04.2022, eingegangen per Telefax beim Arbeitsgericht Bamberg am 26.04.2022, Beschwerde eingelegt. Mit Einreichung der Klage sei die 2,0 Verfahrensgebühr Nr. 8210 KVGKG angefallen. Das Gerichtskostengesetz kenne zwei Wegfalltatbestände. Da vorliegend streitig verhandelt worden sei, bleibe die Vorbemerkung 8 KVGKG zu prüfen. Darüber hinaus gebe es Ermäßigungstatbestände auf 0,4 Gebühren, KV 8211 GKG. Die Rechtsfrage, ob nach Erlass eines Urteils die Vorbemerkung 8 überhaupt greifen könne, werde konträr behandelt. Auch wenn man sich der Meinung anschließe, dass die Kostenprivilegierung eingreife, wenn vor Eintritt der Rechtskraft oder der Einlegung eines Rechtsmittels ein Vergleich geschlossen werde, da bei Beendigung des Verfahrens nicht stets auf die Fälligkeitsbestimmung des GKG abzustellen sei, müsse ein Gebührenanfall vorliegend bejaht werden. Das Arbeitsgericht Bamberg habe das Urteil nach geschlossenem Vergleich noch "abgesetzt". Hätte der Vergleich "alles" erledigt, wäre dies nicht mehr notwendig gewesen. Es liege objektiv ein Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe vor und somit der Ermäßigungstatbestand auf 0,4 Gebühren.

Das Arbeitsgericht Bamberg hat mit Beschluss vom 03.05.2022 der Beschwerde des Bezirksrevisors nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt. Nach Nr. 8211 Nr. 2 KVGKG ermäßige sich die 2,0 Gebühr nach Nr. 8210 KVGKG bei Beendigung des gesamten Verfahrens nach streitiger Verhandlung unter anderem durch Urteil, das nach § 313a Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthalte, auf 0,4 Gebühren. Aufgrund des zwischen den Parteien nach Verkündung des Endurteils abgeschlossenen gerichtlichen Vergleiches, des Vergleichsfeststellungsbeschlusses und der dadurch bewirkten Erledigung des Rechtsstreits sei analog §§ 269 Abs. 3 ZPO, 313a Abs. 1, 2 ZPO von der Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe abgesehen worden. Die schriftliche "Abfassung" des Endurteils habe ausschließlich der formalen Prozessbeendigung gedient. Materiellrechtlich sei das Verfahren durch den von den Parteien nach Verkündung des Endurteils geschlossenen umfassenden gerichtlichen Vergleich beendet worden. Die Gesamterledigung durch den Vergleich falle unter die Kostenprivilegierung der Vorbemerkung 8 KVGKG.

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat dem Bezirksrevisor und den Parteivertretern Gelegenheit gegeben zu dem Nichtabhilfebeschluss Stellung zu nehmen.

Der Bezirksrevisor wiederholte in seiner Stellungnahme seine bisher vertretene Ansicht, dass nach Verkündung des Urteils kein Wegfall der Gebühr mehr eintreten kann, da die Tätigkeit des Gerichts abgeschlossen sei. Die Gerichtsgebühren seien der "Preis" für den gerichtlichen Aufwand. Darüber hinaus sei vorliegend das Urteil nach Abschluss des Vergleiches noch ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe abgesetzt worden. Hätte der Vergleich den Rechtsstreit vollumfänglich erledigt, wäre die Absetzung nicht mehr erforderlich gewesen.

Von den Parteivertretern erfolgte keine Stellungnahme.

Aus den Gründen

B.

Die an sich statthafte und zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors ist in der Sache nicht gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht Bamberg hat zu Recht mit Beschluss vom 11.04.2022 die Erinnerung des Bezirksrevisors zurückgewiesen.

Es ist streitig, ob ein nach Verkündung eines Urteils abgeschlossener Vergleich die gebührenrechtliche Privilegierung nach der Vorbemerkung 8 KVGKG herbeiführt.

Nach einer Auffassung soll der Abschluss eines Vergleiches nach Verkündung eines Urteils keine gebührenrechtlichen Auswirkungen mehr haben. Nach dieser Ansicht müsse der gerichtliche Vergleich vor Verkündung der die Instanz beendenden Entscheidung geschlossen sein. Zwar können die Parteien den Rechtsstreit bis zur Rechtskraft der Entscheidung noch durch Vergleich beenden, doch ziele die - nach dieser Ansicht - gesetzgeberische Intention der kostenmäßigen Vergleichsprivilegierung auf eine in diesen Fällen nicht mehr erreichbare Entlastung der Gerichte (so Ostrowicz, Künzl, Scholz, Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl. 2020, 10.1 Rz. 346; Dr. S. Stadler im Handbuch Kündigungsrecht, 5. Aufl. 2017, § 40). Der kostenrechtlich maßgebende Zeitpunkt der Instanzbeendigung trete mit der Verkündung des Urteils ein, sodass ein danach abgeschlossener Vergleich nicht mehr zu einer Beendigung des Verfahrens führen könne (so LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.07.1991 - 2 Sa 18/90 - zu Nr. 2.1.2.1 des Gebührenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 12 ArbGG; LAG Köln, Beschluss vom 21.08.1985 - 8 Ta 136/85; LAG Hessen, Beschluss vom 31.08.2011 - 13 Ta 350/11 - kein Gebührenentfall, wenn sich die Parteien nach Zustellung des vollständig abgefassten Urteils vergleichen, jeweils in juris recherchiert).

Das LAG Hessen führt in seinem Beschluss vom 31.08.2011 zur Begründung aus, dass die Verfahrensgebühr nicht entfallen könne, wenn die Parteien den Vergleich erst nach Zustellung des arbeitsgerichtlichen Urteils während des Laufs der Berufungsfrist zwischen den Instanzen geschlossen haben. In diesem Zeitraum sei der Abschluss eines Vergleichs zwar möglich, häufig sogar geboten. Eine kostenrechtliche Privilegierung gemäß Vorbemerkung 8 könne er aber nicht mehr erfahren. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und Sinn der Vorbemerkung 8 KVGKG. Kostenrechtlich sei die Instanz mit Verkündung des Urteils beendet, nicht erst mit Zustellung des Urteils oder dessen Rechtskraft. Dies folge aus § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Danach seien Gebühren und Auslagen fällig, wenn eine unbedingte Entscheidung über die Kosten ergangen sei. Eine Zustellung des Urteils oder gar dessen Rechtskraft seien nicht nötig. Die Vorbemerkung 8 KVGKG solle den Abschluss eines Vergleiches kostenrechtlich privilegieren, wenn dem Gericht dadurch Arbeit erspart werde. Dies sei nach der Verkündung und Abfassung des Urteils nicht mehr der Fall. Alle für das Gericht in Betracht kommenden Tätigkeiten seien dann bereits erbracht. Die in Nr. 8211 KVGKG geregelte Gebührenermäßigung auf 0,4 komme zwar nur in Betracht, wenn zuvor kein Urteil ergangen sei. Daraus folge aber nicht, dass umgekehrt bei Wegfall der Gebühr nach einem Vergleich gemäß Vorbemerkung 8 KVGKG ein Urteil vorausgegangen sein dürfe. Dieser Umkehrschluss sei nicht zwingend und berücksichtige nicht die Ratio der Vorbemerkung 8 KVGKG (LAG Hessen, a. a. O.).

Nach anderer Ansicht (Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Kommentar, § 12 Kosten; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.05.2001 - 4 Ta 29/01; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 05.02.2020 - 13 Ta 96/19; LAG Hamm, Beschluss vom 07.12.2010 - 6 Ta 486/10, jeweils in juris recherchiert; Roloff in "Das moderne Kostenrecht im arbeitsgerichtlichen Verfahren" NZA 2007, Seite 900 ff.) führt auch ein nach Verkündung des Urteils geschlossener Vergleich, soweit das Verfahren noch beim Arbeitsgericht schwebt, also weder rechtskräftig abgeschlossen ist noch ein Rechtsmittel eingelegt ist, zur Kostenprivilegierung.

Der letzten Ansicht ist zu folgen.

Die Gesetzgeber wollten mit der Reform im Jahr 2004 das Gebührenniveau in arbeitsgerichtlichen Verfahren unter dem der Verfahren der ordentlichen Gerichte halten, die Prozessparteien sollten aber stärker an den Kosten des Verfahrens beteiligt werden (BT Drs. 15/1971 Seite 175). Die Struktur für die arbeitsgerichtlichen Verfahren in Bezug auf die Gebührentatbestände und die Gebührenhöhe sollten sich aber weiterhin von denen des Zivilprozesses unterscheiden. Jede Form der Verständigung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber soll auch weiterhin gefördert werden (Roloff, a. a. O., Seite 900 ff.). Das Kostenrecht ist zwingendes öffentliches Abgabenrecht. Es ist nach dem Wortlaut und der Systematik auszulegen. Der Sinn und Zweck der Vorschrift ist im engen Umfang daneben zu beachten, der Wortlaut darf nur in engen Grenzen überschritten werden (Roloff, a. a. O.; Hartmann, Kostengesetz, 36. Aufl., Einleitung II Rn. 3). Kosten, also Gebühren und Auslagen, dürfen nur insoweit erhoben werden, als das Gesetz dies ausdrücklich erlaubt, § 1 GKG. Die Vorschriften sind somit als Ausnahmen vom Grundsatz eng auszulegen. Die Fälligkeit der Kosten bei den Gerichten für Arbeitssachen richtet sich nach §§ 6 Abs. 4, 9 GKG. Die Parteien sollen vollständig erst "zur Kasse gebeten" werden, wenn einer der Fälligkeitstatbestände des § 9 Abs. 2 GKG erfüllt ist. Es ist somit zwischen dem Entstehen, also dem Erwachsen der Kostenschuld und ihrer Fälligkeit zu unterscheiden. Die Verfahrensgebühr etwa entsteht auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit der Einleitung des Verfahrens, sie ist nur noch nicht fällig (Roloff, a. a. O., Seite 900 ff.). Eine Urteilsgebühr ist für das erstinstanzliche Verfahren vor den Arbeitsgerichten überhaupt nicht vorgesehen.

Nach § 9 Abs. 2 GKG werden die Gebühren und Auslagen fällig, wenn eine unbedingte Entscheidung über die Kosten ergangen ist, das Verfahren oder Rechtszug durch gerichtlichen Vergleich oder Zurücknahme beendet ist, das Verfahren sechs Monate geruht oder sechs Monate nicht betrieben worden ist, das Verfahren sechs Monate unterbrochen oder sechs Monate ausgesetzt war oder das Verfahren durch anderweitige Erledigung beendet ist. Nach Nr. 8210 Abs. 2 KVGKG entfällt die Gebührenerhebung insgesamt. Der komplette Wegfall der Gebühren ist eine arbeitsrechtliche Besonderheit. Während in bürgerlichen Streitigkeiten nach Nr. 1211 KVGKG der gerichtliche Vergleich nach der Verkündung des Urteils eine Privilegierung ausschließt, könnte nach dem Wortlaut der Vorbemerkung 8 KVGKG auch der gerichtliche Vergleich nach Verkündung der streitigen Entscheidung durch das Gericht die Gebühr entfallen lassen. Die Parteien können nämlich prozessual bis zur Rechtskraft der Entscheidung einen Prozessvergleich abschließen (Musielak/Lackmann, ZPO 5. Aufl. § 794 ZPO Rn. 4 mit weiteren Hinweisen). Anders als bei der Nr. 1211 KVGKG hat der Gesetzgeber den Vergleich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aber vor die Klammer gezogen und ihm damit eine umfassende Vorrangstellung eingeräumt. Anders als Nr. 8210 Schlussbemerkung Abs. 2 Satz 1 KVGKG steht auch der vorherige Erlass eines Versäumnisurteils dem Wegfall der Gebühr bei einem Vergleich nicht im Wege. Außerdem entfällt die Privilegierung anders als bei Nr. 8211 Nr. 1 KVGKG nicht nach einer vorherigen Verkündung der Entscheidung (Roloff, a. a. O.). Nach dem Wortlaut der Vorbemerkung 8 KVGKG ist für den Gebührenentfall lediglich die Beendigung des Verfahrens durch Vergleich erforderlich. Ein letztmöglicher Zeitpunkt in der betreffenden Instanz (letzte mündliche Verhandlung, Verkündung einer Instanz abschließenden Entscheidung) wird nicht zur Voraussetzung des Gebührenentfalles gemacht. Anders als für die anderen Gerichtsbarkeiten und für die Arbeitsgerichtsbarkeit in Nr. 8211, 8222, 8232 und 8322 KVGKG für die Ermäßigung der Gebühr wird das Entfallen der Gebühr im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen als Vorbemerkung vor die Klammer gezogen und ausdrücklich nicht - wie bei den genannten Fällen der Gebührenermäßigung - vom Nichtvorliegen vorheriger abschließender Entscheidungen abhängig gemacht. Damit wird im GKG die frühere Gebührenprivilegierung des arbeitsgerichtlichen Vergleichs im Urteilsverfahren fortgeschrieben. Es ist zwischen der Frage der Gebührenbefreiung und der Frage der Gebührenfälligkeit zu unterscheiden. Dass die Fälligkeit der Gerichtsgebühren in Folge des Erlasses des Urteils eintritt, ändert nichts daran, dass die weitere Prozessentwicklung zum Wegfall des bereits fälligen Gebührenanspruchs führen kann. Die bereits angefallene und gegebenenfalls bereits fällige Gebühr entfällt nach der Vorbemerkung 8 KVGKG nachträglich (so auch LAG Hamm, Beschluss vom 07.12.2010 - 6 Ta 486/10, in juris recherchiert). Denn der Sinn und Zweck der Vorbemerkung 8 erschöpft sich nicht darin, eine für das Gericht eintretende Arbeitsersparnis zu honorieren. Vielmehr verfolgt der Gesetzgeber mit der Regelung vordringlich aus sozialpolitischen Gründen das Anliegen, eine Verständigung zwischen den Parteien in besonderer Weise gebührenrechtlich zu fördern.

Der Begriff der Beendigung in der Vorbemerkung 8 ist auch nicht zwangsläufig als kostenrechtliche Beendigung des Verfahrens auszulegen, die also dann eintritt, wenn eine Kostengrundentscheidung vorliegt und eine Gebühr fällig geworden ist. Der Systematik der gesetzlichen Regelung lässt sich nämlich entnehmen, dass für den Begriff "der Beendigung des Verfahrens" nicht stets auf die Fälligkeitsbestimmung des Gerichtskostengesetzes abzustellen ist (so auch LAG Düsseldorf, Beschluss vom 05.02.2020 - 13 Ta 96/19, in juris recherchiert). Nr. 8211 Ziffer 2 KVGKG ermäßigt unter anderem dann die Gebühr, wenn eine Beendigung des gesamten Verfahrens durch ein Urteil vorliegt, das nach § 313a Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält. Nach § 313a Abs. 3 ZPO kann der insoweit erforderliche Verzicht der Parteien auch noch nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung des Termins erklärt werden, indem das Urteil verkündet worden ist. Insoweit bedeutet die Verkündung des Urteils keine zeitliche Zäsur für das Eingreifen der Regelung zur Kostenprivilegierung. Die Regelung der Nr. 8211 Ziffer 2 KVGKG beweist vielmehr, dass auch noch nach Eintritt der Fälligkeit der Vergütung Änderungen der Gebührenhöhe eintreten können. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb dies bei der Vorbemerkung 8 KVGKG anders sein soll. Der Gebührenwegfall bei Abschluss eines Vergleichs ist mit der Vorbemerkung sogar "vor die Klammer gezogen". Die Regelung zeitlich enger einzugrenzen als die nachfolgenden Regelungen erscheint inkonsequent und widerspricht dem Willen des Gesetzgebers, den Abschluss eines Vergleichs in größerem Maß zu belohnen, als die anderen in Nr. 8211 KVGKG aufgeführten Tatbestände (so auch LAG Düsseldorf, Beschluss vom 05.02.2020, a. a. O.). Für den kostenrechtlichen Begriff der "Beendigung des Verfahrens" ist somit der Tatbestand maßgeblich, der das Verfahren beim Arbeitsgericht zum Abschluss bringt. Abgeschlossen ist das Verfahren, wenn das Arbeitsgericht nicht mehr in der Sache tätig werden muss. Im Fall eines streitigen Urteils kann das erstinstanzliche Gericht noch mit weiteren prozessbeendigenden Erklärungen der Parteien befasst sein, solange das Urteil noch nicht rechtskräftig ist und solange noch kein Rechtsmittel eingelegt ist. Es ist unter diesen Voraussetzungen weiterhin Adressat der Klagerücknahme, der Erledigungserklärung; auch ein Prozessvergleich kann noch geschlossen werden. Bereits verkündete, aber nicht rechtskräftige Urteile werden dann wirkungslos. Ein Urteil führt nur dann zur Beendigung des Verfahrens im Sinne des Gebührenverzeichnisses, wenn es entweder rechtskräftig wird oder wenn ein Rechtsmittel eingelegt wird (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.05.2001 - 4 Ta 29/01, in juris recherchiert). Die Vorbemerkung 8 selbst stellt nicht darauf ab, ob es neben dem Umstand, der letztlich zur Verfahrensbeendigung geführt hat, noch zeitlich vorhergehende andere Ereignisse gab, die auch potenziell eine verfahrensbeendende Wirkung im vorstehenden Sinne hatten. Maßgeblich ist die typisierte Betrachtungsweise des Gesetzgebers, der die nicht streitige Beilegung des Rechtsstreits privilegiert, weil im allgemeinen damit geringere Aufwendungen des Gerichts verbunden sind. Welche Aufwendungen für die Gerichte tatsächlich entstanden sind, ist gebührenrechtlich unbeachtlich. Ob die Klagerücknahme gleich nach Beginn der streitigen Verhandlung ohne größeren Aufwand mit Zustimmung der Gegenseite erklärt wurde oder erst etwa nach einer langen Beweisaufnahme und mühsamen Verhandlungen, ist für die Privilegierung dieses Beendigungstatbestandes irrrelevant. Der Gesetzgeber begünstigt allein einzelne Arten der Streitbeendigung im ersten Rechtszug, weil er vermutet, dass bei diesen Erledigungsarten der Rechtsfrieden ohne das weitere Tätigwerden der Gerichte auch eine für die öffentliche Hand kostengünstigere und sozialpolitisch erwünschte Lösung darstellt (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.05.2001, a. a. O.). Diese friedensstiftende Funktion der Gerichte für Arbeitssachen steht im Vordergrund, der Zweck, die Arbeitsbelastung der Gerichte zu belohnen, tritt dagegen in den Hintergrund.

Privilegiert der Gesetzgeber also den Vergleich, der das gesamte Verfahren beendet, muss dies auch für den Vergleich nach Verkündung der Entscheidung gelten. Die unterlegene Partei hat aufgrund der Kostenentscheidung des Urteils die Auslagen zu tragen, Gebühren dürfen nicht erhoben werden (Roloff, a. a. O., Seite 910). Die Anhängigkeit in der Instanz endet nicht mit der Verkündung des Urteils, sondern erst mit dessen formeller Rechtskraft. In rechtlicher Hinsicht wird das Urteil durch den in derselben Instanz geschlossenen Vergleich, mit dem - wie hier - der Rechtsstreit für erledigt erklärt wurde, analog § 269 Abs. 3 ZPO wirkungslos. Bei genauer Betrachtung beendet daher der später geschlossene Vergleich und nicht bereits das verkündete Urteil den Rechtsstreit. Dass der Vergleich vorliegend das Verfahren insgesamt erledigt hat, ergibt sich eindeutig aus dem umfassenden und abschließenden Regelungen dieses Vergleichs. Der Vergleich hat die vollständige Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zum Ziel gehabt. Mit der Feststellung des Vergleiches wird das verkündete Urteil wirkungslos.

Dass das Erstgericht nach der Vergleichsfeststellung nach § 278 Abs. 6 ZPO dann noch ein Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe absetzte, obwohl dies nicht erforderlich und damit allenfalls nur deklaratorische Bedeutung haben kann, ändert - entgegen der Ansicht des Bezirksrevisors - an der Kostenprivilegierung nichts. Insbesondere liegt gerade kein Urteil im Sinne des § 313a ZPO vor. Mit den Vergleichsfeststellungen entfällt die Rechtshängigkeit der Klage sofort. Der Vergleich befriedigt die Parteien nachhaltig.

Die Urkundsbeamtin hat vorliegend somit das Verfahren zu Recht als gebührenfrei behandelt.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 66 Abs. 8 GKG. Danach ist das Beschwerdeverfahren gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

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