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Arbeitsrecht
01.10.2020
Arbeitsrecht
LAG Baden-Württemberg: Geeigneter Aushangort für Wahlausschreiben zur Vertrauensperson schwer- behinderter Menschen

LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.6.2020 – 4 TaBV 5/19

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2020-2301-1

Leitsatz

Das Wahlausschreiben für die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen ist an einer den Wahlberechtigten zugänglichen und geeigneten Stelle im Betrieb auszuhängen. Geeignet ist die Stelle regelmäßig, wenn sie von einer möglichst großen Zahl der Beschäftigten aufgesucht und eingesehen werden kann, damit möglichst viele Wahlberechtigte von der Durchführung der Wahl Kenntnis erlangen.

§ BetrVG § 19 Abs. 1; SchwbVWO § 5 Abs. 2

Sachverhalt

I. Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Anfechtung über die Wirksamkeit der Wahl zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und über die Wirksamkeit der Wahl für die stellvertretende Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen.

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein IT-Unternehmen. In deren Betriebsstätte B. sind ca. 900 Beschäftigte (davon 29 Wahlberechtigte) tätig, in deren Betriebsstätte W. ca. 30 Beschäftigte (davon drei Wahlberechtigte). Letztere Betriebsstätte war bislang bei Betriebsratswahlen und Wahlen zur Schwerbehindertenvertretung dem Standort B. zugeordnet.

Am 19. Oktober 2018 fand die Wahl zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und die Wahl der stellvertretenden Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen statt. Nach dem am 19. Oktober 2018 bekannt gemachten Ergebnis wurde die Beteiligte zu 2 zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und der Beteiligte zu 3 zur stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen gewählt.

Die Wahl wurde wie folgt vorbereitet:

Auf dem Betriebsgelände in B. befinden sich zwei Gebäudeteile mit jeweils fünf Stockwerksebenen. Die Gebäudeteile sind über Übergänge miteinander verbunden. Es gibt insgesamt vier Zugänge, nämlich einen Eingang mit Empfangsbereich im Erdgeschoss des Gebäudes 07, einen Nebeneingang im Gebäude 07, einen Eingang im Durchgangsbereich zwischen den Gebäudeteilen und einen Eingang beim Gebäude 06. Je nachdem, mit welchem Verkehrsmittel die Mitarbeiter zur Arbeit kommen, und je nachdem, in welchem Gebäudeteil und im welchem Stockwerk sie arbeiten, benutzen sie unterschiedliche Eingänge. Auf die Planskizze (Bl. 25 der arbeitsgerichtlichen Akte) wird Bezug genommen.

Der Wahlvorstand hängte das Wahlausschreiben in der Kaffeeecke im Gebäude 07 aus, nahe dem Eingang, in dem sich auch der Empfangsbereich befindet. Vom Empfangsbereich führen direkt Treppen in die Stockwerksebenen. Am Ende des Empfangsbereich befindet sich eine Tür. Erst hinter der Tür auf der rechten Seite befindet sich die Kaffeeecke, die in Richtung Flur durch Glasscheiben einsehbar ist. Für den Aushang stellte der Wahlvorstand eine ca. 4 m² große Stellwand in der Kaffeeecke auf, vor welche sie zu deren Sicherheit ein Sofa schob. Üblicherweise befinden sich in dieser Kaffeeecke keine Stellwände und keine Aushänge. An dieser Stellwand befestigte der Wahlvorstand das Wahlausschreiben. Wegen der Örtlichkeiten wird auf die Planskizze (Bl. 25 der arbeitsgerichtlichen Akte), den Stockwerksplan (Bl. 114 der arbeitsgerichtlichen Akte), die vorgelegten Lichtbilder (Bl. 115-117 der arbeitsgerichtlichen Akte) sowie die im Beschwerdeverfahren im Anhörungstermin übergebenen Lichtbilder Bezug genommen.

Es gibt in den beiden Gebäudeteilen insgesamt vier dezentrale Kaffeeecken. Ein (zentrales) „Café N.“ befindet sich im Durchgangsbereich zwischen den Gebäudeteilen 06 und 07. Die Kantine befindet sich am Ende des Durchgangsbereichs direkt im Anschluss an das „Café N.“ bereits (zentral) im Gebäude 07.

Unter Nr. 4 des Wahlausschreibens wurde darauf hingewiesen, dass die Liste der Wahlberechtigten und die Wahlordnung ab dem 6. September 2018 an jedem Arbeitstag bis zum Abschluss der Stimmabgabe jeweils von 11:00 Uhr bis 13:00 Uhr im Konferenzraum Bizet eingesehen werden können. Im Übrigen sei die Liste und die Wahlordnung nach telefonischer Vereinbarung bei dem Beteiligten zu 2 und 3 arbeitstäglich von 9:00 Uhr bis 16:00 Uhr einsehbar. Der Konferenzraum Bizet wurde vom Wahlvorstand tatsächlich nur für die Dauer der Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge vorreserviert.

Ausgeschrieben im Wahlausschreiben war die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und die Wahl von zwei Stellvertretern. Beworben haben sich innerhalb der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen nur die Beteiligte zu 2 als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen sowie die Beteiligten zu 2 und 3 als stellvertretende Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen. Eine Nachfrist zur Einreichung weiterer Wahlvorschläge wurde nicht gesetzt.

Der Wahlvorstand hat die schriftliche Stimmabgabe beschlossen. Wann die Wahlunterlagen an die Wahlberechtigten versandt wurden, ist streitig.

Bei der Wahl zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen haben 20 Stimmberechtigte ihre Stimme abgegeben. Gewählt wurde die Beteiligte zu 2, die die Wahl angenommen hat.

An der Wahl zu den stellvertretenden Vertrauenspersonen haben 25 Wahlberechtigte teilgenommen. Gewählt wurde der Beteiligte zu 3, der die Wahl annahm, und die Beteiligte zu 2, die ihre Wahl nicht annahm.

Mit Antragseingang beim Arbeitsgericht am 2. November 2018 focht die Arbeitgeberin die Wahlen der Beteiligten zu 2 und 3 an.

Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, das Wahlausschreiben sei nicht an einer geeigneten Stelle ausgehängt worden. Die Kaffeeecke im Gebäude 07 würde nur von Mitarbeitern betreten werden, die dort in der Nähe ihren Arbeitsplatz hätten. Mitarbeiter aus dem anderen Gebäudeteil oder aus anderen Stockwerken würden die Kaffeeecke nicht nutzen, sondern andere Kaffeeecken nutzen. Außerdem sei der Erdgeschossbereich des Gebäudes 07 (unstreitig) wegen Umbaumaßnahmen zum Zeitpunkt des Aushangs teilweise gar nicht belegt und begehbar gewesen. Der Wahlvorstand hätte das Wahlausschreiben vielmehr entweder an die Campaign Boards aushängen sollen oder aber im Durchgangsbereich zwischen den Gebäuden 06 und 07 vor den vom Betriebsrat genutzten Konferenzräumen Ravel und Brahms und in räumlicher Nähe zur Kantine. An letzterer Stelle seien auch in der Vergangenheit die Wahlausschreiben zur Betriebsratswahl ausgehängt gewesen, was zumindest bezogen auf die letzte Betriebsratswahl unstreitig ist.

Die Arbeitgeberin meinte, hätten alle Wahlberechtigten eine Möglichkeit zur Kenntnisnahme gehabt, wären möglicherweise auch weitere Kandidaten zur Wahl angetreten.

Die Arbeitgeberin meinte, der Wahlvorstand hätte im Übrigen gemäß § 7 Abs. 3 SchwbVWO eine Nachfrist zur Abgabe von Wahlvorschlägen setzen müssen, nachdem sich auf drei ausgeschriebene Ämter nur zwei Personen beworben haben.

Die Arbeitgeberin behauptete, unabhängig davon, dass im Zeitraum zwischen dem Fristablauf für die Einreichung der Wahlvorschläge bis zum Wahltag der Konferenzraum Bizet nicht für den Wahlvorstand reserviert gewesen sei, sei der Konferenzraum am 2. Oktober 2018 um 12:50 Uhr auch unbesetzt gewesen.

Sie behauptete zudem, dass die Wahlunterlagen erst am 12. Oktober 2018 versandt worden seien und demnach bei den Wahlberechtigten erst am 15. Oktober 2018 oder 16. Oktober 2018 angekommen seien. Dies sei für eine am 19. Oktober 2018 stattfindende Wahl zu spät gewesen.

Die Arbeitgeberin beantragte:

1. Die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen vom 19.10.2018 wird für unwirksam erklärt.

2. Die Wahl der stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen vom 19.10.2018 wird für unwirksam erklärt.

Die Beteiligten zu 2 und zu 3 beantragten jeweils,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie meinten, die Kaffeeecke im Gebäude 07 sei für den Aushang des Wahlausschreibens geeignet gewesen wegen der Nähe des von ihr als Haupteingang bezeichneten Eingangs, welcher als einziger barrierefreier Eingang sich in der Nähe der Behindertenparkplätze befände und besonders von denjenigen Mitarbeitern gerne genutzt werde, die mit dem ÖPNV zur Arbeit kämen.

Sie verwiesen auf eine (unstreitige) Weisung des Gebäudemanagements, dass die Campaign Boards und Infoboards nicht vom Betriebsrat, der JAV und der Schwerbehindertenvertretung benutzt werden dürfen. Ein Aushang an diesen Boards sei dem Wahlvorstand deshalb nicht möglich gewesen.

Ein Aushang im Durchgangsbereich Richtung Kantine wäre nicht gleichermaßen geeignet gewesen, da sich dieser im Untergeschoss befände und für Menschen mit Handicap nicht bequem zu erreichen sei.

Sie meinten, eine Nachfristsetzung zur Einreichung von weiteren Wahlvorschlägen sei nicht geboten gewesen, da sowohl für die Vertrauensperson als auch für die Stellvertreter Wahlvorschläge eingegangen seien.

Die Mitglieder des Wahlvorstandes hätten sich regelmäßig zwischen 11:00 Uhr und 13:00 Uhr entweder im Raum Bizet oder davor in Sichtweite der Eingangstür aufgehalten. Die Wählerlisten hätten sich in einem abschließbaren Schrank befunden.

Sie behaupteten, die Wahlunterlagen seien bereits am 8. Oktober 2018 zur Post gegeben worden.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 25. April 2019 die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und die Wahl der stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen für unwirksam erklärt. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Ort des Aushangs des Wahlausschreibens ungeeignet gewesen sei. Wegen mehrerer Zugangsmöglichkeiten zu den beiden Gebäudeteilen sei nicht gesichert gewesen, dass die Mitarbeiter überhaupt an der Kaffeeecke beim Empfangsbereich des Gebäudes 07 vorbeikämen, zumal die Kaffeeecke von einer Vielzahl von Mitarbeitern gar nicht genutzt werde, weil diese andere Pausenräume nutzen würden. Der Wahlvorstand hätte das Wahlausschreiben beim Betriebsratsbüro aushängen müssen oder aber per E-Mail auf den abweichenden Aushangort hinweisen müssen.

Dieser Beschluss wurde den Beteiligten zu 2 und 3 am 26. Juni 2019 zugestellt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3, die am 19. Juli 2019 beim Landesarbeitsgericht einging und am 26. August 2019 begründet wurde.

Die Beteiligten zu 2 und 3 rügen eine Verletzung materiellen Rechts.

Sie meinen, Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 SchwbVWO sei es, die Wahldurchführung zu ermöglichen. Der Wahlvorstand dürfe nach vernünftigen Erwägungen einen Auswahlort auswählen, welcher nicht der einzige in Betracht kommende Aushangort sein müsse. Verlangt werde nur eine Schaffung einer Kenntnisnahmemöglichkeit, nicht eine Kenntnisnahmegewissheit. Das Gesetz verlange zudem nicht die Vornahme mehrerer Aushänge in einem Betrieb, wenn die Gewissheit des Vorbeigehens an der Aushangstelle nicht geschaffen werden könne. Es gebe auch keinen Rechtssatz, wonach bei Bestehen mehrerer Kaffeeecken ein Aushang in der (von ihr so bezeichneten) zentralen Kaffeeecke nicht vermutet werden könne. Ein Pausenraum sei durchaus ein geeigneter Aushangort. Ein Aushang an mehreren Orten wäre dem Wahlvorstand nicht zumutbar gewesen, da dieser dann auch mehr hätte kontrollieren müssen, ob die Aushänge noch in lesbarer Form vorhanden seien.

Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragen jeweils:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25. April 2019 (6 BV 226/18) wird abgeändert.

Die Anträge der Arbeitgeberin werden zurückgewiesen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin verteidigt den angegriffenen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung ihres bereits erstinstanzlichen Vorbringens.

Sie verweist ergänzend darauf, dass auch eine realistische Wahrscheinlichkeit der Kenntnisnahme bestehen müsse. Die Wahlberechtigten hätten nicht proaktiv das gesamte Gelände absuchen müssen, ob an irgendeiner zugänglichen Stelle ein Wahlausschreiben ausgehängt ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und auf das Protokoll des Anhörungstermins Bezug genommen.

Aus den Gründen

II. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und die Wahl der stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen zu Recht für unwirksam erklärt.

1. Gemäß § 177 Abs. 6 Satz 2 SGB IX gelten für die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und dessen Stellvertreter die Vorschriften über die Wahlanfechtung bei der Wahl des Betriebsrats entsprechend. Die Wahl kann demnach entsprechend § 19 Abs. 1 BetrVG angefochten werden, wenn bei dieser gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

2. Die Schwerbehindertenvertretung ist kein Kollegialorgan. Die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen ist demnach eine von der Wahl der stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen eigenständige Wahl. Die Wahlen können und müssen deshalb jeweils eigenständig angefochten werden (BAG 21. März 2018 - 7 ABR 29/16 -; BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 91/07 -). Dies ist vorliegend erfolgt.

3. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass bezogen auf beide angefochtene Wahlen ein Verstoß gegen die wesentliche Wahlvorschrift des § 5 Abs. 2 SchwbVWO vorliegt.

a) Gemäß § 5 Abs. 2 SchwbVWO ist eine Abschrift oder ein Abdruck des Wahlausschreibens vom Tage seines Anlasses bis zum Wahltag an einer oder mehreren geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen vom Wahlvorstand auszuhängen und in gut lesbarem Zustand zu erhalten. Die Bekanntgabe per Aushang ist zwingend (LPK-SGB IX/Sachadae 5. Aufl. § 5 SchwbVWO Rn. 8). Eine Verletzung der Aushangpflicht führt wegen der essenziellen Bedeutung des Aushangs im Hinblick auf den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl in aller Regel zu einer Anfechtbarkeit der Wahl (LPK-SGB IX/Sachadae 5. Aufl. § 5 SchwbVWO Rn.9).

b) Der Aushang des Wahlausschreibens in der Kaffeeecke im Erdgeschoss des Gebäudes 07 erfolgte zweifellos an einer den Wahlberechtigten zugänglichen Stelle.

c) Der Aushangort war aber nicht geeignet.

aa) Durch den Aushang an den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen im Betrieb soll es den Wahlberechtigten ermöglicht werden, sich von der Einleitung der Wahl bis zu deren Abschluss über die zur Ausübung ihres Wahlrechts erforderlichen Umstände und die zu beachtenden Vorschriften zu informieren. Diese Möglichkeit muss bei einer demokratischen Wahl für alle Wahlberechtigten gleichermaßen bestehen; ansonsten ist der Grundsatz der Gleichheit der Wahl nicht gewahrt. Das Wahlausschreiben ist daher so auszuhängen, dass es von allen Wahlberechtigten zur Kenntnis genommen werden kann (BAG 5. Mai 2004 - 7 ABR 44/03 -).

Die Auswahl der geeigneten Stelle obliegt dem Wahlvorstand (LPK-SGB IX/Sachadae 5. Aufl. § 5 SchwbVWO Rn. 14).

Maßstab für die Geeignetheit ist, dass die Stelle regelmäßig von einer möglichst großen Zahl von Beschäftigten aufgesucht und eingesehen werden kann, damit möglichst viele Wahlberechtigte von der Durchführung der Wahl Kenntnis erlangen und dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl genüge getan ist (LPK-SGB IX/Sachadae 5. Aufl. § 5 SchwbVWO Rn. 15). Im Regelfall dürfte dies bei den sonst für betriebliche Bekanntgaben genutzten Stellen (z.B. Schwarzes Brett) gegeben sein, so dass diese Stellen prinzipiell auch für den Aushang des Wahlausschreibens geeignet sind. Daneben kommen auch Aushänge etwa im Pausenraum, in der Cafeteria oder in sonstigen Gemeinschaftsräumen in Betracht, sofern dort üblicherweise mit der Kenntnisnahme durch die Wahlberechtigten zu rechnen ist (LPK-SGB IX/Sachadae 5. Aufl. § 5 SchwbVWO Rn. 16). In Abhängigkeit von den örtlichen und räumlichen Verhältnissen im Wahlbezirk kann es auch erforderlich sein, das Wahlausschreiben an mehreren Stellen auszuhängen. Eine Mehrzahl von Aushangstellen ist insbesondere bei starker räumlicher Zergliederung des Betriebs bzw. der Dienststelle erforderlich. Ausschlaggebend ist insoweit, ob damit zu rechnen ist, dass sämtliche Beschäftigten realistischerweise vom Aushang Kenntnis erlangen werden (LPK-SGB IX/Sachadae 5. Aufl. § 5 SchwbVWO Rn. 18).

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Aushangstandort in der Kaffeeecke im Erdgeschoss des Gebäudes 07 jedenfalls als alleinige Aushangstelle nicht geeignet.

(1) Die räumlichen Verhältnisse sind vorliegend dadurch geprägt, dass es eben nicht nur einen (Haupt-)Eingang gibt, sondern insgesamt vier Eingänge, die von den Mitarbeitern in Abhängigkeit davon genutzt werden, mit welchem Verkehrsmittel sie zur Arbeit kommen. Insbesondere die wahlberechtigten Mitarbeiter, die mit dem PKW zur Arbeit kommen, nutzen weitestgehend den am Hauptparkplatz gelegenen Eingang im Gebäude 06 oder im geringen Umfang den Eingang im Durchgangsbereich zwischen dem Gebäude 06 und dem Gebäude 07, nicht jedoch den (Haupt-)Eingang im Gebäude 07. Die S-Bahn-Haltestelle liegt zwar näher am Gebäude 07 als am Gebäude 06. Jedoch ist der Weg von der S-Bahn-Haltestelle über den Nebenparkplatz zum Nebeneingang des Gebäudes 07 näher als der Weg zum Haupteingang des Gebäudes 07. Der Weg von der Bushaltestelle zum Haupteingang des Gebäudes 07 und zum Nebeneingang dieses Gebäudes ist in etwa gleich weit. Schon alleine deshalb war nicht sichergestellt, dass möglichst sämtliche Mitarbeiter an dem Aushang vorbeikommen und diesen zur Kenntnis hätten nehmen können. Und zwar auch dann nicht, wenn diejenigen Mitarbeiter, die über das Gebäude 07 in das Gebäude 06 wollten, ebenfalls an der Kaffeeecke vorbeimussten. Es verbleiben eine Vielzahl an Mitarbeitern, die im Gebäude 06 arbeiten und die nicht den Weg über den Haupteingang des Gebäudes 07 nehmen, oder die in anderen Stockwerken des Gebäudes 07 arbeiten und hierfür den Nebeneingang nehmen.

(2) Hinzu kommt, dass der Aushang nicht im Eingangs- und Empfangsbereich des Gebäudes 07 hing, so dass beim Kommen und Verlassen des Gebäudes 07 jedenfalls diejenigen Mitarbeiter, die nicht im Erdgeschoss arbeiten, sondern das Treppenhaus nutzen, um in die übrigen vier Stockwerke zu gelangen, nicht zwangsläufig an dem Aushang vorbeikamen. Um zur Kaffeeecke zu gelangen, muss man nämlich vom Eingangs- und Empfangsbereich durch eine Tür, die auf einen Flur führt, die an den Raum der Kaffeeecke angrenzt. Im Erdgeschoss des Gebäudes 07 fanden zum Zeitpunkt des Aushangs auch noch Umbauarbeiten statt, weshalb auf diesem Stockwerk ohnehin schon weniger Mitarbeiter als sonst üblich tätig waren.

(3) Die Kaffeeecke im Erdgeschoss des Gebäudes 07 ist zudem nur eine von vier dezentralen Kaffeeecken. Daneben gibt es auch noch das zentrale „Café N.“. Es liegt auf der Hand, dass diese Kaffeeecke im Erdgeschoss des Gebäudes 07 im Wesentlichen nur von solchen Mitarbeitern genutzt wird, die in der Nähe ihre Büros haben. Bei einer gleichmäßigen Verteilung konnte also nur mit einer Frequenz von einem Viertel bis einem Fünftel der Mitarbeiter in dieser Kaffeeecke gerechnet werden, angesichts der Umbauarbeiten möglicherweise sogar mit noch weniger.

(4) Dass die Kaffeeecke vom Flur durch eine Glasscheibe einsehbar ist und die Stellwand ausreichend groß war, ist unbeachtlich, wenn niemand weiß, dass in diesem Pausenraum etwas Bedeutendes aushängt und wenn sich auch in der Vergangenheit dort noch nie eine Stellwand für Aushänge befunden hat. Dies zumal man dem Pausenraum bewusst hätte betreten müssen, um den Aushang zur Kenntnis nehmen zu können.

(5) Soweit auch Pausen- und Gemeinschaftsräume grundsätzlich als für den Aushang von Wahlausschreiben geeignet angesehen werden, sind damit Pausenräume gemeint, die allgemein von einer Vielzahl von Mitarbeitern genutzt werden, also vergleichbar einer Kantine genutzt werden. Es wäre insofern als Aushangsort tatsächlich die Kantine, das „Café N.“ oder der Durchgangsbereich bei den vom Betriebsrat genutzten Konferenzräumen in Betracht gekommen, zumal dort auch schon in der Vergangenheit die Aushänge erfolgten, bzw. unstreitig zumindest der Aushang der letzten Betriebsratswahl erfolgte. Die Beteiligten zu 2 und 3 können nicht damit gehört werden, dass ein solcher Aushangort für die wahlberechtigten Mitarbeiter unbequem zu erreichen gewesen wäre. Die zentrale Örtlichkeit ist barrierefrei mit dem Aufzug erreichbar. Es ist davon auszugehen, dass auch die behinderten Mitarbeiter die Kantine aufsuchen. Die Beteiligten zu 2 und 3 räumten sogar selbst ein, dass selbst die geheingeschränkte Mitarbeiterin Frau M. ein- bis zweimal pro Woche in die Kantine geht (wenn auch in Begleitung).

(6) Dass der zentrale Eingang im Gebäude 07 der einzige barrierefreie Eingang ist, ist vorliegend nur von nachgeordneter Bedeutung, da unstreitig nur eine wahlberechtigte Mitarbeiterin (Frau M.) gehbeeinträchtigt ist und ihren Behindertenparkplatz vor diesem Eingang zugewiesen bekommen hat.

(7) Der Einwand der Beteiligten zu 2 und 3, die Kenntnisnahme des Wahlausschreibens in der Kaffeeecke sei auch deshalb unbeachtlich, weil sie auch mündlich über die Wahl informiert hätten, trägt nicht. Eine mündliche Information über die Wahl ersetzt nicht die Information über die aushangpflichtigen Inhalte.

Entsprechendes gilt für die vom Gesamtbetriebsrat verfasste Inforundmail. Nur weil in dieser auf die Wahl hingewiesen wurde, wurde den Wahlberechtigten noch keine Kenntnis vom Wahlausschreiben und insbesondere von den einzuhaltenden Formalien verschafft.

(8) Wenn der Aushang schon in der Kaffeeecke des Erdgeschosses des Gebäudes 07 erfolgte, wäre der Wahlvorstand gehalten gewesen, noch weitere Aushangstandorte auszuwählen, um auch denjenigen Wahlberechtigten jedenfalls eine wahrscheinliche Kenntnisnahmemöglichkeit zu gewähren, die sich üblicherweise nicht im Erdgeschoss des Gebäudes 07 aufhalten. Die Vornahme und auch die Kontrolle mehrerer Aushänge ist grundsätzlich für den Wahlvorstand nicht unzumutbar (BAG 5. Mai 2004 - 7 ABR 44/03 -).

4. Durch diesen Verstoß gegen die wesentliche Wahlvorschrift des § 5 Abs. 2 SchwbVWO konnte auch das Wahlergebnis beeinflusst werden. Dies führt zur Unwirksamkeit der beiden angegriffenen Wahlen.

a) Nach § 177 Abs. 6 Satz 2 SGB IX iVm. § 19 Abs. 1 letzter Halbs. BetrVG berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn er das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte Wahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre (BAG 2. August 2017 - 7 ABR 42/15 -).

b) Es kann vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass Wahlberechtigte bei rechtzeitiger Kenntnis vom Inhalt des Wahlausschreibens selbst einen gültigen Wahlvorschlag erstellt und eingereicht hätten (vergleiche zu einer ähnlichen Fallgestaltung: BAG 5. Mai 2004 - 7 ABR 44/03 -).

5. Hinzuweisen ist aber auch darauf, dass der Verstoß des Wahlvorstands gegen die Wahlvorschrift des § 5 Abs. 2 SchwbVWO zumindest zu einem Teil von der antragstellenden Arbeitgeberin mitzuverantworten ist, die den Vertretungsorganen der Mitarbeiter entgegen §§ 40 Abs. 2 BetrVG, 179 Abs. 9 SGB IX verwehrt, die Campaign- und Infoboards zu nutzen, diesen aber auch kein dauerhaftes eigenes Infoboard an geeigneter Stelle zur Verfügung stellt. Dies führt aber nicht dazu, dass der Arbeitgeberin über § 242 BGB die Wahlanfechtung verwehrt gewesen wäre.

6. Auf das Vorliegen weiterer Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften kommt es daher nicht mehr an.

7. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.

8. Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2 und 3 warf dieser Rechtsstreit keine Fragen grundsätzliche Bedeutung auf. Die Rechtsfrage, wann ein Aushangort eines Wahlausschreibens „geeignet“ ist, ist höchstrichterlich geklärt. Der vorliegende Streit betraf lediglich die Subsumtion unter bekannte Rechtssätze.

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