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Arbeitsrecht
02.05.2014
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Equal-pay-Anspruch und Abgeltungsklausel

LAG Nürnberg, Urteil vom 16.10.2013 - 4 Sa 288/13, Rev. eingelegt BAG Az. 5 AZR 137/14


Amtlicher Leitsatz


Eine umfassende Abgeltungsklausel in einem gerichtlichen Vergleich zur Gesamtbereinigung eines streitigen Arbeitsverhältnisses erfasst auch etwaige "Equal-Pay-Ansprüche" des Arbeitnehmers.


Diesbezüglich findet keine Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 BGB statt, wenn der den Bestandsstreit der Parteien beendende Vergleich unter Mitwirkung des Gerichts zustande gekommen ist.


§ 9 AÜG, § 10 AÜG, § 305 BGB, § 307 BGB


Sachverhalt


Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche aus dem "Equal-Pay-Prinzip".


Der am 20.05.1953 geborene Kläger war bei der Beklagten, einem Zeitarbeitsunternehmen, auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 09.06.2008 (Kopie Bl. 23 bis 26 d. A.) ab dem 10.06.2008 als Leiharbeitnehmer beschäftigt und bei mehreren Verleihfirmen als Elektrohelfer eingesetzt worden.


In dem Kündigungsrechtsstreit der Parteien vor dem Arbeitsgericht Nürnberg, Az.: 1 Ca 8610/09, hat der damals anwaltlich vertretene Kläger in dem Gütetermin vom 09.12.2009 folgenden Vergleich abgeschlossen:


1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 30.11.2009.


2. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes entsprechend §§ 9, 10 KSchG 1.000,-- € brutto.


3. Die Beklagte verpflichtet sich, für September 2009 € 334,25 brutto zu zahlen.


4. Die Beklagte verpflichtet sich für die Zeit vom 19.10.2009 bis 30.11.2009 Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten. Die Beklagte verpflichtet sich, diesen Betrag ordnungsgemäß abzurechnen und auszuzahlen.


5. Die Beklagte verpflichtet sich, den offenen Resturlaub und die offenen Gutstunden auszuzahlen.


6. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger eine Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB III unter Berücksichtigung dieses Vergleiches zu erteilen und zu übersenden.


7. Darüber hinaus hat keine Partei mehr gegen die andere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, unabhängig davon, ob solche derzeit bekannt oder unbekannt sind und auf welchem Rechtsgrund sie beruhen mögen.


8. Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht von der Beklagten durch schriftliche Erklärung widerrufen wird, die bis spätestens 23.12.2009 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangen sein muss.


Die Beklagte nahm am 15.12.2009 eine Abrechnung der Vergütung für den Monat November 2009, einer Urlaubsabgeltung von 512,01 EUR brutto, der vereinbarten Abfindung von 1.000,00 EUR brutto sowie einer Nachberechnung von Entgelt und Entgeltfortzahlung ab dem Monat August vor (Kopie Bl. 135 d. A.) und widerrief den Vergleich nicht.


Mit seiner am 13.05.2011 zur Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts Nürnberg erhobenen Klage begehrt der Kläger für alle abzurechnenden Stunden seiner Beschäftigung vom 10.06.2008 bis 30.11.2009 noch eine restliche Stundenvergütung von 1,35 EUR brutto in einer Gesamthöhe von 2.681,64 EUR.


Mit Schriftsatz vom 23.01.2012 hat der nunmehr auch in dem Zahlungsrechtsstreit anwaltlich vertretene Kläger weitere Differenzbeträge und eine zusätzliche Urlaubsabgeltung für 14 Urlaubstage geltend gemacht.


Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtene Entscheidung Bezug genommen.


Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Endurteil vom 10.04.2013 die Klage abgewiesen und dies damit begründet, die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche des Klägers seien aufgrund der Regelung in Ziffer 7 des Vergleiches vom 09.12.2009 nicht mehr gegeben.


Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben gegen das ihnen am 29.04.2013 zugestellte Urteil mit dem am selben Tag beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangenem Schriftsatz vom 28.05.2013 Berufung eingelegt und sie innerhalb der bis 29.07.2013 verlängerten Begründungsfrist mit dem am selben Tag beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangenem Schriftsatz vom 24.07.2013 begründet.


Der Kläger meint, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Nürnberg seien die streitgegenständlichen "Equal-Pay-Ansprüche" einer vergleichsweisen Regelung nicht zugänglich, denn sie seien nicht parteidispositiv. Auch wenn es sich bei den "Equal-Pay-Ansprüchen" um solche aus dem Arbeitsverhältnis handeln würde, würden sie von der in dem abgeschlossenen Vergleich enthaltenen Ausgleichsklausel nicht erfasst, denn es handle sich bei ihnen um unabdingbare gesetzliche Ansprüche.


Entgegen der Auffassung des Erstgerichts hätten die Parteien mit der Ausgleichsregelung im Vergleich gerade nicht übereinstimmend alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zum Erlöschen bringen wollen, denn seine "Equal-Pay-Ansprüche" seien in keinster Weise Thema des geführten Kündigungsrechtsstreits gewesen. Einem etwaigen Erlöschen dieser Ansprüche stünde auch keinerlei gleichwertige Gegenleistung gegenüber. Insoweit erweise sich die Ausgleichsklausel als unangemessen benachteiligend i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Lesart der Regelung in Ziffer 7 des Vergleiches führe zu einer einseitigen Bevorzugung der Interessen der Beklagten. Deshalb seien die Ansprüche des Klägers auf "Equal Pay" durch die Regelung im arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 09.12.2009 nicht erloschen.


Der Kläger und Berufungskläger beantragt:


1. Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 10.04.2013, Az. 12 Ca 544/12, abgeändert.


2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.470,39 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.


3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.


Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,


die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.


Zur Begründung trägt sie vor, die streitgegenständlichen Ansprüche auf "Equal- Pay" seien einer vergleichsweisen Regelung durchaus zugänglich. Der seinerzeit anwaltlich vertretene Kläger habe eine allumfassende Abgeltungs- und Ausgleichsklausel im Vergleich akzeptiert. Diese erfasse sämtliche Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis, wenn sie nicht unmissverständlich als weiterbestehend bezeichnet worden seien. Im Interesse der Schaffung klarer Verhältnisse seien solche vergleichsweisen Ausgleichsklauseln grundsätzlich weit auszulegen. Die Vergleichsregelung betreffe nicht eine inhaltliche Abänderung des gesetzlichen Grundsatzes des "Equal-Pay", sondern lediglich eine Vereinbarung über die Geltendmachung dieses Anspruchs. Insoweit unterliege der Anspruch einer Disposition des Mitarbeiters.


Der Vergleich vom 09.12.2009 enthalte mehrere Gegenleistungen der Arbeitgeberin in Form einer Abfindungsregelung und der Festschreibung zusätzlicher Gehalts- und Lohnfortzahlungsansprüche. Mit dem Vergleich sollten alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geregelt und erfasst werden. Es sei eine abschließende Bereinigung des Arbeitsverhältnisses und aller hieraus resultierender Ansprüche übereinstimmend gewollt gewesen. Dies sei beiden Parteien bei Abschluss des Vergleiches auch bewusst gewesen. Die streitgegenständlichen Ansprüche seien nicht außerhalb der Vorstellung der Parteien gelegen, denn die Tariffähigkeit der Gewerkschaft CGZP sei bereits damals Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion und gerichtlicher Entscheidungen gewesen. Insoweit sei die Problematik des Bestehens eventueller "Equal-Pay-Ansprüche" zum damaligen Zeitpunkt bereits brandaktuell gewesen. Beide Parteien seien sich bei Abschluss des Vergleiches dessen bewusst gewesen, dass damit das Arbeitsverhältnis abschließend und endgültig bereinigt und erledigt werden sollte.


Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.


Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.


Aus den Gründen


I.


Die Berufung ist zulässig.


Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.


II.


Die Berufung ist sachlich nicht begründet.


Das Erstgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn dem Kläger stehen aus dem Arbeitsverhältnis weder die geltend gemachten zusätzlichen Urlaubsabgeltungsansprüche zu noch die streitgegenständlichen "Equal-Pay-Ansprüche".


1. Dem Kläger steht über die mit der Abrechnung vom 15.12.2009 errechnete Urlaubsabgeltung in Höhe von 512,01 EUR brutto kein weiterer Urlaubsabgeltungsbetrag zu, denn die Beklagte ist damit ihrer in Ziffer 5 des Vergleiches vom 09.12.2009 übernommenen Verpflichtung in vollem Umfange nachgekommen.


Wie der bei Abschluss des Vergleiches noch "offene Resturlaub" abzurechnen und zu bezahlen ist, ergibt sich aus den bis dahin erstellten monatlichen Vergütungsabrechnungen, denn der Vergleich enthält diesbezüglich keine abweichenden Festlegungen der Parteien.


In der Abrechnung für den Monat Januar 2009 (Kopie Bl. 14, 15 d. A.) wird ein Urlaubsanspruch aus dem Vorjahr von noch sechs Urlaubstagen und aus dem aktuellen Urlaubsjahr von 20 Urlaubstagen zu Grunde gelegt. Des Weiteren wird ein Urlaubstag mit sieben Arbeitsstunden je 8,20 EUR brutto abgerechnet. Im Januar sind dies sechs Urlaubstage, im Mai 2009 fünf Urlaubstage (Abrechnung, Bl. 112 d. A.), im Monat Juni 2009 acht Urlaubstage und im Monat September 2009 ein Urlaubstag (Abrechnung, Bl. 136 d. A.). Insoweit ergibt sich aus der Vergütungsabrechnung für den Monat Oktober 2009 vom 16.11.2009 (Kopie Bl. 143 d. A.) ein noch abzugeltender Resturlaub von sechs Urlaubstagen.


Dies war die bei Abschluss des Vergleiches vom 09.12.2009 bestehende Ausgangslage für die Ermittlung der "offenen Resturlaubstage" gemäß der in Ziffer 5 des Vergleiches geregelten Abrechnungs- und Auszahlungspflicht.


Dieser Verpflichtung ist die Beklagte mit der Abrechnung vom 15.12.2009 (Kopie Bl. 135 d. A.) nachgekommen. In dieser Abrechnung wird zwar - in Abweichung von dem Inhalt der bisherigen Abrechnungen - ein Urlaubsanspruch von 14 Urlaubstagen ausgewiesen, gleichzeitig jedoch auch ein Resturlaub von null Urlaubstagen. Aus dieser Abrechnung ergibt sich nicht, dass über die in dieser Abrechnung enthaltene Urlaubsabgeltung noch weitere 14 Urlaubstage existieren sollten.


Der Kläger trägt weder Tatsachen für einen zusätzlichen Urlaubsanspruch in dieser Höhe vor noch behauptet er das Unterbleiben der Auszahlung des in der Abrechnung vom 15.12.2009 ausgewiesenen Auszahlungsbetrages. Damit ist die Beklagte ihrer Urlaubsabgeltungspflicht im vollen Umfang nachgekommen und der Abgeltungsanspruch gemäß § 362 BGB durch Erfüllung erloschen.


2. Jedwede über die Regelung in den Ziffern 2 bis 5 des Vergleiches vom 09.12.2009 hinausgehenden Entgeltansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung sind aufgrund der Regelung in Ziffer 7 des Vergleiches erloschen und können der Beklagten gegenüber deshalb nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden. Dies deshalb, da die umfassende Ausgleichs- und Abgeltungsklausel in dem Vergleich als Erlassvertrag bzw. konstitutives negatives Schuldanerkenntnis auszulegen ist.


Die Kammer folgt den diesbezüglichen zutreffenden Rechtsausführungen in den Entscheidungsgründen des Ersturteils, auf dessen Inhalt verwiesen und von einer rein wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen wird.


Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind nur noch folgende Ausführungen veranlasst:


a. Den bei Abschluss des Vergleiches persönlich anwesenden Kläger und seiner Prozessbevollmächtigten musste bei Abschluss des Vergleiches bei verständiger Würdigung der Regelungen in den Ziffern 1 bis 7 des Vergleiches bewusst gewesen sein, dass damit eine abschließende Behandlung aller wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gewollt war und nicht nur eine Beilegung der Streitgegenstände des Kündigungsschutzverfahrens.


Der Inhalt der einzelnen Vergleichsklauseln entspricht der üblichen Gerichtspraxis bei einer von den Parteien im Rahmen eines Bestandsstreits angedachten Gesamtbereinigung der streitigen Rechtsbeziehung. In dem Vergleich werden nicht nur die Streitgegenstände des anhängigen Kündigungsrechtsstreits geregelt, sondern sämtliche bei Abschluss des Vergleiches bestehenden wechselseitigen Ansprüche. Dies folgt aus der klaren Regelung in Ziffer 7 des Vergleiches. Hierfür spricht auch der Umstand, dass seitens des Gerichts für den Vergleich ein überschießender Vergleichswert festgesetzt worden ist. Von der Ziffer 7 des Vergleiches werden nicht nur einzelvertragliche, sondern auch kollektiv-rechtliche oder gesetzliche Ansprüche erfasst, soweit sie aus dem bestandenen Arbeitsverhältnis der Parteien resultieren. Dies entspricht den zur Anwendung gelangenden Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung des Verständnisses eines redlichen Erklärungsempfängers und unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben, § 242 BGB (vgl. BAG vom 28.05.2008 - 10 AZR 351/07 - AP Nr. 12 zu § 305 BGB; vom 22.10.2008 - 10 AZR 617/07 - AP Nr. 82 zu § 74 HGB).


b. Bei dem Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG handelt es sich um einen Anspruch aus dem bestandenen Arbeitsverhältnis, der einer vergleichsweisen Abgeltungsklausel zugänglich ist.


Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 13.03.2013 (5 AZR 954/11 - NZA 2013, 680) dargestellt, dass es sich bei diesem Anspruch um einen die vertragliche Vergütungsabrede korrigierenden gesetzlichen Entgeltanspruch handelt, der mit der Überlassung entsteht und zu dem im Arbeitsvertrag für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig wird.


Die Geltendmachung dieses Anspruchs kann auch der arbeitsvertraglichen Regelung einer einzuhaltenden Ausschlussfrist unterworfen werden. Nach dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer über die Geltendmachung dieses Anspruchs disponieren. Nicht nur was die Fälligkeit und die gebotene zeitliche Geltendmachung anbelangt, wie im Falle einer einzelvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist.


Diese Dispositionsfreiheit umfasst auch die nachträgliche Vereinbarung eines Unterlassens der Geltendmachung im Rahmen einer gewollten Gesamtbereinigung des Arbeitsverhältnisses. Dies auch im Rahmen einer umfassenden Abgeltungsklausel in einem gerichtlichen Vergleich zur Beilegung eines Bestandsstreits der Arbeitsvertragsparteien.


Da es sich bei den streitgegenständlichen „Equal-Pay-Ansprüche" um im Zeitpunkt des Vertragsschlusses existierende und fällige zusätzliche Vergütungsansprüche für die einzelnen Beschäftigungsmonate handelt, hätten diese ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der Ziffer 7 des Vergleiches ausgenommen werden müssen, wollte sich der Kläger diese Ansprüche vorbehalten.


Es handelt sich hierbei um keine Ansprüche, die außerhalb des objektiv oder den am Vergleich beteiligten Personen subjektiv Vorstellbaren gewesen waren. Das Gebot des "Equal-Pay" auf Grund der gesetzlichen Regelung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz war ein bei Abschluss des Vergleiches zu beachtender relevanter Umstand. In Folge der im Jahr 2009 aktuellen gerichtlichen Verfahren mussten bereits zum damaligen Zeitpunkt auch ihn betreffende tatsächliche und rechtliche Überlegung angestrengt werden, wenn der Abschluss eines allumfassenden Vergleiches erfolgen sollte. Der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers musste bei Abfassung der Ziffer 7 des Vergleiches vom 09.12.2009 bewusst gewesen sein, dass damit auch etwaige "Equal-Pay-Ansprüche" ihres Mandanten untergehen, soweit solche damals bestanden haben.


c. Die Regelung in Ziffer 7 des Vergleiches ist nicht deshalb rechtsunwirksam, da sie den Kläger i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt.


Eine Überprüfung der in den Ziffern 2 bis 7 des Vergleiches vom 09.12.2009 getroffenen Regelungen anhand des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verbietet sich schon deshalb, da es sich bei diesem Inhalt des Vergleiches um keine allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB der Arbeitgeberin handelt, sondern vielmehr um Vertragsbedingungen, die zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt wurden, so dass § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB zur Anwendung gelangt.


Es beruht nämlich sowohl die Beilegung eines Bestandsstreits und die Zahlung einer bestimmten Abfindung unter Mitwirkung des Gerichts im Gütetermin auf einem wirklichen Aushandeln der streitigen Positionen der Prozessparteien. Dies gilt auch für die Aufnahme weiterer Vergleichsbestimmungen, die nicht den Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens betreffen. In diesem Fall ist nämlich keine der Vertrags- und Prozessparteien gezwungen, irgendwelche Vergleichsklauseln der Gegenseite zu akzeptieren. Vielmehr kann jede Prozesspartei autonom entscheiden, ob weitere Regelungsfragen in einem gerichtlichen Vergleich aufgenommen werden sollen oder nicht und ob eine Teilbereinigung der streitgegenständlichen Rechtsbeziehung erfolgen soll oder deren Gesamtbereinigung. Insofern ist eine in einem gerichtlichen Vergleich aufgenommene Abgeltungsklausel nicht daran zu messen, ob angesichts der hiervon erfassten Ansprüche der einen Vergleichspartei von der anderen Vergleichspartei eine angemessene Kompensation geleistet wird. Eine solche nachträgliche Überprüfung des Inhalts eines gerichtlichen Vergleiches ist mit dessen Befriedungsfunktion unvereinbar. Dies jedenfalls dann, wenn der gerichtliche Vergleich unter Mitwirkung des Gerichts in einer mündlichen Verhandlung abgeschlossen wird.


d. Selbst wenn eine Angemessenheitsprüfung stattfinden würde, erwiese sich die Regelung in Ziffer 7 des Vergleiches unter Berücksichtigung der vorstehenden Regelungen unter Ziffer 2 bis 6 des Vergleiches als nicht unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.


Unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Vertragsbestimmung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten eines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Dabei sind die typischen Interessen der Vertragspartner unter besonderer Berücksichtigung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen wechselseitig zu bewerten. Das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel ist mit dem Interesse des Vertragspartners am Wegfall und deren Ersetzung durch die maßgebliche gesetzliche Bestimmung abzuwägen, wobei der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen ist.


Die Unangemessenheit richtet sich nach einem generellen typisierenden, vom Einzelfall losgelösten Maßstab unter Berücksichtigung von Gegen-stand, Zweck und Eigenart des jeweiligen Geschäfts innerhalb der beteiligten Verkehrskreise (so BAG vom 06.09.2007 - 2 AZR 722/06 - NZA 2008, 219).


Mit den Regelungen in Ziffer 2 bis 6 des Vergleiches werden Gegenleistungen der Arbeitgeberin festgeschrieben, auf die ein Rechtsanspruch des Klägers nicht bestand (wie die Abfindungsregelung in Ziffer 2 des Vergleiches), oder im Interesse des Klägers problematische Rechtspositionen einer zeitnahen Klärung zugeführt (Ziffern 4 bis 6 des Vergleiches). Der Kläger erhält zudem einen Vollstreckungstitel (Ziffer 3 des Vergleiches).


Ein diesbezügliches Entgegenkommen der Beklagten, was die Aufnahme nicht streitgegenständlicher weiterer Ansprüche des Klägers betrifft, wird in solchen Fällen gerade dadurch gefördert, dass sowohl seitens des Gerichts als auch der Prozessparteien eine Gesamtbereinigung der in Streit stehenden Vertragsbeziehung angestrebt wird. Insoweit erweist sich aufgrund der besonderen Zweckrichtung und der Eigenart eines gerichtlichen Vergleiches zur Gesamtbereinigung eines streitigen Arbeitsverhältnisses eine Ausgleichsklausel bereits dann nicht als eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, wenn es in seinem Interesse stand, hierdurch auch für ihn günstige Vergleichsregelungen zu erzielen.


Dies jedenfalls dann, wenn die Verfolgung weiterer Ansprüche, die von der Abgeltungsklausel erfasst werden, mit einem zusätzlichen Aufwand und einem erhöhten Risiko behaftet sind. Das trifft auch auf die hier streitgegenständlichen "Equal-Pay-Ansprüche" zu, bei denen - wie der vorliegende Rechtsstreit zeigt - der Nachweis nicht leicht zu führen ist, mit welchen Stammarbeitnehmern der Entleihfirmen der eingesetzte Leiharbeitnehmer vergleichbar ist und welches konkrete Entgelt - unter Berücksichtigung der Qualifikation und der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Leiharbeitnehmers - eine vergleichbare Stammkraft bei der Entleihfirma erhält.


III.


1. Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.


2. Dem vorliegenden Rechtsstreit wird in Bezug auf die Auswirkung einer Abgeltungsklausel in einem gerichtlichen Vergleich auf etwaige "Equal-Pay-Ansprüche" und einer Inhaltskontrolle der in einen gerichtlichen Vergleich aufgenommenen Abgeltungsklausel grundsätzliche Bedeutung beigemessen, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.

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