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Arbeitsrecht
30.08.2012
Arbeitsrecht
ArbG Berlin: Erkrankungsbedingte Arbeitsunfähigkeit

ArbG Berlin, Urteil vom 08.06.2012 - 28 Ca 6569/12


Leitsatz


1. Dauert erkrankungsbedingte Arbeitsunfähigkeit über den zunächst bescheinigten Zeitraum hinaus an, so trifft den erkrankten Arbeitnehmer entsprechend § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG die Pflicht, dem Arbeitgeber die Fortdauer unverzüglich anzuzeigen (wie Hessisches LAG 1.12.2006 - 12 Sa 737/06 - EEK 3289).


2. Enthält der Arbeitsvertrag keine Regelung, die für den Arbeitnehmer die in Leitsatz I. beschriebene Rechtslage verdeutlicht, so kann der Arbeitgeber nicht schon den ersten "Verstoß" zum Gegenstand förmlicher Missbilligung ("Abmahnung") machen. Er hat den betreffenden Pflichtenkreis des Arbeitnehmers vielmehr zunächst erst klarzustellen, ehe er ggf. im Wiederholungsfall abmahnen kann.


3. Da dem Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vorerwähnten Mitteilungspflicht nicht höchstpersönlich obliegt, kann er sich hierfür als Boten auch eines Kollegen (einer Kollegin) bedienen.


Sachverhalt


Es geht um die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ihrer Adressatin. - Vorgefallen ist dies:


I. Die Klägerin steht seit November 2008 als „Vertriebsassistentin"1 in den Diensten der Beklagten. Sie bezog zur Zeit der Ereignisse, die den Hintergrund des Rechtsstreits bilden, ein Monatsgehalt von 2.381,-- Euro (brutto).


II. Mit besagten „Ereignissen" hat es folgende Bewandtnis:


1. Im ersten Quartal des Jahres 2012 - möglicherweise2 seit Mitte Februar 2012 - erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig. Eine ihr hierzu erteilte ärztliche Bescheinigung attestierte Arbeitsunfähigkeit bis 9. März 2012, einem Freitag. Am 12. März 2012 erschien sie nicht zur Arbeit. Gegen Mittag dieses Tages empfing die Beklagte über eine Kollegin der Klägerin die Nachricht, dass weiterhin Arbeitsunfähigkeit bestehe3.


2. Das nahm die Beklagte zum Anlass, die Klägerin mit Schreiben gleichen Datums4 (12. März 2012; Kopie: Urteilsanlage I.) folgendes wissen zu lassen:


 „Abmahnung/Verletzung der Anzeigepflicht bei Arbeitsverhinderung


... leider mussten wir feststellen, dass Sie sich nicht an die Ihnen obliegenden Anzeigepflichten im Zusammenhang mit dem Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit halten.


Bis einschließlich Freitag, den 9. März 2012, lag uns Ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Nach eigener telefonischer Aussage konnten Sie an diesem Tage jedoch nicht absehen, ob Ihre Arbeitsfähigkeit ab dem 12. März 2012 wieder hergestellt wäre. Am Montag, den 12. März 2012, sind Sie dann nicht zur Arbeit erschienen.


Neben der Verpflichtung, eine Arbeitsunfähigkeit, die länger als drei Tage andauert durch einen Arzt bestätigen zu lassen, sind Sie vor allem auch verpflichtet, zunächst unverzüglich über das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer zu informieren. Wenn Sie feststellen, dass Sie aus gesundheitlichen Gründen (weiterhin) nicht zur Arbeit erscheinen können, dann sind Sie verpflichtet, unverzüglich mitzuteilen, wie lange Sie voraussichtlich fehlen werden.


Unverzüglich bedeutet, dass Sie ohne schuldhaftes Zögern die Information an uns weitergeben. Spätestens zum Zeitpunkt Ihres Arbeitsbeginns muss der Arbeitgeber informiert sein, dass Sie die Arbeit nicht aufnehmen und für wie lange Sie voraussichtlich (weiterhin) ausfallen. Die gesetzlichen Bestimmungen des § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Entgeltfortzahlungsgesetz5 (EFZG) enthalten jeweils eigenständige Verpflichtungen. Die Anzeigepflicht einerseits und die Nachweispflicht andererseits.


Sie haben sich erst am Mittag den 12. März 2012 bei einer Kollegin gemeldet, um mitzuteilen, dass Sie weiterhin arbeitsunfähig sind bis einschließlich 14. März 2012. Sie verletzten hiermit Ihre Anzeigepflicht.


Zu informieren ist der Arbeitgeber, der vertreten wird durch Ihren Vorgesetzten oder den Geschäftsführer. Ebenso gilt die Information der Personalabteilung in diesem Zusammenhang als Information des Arbeitgebers. Eine Information über Ihre Arbeitsverhinderung haben jedoch weder Ihr Vorgesetzter, noch die Personalabteilung erhalten.


Eine derartige Verletzung Ihrer Mitteilungspflichten sind wir nicht gewillt, hinzunehmen.


Ihr Verhalten stellt eine Verletzung Ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dar und führt zu Störungen im Betriebsablauf. Darüber hinaus wird durch Ihr Verhalten auch das für eine Zusammenarbeit notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und uns gestört. Wir weisen Sie daraufhin, dass ein erneutes derartiges oder ähnliches Verhalten Ihrerseits zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen, die bis hin zur Kündigung reichen können, führen wird".


Mit freundlichen Grüßen ... ".


3. Dem ließ die Klägerin durch ihre (damaligen) Bevollmächtigten unter dem 28. März 20126 (Kopie: Urteilsanlage II.) dies entgegnen:


 „ ... Unter Bezugnahme auf Ihre Abmahnung vom 12. März 2012 (Verletzung der Arbeitspflicht bei Arbeitsveränderung7) teilen wir folgendes mit:


Wie Sie richtigerweise beschreiben, konnte unsere Mandantin am Freitag, den 9. März 2012 noch nicht absehen, ob ihre Arbeitsfähigkeit ab dem 12. März 2012 wiederhergestellt ist. Am Montag, den 12. März 2012 wurde sie dann, wie sie es Ihnen mitgeteilt hatte, von ihrem Hausarzt untersucht, der feststellte, dass unsere Mandantin weiterhin arbeitsunfähig ist. Sie hat sich daraufhin sofort bei Ihnen gemeldet. Sie hatte versucht, die Personalabteilung zu erreichen, was wegen des ständigen Besetzen aller Telefonleitungen nicht möglich war. Aus diesem Grund hat sie dann einer Kollegin die oben beschriebene Tatsache mitgeteilt mit der Bitte, mündlich die Personalabteilung zu informieren.


Irgendein Fehlverhalten unserer Mandantin können wir darin nicht erkennen. Insbesondere keine Verletzung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen unserer Mandantin, die sich im Gegenteil vernünftig verhalten hat.


Wir haben Sie aufzufordern, die ungerechtfertigte Abmahnung aus der Personalakte unverzüglich zu entfernen.


Wir haben uns dazu eine Frist bis zum


10. April 2012


vermerkt.


Nach fruchtlosem Zeitablauf, werden wir den Anspruch auf Entfernung gerichtlich geltend machen.


Mit freundlichen Grüßen ... ".


4. Es half nichts: Die Beklagte reagierte nicht8.


III. Mit ihrer am 30. April 2012 zugestellten Klage nimmt die Klägerin die Beklagte nunmehr gerichtlich auf Beseitigung des Schriftstücks in Anspruch. Sie beantragt sinngemäß,


die Beklagte zu verurteilen, die ihr mit Schreiben vom 12. März 2012 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.


Die Beklagte beantragt,


die Klage abzuweisen.


IV. Sie hält das Entfernungsverlangen der Sache nach für haltlos: So sei aus der Klageschrift schon „nicht erkennbar, woraus der Anspruch auf Entfernung der Abmahnung folgen" solle9. Damit sei die Klage bereits „unschlüssig und daher abzuweisen"10. - Im Übrigen lässt die Beklagte „unter Protest gegen die Darlegungslast"11 darauf verweisen, dass Arbeitnehmer verpflichtet seien, „Arbeitsverhinderungen unverzüglich, spätestens also vor Arbeitsbeginn gegenüber dem Arbeitgeber anzuzeigen"12. Da die Klägerin hier gegen diese Verpflichtung verstoßen habe, sei sie zu Recht abgemahnt worden13.


V. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen.


Aus den Gründen


Der Klage ist der Erfolg nicht zu versagen.


Die Beklagte hat die der Klägerin erteilte Abmahnung aus deren Personalakte zu entfernen. Ihre Einwände ändern daran nichts. - Im Einzelnen:


I. Die Klägerin macht der Beklagten im gedanklichen Ausgangspunkt nicht streitig, die Verletzung vertraglicher Verpflichtungen unter den dafür geltenden normativen Voraussetzungen ggf. mit förmlicher „Abmahnung" belegen zu können. Das ist auch richtig (vgl. dazu nur etwa §§ 281 Abs. 314, 314 Abs. 2 Satz 115 BGB), so dass sich insoweit jedes weitere Wort erübrigt.


1. Nicht weniger richtig ist, dass eine „Abmahnung" - jedenfalls bei bestim-mungsgemäßem Gebrauch - nicht nur den Interessen des Arbeitgebers dient, sondern auch den Interessen des Arbeitnehmers: Denn als „Vorstufe der Kündigung"16 und bei entsprechender Konfliktzuspitzung als seine letzte Chance17 (im Bilde und mit einem anschaulichen Begriff aus der Welt des Sports gesprochen: die „gelbe Karte"), kann sie dem Adressaten bei verhaltensbedingten Vertragsstörungen sowohl die Möglichkeit, als auch den Anstoß dafür bieten, die Arbeitsbeziehung vor ihrem endgültigen „Aus" (nochmals im selben Bilde: die „rote Karte" der Kündigung) zu bewahren. Insofern kann die Abmahnung als letztes Mittel, beim Adressaten seinen Eigenanteil zur Erhaltung der Vertragsbeziehung einzufordern, in der Tat ein rettendes Instrument zur Wiederherstellung gestörter Kooperation18 darstellen.


2. Umgekehrt allerdings tendiert die objektiv unberechtigte Abmahnung (oder sonstige - gar eigens aktenkundig gemachte - Missbilligung) zum baren Gegenteil solcher Förderung und Festigung wechselseitiger Kooperation: Sie demonstriert ihrem Adressaten dann nämlich nicht nur - wie schon bei der „berechtigten" Abmahnung - , dass der andere Teil ihm eigene Einsicht in die Erfordernisse gedeihlicher Zusammenarbeit nicht (mehr) zutraut (und eben deshalb zur ultimativen Drohung greift), sondern dies obendrein in einer Lage tut, in der ihm der Adressat für derart ungestüme Entfaltung von Druck überhaupt keinen Grund gegeben hat.


Nicht nur wegen der aus dergestalt demonstrativem Misstrauen erwachsenden Erschwerung weiterer Kooperation für den Adressaten19, sondern vor allem auch wegen der enormen Kränkungspotentiale solcher Behandlung objektiv vertragstreuer Mitarbeiter überzeugt es, dass die Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen die unberechtigte Erteilung förmlicher Abmahnungen (ersatzweise sonstiger aktenkundig gemachter Rügen) als rechtswidrigen Eingriff in das durch Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Adressaten begreift20 und solche Überschreitung der Grenzen der Handlungsbefugnisse des Arbeitgebers mithilfe der einfachgesetzlichen Vorschriften im Wege schutzpflichtorientierter Rechtsanwendung (s. schon Art. 1 Abs. 3 GG21) zurückweist.


3. Zu den wichtigsten Erscheinungsformen dieses - notgedrungen22: richterrechtlich ausgeformten - Schutzkonzepts gehört die heute23 ungeteilte Anerkennung eines im Wege der Leistungsklage24 durchsetzbaren Anspruchs des Adressaten gegen den Arbeitgeber, das seinen personalen Geltungsanspruch kränkende - aber auch seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten gefährdende - Schriftstück aus den über ihn geführten Personalakten zu entfernen25. Auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts wird dieser Ausdruck praktizierten Persönlichkeitsschutzes im Arbeitsverhältnis dogmatisch doppelt fundiert: Die vertragsrechtliche Anspruchsgrundlage (s. §§ 241 Abs. 226, 24227 BGB) wird flankiert von einer inhaltlich gleichläufigen Basis in den zur Abwehr normativ inakzeptabler Störungen entwickelten - ursprünglich dem Eigentumsschutz zugedachten - Grundsätzen des sogenannten (quasi-)negatorischen Rechtsgüterschutzes (§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB28 in analoger Anwendung).


4. Mancherlei Meinungsverschiedenheiten bestehen zwar nach wie vor darüber, wie „berechtigte" von „unberechtigten" Abmahnungen im Bezug auf den Entfernungsanspruch normativ voneinander zu unterscheiden sind. Gemeint ist die Frage, worauf die Rechtskontrolle beim Zuschnitt ihrer diesbezüglichen Prüfkriterien im Lichte des Persönlichkeitsschutzes im Einzelnen Bedacht zu nehmen habe. Eines ist jedoch schon nach den einleitenden Erläuterungen (s. S. 4-6 [II.1.-2.]) für die „berechtigte" Abmahnung essentiell: Ihren „Grundstein" bildet eine Vertragsverletzung des Arbeitnehmers. Fehlt es schon daran, dann ist das Schicksal einer per Entfernungsklage vor Gericht angegriffenen Abmahnung von vornherein besiegelt. - Außerdem ist festzuhalten, dass sich für die gerichtliche Kontrolle missbilligender Äußerungen die Einsicht durchgesetzt hat, dass bei einer Mehrzahl entsprechender Rügen das fragliche Schriftstück schon dann komplett aus der Personalakte zu entfernen ist, wenn sich nur einer der Vorwürfe nach den vorerwähnten Maßstäben als unberechtigt erweist29: Damit scheidet auch eine „geltungserhaltende Reduktion"30 nachteiliger Schriftstücke auf ihren gerade noch zulässigen Inhalt vor Gericht aus.


II. Nach diesen Grundsätzen lässt sich die hiesige Abmahnung rechtlich nicht halten. Es kann in der Tat schon nicht festgestellt werden, dass die Klägerin im Bezug auf die dreitägige Fortdauer ihrer Arbeitsunfähigkeit ihrem Pflichtenkreis gegenüber der Beklagten nicht gerecht geworden wäre. - Mehr noch: Tatsächlich erscheint der Vorwurf sogar widerlegt:


1. Richtig ist allerdings, dass der Arbeitnehmer nach dem schon im Text des Abmahnungsschreibens (s. oben, S. 2-3 [II.2.]; Urteilsanlage I.) erwähnten § 5 Abs. 1 Satz 1 EntgeltFG31 bei Eintritt erkrankungsbedingter Arbeitsunfähigkeit gehalten ist, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Zur Frage der Fortdauer einschlägiger Fehlzeiten sind gleichlautende Grundsätze zwar nicht kodifiziert32 (s. dazu auch noch unten, S. 11 [3.]). Sie werden von den Gerichten für Arbeitssachen und im Fachschrifttum unter Übernahme der für Ersterkrankungen geschaffenen Regelungsmuster jedoch ebenfalls aus § 5 Abs. 1 EntgeltFG hergeleitet33. Der Sinn der Prozedur ist evident: Gemeint ist das Interesse des Arbeitgebers, Störungen seiner betrieblichen Dispositionen beim Personaleinsatz - möglichst frühzeitig - begegnen zu können34. Je eher er erfährt, dass mit einer Arbeitsperson nicht rechnen sei, desto besser. Darin zeichnet sich zugleich - und nicht zufällig - eine deutliche Abstufung der jeweiligen Intensität seiner Belange je nach dem ab, ob eine Ersterkrankung oder deren Fortdauer in Rede steht. Dies hat das schon wiederholt erwähnte Hessische Landesarbeitsgericht vor einigen Jahren - im Einklang mit anderen Stimmen35 - so auf den Punkt gebracht36:


 „Demgegenüber sind die Interessen der Beklagten nach den unterstellten Pflichtverletzungen des Klägers noch nicht in nicht mehr hinnehmbarer Weise beeinträchtigt, so dass ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bereits jetzt unzumutbar wäre. Das liegt vor allem daran, dass die letzte Verletzung der Anzeigepflicht am 2.5.2005, die unmittelbar zur Kündigung geführt hat, nicht im Zusammenhang mit einer Ersterkrankung, sondern einer fortdauernden Erkrankung geschah. Diese beeinträchtigt die mit der Anzeigepflicht geschützte Dispositionsfähigkeit des Arbeitgebers nicht in derselben schwerwiegenden Weise wie bei einer Ersterkrankung. Während das Nichterscheinen des Arbeitnehmers den Arbeitgeber am ersten Tag der Erkrankung bei unterbleibender Mitteilung unvorbereitet trifft und ihm die Möglichkeit, Vorsorge durch die anderweitige Besetzung des Arbeitsplatzes zu treffen, nimmt, ist die Situation bei der fortdauernden Erkrankung eine andere, weniger einschneidende. Das Ausbleiben des Arbeitnehmers trifft den Arbeitgeber hier nicht unvorbereitet. Er hat zwar nicht die Pflicht, sich beim Arbeitnehmer vorab zu erkundigen, ob er die Arbeit wieder aufnehmen werde. Er hat aber die Möglichkeit dazu, wenn er Beeinträchtigungen im Arbeitsablauf fürchten muss und verhindern will. Ihm ist so die Dispositionsfähigkeit anders als in der Situation der Ersterkrankung nicht gänzlich geraubt, sondern er ist noch handlungsfähig, weil er das Problem kommen sehen kann. Daher ist es gerechtfertigt, diese Vertragsverletzung als viel weniger gravierend zu bewerten als die Anzeigepflichtverletzung bei Ersterkrankung. ... Die Wertung der Kammer wird auch durch die gesetzliche Regelung in § 5 Abs. 1 EFZG bestätigt. Offenbar hat auch der Gesetzgeber den Mitteilungspflichten bei Ersterkrankung und bei fortdauernder Erkrankung nicht die gleiche Bedeutung zugemessen. Die Vorschrift verlangt nämlich im Falle der fortdauernden Erkrankung nur einen Nachweis, aber keine weitere unverzügliche Anzeige. Lediglich die herrschende Meinung kommt in Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG zu § 3 LohnfzG, der auch keine ausdrückliche Verpflichtung vorsah, durch Bildung einer Analogie zu dem Ergebnis, dass die Anzeigepflicht auch bei der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit bestehe (...)".


2. Angesichts dessen kann von einer Vertragspflichtverletzung der hiesigen Klägerin keine Rede sein:


a. Was dabei zunächst die im Mittelpunkt des Interesses stehende Mitteilungspflicht der Klägerin anbelangt, so ist zwar unstreitig, dass die Beklagte am 12. März 2012 erst „am Mittag" (Abmahnungsschreiben; Urteilsanlage I.) über eine Kollegin der Klägerin von deren weiterer Arbeitsunfähigkeit bis vorläufig 14. März 2012 konkret erfuhr. Das ist aber nicht alles. Denn tatsächlich beschränkten sich die kommunikatorischen Bemühungen der Klägerin um informatorische Vorsorge bei der Beklagten nicht darauf, dieser wegen ihrer Genesungsperspektiven erst Bescheid zu geben, als die Würfel nach ärztlichem Votum bereits gefallen waren. Die Beklagte hält ihr im Text der aktenkundig gemachten Missbilligung vielmehr selber vor, schon am 9. März 2012 bekundet zu haben, dass sie „nicht absehen" könne, ob ihre Arbeitsfähigkeit zu Beginn der Folgewoche wieder hergestellt wäre. - Sollen Worte einen Sinn behalten, so stand damit fest, dass die Beklagte mit einem Einsatz der Klägerin (schon) am 12. März 2012 nicht rechnen konnte. Schon dies genügt für ihre vorerwähnten (s. oben, S. 8-10 [II.1.]) Dispositionsbelange. Trifft obendrein zu, was in den Zeilen des Anwalts der Klägerin im Schreiben vom 28. März 2012 (s. oben, S. 3 [3.]; Urteilsanlage II.) zur Sprache gebracht wird, so war sie des Weiteren sogar darüber im Bilde, dass sich die Folgeentwicklung nach der Einschätzung des Hausarzt's der Klägerin richten sollte, den sie erst am 12. März 2012 konsultiere. - Im Klartext: Was die Klägerin der Beklagten ihrem Vorhalt zufolge also am Montag (12. März 2012) vor 8.00 Uhr hätte berichten sollen, entsprach bereits am Freitag (9. März 2012) deren Kenntnisstand. Verhält es sich so, dann war die Beklagte mit der auf informationelle Vorsorge sichtlich bedachten Klägerin sogar besser gestellt, als sie bei Ausschöpfung des zugebilligten Spielraums bis Montagfrüh gestellt gewesen wäre. - „Vertragsverletzung" ist das nicht.


b. Soweit die Beklagte der Klägerin im Übrigen zur Last legt, nicht die im Abmahnungstext (s. oben, S. 2-3 [II.2.]; Urteilsanlage I.) genannten Repräsentanten (Geschäftsführer; Personalabteilung; Vorgesetzter) informiert zu haben, sondern eine Kollegin, ist eine Vertragspflichtverletzung ebenso wenig objektivierbar. Das Gesetz kennt in § 5 Abs. 1 EntgeltFG37 - anders als in § 613 BGB38 im Bezug auf die Arbeitsleistung - keine Verpflichtung, die betreffende Mitteilung etwa höchstpersönlich zu erfüllen. Der Arbeitnehmer kann sich zur Übermittlung der Nachricht vielmehr auch einer Hilfsperson bedienen. Auch diesbezüglich ist das Verhalten der Klägerin somit gleichfalls nicht zu beanstanden, sondern sachgerecht.


3. Nur ergänzend sei aus gegebenem Anlass festgehalten, dass die ultimative Abmahnung unter Kündigungsandrohung ohnehin das falsche Medium wäre, in bislang ungeregelte Details zur Pflichtenstellung der Zielperson die gebotenen Konturen zu bringen. Mit „Anlass" ist hier der oben (s. S. 8 [II.1.]) schon angesprochene Umstand gemeint, dass § 5 Abs. 1 EntgeltFG sich zum informatorischen Pflichtenkreis des Arbeitnehmers in Fällen der Fortdauer ordnungsgemäß angezeigter und dokumentierter Arbeitsunfähigkeit bis auf den Hinweis auf eine „neue Bescheinigung" (§ 5 Abs. 1 Satz 4 EntgeltFG4) komplett ausschweigt. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer, solange ihm nicht ein vertraglich fixiertes Reglement weiter hilft, selbst bei gründlichster Lektüre des Gesetzestexts nicht darauf stoßen kann, was er dem Arbeitgeber in solcher Lage neben der besagten „neuen Bescheinigung" - rechtlich - schulde. In solcher Lage wäre es daher zunächst einmal Sache des Arbeitgebers, gegebenenfalls unter Aktivierung seines Weisungsrechts (s. § 106 GewO40) die bestehenden Erwartungen kenntlich zu machen, ehe deren etwaige Vernachlässigung dann im späteren Verlauf der Beziehung als „Vertragsverletzung" die Abmahnung in Reichweite brächte. - Insofern käme die hiesige Rüge vom 12. März 2012 im Zweifel selbst ohne die bereits gewürdigte Vorsorge der Klägerin vom 9. März 2012 zu früh.


4. Dass die Klage schließlich nicht daran scheitern kann, wie die Beklagte meint (s. oben, S. 4 [IV.]), dass die Klägerin nicht angegeben habe, „woraus der Anspruch auf Entfernung der Abmahnung folgen" solle, bedarf nicht vieler Worte. Bekanntlich können die Parteien dem Gericht im Zivilprozess nicht vorschreiben, welche Anspruchsgrundlagen es seiner Würdigung im Einzelnen zugrunde legt41. Genau so wenig ist die Klagepartei gehalten, die Anspruchsgrundlage anzugeben, die ihrem Anliegen vor Gericht zum Erfolg verhelfen soll42. Es genügt die Angabe des Klageziels43, an dem die hiesige Klägerin keinen Zweifel lässt.


3. Die Konsequenzen bringt der Tenor zu I. des Urteils zum Ausdruck.


III. Für das Übrige genügen Stichworte:


1. Soweit das Gericht auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme entschieden hat, bedurfte es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO44). Besagte Kosten treffen nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO45 und in den Grenzen des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG46 die Beklagte, weil sie im Rechtsstreit unterlegen ist (Tenor zu II.).


b. Den Wert des Streitgegenstandes hat das Gericht aufgrund des § 61 Abs. 1 ArbGG47 im Tenor festgesetzt und nach den Gepflogenheiten der arbeitsgerichtlichen Praxis mit einem Monatsgehalt der Klägerin beziffert. - Das macht 2.381,-- Euro und erklärt den Tenor zu III.



Fußnoten





1) So Klageschrift S. 2 (Bl. 2 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA"]).


2) So ein mündlicher Hinweis des Bevollmächtigten der Klägerin im Kammertermin auf Frage des Gerichts; dazu hat sich die Beklagte an Ort und Stelle nicht äußern können; d.U.


3) S. Klageerwiderungsschrift vom 22.5.2012 S. 1 (Bl. 17 GA): „Die Klägerin ist jedoch am 12. März 2012 bis 8.00 Uhr weder zur Arbeit bei der Beklagten erschienen, noch hat sie eine Arbeitsunfähigkeit vor Schichtbeginn der Beklagten mitgeteilt. Dies hat sie sodann am gleichen Tag am Mittag gegenüber einer Kollegin nachgeholt".


4) S. Kopie als Anlage K 1zur Klageschrift (Bl. 3-4 GA).


4) S. Text: „§ 5 Anzeige- und Nachweispflichten.(1) ... [Sätze 1 u. 2 bereits oben, S. 3 Fn. 5] Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen".


5) S. Text: „§ 5 Anzeige- und Nachweispflichten.(1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. ... ".


6) S. Kopie als Anlage K 2zur Klageschrift (Bl. 5-6 GA).


7) So Originaltext; gemeint vermutlich „Arbeitsverhinderung"; d.U.


8) S. Klageschrift S. 2 (Bl. 2 GA): „Irgendeine Reaktion seitens der Beklagten erfolgte nicht, so dass Klage erforderlich wurde".


9) S. Klageerwiderungsschrift S. 1 (Bl. 17 GA).


10) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.


11) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.


12) S. Klageerwiderungsschrift S. 1-2 (Bl. 17-18 GA).


13) S. Klageerwiderungsschrift S. 2 (Bl. 18 GA).


14) S. Text: „§ 281 Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung.(1) ... (3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung".


15) S. Text: „§ 314 Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund.(1) ... (2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig".


16) So bereits ArbG Berlin27.9.1973 - 7 Ca 123/73 - DB 1973, 1406 [I.]: „Vorstufe zur fristlosen Kündigung"; s. heute statt vieler KR/Ernst Fischermeier, 9. Auflage (2009), § 626 BGB Rn. 273; Tatjana Aigner, Antworten auf Arbeitnehmerfehlverhalten (2002), S. 277: „Abmahnung als mildere Vorstufe"; Walter Bitter/Heinrich Kiel, RdA 1995, 26, 31.


17) S. zu dieser Funktion förmlicher Abmahnungen näher ArbG Berlin15.8.2003 - 28 Ca 12003/03 - EzA-SD 2004 Nr. 3 S. 10 (Ls.) = DSB 2004 Nr. 3, S. 16 (red. Ls.) = ArbuR 2004, 315 (Ls.) = NZA-RR 2004, 406 (Ls.) = RzK I 1 Nr. 132 (Ls.) - Volltext in „Juris"; dort auch Schlaglichter zu den Realitätendes Arbeitslebens, in denen sich die kooperative Seite der „Abmahnung" keineswegs stets als Richtschnur der befassten Sachwalter darstellt: „Die arbeitgeberseitige Abmahnung erweist sich bei näherem Hinsehen ... zwar auch, aber keineswegs nur als 'harmloses' Instrument, mit dem ein Gläubiger eben die Einhaltung vertraglicher 'Spielregeln' einfordert. Je nach der Art ihres Einsatzes hat sie vielmehr ihre Licht-, aber auch ihre Schattenseiten: < 1. > In der Hand redlicher Sachwalter ist sie in der Tat nichts andres als das, wofür sie geschaffen wurde. Die legitime Ausübung des Rügerechts einer Vertragspartei, die dem Adressaten aus gegebenem Anlass unmissverständlich verdeutlicht, dass die ... 'Schmerzgrenze' zur Aufrechterhaltung der Arbeitsbeziehung erreicht sei. In dieser Funktion nützt die Abmahnung ersichtlich allen Beteiligten: Dem Gläubiger, der in der ultimativen Bedrohung des Adressaten mit Auflösung des Vertrages seinen vielleicht letzten 'Trumpf' ausspielt, die vermisste betriebliche Kooperation endlich doch zu erwirken, aber auch dem Schuldner, der nochmals eine 'Chance' erhält. - Das ist das 'Licht'. < 2. > Aber es ist eben nicht alles. Es gibt auch den 'Schatten': - Der Blick in die Arbeitswelt zeigt leider, dass auch Inhaber von Personalverantwortung nicht durchweg redlich agieren. Sondern zuweilen sogar reichlich unredlich. In ihrer Hand mutiert die eben noch nicht nur harmlose, sondern ihrem besagten Potential nach sogar produktive förmliche Abmahnung zu einem tückischen Mittel der Destabilisierung ihrer Zielperson, zum 'Wolf im Schafspelz': Das Augenmerk solcher Akteure liegt nicht auf der Wiederherstellung betrieblicher Kooperation zur Aufrechterhaltung der Arbeitsbeziehung und damit sogar zum Schutz des Adressaten vor urplötzlichem Verlust seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage, sondern auf dem psychischen Druck, der sich mithilfe der Abmahnung durch Mobilisierung von Ängsten der Zielperson um ihren Arbeitsplatz erzeugen lässt".


18) S. im gleichen Sinne Joachim Heilmann/Tatjana Aigner, Streitkultur in Wirtschaftsunternehmen - Zur Konzeption eines abgestuften Konfliktmanagements, in: Dieter Strempel/Theo Rasehorn(Hrg.), Empirische Rechtssoziologie, Gedenkschrift für Wolfgang Kaupen (2002), S. 223, 239: „Insgesamt dokumentieren die Erscheinungsformen der Intervention den Versuch, die durch das Fehlverhalten gestörte Kooperation wiederherzustellen".


19) S. dazu nur - bei Bedarf - Bernd Ruberg, Schikanöse Weisungen (2004) S. 89 ff., 95 ff., 113 - mit Hinweisen auf kooperationsbedachte Gesprächsregeln: „Den schlimmsten Fehler von allen begeht jedoch, wer sofort 'ahndet', statt auf sachangemessene Weise zunächst die Kräfte des 'Störers' zur Einsicht zu erproben: Wer ohne zwingenden Grund nämlich schon im ersten Zugriff gegenüber dem Störer 'Druck' zu entfalten sucht, begeht - psychologisch gesehen - eine Todsünde. Das dem innewohnende Unwerturteil über den Gesprächspartner hinsichtlich Fähigkeit und Bereitschaft, kraft besserer Einsicht zur Konfliktlösung selber konstruktiv beizutragen, hat sogar das Zeug zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Ein 'Sozialpartner', der so angegangen wird, kann nicht mehr kooperieren. Es verrät deshalb sehr bemerkenswertes Gespür für gesprächspsychologische Zusammenhänge, wenn das Bundesarbeitsgericht in den zitierten Entscheidungen mit kassatorischer Konsequenz einschlägige kommunikatorische 'Kunstfehler' mit der Frage offen thematisiert, ob eine Anordnung eigentlich ‚in irgendeiner Weise begründet' wurde, oder die Feststellung trifft, dass eine Begründung der Maßnahme durch die Anordnung fristloser Entlassung 'nicht zu ersetzen' sei".


20) S. zur persönlichkeitsrechtlichen Fundierung des Entfernungsanspruchs statt vieler BAG27.11.1985 - 5 AZR 101/84 -  BAGE 50, 202, 206 = AP § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 93 [I.3 b.]; 23.4.1986 - 5 AZR 340/85 - n.v. [IV.2.]; 12.6.1986 - 6 AZR 559/84 - NZA 1987, 153 [I.3.]; 15.7.1987 -  5 AZR 215/86 - NZA 1988, 53 [A.I.1 b.]; 13.4.1988 - 5 AZR 537/86 - AP § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 100 = NZA 1988, 654 [III.]; 11.12.2001 - 9 AZR 464/00 - EzA § 611 BGB Nebentätigkeit Nr. 6 [I.1.].


21) Text: „Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht".


22) S. dazu, dass eine Kodifikation zu Inhalt und Grenzen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist, BT-Drs. 14/7752 S. 25 zur Novellierung des § 253 BGB n.F.: Eine ausdrückliche und umfassende Regelung des zivilrechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts „kann im Zusammenhang mit diesem Gesetz nicht geleistet werden".


23) Die früher abweichende Judikatur namentlich aus dem LAG Hamm(s. 30.10.1973 - 3 Sa 563/73 - DB 1974, 439; 11.12.1973 - 3 Sa 701/73 - EzA § 83 BetrVG 1972 Nr. 1 [II.]; 17.10.1991 - 4 [18] Sa 1397/90 - n.v. [1.6.]; 16.4.1992 - 4 Sa 83/92 - RzK I 1 Nr. 75 [2.3.]) darf, soweit ersichtlich, als überholt gelten.


24) S. dazu erstmals und gegen die seinerzeit noch strikte Ablehnung eines solchen Rechtsschutzbehelfs in der höchstrichterlichen Judikatur für den Bereich der Privatwirtschaft (s. BAG13.7.1962 - 1 AZR 496/60 - AP § 242 BGB Nr. 1 [Ls.]), ArbG Berlin27.9.1973 (Fn. 16) [I.]; später etwa auch ArbG Stuttgart13.5.1977 - 7 Ca 117/77 - BB 1977, 1304.


25) S. dazu BAG23.9.1975 - 1 AZR 60/74 - BetrR 1976, 172, 174; 16.6.1976 - 5 AZR 259/74 - n.v.; 22.2.1978 - 5 AZR 801/76 - AP § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 84 [II.1.]; 16.3.1982 - 1 AZR 406/80 - BAGE 38, 159 = AP § 108 BetrVG 1972 Nr. 3 [I.]; seither ständige Rechtsprechung (s. dazu auch die Nachweise in Fn. 20).


26) Text: „Pflichten aus dem Schuldverhältnis.(1) ... (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten".


27) Text: „Leistung nach Treu und Glauben.Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern".


28) S. Text: „§ 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch.(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen".


29) S. zur Begründetheit der Entfernungsklage bereits dann, wenn sich die aktenkundig gemachte Rüge auch nur in Teilen als unberechtigt erweist, schon BAG13.3.1991 - 5 AZR 133/90 - BAGE 67, 311 = AP § 611 BGB Abmahnung Nr. 5 = NZA 1991, 768 [Leitsatz]: „Werden in einem Abmahnungsschreiben mehrere Pflichtverletzungen gleichzeitig gerügt und treffen davon nur einige (aber nicht alle) zu, so muss das Abmahnungsschreiben auf Verlangen des Arbeitnehmers vollständig aus der Akte entfernt werden und kann nicht teilweise aufrechterhalten bleiben. Es ist dem Arbeitgeber überlassen, ob er statt dessen eine auf die zutreffenden Pflichtverletzungen beschränkte Abmahnung aussprechen will"; s. statt vieler auch LAG Hamm 9.11.2007 - 10 Sa 989/07 - (Volltext in „Juris") [Leitsatz]: „Werden in einem Abmahnungsschreiben mehrere Pflichtverletzungen gleichzeitig gerügt und beruht eine Pflichtverletzung auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung oder Tatsachenannahme, so muss das Abmahnungsschreiben vollständig aus der Personalakte entfernt werden und kann nicht teilsweise aufrechterhalten bleiben (...)".


30) So auch schon LAG Baden-Württemberg12.2.1987 - 3 (7) Sa 92/86 - ArbuR 1988, 55.


31) S. Text oben, S. 3 Fn. 5.


32) S. hierzu statt vieler nur ErfArbR/Hans-Jürgen Dörner, 12. Auflage (2012), § 5 EFZG Rn. 19: „Die ges. Regelung bei einer Fortdauer der AU über den zunächst bescheinigten Termin (immerhin eine Massenerscheinung) ist dürftig. Sie enthält nur eine wie selbstverständlich wirkende Pflicht des AN zur Vorlage einer Folgebescheinigung, § 5 I 4. Kein Wort verliert das G darüber, wann die Bescheinigung im Regelfall vorgelegt werden muss und ob der AG eine frühere Vorlage verlangen kann. Gänzlich fehlt ein Hinweis, ob den AN eine Informationspflicht wie bei der Ersterkrankung nach § 5 I 1 trifft".


33) S. dazu statt vieler BAG29.8.1980 - 5 AZR 1051/79 - AP § 6 LohnFG Nr. 18 [II.2 b.]: gleiche „Interessenlage"; skeptisch ErfArbR/Hans-Jürgen Dörner(Fn. 32) § 5 Rn. 19 [Anschlusszitat zu Fn. 32]: „Die hM ['herrschende Meinung'; d.U.] im Schrifttum (...) will die Vorschriften des § 5 I 1 bis 3 auf die Fälle des § 5 I 4 in Anlehnung an die RSpr. des BAG zu § 3 I 1 LFZG (...) zu Recht entspr. anwenden (...), auch wenn es schwer fällt, von einer unbewussten Regelungslücke als Voraussetzung einer Analogie auszugehen, war doch bereits die Vorgängerregelung des § 3 I 1 LFZG bekanntermaßen unvollständig (...). Wird die Analogie abgelehnt, hätte der AN aber nicht einmal eine Mitteilungspflicht, die Fortdauer der AU anzuzeigen"; s. auch Hessisches LAG1.12.2006 - 12 Sa 737/06 - EEK 3289 (Volltext: „Juris") [Orientierungssatz]: „Obwohl das Gesetz bei einer Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit keine weitere Informationspflicht wie bei der Ersterkrankung vorsieht, ist § 5 Abs. 1 S. 1-3 EntgFG auch auf § 5 Abs. 1 S. 4 EntgFG anwendbar".


34) S. etwa Hessisches LAG1.12.2006 (Fn. 33) [„Juris"-Rn. 18]: „Die Mitteilungspflicht dient der Dispositionsfähigkeit des Arbeitgebers, die unabhängig von Zahlungsverpflichtungen betroffen ist"; s. im selben Sinne auch bereits ArbG Berlin15.8.2003 (Fn. 17) [I.2 bc. (1.)]: „Die einschlägigen Anzeige- und Mitteilungspflichten ... sollen vielmehr legitime Sachinteressendes Arbeitgebers absichern helfen. Es geht ihnen darum, die betrieblichen Folgen des allfälligen Erkrankungsrisikos berufstätiger Menschen zu begrenzen. Im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit steht namentlich die Planungssicherheit des Arbeitgebers bei der Disposition über seine personellen Ressourcen".


35) S. neuerlich ArbG Berlin15.8.2003 (Fn. 17) [I.2 bc. (1 a.)]: „In diesem gedanklichen Ausgangspunkt [gemeint: der erwähnte Zweck der Anzeigepflicht; d.U.] zeichnet sich bereits ab, dass das Interesse des Arbeitgebers an den personellen Dispositionen am stärksten dann und genau dann ist, wenn der betreffende 'Störfall' erstmalig auftritt und damit den gewohnten Lauf der Dinge durcheinander bringt. Derartigen - nach den Realitäten des Arbeitslebens nun einmal unvermeidlichen - 'Überraschungen' kann namentlich betriebliche Kalkulationsvorsorge ('Personalreserve'), wenn überhaupt, nur begrenzt begegnen. Wiederholensich Zeiten solcher Arbeitsunfähigkeit im nahtlosen Anschluss aneinander, so entsteht jedoch ein anderer Zustand. Da der 'Störfall' nun einmal in der Welt und mit betrieblichen Maßnahmen zur Kompensation der Verkürzung der 'Personaldecke' bereits - wie auch immer - beantwortet ist, verliert das ursprünglich essentielle Anliegen des Arbeitgebers an jeweils rechtzeitiger Information zumindest tendenziell immer weiter an Gewicht. Denn je häufiger der Arbeitgeber wieder und wieder erlebt, dass er entgegen anfänglicher Erwartungen bei Ablauf zuvor bescheinigter AU-Zeiten mit der Verfügbarkeit des Betroffenen nicht wirklich rechnen kann, desto stärker nähert sich die Grundlage realistischer Wiedereinplanung des Erkrankten dem 'Prinzip Hoffnung'. - (b) Das bedeutet: Je länger der Zeitraum einander ablösender erkrankungsbedingter Fehlzeiten tatsächlich währt, desto stärker vermindert sich das zu Beginn des 'Störfalles' noch hochrangige Interesse des Arbeitgebers, den (weiteren) Ausfall des Betroffenen beizeiten einplanen zu können. Es hat also - um ein Bild zu gebrauchen - seine 'Halbwertszeit': Zwar verflüchtigt sich dieses Interesse im Zeitablauf nicht völlig. Ihm kommt damit aber jene gebieterische Kraft zunehmend abhanden, der sich das Bedürfnis nach normativer Klarstellung einschlägiger Kommunikationspflichten des Arbeitnehmers verdankt. In diesem Lichte erscheint es folglich alles andere als zufällig, dass § 5 EFZG die betreffenden Pflichten des Arbeitnehmers gerade beim Ersteintritt von Arbeitsunfähigkeit des näheren reguliert und sich dem Problem einschlägiger Folgezeiten gegenüber - abgesehen von karger Erwähnung einer 'neuen Bescheinigung' (§ 5 Abs. 1 Satz 4 EFZG) - weitgehend schweigsam zeigt".


36) S. Hessisches LAG 1.12.2006 (Fn. 33) [Rn. 21].


37) S. Text oben, S. 3 Fn. 5.


38) S. Text: „§ 613 Unübertragbarkeit.Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat die Dienste im Zweifel in Person zu leisten".


40) S. Text: „§ 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers.Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb".


41) S. insofern nur OLG Köln21.9.1983 - 2 U 33/83 - MDR 1981, 151: „Der Kläger hat zwar die Auffassung vertreten, das Klagebegehren sei vertraglich gerechtfertigt. Damit hat er aber keineswegs ausdrücken wollen, dass er mit anderen als vertraglichen Ansprüchen nicht obsiegen wolle. Eine solche Beschränkung wäre überdies unbeachtlich, da der Kläger mit Bindung für das Gericht nur den Streitgegenstand (prozessualen Anspruch) festlegen, das Gericht aber nicht in der Wahl der Anspruchsgrundlagen beschränken kann"; Max Vollkommerin: Richard Zöller(Begründer), ZPO, 29. Auflage (2012), Einleitung Rn. 84: „Aus der zwingenden Vorschrift des § 253 II Nr 2 geht hervor, dass die im Antrag der Leistungsklage bezeichnete Rechtsfolge den Streitgegenstand auch dann abgrenzt, wenn der Kläger ausdrücklichverlangt, sein Antrag möge nur unter einem bestimmten rechtlichen Gesichtspunktgeprüft werden. Ein solcher Wunsch verdient keinen Rechtsschutz und ist daher unzulässig und nicht zu beachten".


42) S. dazu statt vieler BGH20.3.1997 - IX ZR 76/96 - BGHZ 135, 140 = NJW 1997, 1857 = MDR 1997, 557 [III.3. - „Juris"-Rn. 22]: „Eine Klage, mit der ein Anspruch durchgesetzt werden soll, ist begründet, wenn ein Sachverhalt vorgetragen und festgestellt ist, der die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes erfüllt. Erforderlich sind demnach ein bestimmter Klageantrag und der Vortrag des diesen Antrag rechtfertigenden Sachverhalts. Nicht nötig ist es dagegen, dass der Kläger den rechtlichen Gesichtspunkt bezeichnet, unter dem sein Sachvortrag den Klageantrag stützt. Die Subsumtion des vorgetragenen Sachverhalts unter die in Betracht kommenden gesetzlichen Tatbestände ist vielmehr Sache des Gerichts"; s. auch schon BGH22.1.1991 - VI ZR 107/90 - NJW 1991, 1046 = MDR 1991, 1142 [III.1. - Rn. 23]: „Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand im Zivilprozess bestimmt durch das allgemeine Rechtsschutzziel und die konkret in Anspruch genommene Rechtsfolge, die sich aus dem Antrag ergeben, sowie dem Lebenssachverhalt, aus dem die Rechtsfolge hergeleitet wird (...). Ausschlaggebend kommt es im Zweifel auf den Tatsachenvortrag des Klägers und nicht darauf an, auf welche rechtliche Grundlage er seinen Anspruch stützt (...)".


43) S. hierzu nur Max Vollkommer(Fn. 41) Einleitung Rn. 71: „Wer Leistungsklagen erhebt, muss die streitige Rechtsfolge bezeichnen, die er durchsetzen will, er braucht dagegen nicht vorzutragen, auf welche materiellen subjektiven Rechte er sich stützt".


44) S. Text: „§ 308 Bindung an die Parteianträge.(1) ... (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen".


45) S. Text: „§ 91 Grundsatz und Umfang der Kostentragungspflicht.(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen ... ".


46) S. Text: „§ 12 a Kostentragungspflicht.(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes".


47) S. Text: „§ 61 Inhalt des Urteils.(1) Den Wert des Streitgegenstandes setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest".

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