LAG Berlin-Brandenburg: Feststellungsinteresse bei Abmahnung
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.7.2013 - 4 Ta 1158/13
Leitsätze
1. Ein Antrag, festzustellen, dass die Arbeitgeberin aus einer Abmahnung nach der Entfernung aus der Personalakte keine Rechtswirkungen mehr herleiten kann, ist regelmäßig unzulässig.
2. Es handelt sich der Sache nach um eine negative Feststellungsklage. Ein Feststellungsinteresse besteht deswegen nur dann, wenn sich der Gegner eines Rechts gegen den Kläger berühmt, das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, die hierdurch drohende Gefahr einer Inanspruchnahme zu beseitigen und darüber hinaus Gründe vorliegen, die eine alsbaldige Klärung notwendig erscheinen lassen.
§ 256 Abs 1 ZPO, § 114 ZPO
Aus den Gründen
I.
Der Kläger wandte sich mit seiner Klage gegen eine Kündigung der Beklagten (Antrag zu 1.) und beantragte weiterhin, die Beklagte zu verurteilen, die unter dem 27. März 2013 ausgesprochene Abmahnung aus der Personalakte des Klägers zu entfernen (Antrag zu 2.). Mit dem Antrag zu 3. beantragte er weiter, festzustellen, dass die Beklagte aus der Abmahnung vom 27. März 2013 nach der Entfernung aus der Personalakte keine Rechtswirkungen mehr herleiten kann.
Mit Beschluss vom 16. Mai 2013 wies das Arbeitsgericht die beantragte Prozesskostenhilfe bzgl. des Antrags zu 3. wegen mangelnder Erfolgsaussichten i. S. v. § 114 ZPO zurück. Zur Begründung führt das Arbeitsgericht aus, dass für den Antrag zu 3. neben dem Antrag zu 2. das erforderliche Feststellungsinteresse fehle.
Gegen den ihm am 23. Mai 2013 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit bei Gericht am 21. Juni 2013 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, soweit sein Prozesskostenhilfeantrag bzgl. des Antrags zu 3. zurückgewiesen wurde. Zur Begründung der Erfolgsaussichten des Antrags zu 3) führte er aus, dass eine Abmahnung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ihre kündigungsschutzrechtliche Warnfunktion auch nach einer Entfernung aus der Personalakte weiterhin erfüllen könne. Deshalb müsse der Kläger ohne die mit dem Klageantrag zu 3. begehrte Feststellung weiterhin damit rechnen, dass ein Gericht die Abmahnung - auch nach ihrer Entfernung aus der Personalakte - in einem sich anschließenden Kündigungsschutzrechtsstreit im Rahmen der Interessenabwägung zu Lasten des Klägers berücksichtigen könnte, obschon sie unwirksam war. Deshalb bestehe ein über den Antrag zu 2. hinausgehendes Feststellungsinteresse für den Antrag zu 3.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 27. Juni 2013 nicht abgeholfen.
II.
1. Die gemäß §§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 ZPO statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO. Sie ist daher zulässig.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, so dass durch das Landesarbeitsgericht zu entscheiden war.
2. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit der Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wurde. Das Arbeitsgericht hat zutreffend die hinreichende Erfolgsaussicht verneint.
a. Gemäß der §§ 114, 119 Abs. 1 S. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das Prozesskostenhilfe-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt.
b. Vorliegend bietet der Antrag zu 3. auch bei summarischer Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da er bereits offensichtlich unzulässig ist. Der Kläger hat kein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen richterlichen Entscheidung dargelegt.
aa. 256 Abs. 1 ZPO fordert, dass der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Bei einer negativen Feststellungsklage hat der Kläger nur dann ein solches Feststellungsinteresse, wenn sich der Gegner eines Rechts gegen den Kläger berühmt, das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, die hierdurch drohende Gefahr einer Inanspruchnahme zu beseitigen und darüber hinaus Gründe vorliegen, die eine alsbaldige Klärung notwendig erscheinen lassen (vgl. BAG 12.10.1979 - 7 AZR 960/77 -AP Nr. 48 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
bb. Einer alsbaldigen richterlichen Klärung der Frage, ob die Beklagte aus der Abmahnung nach ihrer Entfernung aus der Personalakte noch Rechte herleiten kann, bedarf es im vorliegenden Fall nicht.
Allein dadurch, dass nicht ausgeschlossen ist, dass sich die Beklagte in der Zukunft auf die Warnfunktion der aus der Personalakte entfernten Abmahnung berufen könnte, entsteht bei dem Kläger keine durch eine richterliche Feststellung zu beseitigende Unsicherheit.
Das Recht des Klägers sich gegebenenfalls gegen eine Kündigung, die sich auf die aus der Personalakte entfernte Abmahnung stützt, unter Verweis auf ihre Unwirksamkeit zu verteidigen, wird hierdurch nicht beeinträchtigt. Ebenso wenig sind vorliegende andere Rechte oder rechtlich schützenswerte Interessen des Klägers unmittelbar gefährdet. Denn die Wirksamkeit der Abmahnung wird bereits im Rahmen des Antrags zu 2. geprüft, sodass die weitergehende Feststellung nur noch die Frage betreffen kann, ob die Abmahnung dennoch geeignet war, die ihr immanente Warnfunktion zu erfüllen. Hierauf käme es aber erst dann an, wenn die Beklagte sich hierauf berufen würde. Gegenwärtig besteht indes keine richterlich zu klärende Unsicherheit der Parteien über ein von der Beklagten geltend gemachtes Recht. Die Beklagte hat sich nämlich bisher nicht vorbehalten aus der Abmahnung für den Fall ihrer Unwirksamkeit weitere Rechte herzuleiten. Selbst wenn die Beklagte sich in einem Folgeprozess doch noch hierzu entschließen sollte, könnte ggf. in dem Folgeverfahren noch geklärt werden, ob Abmahnung ihre Warnfunktion trotz der Entfernung aus der Personalakte noch erfüllen konnte.
Die Bejahung eines Feststellungsinteresses zugunsten des Klägers im vorliegenden Verfahren ist auch nicht aus Gründen der Prozessökonomie deshalb geboten, weil den Parteien dadurch ein weiterer Prozess erspart bliebe. Ein solcher zeichnet sich bei Klageerhebung überhaupt noch nicht ab. Es steht nunmehr aufgrund der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch fest, dass ein späterer Kündigungsschutzprozess zwischen den Parteien nicht folgen wird.
3. Die Beschwerde ist begründet, soweit auch eine Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nach § 11a ArbGG unterblieben ist.
a. Ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe enthält regemäßig auch einen Antrag auf Beiordnung nach § 11a ArbGG.
b. Die Voraussetzung einer Beiordnung nach § 11a ArbGG lagen vor. Die Gegenseite war anwaltlich vertreten. Die Klage war mit dem Antrag zu 3. zumindest nicht offensichtlich mutwillig iSd. § 11a Abs. 2 ArbGG
4. Mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde, für die gemäß §§ 78 Satz 2 iVm. 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung bestand, ist diese Entscheidung nicht anfechtbar