LAG Berlin-Brandenburg: Gegenstandswert eines Ausschlusses eines Betriebsrats
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.9.2016 – 17 Ta (Kost) 6092/16
Volltext: BB-ONLINE BBL2016-2868-3
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Amtliche Leitsätze
Ein Ausschlussantrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG ist regelmäßig mit dem doppelten Hilfswert von 5.000,00 EUR zu bewerten; der Wert kann sich wegen den betriebsverfassungsrechtlichen Funktionen des betroffenen Betriebsratsmitglieds erhöhen.
Aus den Gründen
Die Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Der Antrag des Arbeitgebers, den Antragsgegner aus dem Betriebsrat auszuschließen, stellt eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit dar, die gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 RVG mit 5.000,00 EUR je nach Lage des Falles aber auch niedriger oder höher bis zu 500.000,00 EUR zu bewerten sind. Die Bedeutung der Angelegenheit rechtfertigt es dabei regelmäßig, den doppelten Ausgangswert festzusetzen. Denn durch einen Ausschluss aus dem Betriebsrat verliert das Betriebsratsmitglied nicht nur seine betriebsverfassungsrechtliche Amtsstellung, sondern auch einen nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs. KSchG (LAG Berlin, Beschluss vom 25.07.2005 – 17 Ta (Kost) 6040/05). Eine Erhöhung des Gegenstandswerts kommt ferner in Betracht, wenn das betroffene Betriebsratsmitglied im Betrieb besondere Funktionen bekleidet und sich ein Ausschluss deshalb in qualifizierter Weise auf die Arbeit des Betriebsrats auswirken würde.
2. Es ist bei Anwendung dieser Grundsätze angemessen, den Ausschlussantrag der Arbeitgeberin mit dem dreifachen Hilfswert zu bewerten, was zu einer teilweisen Änderung des angefochtenen Beschlusses führt. Der Beteiligte zu 2. hat als Betriebsratsvorsitzender innerhalb des Betriebsrats eine herausgehobene Position. Er vertritt den Betriebsrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse und ist Ansprechpartner des Arbeitgebers (§ 26 Abs. 2 BetrVG). Ihm obliegt es ferner, für die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsratssitzungen Sorge zu tragen (§ 29 BetrVG), die Sitzungsniederschrift zu unterzeichnen (§ 34 BetrVG) und die Betriebsversammlung zu leiten (§ 42 Abs. 1 BetrVG). Auch ist der Betriebsratsvorsitzende kraft Amtes Mitglied in einem Betriebsausschuss und ihm kann in Betriebsräten mit weniger als neun Mitgliedern die Erledigung der laufenden Geschäfte übertragen werden (§ 27 BetrVG). Die Tätigkeit des Betriebsrats wird regelmäßig von dem Vorsitzenden maßgeblich gestaltet, auch wenn ihm im Vergleich zu den übrigen Betriebsratsmitgliedern keine weitergehende Entscheidungsbefugnis zukommt. Der Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat hat deshalb erhebliche Bedeutung für die Betriebsratsarbeit. Auch kommt es für die Bewertung eines Ausschlussantrags nicht darauf an, ob die gegen den Vorsitzenden erhobenen Vorwürfe einen Bezug zu seiner Funktion haben; denn die beschriebenen Auswirkungen eines Ausschlusses aus dem Betriebsrats hängen nicht davon ab, aus welchen Gründen der Ausschluss erfolgte. Den genannten Umständen ist jedoch mit einer Erhöhung des Regelwerts um einen weiteren Hilfswert in der Regel ausreichend Rechnung getragen; eine weitere Erhöhung ist deshalb im vorliegenden Fall nicht geboten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Das vorliegende Verfahren nimmt nicht an der Kostenbefreiung nach § 2 Abs. 2 GKG teil, weil es sich nicht um eine Angelegenheit nach § 2a Abs. 1 ArbGG, sondern um eine Festsetzung des Verfahrenswerts nach § 33 RVG handelt (vgl. hierzu Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 8. Aufl. 2013, § 12 Rn. 142). Die Gebühr Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG war auf die Hälfte zu ermäßigen, weil die Beschwerde teilweise erfolgreich war.
4. Die Entscheidung ist unanfechtbar.