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Arbeitsrecht
20.10.2022
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Gegenstandswert – mehrere parallele Zustimmungsersetzungsverfahren

LAG Nürnberg, Beschluss vom 28.1.2021 – 2 Ta 1/21

Volltext: BB-Online BBL2022-2483-4

Leitsatz

Bei der Festsetzung des Gegenstandswertes findet keine verfahrensübergreifende Betrachtung statt.

Sachverhalt

A.

Die Beteiligten stritten um die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung einer Chefarztsekretärin. Daneben waren noch zwei weitere Zustimmungsersetzungsverfahren zur Eingruppierung jeweils einer Chefarztsekretärin bei jeweils anderen Chefärzten beim Arbeitsgericht anhängig.

Dieses und die anderen Verfahren endeten durch Abschluss eines Vergleichs.

Das Arbeitsgericht setzte den Gegenstandswert mit Beschluss vom 01.12.2020 im vorliegenden Verfahren auf 1.250,- € (1/4 des Hilfswertes des § 23 Abs. 3 RVG) fest. Der Beschluss enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.

Mit Schriftsatz vom 22.12.2020 legten die Antragstellervertreter gegen den Beschluss Beschwerde ein und beantragten, den Gegenstandswert auf 5.000,- € festzusetzen. Es sei zwischen den Beteiligten gerade streitig gewesen, ob auf die Chefarztsekretärinnen dieselben Eingruppierungsmerkmale zuträfen. Der Beteiligte zu 2 habe argumentiert, dass dies davon abhänge, welche Aufgaben der jeweilige Chefarzt jeweils übertrage.

Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 29.12.2020 nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor. Die Verfahren behandelten jeweils die Eingruppierung von Chefarztsekretärinnen. Sowohl in den Ausführungen zum Antrag als auch im Schreiben an den Betriebsrat werde ausgeführt, dass es sich um inhaltlich übereinstimmende oder zumindest ähnliche Tätigkeitsbeschreibungen der Chefarzt-Sekretariate handele. Die ausgetauschten Argumente seien in allen drei Beschlussverfahren nahezu identisch.

Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis 27.01.2021.

Mit Schriftsatz vom 12.01.2021 hielten die Antragstellervertreter ihre Beschwerde aufrecht. Die Antragstellerin sei der Auffassung, dass die Tätigkeiten der Chefsekretärinnen an sich inhaltsgleich seien. Deshalb habe sie in den verschiedenen Verfahren gleichlautende Formulierungen verwendet und gleichlautende Anträge gestellt. Der Antragsgegner habe dies aber gerade anders gesehen.

Mit Schriftsatz vom 27.01.2021 unterstützten die Antragsgegnervertreter die Beschwerde. Man habe sich im Vorfeld hinsichtlich zahlreicher Eingruppierungen auf Musterverfahren geeinigt. Dies sei hinsichtlich der Chefsekretärinnen nicht möglich gewesen, da gerade Streit über die jeweils zugewiesenen Aufgaben bestanden habe und sich die Tätigkeit daher in eingruppierungsrelevanten Rahmen unterschieden habe. Da die Beklagte auf einer einheitlichen Eingruppierung bestanden habe, habe man sich letztlich auf eine einheitliche Eingruppierung in Entgeltgruppe 7 mit Zulage geeinigt, ohne dass es zu einer Anhörung oder Antragserwiderung gekommen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte verwiesen.

Aus den Gründen

B.

Die Beschwerden sind zulässig und begründet.

I. Die Beschwerden sind zulässig.

1. Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben (§ 2 Abs. 2 GKG). Die Wertfestsetzung richtet sich daher nicht nach § 32 RVG iVm § 63 GKG, sondern nach § 33 RVG.

2. Die erkennende Kammer sieht auch im Schriftsatz der Antragsgegnervertreter vom 27.01.2021 eine eigenständige Beschwerde, da auch sie sich gegen den Beschluss vom 01.12.2020 wendet und die Heraufsetzung des Gegenstandswerts befürwortet.

3. Gegen einen Beschluss, durch den der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit gemäß § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt worden ist, findet gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG eine Beschwerde dann statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Dies ist hier der Fall, denn bereits die einfache Gebührendifferenz nach Anlage 2 zum RVG in der bis 31.12.2020 geltenden Fassung beläuft sich auf 188,- €. Im vorliegenden Fall sind mehrere Gebührentatbestände erfüllt.

Die Beschwerden sind auch rechtzeitig erhoben. Die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG begann nicht zu laufen, da der angegriffene Beschluss entgegen § 9 Abs. 5 ArbGG keine Rechtsmittelbelehrungenthielt (§ 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG). Die Jahresfrist des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG ist eingehalten. Den Verfahrensbevollmächtigten steht als Antragsberechtigten (§ 33 Abs. 2 Satz 2 RVG) ein eigenes Beschwerderecht zu, § 33 Abs. 2 Satz 1 RVG.

II. Die Beschwerden sind begründet. Der Gegenstandswert des Verfahrens ist auf 5.000,- € festzusetzen.

1. Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.

2. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer handelt es sich bei Zustimmungsersetzungsverfahren um nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten, für deren Bewertung vom Hilfswert des § 23 Abs. 3 RVG auszugehen ist (vgl. II.14.3 iVm 14.1.2 Streitwertkatalog; z.B. LAG Nürnberg vom 24.08.2017 - 4 Ta 135/17). Hiervon geht auch das Arbeitsgericht aus. Auch die Beschwerdeführer wenden sich nicht grundsätzlich gegen diese Sichtweise. Bei der Bemessung des Gegenstandswerts gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Umfang und die Bedeutung der Sache zu berücksichtigen. Hierzu zählen auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits und die rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten des Falles.

Vorliegend liegen keine Besonderheiten vor, die eine Abweichung vom Hilfswert rechtfertigen könnten. Die Bewertung der Tätigkeiten war zwischen den Beteiligten streitig. Insbesondere im Hinblick auf die von beiden Beschwerdeführern übereinstimmend geschilderte Vorgeschichte handelt es sich auch nicht um einen besonders einfach gelagerten Fall. Dies stellt auch das Arbeitsgericht nicht in Abrede.

Offenbar hat das Arbeitsgericht jedoch eine verfahrensübergreifende Betrachtung angestellt und im vorliegenden Verfahren wegen der Parallelität zum Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bayreuth 1 BV 6/20 den Gegenstandswert auf 25% des Hilfswertes festgesetzt. Eine solche verfahrensübergreifende Betrachtungsweise ist jedoch auch nicht wegen der Führung mehrerer Parallelverfahren geboten, auch wenn in all diesen Verfahren teilweise identische Mitbestimmungsfragen zu klären sind. Die Bewertung einer gerichtlichen Auseinandersetzung hat nämlich verfahrensbezogen zu erfolgen und nicht verfahrensübergreifend (so Streitwertkatalog, Vorbemerkungen Abs. 2 Satz 2).

Eine verfahrensübergreifende Betrachtung wäre mit der Systematik der Bemessung der Gebühren nach dem RVG unvereinbar. Diese knüpft an die jeweilige „Angelegenheit“ an (vgl. §§ 13 ff. RVG). Diese ist, wie sich aus der Aufzählung der Varianten in § 16 RVG und den Gebührentatbeständen der Nr. 3100 ff. VV-RVG in Teil III der Anlage 1 zu § 2 I 1 RVG unmissverständlich ergibt, streng verfahrensbezogen. § 7 RVG regelt die Gebühren bei einer Tätigkeit des Rechtsanwalts in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber. Eine Regelung, wonach Angelegenheiten sich verfahrensübergreifend gebührenrechtlich auswirken, existiert nicht. Insoweit gilt dasselbe wie bezüglich der Struktur des für die Gerichtsgebühren maßgebenden GKG. Auch dort ist eine verfahrensübergreifende Betrachtung ausgeschlossen (LAG Baden-Württemberg 30.10.2018 - 5 Ta 126/18 Rn 20 ff; ebenso LAG Nürnberg 24.08.2017 - 4 Ta 135/17).

Diese Betrachtungsweise führt nicht zu unbilligen Ergebnissen. Bei Zustimmungsersetzungsverfahren hat es die Arbeitgeberin selbst in der Hand, statt mehrerer nur ein einziges Beschlussverfahren einzuleiten und so nur eine Wertfestsetzung unter Zugrundelegung der Empfehlungen II.14.7 des Streitwertkatalogs zu bewirken. In Fällen, in denen der Betriebsrat parallele Sachverhalte statt in einem in mehreren Beschlussverfahren zur Entscheidung stellt, könnte die Arbeitgeberseite im Verfahren gem. § 40 BetrVG mangelnde Kostenschonung einwenden (LAG Baden-Württemberg 30.10.2018 - 5 Ta 126/18 Rn 22 ff).

Eine verfahrensübergreifende Betrachtung kommt im vorliegenden Fall erst recht nicht in Frage wegen dem zwar nicht in den ursprünglichen Akten enthaltenen, aber nunmehr im Beschwerdeverfahren übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten hinsichtlich des Streits darüber, ob sich die Tätigkeiten der einzelnen Chefsekretärinnen wegen unterschiedlicher Aufgabenzuweisungen in eingruppierungsrelevanter Weise unterscheiden. Dies betrifft den Kern eingruppierungsrechtlicher Auseinandersetzungen in jedem Einzelfall.

III. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.

IV. Eine Kostenentscheidung ist Hinblick auf § 33 Abs. 9 RVG nicht veranlasst.

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