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Arbeitsrecht
03.09.2020
Arbeitsrecht
LAG Köln: Fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung

LAG Köln, Urteil vom 19.6.2020 – 4 Sa 644/19

ECLI:DE:LAGK:2020:0619.4SA644.19.00

Volltext: BB-Online BBL2020-2035-3

Amtlicher Leitsatz

Eine Kündigung aus wichtigem Grund wegen eines sexuellen Übergriffs ist gerechtfertigt, wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststeht, dass ein männlicher Arbeitnehmer eine Kollegin mit einer Hand erst in ihren Schritt gefasst hat, sich dann selber in den Schritt fasst und anschließend „Oh, da tut sich ja was“ ausruft.

Sachverhalt

Die Parteien streiten zuletzt über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweisen ordentlichen Kündigung wegen eines sexuellen Übergriffs sowie über einen sog. allgemeinen Feststellungsantrag.

Die Beklagte ist ein holzverarbeitendes Unternehmen in M . Bei ihr sind ca. 180 Arbeitnehmer, davon ca. 120 in der Produktion, darunter wiederum fünf Frauen tätig. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet.

Der am .19 in B L geborene Kläger, der die Staatsangehörigkeit von B hat, ist seit dem 11.03.2002 als Maschinenführer bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttogehalt iHv. 1.900,- Euro in Vollzeit beschäftigt. Der Kläger arbeitet in Wechselschicht. Er hat von der Beklagten keine Abmahnungen erhalten.

Bei der Beklagten arbeitet in der Produktion seit dem 06.04.2018 die Mitarbeiterin und Zeugin, Frau V Z , die am 16.03.1986 geboren ist, verheiratet ist und zwei minderjährige Kinder hat. Der Arbeitsvertrag von Frau Z war zunächst auf ein Jahr befristet. Die tägliche Arbeitszeit von Frau Z beträgt vier Stunden. Auch sie arbeitet in Wechselschicht.

Am 19.11.2018 arbeiteten sowohl der Kläger als auch die Mitarbeiterin und Zeugin Z in der Spätschicht (14:30 bis 23:00 Uhr). Während dieser Schicht ist es zu einem Vorfall zwischen dem damals 59-jährigen Kläger und der 32,5-jährigen Zeugin gekommen, der zwischen den Parteien umstritten ist, wobei unstreitig ist, dass die Zeugin Z den Kläger zunächst umarmt bzw. in die Arme genommen hat.

Am Montag, den 25.02.2019 wandten sich sowohl die Mitarbeiterin und Zeugin Z als auch die Mitarbeiterin, Frau S H , die bei der Beklagten seit dem 01.05.2016 in der Produktion beschäftigt ist und der sich die Zeugin zuvor anvertraut hatte, an die Personalleiterin der Beklagten (Frau K St ). Sie erklärten dieser, sie seien vom Kläger sexuell belästigt worden. Beide Arbeitnehmerinnen sind ebenso wie eine weitere Mitarbeiterin, Frau B , im Folienlager der Beklagten an Etikettiertischen tätig. Dieser Arbeitsbereich ist durch eine Trennwand von dem Produktionsbereich, in dem der Kläger tätig ist, abgetrennt. Der Kläger muss diesen Bereich passieren, wenn er zum Pausenraum oder zu den Toiletten gehen möchte. Ob der Kläger die Mitarbeiterinnen H und B ebenso sexuell belästigt hat, wie die Beklagte behauptet, ist zwischen den Parteien ebenfalls streitig.

Der Kläger stritt in der Anhörung durch Frau St am 26.02.2019 zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen der sexuellen Belästigung diese Vorwürfe ab, insbesondere die Mitarbeiterinnen überhaupt berührt zu haben.

Mit Schreiben vom 27.02.2019 hörte die Beklagte den Vorsitzenden des bei ihr gebildeten Betriebsrates durch die Personalleiterin und die Geschäftsführerin schriftlich und mündlich bzgl. der beabsichtigten Kündigung des Klägers an. In dem Anhörungsschreiben an den Betriebsrat, auf das hinsichtlich der weiteren Einzelheiten Bezug auf Bl. 37-38 d.A. genommen wird, heißt es auszugsweise:

 „[…] Fr. Z fühlt sich seit ca. 1 Jahr (seitdem sie bei uns beschäftigt ist) von Hr. D sexuell belästigt. Anfänglich hat Hr. D ihr Komplimente gemacht, wollte ihr Getränke ausgeben und Eis mit ihr essen gehen, worauf sie aber nicht eingegangen ist.

Ab dann hat er regelmäßig, wenn er und Fr. Z Spätschicht hatten, ihre Nähe gesucht und dabei nie den persönlichen Abstand eingehalten hat, worum sie ihn aber gebeten hat und ihn auch später laut dazu aufgefordert hat.

Dabei berührte er Fr. Z immer wieder an ihrer Schulter, streichelte ihre Arme und über ihre Tätowierungen an den Armen, worauf sie einen Schritt zurück ist und ihn laut und unmissverständlich aufforderte, das zu unterlassen.

Irgendwann an einem Tag im November (den genauen Tag hat Fr. Z verdrängt) ist Hr. D zu ihr gegangen und wirkte sehr bedrückt und traurig, worauf sie ihn freundschaftlich tröstend in den Arm nahm. Diese Situation nutzte er aus, fasste mit einer Hand an Ihren Po und mit der Anderen in ihren Schritt, griff sich anschließend selbst in den Schritt und sagte:" Oh, da tut sich ja direkt was!"

Am Dienstag, 26.02.2019 wurde Hr. D […] dazu detailliert befragt und angehört. Herr D stritt jedoch alles ab. Nichts von alle dem sei wahr. Auf die Frage hin, ob nicht doch etwas an den Vorwürfen dran sein könnte, antwortete er, zu 100% nicht.

Da aber auch weitere Frauen, wie Fr. H und Fr. B bestätigt haben, dass er es bei ihnen versucht hat und von ihm wiederkehrend an Armen und Schulter angefasst wurden, liegt für uns der begründete Verdacht der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz vor. […]“

Nach einer außerordentlichen Sitzung des Betriebsrates stimmte dieser der Kündigung des Klägers noch am selben Tag zu. Der Betriebsratsvorsitzende unterzeichnete sodann am 27.02.2019 am Ende des Anhörungsschreibens die nachfolgende Stellungnahme des Betriebsrats: „Der Kündigung wurde durch den Betriebsrat zugestimmt“ (Bl. 38 d.A.).

Mit Schreiben vom 27.02.2019, das dem Kläger anschließend und noch am 27.02.0219 persönlich übergeben wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „fristlos, hilfsweise fristgerecht nächstmöglichen Termin, das ist der 31.08.2019“ (Bl. 6 d.A.).

Der Kläger wurde nach Erhalt der Kündigung und einem Polizeieinsatz ambulant in der LVR-Klinik in Bonn wegen einer akuten Belastungsreaktion aufgenommen, aber noch am selben Tag wieder entlassen. Die Beklagte behauptet insofern, der Kläger habe eine „Szene“ gemacht.

Die Mitarbeiterin und Zeugin Z erstattete am 22.03.2019 beim Kriminalkommissariat in Siegburg gegen den Kläger Strafanzeige wegen sexueller Belästigung. Am 05.04.2019 erfolgte dort die zeugenschaftliche Vernehmung von Frau Z , bzgl. dessen Inhalts und Ergebnis auf Bl. 168-173 d.A. Bezug genommen wird. Die Staatsanwaltschaft beantragte nach Durchführung und Abschluss der Ermittlungen den Erlass eines Strafbefehls gegen den bislang nicht vorbestraften Kläger wegen sexueller Belästigung nach § 184i Abs. 1 StGB und eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen. Dieser entsprechende Strafbefehl wurde vom Amtsgericht Siegburg am 07.06.2019 erlassen. Der Tatvorwurf lautet:

 „An einem nicht näher bestimmbaren Tag im November 2018 legten Sie der Zeugin Z , die Ihnen bereits bei zahlreichen Annäherungsversuchen zuvor ihre deutliche Ablehnung mitgeteilt hatte, im Rahmen einer freundschaftlichen Umarmung eine Hand auf deren Gesäß und drückten Sie an sich. Mit der anderen Hand schoben Sie ihre Hand von vorne zwischen deren Beine und berührten sie - überhalb der Bekleidung - für wenige Sekunden im Intimbereich. Als die Zeugin Sie wegschubste, fassten Sie sich selbst in den Schritt und sagten, dass da "sofort etwas regen" würde. Die Zeugin empfand aufgrund des Vorfalls Ekel und Scham.“

Gegen diesen Strafbefehl legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. In seiner Beschuldigtenvernehmung in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Siegburg am 31.07.2019 bestritt der Kläger die Tatvorwürfe. Im weiteren Hauptverhandlungstermin beim Amtsgericht Siegburg am 02.09.2019 wurden die Zeuginnen Frau V Z und Frau S H vernommen. Nach Schluss der Beweisaufnahme nahm der Kläger den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück. Der Strafbefehl gegen den Kläger ist daher seit dem 02.09.2019 rechtskräftig.

Mit seiner am 12.03.2019 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage, die der Beklagten am 18.03.2019 zugestellt wurde, hat sich der Kläger gegen die Kündigung der Beklagten gewendet und die Weiterbeschäftigung begehrt.

Er hat behauptet, er sei – noch – verheiratet und habe zwei volljährige Kinder (23 und 26 Jahre), die studieren würden und denen er deshalb unterhaltsverpflichtet sei. Zwar habe er seinen Kolleginnen und Kollegen gelegentlich Kaffee, Kuchen oder Cola angeboten, körperlich berührt – sehe man von einem Händedruck anlässlich von Neujahrswünschen einmal ab – oder gar bedrängt habe er sie jedoch nicht. Er hat mit Nichtwissen bestritten, dass der Betriebsrat der Kündigung zugestimmt habe.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.02.2019 beendet wird;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;

3.              im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) und/oder 2) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ihre außerordentliche Kündigung als Tat- sowie hilfsweise als Verdachtskündigung wirksam sei (Bl. 32 d.A.). Sie hat behauptet, der Kläger sei ledig und habe ausweislich seiner Lohnsteuermerkmale keine Unterhaltspflichten. Der Kläger habe Frau Z nach anfänglichen Komplimenten und nicht angenommenen Einladungen zu Getränken und Eis zwei bis drei Monate nach Beschäftigungsbeginn der Mitarbeiterin an deren Schulter gefasst sowie deren Arme und Tätowierungen mindestens einmal wöchentlich gestreichelt, obwohl diese ihn aufgefordert habe, dies zu unterlassen. Frau Z habe dann versucht, dem Kläger aus dem Weg zu gehen und hierzu Pausen auf der Toilette verbracht. Am 19.11.2018 habe Frau Z die Toilette deutlich nach dem Gong zum Pausenende verlassen, dann jedoch den Kläger an ihrem Arbeitsplatz angetroffen, der sich sehr bedrückt gezeigt habe. Daraufhin habe Frau Z r den Kläger in den Arm genommen, um ihm Trost zu spenden. Der Kläger habe ihr daraufhin mit einer Hand an den Po und mit der anderen zunächst ihr und dann sich selbst in den Schritt gefasst und zuletzt dann geäußert: „Oh, da tut sich ja direkt was!". Frau Z habe sich daraufhin abgewendet und dem Kläger entzogen. Auch danach habe der Kläger noch wöchentlich versucht, sich ihr zu nähern und sie zu berühren.

Das Arbeitsgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 02.10.2019 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Z . Hinsichtlich des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 02.10.2019 Bezug genommen (Bl. 77-79 d.A.).

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.10.2019 (3 Ca 722/19) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klage bzgl. des Antrages zu Ziff. 2 (allgemeiner Feststellungsantrag) bereits unzulässig sei, da zwischen den Parteien keine weiteren Beendigungstatbestände im Raum stünden. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da die streitgegenständliche Kündigung nach § 626 BGB wegen einer sexuellen Belästigung wirksam sei. Es läge ein wichtiger Grund an sich vor. Das Arbeitsgericht sei nach der Vernehmung der Zeugin Z zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger diese sexuell belästigt habe. Der Kläger habe der Zeugin Z im November 2018 in den Schritt gefasst und anschließend nach einem Griff in den eigenen Schritt geäußert, dass sich da etwas tue. Dies habe die Zeugin Z zur Überzeugung des Gerichts bestätigt. Die Aussage der Zeugin entspreche zwar nur im Kerngeschehen, nicht jedoch im Randgeschehen dem Vortrag der Beklagten, da sie ausgesagt hat, dass sie sich erst nach dem Vorfall am 19.11.2018 in den Pausen vor dem Kläger verstreckt habe, während die Beklagte behauptet habe, dass dies vor dem Vorfall der Fall gewesen sei. Die Aussage der Zeugin sei aber in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Während der Vortrag der Beklagten noch die Frage aufkommen ließ, warum die Zeugin einen Kollegen, der ihr ständig zu nahe treten würde und vor dem sie sich sogar in den Pausen versteckt, nur aufgrund eines betrübten Blickes umarmen sollte, enthielt die Aussage der Zeugin diesen Widerspruch nicht, da sie körperliche Annäherungsversuche vor dem streitigen Vorfall gerade verneinte. Die Aussage der Zeugin habe ferner erklärt, warum sie erst Monate später bei der Beklagten vorstellig geworden ist. Es sei durchaus nachvollziehbar, dass sie zunächst versucht hat, den ihren Intimbereich betreffenden Vorfall selbst zu verarbeiten, sich, als dies nicht gelang, im Januar 2019 einer Kollegin anvertraut habe, die ebenfalls von negativen Erfahrungen mit dem Kläger in diese Richtung berichten konnte. Sowohl der Griff in den Schritt der Zeugin als auch die anschließende Äußerung stellten eine sexuell bestimmte körperliche Berührung bzw. Bemerkungen sexuellen Inhalts dar. Der Griff des Klägers ging unmittelbar in Richtung auf ein primäres Geschlechtsmerkmal der Zeugin und war damit ohne weiteres sexuell motiviert, was auch durch den Griff des Klägers in den eigenen Schritt und die anschließende Äußerung offenbar wird. Dieses Verhalten rechtfertige auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine außerordentliche Kündigung. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht, da eine solche bei schweren Pflichtverletzungen entbehrlich sei, wenn nämlich dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Handelns ohne weiteres genauso erkennbar sei, wie der Umstand, dass eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 23. Juni 2009 – 2 AZR 283/08, Rn. 18, juris). Der Kläger habe aufgrund des Gewichts seiner in der Grenzüberschreitung liegenden Pflichtverletzung, die immerhin den absoluten Intimbereich der Zeugin berührte, nicht damit rechnen können, die Beklagte werde sein Verhalten tolerieren. Auch die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten worden, da die Beklagte unbestritten erstmals am 25.02.2019 von dem Vorfall vom 19.11.2018 erfahren und dem Kläger wenige Tage später gekündigt hat. Die Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs.1 Satz 2 BetrVG sei ebenfalls nicht zu beanstanden, da die Beklagte das für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung maßgebliche Kerngeschehen dem Betriebsrat zutreffend mitgeteilt habe. Das in ihrem Sachvortrag von der Aussage der Zeugin abweichende Randgeschehen habe in der Betriebsratsanhörung weitgehend keinen Niederschlag gefunden. Soweit es doch Eingang in die Betriebsratsanhörung gefunden habe, sei nicht feststellbar und würde auch von dem Kläger nicht behauptet, dass die Beklagte ihren Betriebsrat insoweit bewusst falsch informiert hätte.

Gegen dieses ihm am 08.10.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 07.11.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung, soweit es die Klageanträge zu Ziff. 1 und 2 betrifft, eingelegt und hat diese mit am 05.12.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er ist weiterhin der Auffassung, dass die streitgegenständliche Kündigung unwirksam sei. Er bestreitet weiterhin die Tatvorwürfe. Er rügt einen Fehler im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts, wonach die Zeuginnen Z und H der Beklagten mitgeteilt hätten, sie sie seien seit Monaten vom Kläger sexuell belästigt worden. Der Kläger rügt weiterhin die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung, da dem Betriebsrat mitgeteilt worden sei, dass die Zeugin Z sich schon seit Monaten vor dem streitigen Vorfall am 19.11.2018 vor dem Kläger während der Pausen auf der Toilette versteckt hätte, wobei die Zeugin beim Arbeitsgericht genau das Gegenteil ausgesagt hat, nämlich dass sie sich erst nach dem streitigen Vorfall dort vor ihm versteckt hätte. Der Kläger bemängelt, dass das Arbeitsgericht der Aussage der Zeugin Z , dass die Zeugin H von ähnlichen Erfahrungen mit dem Kläger berichtet habe, nicht nachgegangen sei, wobei der Kläger bestreitet, Frau H jemals – sexuell – berührt zu haben. Dasselbe gilt bzgl. der Zeugin B , wobei auch hier der Kläger bestreitet, die Zeugin jemals – sexuell – berührt zu haben. Der Kläger wirft dem Arbeitsgericht vor, dass es nicht geprüft habe, warum es keine weiteren Zeugen von dem behaupteten Vorfall gibt, obwohl der Produktionsbereich relativ eng sei. Er wirft dem Arbeitsgericht vor, die behaupteten Belästigungen der Zeuginnen H und B als wahr unterstellt und zu Lasten des Klägers gewertet zu haben. Der Kläger behauptet, dass die Zeugin Z dem Kläger Ende Januar bzw. Anfang Februar 2019 ein Bild des neugeborenen Kindes des Mitarbeiters, Herrn M B , gezeigt habe, so dass sich die Zeugin nicht vor dem Kläger versteckt habe. Zudem weist der Kläger darauf hin, dass die Zeugin keine eigene Reaktion über das behauptete Fehlverhalten des Klägers (zB. Angst, Scham oder Ohnmachtsgefühle) berichtet habe, was häufig ein Indiz dafür wäre, dass das Ereignis als weniger schwerwiegend empfunden wurde. Der Kläger wirft dem Arbeitsgericht vor, im Urteil auf Seite 6 „nach einem kurzen persönlichen Eindruck“ über die Persönlichkeit des Klägers zu spekulieren. Insgesamt verweist der Kläger darauf, dass es – abgesehen von der Aussage der Zeugin keine objektiven Beweismittel bzgl. des behaupteten sexuellen Übergriffs gäbe. Er behauptet ferner, er sei bei seinen Kollegen als „ehrlicher, verlässlicher, pünktlicher, ordentlicher, hilfsbereiter und stets freundlicher Kollege wohl gelitten“. Der Kläger meint schließlich, dass das Arbeitsgericht das Prognoseprinzip unzutreffend angewendet habe, da er sich über 16 Jahre nichts habe zu Schulden kommen lassen. Die außerordentliche Kündigung würde den Kläger in die Armut stürzen. Im Rahmen der Interessenabwägung wäre eine Abmahnung ausreichend gewesen, zumal die Beklagte auf die strafrechtlichen Ermittlungen hätte vertrauen können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 02.10.2019 (3 Ca 722/19) teilweise abzuändern und

1.               festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.02.2019 beendet ist;

2.               festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst ist, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Anhörung des Betriebsrates nach dem sog. Grundsatz der subjektiven Determinierung ordnungsgemäß erfolgt sei. Das Kerngeschehen, dh. der sexuelle Übergriff auf die Zeugin Z im November 2018, ist hierin geschildert. Dass Angaben zum Randgeschehen teilweise fehlen würden, sei insofern unbeachtlich. Soweit der Kläger rügt, dass die Zeugin Z den sexuellen Übergriff ohne eigene Emotionen geschildert hat, verweist die Beklagte darauf, dass die Zeugin dies bereits mehrfach im Strafverfahren getan habe und die ganze Situation die Zeugin ohnehin stark belasten würde. Sie habe mehrfach geschildert, mit welchem Ekel, Scham, Angstgefühlen, Tränen und Magenschmerzen sie zu kämpfen habe. Für die Beklagte zeige das ignorante Verhalten des Klägers, dass er keine Reue empfinden würde. Soweit es die Interessenabwägung betrifft, verweist die Beklagte darauf, dass sie ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wirksam vor sexuellen Belästigungen/Übergriffen schützen müsse.

Das Landesarbeitsgericht hat entsprechend der Anträge der Beklagten (Bl. 61, 156, 157, 159 d. A.) die Akte des Strafverfahrens gegen den Kläger beim Amtsgericht Siegburg zum Az. Cs /19 (vormals Js /19 SE bei der Staatsanwaltschaft Bonn) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht wurde der Kläger gemäß § 141 ZPO ausführlich informatorisch angehört und ihm wurde Gelegenheit zum rechtlichen Gehör gegeben. Der Kläger bestritt hierbei weiterhin sämtliche Tatvorwürfe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von ihnen eingereichten Unterlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen (§ 64 Abs. 7 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Aus den Gründen

Die Berufung des Klägers ist bzgl. des Klageantrages zu Ziff. 2 unzulässig, so dass sie insofern zu verwerfen ist. Im Übrigen ist zwar zulässig, aber unbegründet, so dass sie insofern zurückzuweisen ist.

A.              Die Berufung des Klägers ist, soweit es die Abweisung des Klageantrages zu Ziff. 2 (allgemeiner Feststellungsantrag) betrifft, unzulässig, so dass die Berufung insofern zu verwerfen ist. Der Kläger, der auch insofern Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt hat, hat seine Berufung bzgl. dieses eigenständigen Antrages nicht ordnungsgemäß binnen der Berufungsbegründungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG begründet.

I.                                Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG muss die Berufungsbegründung hinreichend darstellen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen der Berufungsführer das angefochtene Urteil für rechtsfehlerhaft hält, insbesondere warum die Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) entscheidungserheblich gewesen sein soll. Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den konkreten rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will (= einzelfallbezogene Auseinandersetzung). Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt werden. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., vgl. BAG, Urteil vom 15. November 2016 – 9 AZR 125/16, Rn. 11, NZA 2017, 140 f.).

II.              Hieran gemessen hat sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung mit den rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts, mit denen dieses den Klageantrag zu Ziff. 2 als unzulässig abgewiesen hat, überhaupt nicht auseinandergesetzt. Das Arbeitsgericht hat die Klageabweisung damit begründet, dass der sog. allgemeine Feststellungsantrag nur dann zulässig ist, wenn weitere mögliche Beendigungstatbestände in den Prozess eingeführt werden. Es gibt aber keine weiteren Beendigungstatbestände und der Kläger beruft sich auch nicht auf welche. Insgesamt wird dem Klageantrag zu Ziff. 2 in der Berufungsbegründung des Klägers keine Zeile gewidmet.

B.              Die Berufung des Klägers ist im Übrigen zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c. ArbGG) und ist frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO).

C.              Die Berufung des Klägers ist bzgl. des Klageantrages zu Ziff. 1 unbegründet. Die zulässige Klage ist unbegründet, wie das Arbeitsgericht zurecht festgestellt hat, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche und fristlose (Tat-)Kündigung der Beklagten vom 27.02.2019 unmittelbar aufgelöst wurde.

I.              Der Klageantrag zu Ziff. 1 ist als Feststellungsklage zulässig. Für den punktuellen Feststellungsantrag besteht insbesondere das gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Es besteht darin, dass es dem Kläger unabhängig von den Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG gemäß §§ 4, 7, 13 Satz 2 KSchG obliegt, die Unwirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweisen ordentlichen Kündigung binnen der Präklusionsfrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung gerichtlich geltend zu machen.

II.              Der Klageantrag zu Ziff. 1 ist unbegründet. Die außerordentliche und fristlose (Tat-)Kündigung der Beklagten vom 27.02.2019 ist gemäß § 626 Abs. 1, Abs. 2 BGB wirksam und hat damit das Arbeitsverhältnis aufgelöst.

1.              Die Kündigung der Beklagten vom 27.02.2019 wahrt zunächst das Schriftformerfordernis des § 623 BGB und ist dem Kläger zugegangen.

2.              Der Kläger hat des Weiteren innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG iVm. § 13 Satz 2 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben, da er gegen die Kündigung vom 27.02.2019 beim zuständigen Arbeitsgericht am 12.03.2019 Klage erhoben hat, die auch der Beklagten demnächst (§ 167 ZPO) zugestellt wurde.

3.              Die außerordentliche und fristlose (Tat-)Kündigung der Beklagten vom 27.02.2019 ist vorliegend gemäß § 626 Abs. 1, Abs. 2 BGB wirksam, da ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt und die Beklagte binnen der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB die Kündigung gegenüber dem Kläger erklärt hat.

a)              Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

              Das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist in zwei Stufen zu prüfen (ständige Rechtsprechung, vgl. bspw. BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16, Rn. 13, NZA 2017, 1179 [1180]; BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04, NZA 2006, 98 ff.). Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist (1. Stufe). Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (2. Stufe) (ständige Rechtsprechung, siehe bspw. BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18, Rn. 15, juris; BAG, Urteil vom 25. Januar 2018 – 2 AZR 382/17, Rn. 26, juris; BAG, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 2 AZR 86/17, Rn. 27, juris; BAG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15, Rn. 21 mwN, juris; BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, Rn. 20 mwN, NJW 2013, 104 ff.).

b)              Als wichtiger Grund „an sich“ (1. Stufe) iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet sind ua. erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung ist deren strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG, Urteil vom 23. August 2018 – 2 AZR 235/18, Rn. 44, juris; BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 848/15, Rn. 16, juris; BAG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AZR 700/11, Rn. 15, juris; BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11, Rn. 18, juris; BAG, Urteil vom 25. November 2010 – 2 AZR 801/09, Rn. 17, juris; BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09, Rn. 30, juris).

c)              Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Hierbei handelt es sich gem. § 7 Abs. 3 AGG um eine Verletzung vertraglicher Pflichten, die „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist (BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 651/13, Rn. 15, BAGE 150, 109; BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10, Rn. 16, juris). Sie stellt zugleich eine Verletzung der dem Arbeitnehmer gegenüber der Arbeitnehmerin obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf deren Interessen gemäß § 241 Abs. 2 BGB dar und ist deswegen auch „an sich" geeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung zu bilden (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 14, juris). Die Beklagte ist nach § 12 Abs. 3 AGG verpflichtet, auch die in ihrem Betrieb eingesetzten Leiharbeitnehmer vor sexuellen Belästigungen zu schützen (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 15, juris).

aa)               Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 15, juris; BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 651/13, Rn. 17, BAGE 150, 109; BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10, Rn. 18, juris).

bb)               Schutzgut der § 7 Abs. 3, § 3 Abs. 4 AGG ist die sexuelle Selbstbestimmung als Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wird als das Recht verstanden, selbst darüber zu entscheiden, unter den gegebenen Umständen von einem anderen in ein sexualbezogenes Geschehen involviert zu werden (Köhler/Koops BB 2015, 2807 [2808]). Das schließt es ein, selbst über einen Eingriff in die Intimsphäre durch körperlichen Kontakt zu bestimmen. Die absichtliche Berührung primärer oder sekundärer Geschlechtsmerkmale eines anderen ist demnach bereits deshalb sexuell bestimmt iSd. § 3 Abs. 4 AGG, weil es sich um einen auf die körperliche Intimsphäre gerichteten Übergriff handelt (vgl. BAG, Urteil vom 2. März 2017 – 2 AZR 698/15, Rn. 36; BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 651/13, Rn. 18, BAGE 150, 109). Bei anderen Handlungen, die nicht unmittelbar das Geschlechtliche im Menschen zum Gegenstand haben, wie bspw. Umarmungen, kann sich eine Sexualbezogenheit aufgrund einer mit ihnen verfolgten sexuellen Absicht ergeben (siehe zum Gesamten: BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 18, juris; BAG, Urteil vom 2. März 2017 – 2 AZR 698/15, Rn. 36, juris).

cc)              Ob eine Handlung sexuell bestimmt iSd. § 3 Abs. 4 AGG ist, hängt damit nicht allein vom subjektiv erstrebten Ziel des Handelnden ab (Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, 3. Aufl., § 3 Rn. 151; Bauer/Krieger, AGG, 4. Aufl,. § 3 Rn. 54; Schaub/Linck, ArbR-HdB, 18. Aufl., § 36 Rn. 40). Erforderlich ist auch nicht notwendig eine sexuelle Motivation des Täters. Eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist vielmehr häufig Ausdruck von Hierarchien und Machtausübung und weniger von sexuell bestimmter Lust (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 19 mwN, juris).

dd)               Das jeweilige Verhalten muss bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht. Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle. Ebenso kommt es auf vorsätzliches Verhalten nicht an (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 20, juris; BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10, Rn. 19, juris; Däubler/Bertzbach/Schrader/Schubert, AGG, 2. Aufl., § 3 Rn. 76; Schaub/Linck, ArbR-HdB, 18. Aufl., § 36 Rn. 40; BeckOK-ArbR/Roloff, § 3 AGG, Rn. 30).

ee)              Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert nicht, dass der Betroffene seine ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht hat. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 21, juris; BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10, Rn. 19, juris).

ff)              Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, u. a. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10, Rn. 16, juris).

d)              Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 26, juris; BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 6 AZR 471/15, Rn. 30, juris; BAG; Urteil vom 22. Oktober 2015 – 2 AZR 569/14, Rn. 46, juris). Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zuzumuten ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, Rn. 21 mwN, NJW 2013, 104 ff.). Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 27, juris; BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 6 AZR 471/15, Rn. 30, juris; BAG, Urteil vom 22. Oktober 2015 – 2 AZR 569/14, Rn. 46, juris).

e)              Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 in Verbindung mit § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 28, juris; BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 651/13, Rn. 22, juris; BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13, Rn. 47, juris; BAG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11, Rn. 16; BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, Rn. 22 mwN, NJW 2013, 104 ff.).

f)              Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zudem durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen - wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung - zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität ab (BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 651/13, Rn. 15, juris; BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10, Rn. 16, juris). § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen allerdings insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 29, juris; BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 651/13, Rn. 23, juris; BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10, Rn. 28, juris).

g)              Hieran gemessen hat das Arbeitsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme und Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugin Z festgestellt, dass ein wichtiger Grund an sich (1. Stufe) für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BBG vorliegt, weil der Kläger die Zeugin Z sexuell belästigt iSv. § 3 Abs. 4 AGG bzw. § 184i StGB hat, indem er am 19.11.2018 zunächst der Zeugin Z in den Schritt gefasst, dann sich selber in den eigenen Schritt gefasst und anschließend geäußert hat, dass sich da etwas tue. Zu dem behaupteten vorherigen Griff an den Po der Zeugin mit der anderen Hand, hat das Arbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Der festgestellte und absichtliche Griff des Klägers in den Schritt der Zeugin Z ging unmittelbar in Richtung auf ein primäres Geschlechtsmerkmal und war dadurch ohne weiteres sexuell motiviert, da es sich insofern um einen auf die körperliche Intimsphäre gerichteten Übergriff handelt. Der festgestellte anschließende Griff des Klägers in seinen Schritt und die anschließende Äußerung, dass sich da etwas tue, verstärken den sexuellen Übergriff auf die Zeugin. In der Situation, in der der Übergriff erfolgte, nämlich am Arbeitsplatz, war diese festgestellte sexuelle Belästigung der Zeugin Z durch den Kläger auch objektiv unerwünscht. Sie verletzte die Würde der Zeugin, da in ihren Intimbereich – im wahrsten Sinne des Wortes – eingegriffen wurde. Auf eine etwaige Absicht oder Motivation des Klägers, die Zeugin sexuell belästigen wollen, kommt es daher nicht an und das Arbeitsgericht hat eine solche auch nicht festgestellt.

h)              Die Berufungskammer geht von der Richtigkeit und Wahrheit der vorgenannten Tatsachen aus und es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die trotz der Einwendungen des Klägers gegen die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts eine Wiederholung der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin Z rechtfertigen würden (vgl. hierzu Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 2. März 2018 – 6 Sa 952/17, Rn. 51, juris; Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 6. Februar 2012 – 2 Sa 532/11, Rn. 17, juris).

Das Berufungsgericht ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG grundsätzlich nicht mehr vollumfänglich eine zweite Tatsacheninstanz. Es hat hiernach seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen. Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts ist nur insoweit überprüfbar, als mit der Berufung schlüssig konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt werden, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellung begründen, die also solche Zweifel an den erhobenen Beweisen aufdrängen, dass sie eine erneute Beweisaufnahme gebieten (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 5. Oktober 2011 – 6 Sa 224/11, Rn. 23, juris). § 398 Abs. 1 ZPO stellt in diesem Zusammenhang die erneute Vernehmung eines bereits erstinstanzlich gehörten Zeugen in das Ermessen des Berufungsgerichts. Im Fall des Zeugenbeweises ist eine erneute Durchführung einer Beweisaufnahme nach § 398 ZPO geboten, was gleichzeitig im Falle des Unterlassens eine Ermessensüberschreitung des Berufungsgerichts darstellen würde, wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines erstinstanzlichen Zeugen anders beurteilen will als das Erstgericht, wenn es also der Aussage eine andere Tragweite, ein anderes Gewicht oder eine vom Wortsinn abweichende Auslegung geben will oder wenn es die protokollierten Angaben des Zeugen für zu vage und präzisierungsbedürftig hält (vgl. BAG, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 AZR 443/01, zu II 3 a der Gründe, juris: BAG, Beschluss vom 20. Mai 2008 – 9 AZN 1258/07, Rn. 9, juris; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2018 – 26 Sa 1655/17, Rn. 27, juris), sprich wenn es die Aussage des Zeugen „anders würdigen“ bzw. „anders verstehen oder werten“ will als die Vorinstanz (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2009 – VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291; BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 2003 – 1 BvR 2285/02, NJW 2003, 2524; Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Mai 2010 – 9 Sa 705/09, Rn. 21, juris). Eine erneute Vernehmung kann in diesen Fällen „allenfalls dann“ unterbleiben, wenn das Berufungsgericht seine abweichende Würdigung auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen. Auch im Hinblick auf objektive Umstände, die bei der Beweiswürdigung eine Rolle spielen können und von der ersten Instanz nicht beachtet worden sind, darf das Berufungsgericht nicht ohne erneute Vernehmung des Zeugen und abweichend von der Vorinstanz zu dem Ergebnis gelangen, dass der Zeuge in einem prozessentscheidenden Punkt mangels Urteilsfähigkeit, Erinnerungsvermögens oder Wahrheitsliebe objektiv die Unwahrheit gesagt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. September 2010 – 2 BvR 2638/09, Rn. 14, juris). Die Wiederholung der Zeugenvernehmung ist demgegenüber nicht anzuordnen, wenn das Berufungsgericht trotz Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung allein aufgrund des in der Akte schriftlich fixierten Beweisergebnisses zum gleichen Ergebnis kommt wie das Erstgericht (BGH, Urteil vom 13. Januar 2005 – VII ZR 28/04, Rn. 37, juris). Durch das Merkmal „Zweifel aufgrund konkreter Anhaltspunkte“ in § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO soll erreicht werden, dass sich der innere Vorgang des Zweifels auf äußere Tatsachen stützen lässt, die bei objektiver Bewertung geeignet sind, die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Urteilsfeststellungen in Zweifel zu ziehen. Dabei dürfen im Interesse an einer materiell richtigen Entscheidung die Anforderungen an die Annahme des begründeten Zweifels nicht überspannt werden. Es genügt, dass das Berufungsgericht aufgrund aussagekräftiger Tatsachen in einer rational nachvollziehbaren Weise zu „vernünftigen" Zweifeln gelangt. Diese müssen so gewichtig sein, dass sie nicht ausgeschlossen und ohne weiteres von der Hand gewiesen werden können (hierzu Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 2. März 2018 – 6 Sa 952/17, Rn. 51, juris; Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 5. Oktober 2011 – 6 Sa 224/11, Rn. 23, juris; Schwab, in: Schwab/Weth, ArbGG, 5. Aufl. 2018, § 64 Rn. 230 mwN).

Tatsachen im vorgenannten Sinn werden in der Berufungsbegründung des Klägers nicht angeführt. Insbesondere hat der Kläger – auch im Rahmen seiner ausführlichen informatorischen Anhörung im Kammertermin – keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich eine Vermutung ergeben könnte, warum die Zeugin zu seinen Lasten mit einer uneidlichen Falschaussage eine Straftat begehen wollte oder sollte. Die Berufungskammer hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Bekundungen der Zeugin Z , so dass im Berufungsverfahren davon abgesehen wurde, die Zeugin Z erneut bzw. ergänzend zu vernehmen. Die Einwendungen des Klägers gegen die vom Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme sind nicht schlüssig und/oder stichhaltig. Im Einzelnen:

aa)              Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung rügt, dass das Arbeitsgericht nicht weiter aufgeklärt habe, welche „ähnlichen Erfahrungen“ die Zeugin H mit dem Kläger gemacht habe, wie es die Zeugin Z in ihrer Aussage beim Arbeitsgericht ausgesagt hat (siehe Bl. 78 d.A.), war dem nach Auffassung der Berufungskammer nicht nachzugehen. Für die vorliegend streitgegenständliche Frage, ob der Kläger die Zeugin Z am 19.11.2018 sexuell belästigt hat, ist es unerheblich, ob der Kläger die Zeugin H ggfls. auch sexuell belästigt hat. Es kann daher dahinstehen, ob und wann es ggfls. ausversehen oder absichtlich zu Berührungen mit sexuellem Bezug gekommen sein könnte, was der Kläger bestreitet. Das Arbeitsgericht hat auch entgegen der Auffassung des Klägers die behaupteten Erfahrungen der Zeugin H auf Seite 6 des angefochtenen Urteils nicht als wahr unterstellt, denn es hat nur wiedergegeben, was die Zeugin Z über die Zeugin H berichtet hat. Im Übrigen ergibt sich aus der beigezogenen Strafakte des Amtsgericht Siegburg zum Az. Cs /19 (vormals Js /19 SE bei der Staatsanwaltschaft Bonn), dass der von Zeugin Z und der Beklagten behauptete Vorfall zwischen dem Kläger und der Zeugin H selbst nach deren Behauptungen, die im Übrigen vom Kläger bestritten werden, keine körperliche Übergriffigkeit bzgl. primärer/sekundärer Geschlechtsmerkmale beinhaltete.

bb)              Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung rügt, dass das Arbeitsgericht nicht weiter aufgeklärt habe, welche „entsprechenden Vorwürfe“ die Zeugin B gegenüber dem Kläger erhoben habe, wie es die Beklagte behauptet hat, war dem nach Auffassung der Berufungskammer ebenfalls nicht nachzugehen. Für die vorliegend streitgegenständliche Frage, ob der Kläger die Zeugin Z am 19.11.2018 sexuell belästigt hat, ist es unerheblich, ob der Kläger die Zeugin B ggfls. auch sexuell belästigt hat. Das Arbeitsgericht hat auch entgegen der Auffassung des Klägers die behaupteten entsprechenden Erfahrungen der Zeugin B auf Seite 6 des angefochtenen Urteils nicht als wahr unterstellt, denn es hat nur wiedergegeben, was die Zeugin Z berichtet hat bzw. was die Beklagte ermittelt haben will. Im Übrigen stellen die insofern behaupteten Handlungen gegenüber der Zeugin B , die vom Kläger bestritten werden, selbst nach den Behauptungen der Beklagten keine körperliche Übergriffigkeit bzgl. primärer/sekundärer Geschlechtsmerkmale dar.

cc)              Soweit der Kläger in Zusammenhang mit den Mitarbeiterinnen H und B in der Berufungsbegründung rügt, dass das Arbeitsgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteils die Behauptung wiedergegeben und nicht weiter aufgeklärt habe, dass „sie vom Kläger seit mehreren Monaten sexuell belästigt worden seien“, hat das Arbeitsgericht zum einen nur den Beklagtenvortrag wiederholt (siehe Bl. 24 d.A.) und zum anderen hat das Arbeitsgericht auf diesen Umstand sein Urteil auch gar nicht gestützt, da es allein auf den Vorfall vom 19.11.2018 abgestellt hat. Im Übrigen hat der Kläger auch keinen Tatbestandsberichtigungsantrag iSv. § 320 ZPO gestellt und die Berufungskammer hat etwaige Ungenauigkeiten im Tatbestand des angegriffenen Urteils von Amts wegen vorliegend korrigiert, da eine Bindung nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht besteht, soweit die Feststellungen des Arbeitsgerichts unklar, lückenhaft oder widersprüchlich sind.

dd)              Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung rügt, dass das Verhalten der Zeugin Z nach der Tat widersprüchlich gewesen sei, weil sie sich nach ihrer Aussage dann vor ihm regelmäßig versteckt haben soll, während der Kläger behauptet, dass die Zeugin Z dem Kläger Ende Januar 2019 bzw. Anfang Februar 2019 ein Bild des neugeborenen Kindes des Mitarbeiters M B gezeigt und diesem Grüße vom Kläger weitergeleitet habe, war dem ebenfalls nicht weiter nachzugehen. Die Zeugin Z hat bereits im Strafverfahren zu dem vom Kläger bereits dort vorgebrachten Einwand ausgesagt, dass dies nicht stimmen würde (Bl. 52 der Strafakte), wobei die Berufungskammer insofern das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Siegburg vom 02.09.2019 (Bl. 50-53 der Strafakte) als öffentliche Urkunde gemäß § 415 ZPO verwertet. Einer Beweiserhebung durch Vernehmung des Mitarbeiters B , wie es der Kläger angeboten hat, bedarf es nach Auffassung der Berufungskammer nicht. Selbst wenn die Behauptungen des Klägers zutreffend wären, wäre es immer noch so, dass die Zeugin sich rund 2,5 Monate nach dem Vorfall vor dem Kläger in den Pausen auf der Toilette versteckt hätte. Daraus ergibt sich kein Widerspruch in der Aussage zu der Zeugin Z , zumal es nicht unwahrscheinlich ist, dass negative Erfahrungen im Laufe der Zeit als weniger belastend als zu Beginn empfunden werden. Auch hat sich die Zeugin entgegen der Ansicht des Klägers nicht widersprüchlich verhalten, als sie ihn am 19.11.2018 zunächst umarmt hatte. Die Aussage der Zeugin ist vielmehr, wie das Arbeitsgericht zurecht ausgeführt hat, in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Während der Vortrag der Beklagten noch die Frage aufkommen ließ, warum die Zeugin einen Kollegen, der ihr ständig zu nahe getreten sein soll und vor dem sie sich sogar in den Pausen versteckt, nur aufgrund eines traurigen Blickes umarmen sollte, enthielt die Aussage der Zeugin diesen Widerspruch nicht, da sie körperliche Annäherungsversuche vor dem streitigen Vorfall gerade verneinte. Die Zeugin Z schilderte in ihrer Aussage beim Arbeitsgericht vielmehr, dass der Kläger am 19.11.2018 auf sie traurig wirkte und sie ihn trösten wollte, womit sie ihm gegenüber zum Ausdruck bringen wollte, dass das alles nicht so schlimm sei (Bl. 77 RS d.A.). Dies hätte sie bis zu diesem Tag bei jedem gemacht, der auf sie traurig wirkte. Dies deckt sich mit der Aussage der Zeugin Z am 02.09.2019 im Strafverfahren. Nach dem kurzen persönlichen Eindruck, den sich das Arbeitsgericht von der Zeugin machen konnte, würde ein solches – helfendes – Verhalten jedenfalls zur Persönlichkeit der Zeugin Z passen. Warum im Übrigen die Annahme des Klägers, dass bis zum 25.02.2019 kein angespanntes Verhältnis zur Zeugin Z vorgelegen haben soll, zu einer Widersprüchlichkeit der Aussage der Zeugin Z führen soll, ist für die Berufungskammer nicht nachvollziehbar.

ee)              Entgegen der Auffassung des Klägers in der Berufungsbegründung hat sich das Arbeitsgericht auch bei der Würdigung der Aussage der Zeugin Z damit auseinandergesetzt, dass zwischen dem Vorfall vom 19.11.2018 und der Information an die Beklagte am 25.02.2019 rund drei Monate verstrichen sind. Das Arbeitsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass nach der Aussage der Zeugin ferner geklärt sei, warum sie erst Monate später bei der Beklagten vorstellig geworden ist. Es sei durchaus nachvollziehbar, dass sie zunächst versucht hat, den ihren Intimbereich betreffenden Vorfall selbst zu verarbeiten, und, als dies nicht gelang, sich im Januar 2019 einer Kollegin (Zeugin H ) anvertraut hat. Da diese Zeugin ebenfalls von negativen Erfahrungen mit dem Kläger berichten habe, so die Zeugin Z , seien sie dann schließlich nach einer gewissen Überlegungszeit gemeinsam zu der Personalleiterin der Beklagten (Frau St ) gegangen. Das Arbeitsgericht hat die Aussage der Zeugin Z sogar noch dahingehend gewürdigt, weil die Zeugin die späte Meldung auch mit ihrer Probezeit begründete, die nach ihren Angaben ein Jahr betragen haben soll. Während das Zuwarten an sich im Falle einer Probezeit nachvollziehbar erscheint, zumal sich die Meldung auf einen langjährigen Mitarbeiter der Beklagten bezog, wäre eine Probezeit mit üblicher Länge von sechs Monaten im Zeitpunkt des Vorfalls bereits abgelaufen gewesen. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach dem Vorbringen der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Zeugin Z zunächst auf ein Jahr befristet war. Insofern ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass die Zeugin die Probezeit nicht im Sine des § 622 Abs. 3 BGB verstanden wissen wollte sondern damit die Befristung ihres Arbeitsvertrages meinte. Das Arbeitsgericht hatte angesichts dieser Umstände keinen Anlass gesehen, am Wahrheitsgehalt der Aussage der Zeugin zu zweifeln. Der Kläger benennt in seiner Berufungsbegründung auch keine weiteren Umstände, die insofern Zweifel aufkommen lassen könnten.

ff)              Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung moniert, dass die Zeugin Z in ihrer Vernehmung nichts über ihre eigenen Gefühle anlässlich des Vorfalls vom 19.11.2018 gesagt habe und dass das Arbeitsgericht dem nicht nachgegangen sei, geht der Kläger insofern von einem unzutreffenden Verständnis der Zeugenaussage aus. Die Zeugin Z hat ausdrücklich ausgesagt, dass sie dann in den Pausenraum gegangen sei, „um die Situation zu verarbeiten, was [ihr] jedoch nicht gelungen“ sei (Bl. 77 RS d.A.). Damit hat die Zeugin erklärt, dass sie den Vorfall erst für sich verarbeiten wollte. Damit hat die Zeugin selbst erläutert, dass sie der Vorfall vom 19.11.2018 belastet hat. Selbst wenn zugunsten des Klägers angenommen würde, dass die Zeugin nichts zu ihrem persönlichen Empfinden ausgesagt hätte, ergeben sich die entsprechenden Umstände aus dem Strafverfahren, wie dem Kläger bekannt ist. In den polizeilichen und gerichtlichen Aussagen der Zeugin Z hat sie jeweils ausgesagt, das sie schockiert gewesen sei, als der Kläger ihr in den Schritt gefasst habe, dass sie ihn dann weggeschubst und gefragt habe, ob er denn spinnen würde, woraus er nur gegrinst haben soll (Bl. 170 d.A.). Die Zeugin habe die Situation ekelig empfunden und sie sei auch vom Kläger enttäuscht gewesen (Bl. 171 d.A.). Die Zeugin hat ferner bekundet, dass sie keinem von diesem Vorfall berichtet habe und sogar von ihrem Mann habe sie sich zurückgezogen. Es seien sehr viele Tränen bei ihr geflossen und sie habe sogar Magenschmerzen bekommen. Die Kammer verwertet insofern das Protokoll der Zeugenvernehmung bei der Polizei vom 05.04.2019 (Bl. 6-11 der Strafakte) als öffentliche Urkunde gemäß § 415 ZPO im Rahmen des Urkundsbeweises. Ergänzend wird noch die Aussage der Zeugin Z vor dem Amtsgericht Siegburg am 02.09.2019 im Rahmen der Hauptverhandlung herangezogen. Dort sagte die Zeugin aus, dass sie unter Schock gestanden und nicht gewusst habe, was sie tun solle. Es sei für sie ekelhaft gewesen und sie habe sich geekelt (Bl. 52 der Strafakte), wobei die Berufungskammer insofern das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Siegburg vom 02.09.2019 (Bl. 50-53 der Strafakte) ebenfalls als öffentliche Urkunde gemäß § 415 ZPO im Rahmen des Urkundsbeweises verwertet. Das Arbeitsgericht hatte daher nach Auffassung der Berufungskammer keinen Anlass, diesem vom Kläger gerügten Aspekt nachzugehen, da die Zeugin Z sehr wohl ihre Gefühle anlässlich des Vorfalls geschildert hat. Schließlich kann der Kläger auch dem gegen ihn ergangenen und mittlerweile rechtskräftigen Strafbefehl entnehmen, wie die festgestellte Reaktion der Zeugin Z war. Dort heißt es: „Die Zeugin empfand aufgrund des Vorfalls Ekel und Scham“ (Bl. 56 d.A.). Auch der rechtskräftige Strafbefehl des Amtsgerichts Siegburg vom 07.06.2019 (Bl. 56 der Strafakte) wird als öffentliche Urkunde gemäß § 415 ZPO im Rahmen des Urkundsbeweises verwertet.

gg)              Soweit der Kläger dem Arbeitsgericht in der Berufungsbegründung vorwirft, es habe mit dem Satz „nach einem kurzen persönlichen Eindruck“ über dessen Persönlichkeit spekuliert, missversteht der Kläger den Satz. Das Arbeitsgericht hat diesen Satz (S. 6 des angefochtenen Urteils, oben) nicht im Zusammenhang mit dem Kläger sondern mit der Zeugin verwendet, um auszudrücken, dass die Umarmung zum Zwecke des Tröstens zu der Persönlichkeit der Zeugin Z passen würde.

hh)              Soweit der Kläger schließlich noch rügt, dass das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt habe, dass neben dem Kläger, der die Tatvorwürfe bestreitet, und der Zeugin Z nach den Behauptungen der Beklagten keine weiteren Personen als Zeugen und auch keine sonstigen Beweismittel zur Verfügung stehen, um den Tatvorwurf der sexuellen Belästigung am 19.11.2018 zu beweisen, ist dies ebenfalls unzutreffend. Das Arbeitsgericht hat im Rahmen seiner Beweiswürdigung ausgeführt, warum es der Zeugin Z glaubt und den Tatvorwurf, wie ihn die Beklagte dargelegt hat, für bewiesen erachtet. Die Einwände, die der Kläger insofern im Rahmen seiner Berufungsbegründung vorgebracht hat, sind nicht stichhaltig. Die Berufungskammer hat jedoch vorsorglich den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung informatorisch gemäß § 141 ZPO angehört. Abgesehen von dem Umstand, dass der Kläger den Tatvorwurf bestreitet, konnte er keine Umstände benennen, die dazu führen würden, dass die Berufungskammer Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Aussage der Zeugin Z erhält. Dies gilt umso mehr, als der Kläger keine nachvollziehbaren Gründe dargelegt hat, aufgrund derer er den Einspruch gegen den Strafbefehl in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Siegburg am 02.09.2019 zurückgenommen hat.

i)              Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.02.2019 erweist sich auch auf der 2. Stufe als wirksam. Es gibt vorliegend keine milderen Mittel, insbesondere eine Abmahnung scheidet aus. Auch war der Beklagten die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigung unzumutbar.

Angesichts der Schwere der festgestellten arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung, indem der Kläger am 19.11.2018 gegenüber der Zeugin Z sexuell übergriffig wurde und damit sogar den Straftatbestand des § 184i StGB verwirklicht hat, hat er eine derart gewichtige Verletzung seiner arbeitsrechtlichen Pflichten nach § 7 Abs. 3 AGG bzw. § 241 Abs. 2 BGB begangen, dass eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist, was zugleich auch für den Kläger erkennbar war (vgl. BAG, Urteil vom 23. Juni 2009 – 2 AZR 283/08, Rn. 18, juris). Der Kläger konnte aufgrund des Umstandes, dass er die Zeugin Z in ihrem absolut geschützten Intimbereich an primären Geschlechtsmerkmalen berührte, nicht ernsthaft damit rechnen, die Beklagte werde sein Verhalten tolerieren.

Aber auch eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist war der Beklagten nicht zuzumuten. Zum einen war die ordentliche Kündigungsfrist gerade aufgrund der Beschäftigungsdauer des Klägers mit insgesamt sechs Monaten zum 31.08.2019 sehr lang, wobei der Kläger insofern keine Einwände gegen diese Kündigungsfrist erhoben hat. Zum anderen ist die Beklagte durch § 12 Abs. 3 AGG gehalten, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor sexuellen Belästigungen wirksam zu schützen, selbst wenn der betroffene Mitarbeiter 16 Jahre beschäftigt ist und bislang arbeitsrechtlich unauffällig war. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen dahingehend ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 29, juris; BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 651/13, Rn. 23, juris; BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10, Rn. 28, juris). Da der Kläger durch sein festgestelltes mehraktiges Verhalten (Griff in den Schritt der Zeugin Z , Griff in den eigenen Schritt und die anschließende Äußerung, dass sich da etwas tue) sogar eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verwirklicht hat, da er den Tatvorwurf durchgehend bestritten hat und er daher auch konsequent keine Reue gezeigt hat, war es der Beklagten nicht zuzumuten, ihn weiterzubeschäftigen, um dann ggfls. während des Laufs der Kündigungsfrist weitere Vorfälle/Übergriffe zu riskieren. Dies gilt umso mehr, als sie auch von anderen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Hinweise – seien sie nun zutreffend oder nicht – auf sexuelle Belästigungen des Klägers ihnen gegenüber erhalten hatte. Mögliche Unterhaltspflichten des Klägers gegenüber seiner Ehefrau und den beiden volljährigen Kindern führen insofern zu keinem anderen Ergebnis, da diese auf die Schutzpflicht der Beklagten gegenüber ihren Mitarbeitern keine Auswirkungen haben. Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung wiederholend behauptet, dass er bei seinen (männlichen) Kollegen als „ehrlicher, verlässlicher, pünktlicher, ordentlicher, hilfsbereiter und stets freundlicher Kollege wohl gelitten“ sei, führt dies ebenfalls zu keiner anderen Bewertung. Selbst wenn dies der Fall wäre, kann es die Beklagte im Hinblick auf § 12 Abs. 3 AGG nicht riskieren, einen Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, der gegenüber zumindest einer Mitarbeiterin sexuell übergriffig geworden ist. Der Kläger hat vorliegend eben nicht nur eine sexuell belästigende Äußerung gegenüber der Zeugin Z gemacht, sondern er ist körperlich übergriffig geworden, da er an primäre Geschlechtsmerkmale gegriffen hat. Zur Verhinderung einer möglichen Wiederholung und zum effektiven Schutz der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Beklagten musste der Kläger daher, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, fristlos gekündigt werden. Soweit der Kläger schließlich meint, die Beklagte würde ihn in die Armut „stürzen“, ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger – ggfls. nach einer Sperrfrist – Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.

j)              Vorliegend hat die Beklagte auch die Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen gemäß § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung wirksam aber nur innerhalb von zwei Wochen erklärt werden. Diese Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem ein Kündigungsberechtigter von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Beklagte hat die Mitteilung über die sexuelle Belästigung durch den Kläger und damit über seine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung erstmals am 25.02.2019 durch die Zeuginnen Z und H erhalten. Sie hat den Kläger am 26.02.2019 angehört und hat ihm am 27.02.2019 unmittelbar gekündigt. Hinweise darauf, dass die Beklagte tatsächlich schon vor dem 25.02.2019 Kenntnis von dem festgestellten Verhalten des Klägers hatte, lassen sich weder dem Vortrag des Klägers noch der Aussage der Zeugin Z entnehmen.

4.              Die Kündigung ist schließlich auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, da die Beklagte den ihr gebildeten Betriebsrat vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung ordnungsgemäß angehört hat.

a)               Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Will der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken erheben, muss er dies gemäß § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG dem Arbeitgeber spätestens innerhalb von drei Tagen schriftlich mitteilen. Eine vor Fristablauf ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, es sei denn, es liegt bereits eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vor (BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13, Rn. 13, juris).

Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, dh. der Arbeitgeber muss schriftlich oder mündlich dem Betriebsrat neben näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers die Art und den Zeitpunkt der Kündigung und die seiner Ansicht nach maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilen. Der für den Arbeitgeber maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, näher so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach und unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, ist die Kündigung unwirksam. Allerdings ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers subjektiv determiniert. An sie sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Es müssen dem Betriebsrat also nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die vom Arbeitgeber für die Kündigung als ausschlaggebend angesehenen Umstände mitgeteilt werden, die also tatsächlich seinen Kündigungsentschluss bestimmt haben (BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13, Rn. 14, juris). Dagegen führt eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG, Urteil vom 23. Juni 2009 – 2 AZR 474/07, Rn. 34 mwN, juris). Teilt der Arbeitgeber objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder zunächst nicht stützen will, ist die Anhörung ordnungsgemäß erfolgt. Dem Arbeitgeber ist es dann aber verwehrt, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen. Seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG kommt der Arbeitgeber erst dann nicht mehr nach, wenn er aus seiner Sicht dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet (BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13, Rn. 14, juris; BAG, Urteil vom 12. August 2010 – 2 AZR 104/09, Rn. 17, juris).

Hinsichtlich der iSd. § 102 BetrVG ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Danach hat im Prozess der Arbeitnehmer zunächst einmal die für ihn günstige Tatsache vorzutragen, dass überhaupt ein Betriebsrat besteht und deshalb nach § 102 BetrVG vor Ausspruch einer Kündigung dessen Anhörung erforderlich war. Ohne dieses Vorbringen ist das Gericht nicht berechtigt und nicht verpflichtet, das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung – von Amts wegen – zu prüfen. Auf einen entsprechenden Sachvortrag des Arbeitnehmers hin obliegt es dem Arbeitgeber darzulegen, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist. Da die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung ist, trifft die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich insoweit den Arbeitgeber. Auf einen entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers hin darf sich der Arbeitnehmer dann nicht mehr darauf beschränken, die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung pauschal mit Nichtwissen zu bestreiten. Er hat sich vielmehr nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig über den vom Arbeitgeber vorgetragenen Sachverhalt zu erklären und im Einzelnen zu bezeichnen, ob er rügen will, der Betriebsrat sei entgegen der Behauptung des Arbeitgebers überhaupt nicht angehört worden, oder in welchen einzelnen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für falsch oder die dem Betriebsrat mitgeteilten Tatsachen für unvollständig hält. Dies erfordert gegebenenfalls einen ergänzenden Sachvortrag des Arbeitgebers und ermöglicht eine Beweiserhebung durch das Gericht über die tatsächlich streitigen Tatsachen BAG, Urteil vom 23. Mai 2005 – 2 AZR 193/04, Rn. 13 mwN, juris).

b)               Hieran gemessen kann eine Fehlerhaftigkeit der Betriebsratsanhörung nicht festgestellt werden, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Das für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 27.02.2019 maßgebliche Kerngeschehen hat die Beklagte ihrem Betriebsrat zutreffend mitgeteilt. Dies ergibt sich aus der schriftlichen Anhörung, in der es wörtlich heißt: „Diese Situation nutzte er aus, fasste mit einer Hand an Ihren Po und mit der Anderen in ihren Schritt, griff sich anschließend selbst in den Schritt und sagte: ‚Oh, da tut sich ja direkt was!‘“. Das in ihrem (erstinstanzlichen) Sachvortrag der Beklagten abweichend von der Aussage der Zeugin dargestellte Randgeschehen hat in der schriftlichen Betriebsratsanhörung keinen Niederschlag gefunden. Die Beklagte hat insofern behauptet, dass die Zeugin Z sich schon vor dem Vorfall vom 19.11.2018 regelmäßig vor dem Kläger auf der Toilette versteckt habe, während die Zeugin in ihrer Aussage vor dem Arbeitsgericht ausgesagt hat, dass dies erst nach dem Vorfall der Fall gewesen sei. Soweit diese abweichende Sachverhaltsschilderung Eingang in die mündliche Information des Betriebsratsvorsitzenden am 27.02.2019 gefunden haben sollte, ist jedoch nicht feststellbar und wird auch von dem Kläger nicht behauptet, dass die Beklagte ihren Betriebsrat als Gremium insoweit bewusst falsch oder irreführend informiert hat bzw. dass der Betriebsratsvorsitzende das unzutreffende Randgeschehen den anderen Gremiumsmitgliedern überhaupt mitgeteilt hat. Auch in der Berufungsbegründung rügt der Kläger insofern zwar eine falsche Betriebsratsanhörung, nicht aber, dass dies bewusst oder irreführend erfolgt sei. Die Beklagte hat zwar keine Gründe genannt, wie es zu dieser abweichenden Darstellung gekommen ist, denn die Zeugin Z hat in ihrer Vernehmung ebenfalls ausgesagt, dass sie der Beklagten die zeitliche Reihenfolge auch genauso geschildert hat, wie sie es im Rahmen ihrer Vernehmung geschildert hat. Hinzu kommt, dass der Kläger ebenfalls nicht behauptet hat, dass die unzutreffende Angabe zum Randgeschehen vom Betriebsratsvorsitzenden auch dem Gremium gegenüber mitgeteilt wurde und daher überhaupt Grundlage der zustimmenden Entscheidung des Betriebsrats geworden ist. Letztlich kann dies aber dahinstehen, da die Beklagte durch die schriftliche Anhörung vom 27.02.2019 im Rahmen des Grundsatzes der subjektiven Determinierung gegenüber dem Betriebsrat als Gremium klar gestellt, was der Grund für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung gegenüber dem Kläger sein soll, nämlich der sexuelle Übergriff auf die Zeugin Z vom 19.11.2018. Da der Kläger in der Berufungsinstanz weitere Einwände gegen die Betriebsanhörung nicht vorgebracht hat, ist diese im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.

D.              Die Kosten des erfolglosen Berufungsverfahrens trägt der Kläger, § 97 Abs. 1 ZPO.

E.              Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil sie auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht. Auch weicht die Kammer nicht von anderen Entscheidungen im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ab.

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