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Arbeitsrecht
05.02.2009
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Einzelvertragliche Bezugnahme auf Haustarifverträge

LAG Nürnberg, Urteil vom 12.11.2008 - 4 Sa 760/08

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Gewährung einer Sonderzahlung für das Jahr 2006.

Die am 17.09.1965 geborene Klägerin ist auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28.02.1991 (Kopie Bl. 5/6 d.A.) bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen ab dem 01.04.1991 als Angestellte beschäftigt und bezog zuletzt im Rahmen ihrer Halbtagstätigkeit eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von EUR 1.244,28.

In § 2 des Anstellungsvertrages trafen die Vertragsparteien für die nicht tarifgebundene Klägerin folgende Vereinbarung:

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitergeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war bis zum Zeitpunkt der Umwandlung in eine gemeinnützige GmbH zum 01.01.1995 Regiebetrieb des Landkreises D.... Sie war wie auch die gemeinnützige B... Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern (KAV Bayern).

Die Mitgliedschaft endete erst nach Übernahme der Mehrheitsbeteiligung durch den E...-Konzern aufgrund der Kündigung vom 21.02.2005 mit Wirkung zum 31.12.2005.

Die Beklagte schloss mit der Gewerkschaft Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Landesbezirk Bayern, am 28.09.2006 einen Manteltarifvertrag, der nach § 33 Abs. 1 mit Wirkung zum 01.10.2006 in Kraft getreten ist und in den Übergangsregelungen in seinem § 32 u.a. regelte, dass die Vergütungszahlung ausdrücklich nicht die Jahressonderzahlung für das Jahr 2006 nach § 20 TVÜ-VKA umfasst. Am 28.09.2006 schossen dieselben Tarifvertragsparteien auch weitere Tarifverträge über die Ergebnisbeteiligung der Mitarbeiter, deren tarifliche Eingruppierung, eine Entgeltumwandlung und zur Vergütungshöhe.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete durch betriebsbedingte Kündigung der Beklagten zum 31.12.2006.

Mit ihrer am 02.01.2007 zum Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - erhobenen Klage vom 29.12.2006 begehrt die Klägerin die Auszahlung der Jahressonderzahlung für das Jahr 2006 unter Berufung auf § 20 TVöD.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - hat mit Endurteil vom 30.07.2007 die Klage abgewiesen.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 11.12.2007 zugestellte Urteil haben diese mit Schriftsatz vom 19.12.2007, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen am 21.12.2007, Berufung eingelegt und sie innerhalb der bis 11.03.2008 verlängerten Begründungsfrist mit Telefax vom 10.03.2008 begründet.

Die Klägerin meint, ihr stehe gemäß § 20 TVöD für das Jahr 2006 eine Sonderzahlung in Höhe von 90 % ihres durchschnittlichen monatlichen Entgelts zu. Die statische Fortgeltung des Verbandstarifvertrages ergebe sich aus der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages. Bei dieser handle es sich um keine sog. große dynamische Verweisungsklausel.

Auch nach dem Ausscheiden der Beklagten aus dem KAV Bayern wirke das bisherige im Arbeitsvertrag ausdrücklich angesprochene Tarifrecht weiter. Dies ergebe sich auch aus der im Rahmen der Umwandlung des ehemaligen Regiebetriebs von der Arbeitgeberin abgegebenen Erklärung vom Juli 1994. Demgegenüber seien die abgeschlossenen Haustarifverträge nicht wirksam in Bezug genommen worden.

Der Haustarifvertrag könne zudem nicht rückwirkend die tarifrechtliche Situation zum Nachteil der Arbeitnehmer verändern. Der Anspruch auf eine Sonderzahlung sei zumindest anteilig bereits für jeden Beschäftigungsmonat entstanden aber nur noch nicht fällig geworden. In diese Rechtsposition könne der Haustarifvertrag nicht mit rückwirkender Kraft eingreifen.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg -, Az.: 4 Ca 8/07 C, vom 30.07.2007 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.119,85 EUR brutto nebst 5 % Zinsen hieraus über den Basiszinssatz p.a. seit dem 01.12.2006 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, die Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages der Klägerin stelle eine große dynamische Verweisungsklausel dar und bewirke, dass auch die am 28.09.2006 mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Haustarifverträge in Bezug genommen worden seien. Diese hätten den zuvor geltenden TVöD und die ihn ergänzenden verbandstarifvertraglichen Regelungen vollständig ersetzt. Bei der Bezugnahmeklausel handele es sich noch um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Diese bewirke, dass die Klägerin als nicht tarifgebundene Arbeitnehmerin ebenso zu behandeln sei, wie die Mitglieder der den Haustarifvertrag schließenden Gewerkschaft ver.di. Die Erstreckung der Bezugnahmeklausel auf die abgeschlossenen Haustarifverträge ergebe sich aus § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages, nach dessen Inhalt „die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung" finden sollen. Den tarifgebundenen Mitarbeitern schulde sie nur noch die Leistungen, die sich aus den mit der Gewerkschaft ver.di vereinbarten tarifvertraglichen Regelungen ergäben. Insoweit müsse sich die Klägerin aufgrund des Gleichstellungscharakters der Bezugnahmeklausel ebenfalls auf die Bestimmungen der zwischenzeitlich vereinbarten Haustarifverträge verweisen lassen. Erklärungen in Zusammenhang mit der Überleitung des Betriebes hätten keine Auswirkungen auf den Charakter der Bezugnahmeklausel. Eine Sonderzahlung für das Jahr 2006 sei aufgrund des Inhalts des abgeschlossenen Manteltarifvertrages nicht geschuldet. Ebenso wenig eine Ergebnisbeteiligung aus dem hierzu abgeschlossenen weiteren Haustarifvertrag, denn in Ermangelung eines positiven Jahresergebnisses für das Jahr 2006 sei den Mitarbeitern keine Ergebnisbeteiligung geschuldet.

Bei der tariflichen Neuregelung handle es sich um einen Fall zulässiger „unechter Rückwirkung", denn der Anspruch auf eine Sonderzahlung entstehe nach § 20 TVöD erst am 01.12. eines Jahres. Ein anteiliger Anspruch sei bei Ausscheiden des Arbeitnehmers vor dem 01.12. eines Jahres nicht entstanden.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Aus den Gründen

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II. Die Berufung ist sachlich nicht begründet.

Das Erstgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die am 28.09.2006 abgeschlossenen Haustarifverträge bei der Beklagten Anwendung. Der Klägerin steht nach dem Inhalt des Manteltarifvertrages kein Anspruch auf eine Sonderzahlung für das Jahr 2006 zu und die Beklagte schuldet ihr für das Jahr 2006 auch keine Erfolgsbeteiligung aus dem hierzu weiteren abgeschlossenen Haustarifvertrag. 1. Auf das Arbeitsverhältnis der nicht tarifgebundenen Klägerin finden die zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di am 28.09.2006 abgeschlossenen Haustarifverträge aufgrund der einzelvertraglichen Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages der Klägerin Anwendung.

a) Die Verbandstarifverträge (zunächst der BAT bzw. ab dem 01.10.2005 der TVöD und die sie ergänzenden Tarifverträge) wurden unstreitig durch die Bezugnahmeklausel in § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrages Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Bei der einzelvertraglich vereinbarten Bezugnahmeklausel handelt es sich um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 01.12.2004 - 4 AZR 50/04 - BAGE 113, 40, 42 f.; vom 25.09.2002 - 4 AZR 294/01 - BAGE 103, 9, 14; vom 21.08.2002 - 4 AZR 263/01 - BAGE 102, 275, 278).

Bei gegebener Tarifbindung des Arbeitgebers will dieser mit einer solchen Vertragsklausel die möglicherweise fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers ersetzen, um auf diese Weise zu einer vertraglichen Anwendung des im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrages zu kommen und damit zur Verbindlichkeit der tarifvertraglichen Regelungen für alle Beschäftigten. An dieser Auslegungsregel ist bei Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 abgeschlossen worden sind, aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin festzuhalten (vgl. BAG vom 14.12.2005 - 4 AZR 536/04 - BAGE 116, 326; vom 18.04.2007 - 4 AZR 652/05 - AP Nr. 53 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag).

Der Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband zum 31.12.2005 ändert daran nichts, denn deren Tarifgebundenheit bleibt gem. § 3 Abs. 3 TVG zunächst bestehen.

b) Die einzelvertragliche Bezugnahmeklausel der Parteien umfasst auch die von der Beklagten mit der Gewerkschaft ver.di am 28.09.2006 abgeschlossenen Haustarifverträge, hinsichtlich derer die Tarifgebundenheit der Beklagten als Tarifvertragspartei aus § 3 Abs. 1 TVG folgt.

Dies ergibt eine Auslegung der Bezugnahmeklausel anhand der §§ 133, 157 BGB.

Zwar verweist der Wortlaut des § 2 Satz 1 des Vertrages zunächst lediglich auf den „Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung". Bei der nach §§ 133, 157 BGB gebotenen Erforschung des wirklichen Willens der Vertragsparteien ist aber auch die für den Vertragspartner erkennbare jeweils typische Interessenlage des anderen Teils zu berücksichtigen. Mit der Verweisung auf die Tarifverträge der einschlägigen Branche will der Arbeitgeber regelmäßig die sachlich und betrieblich geltenden Tarifverträge dieser Branche in Bezug nehmen und eine eventuell fehlende normative Gebundenheit des Arbeitnehmers an diese einschlägigen Tarifverträge ersetzen.

Zu den „ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen" der vertraglichen Bezugnahmeklausel können zum einen die von dem Arbeitgeberverband zur vorübergehenden Abweichung von Flächentarifverträgen abgeschlossenen firmenbezogenen Verbandstarifverträge gehören.

Von einer allgemein gefassten Gleichstellungsabrede kann aber auch ein vom einzelnen Arbeitgeber zur Abänderung von Flächentarifverträgen abgeschlossener Haustarifvertrag erfasst werden (vgl. BAG vom 23.01.2008 - 4 AZR 602/06 - EzA Nr. 38 zu § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag). Dies jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Haustarifverträge von derselben Gewerkschaft abgeschlossen worden sind, wie die zunächst geltenden Verbandstarifverträge und der Wille, die für den Betrieb einschlägigen kollektivrechtlichen Rechtsnormen auch in dem Arbeitsverhältnis eines nicht tarifgebundenen Arbeitnehmers zur Anwendung zu bringen, von dem Arbeitgeber erkennbar zum Ausdruck gebracht worden ist (vgl. BAG, a.a.O.).

Dieser Wille der Arbeitgeberin ist in § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages mit hinreichender Deutlichkeit für den Arbeitnehmer zum Ausdruck gebracht worden. Mit der Klausel „Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung" sind ausreichend konkret sowohl firmenbezogene Verbandstarifverträge als auch echte Haustarifverträge angesprochen worden. Bei einem verständigen Erklärungsempfänger ist diese Vertragsklausel nicht anders zu verstehen, als dass zu den „ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen" i.S.d. § 2 Satz 1 des Vertrages auch die „ für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge" gehören. Denn wenn außerhalb der in Satz 1 genannten Verbandstarifverträge für die Arbeitgeberin aufgrund ihrer Tarifgebundenheit sonstige Tarifverträge normativ zwingend gelten, sollten diese auch bei nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern zur Anwendung gelangen. Bei einem mit derselben Gewerkschaft abgeschlossenen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag oder einem Haustarifvertrag handelt es sich um klassische Fälle eines „für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifvertrages".

Der entscheidende Unterschied zu der Fallkonstellation im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29.08.2007 (- 4 AZR 767/06 - NZA 2008, 364, 366) liegt darin, dass es sich bei den Haustarifverträgen vom 28.09.2006 um keine branchenfremde Verbandstarifverträge handelt und diese nach dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel auch nicht neben den in § 2 Satz 1 genannten Tarifverträgen zur Anwendung gelangen sollen. Vor allem aber, dass in den Haustarifverträgen von derselben Gewerkschaft auf die betrieblichen Verhältnisse des konkreten Tarifpartners abgestimmte Abweichungen vom Inhalt der bisher für die Arbeitgeberin geltenden Verbandstarifverträge ausdrücklich vorgesehen werden.

c) Aus der Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages ergibt sich, dass nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien die tarifvertraglichen Regelungen in den Haustarifverträgen den dadurch geänderten Regelungen in den Verbandstarifverträgen vorgehen sollen.

Werden mehrere Tarifverträge mit unterschiedlichen Regelungen einzelvertraglich in Bezug genommen, ergibt sich aus dem Gleichstellungszweck der Verweisungsklausel, dass für die nicht organisierten Arbeitnehmer dieselben Kollisionsauflösungsregeln gelten sollen wie für die von den in Bezug genommenen Tarifverträgen normativ erfassten Gewerkschaftsmitgliedern. Danach wollen die Arbeitsvertragsparteien mit ihrer Verweisung bei einer möglichen Konkurrenz zwischen mehreren in Bezug genommenen Tarifverträgen dem spezielleren Tarifvertrag den Vorrang einräumen, d.h. demjenigen, der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten steht und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebes und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten Rechnung trägt (so BAG vom 23.01.2008, a.a.O.).

Dies sind im vorliegenden Fall die Haustarifverträge vom 28.09.2006, denn diese stehen dem Betrieb der Beklagten räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten. Sie stellen die spezielleren Regelungen zu dem TVöD und dem ihn ergänzenden TVÜ-VKA dar. Für die Dauer ihrer normativen Geltung verdrängen die Regelungen der Haustarifverträge deshalb die bisher geltenden Vorschriften aus den Verbandstarifverträgen.

2. Die Klägerin kann ihren Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2006 nicht auf § 20 TVöD stützen, denn diese tarifvertragliche Regelung ist gemäß § 39 Abs. 1 a TVöD erst mit Wirkung ab dem 01.01.2007 in Kraft getreten. Auch auf § 20 TVÜ-VKA kann der Anspruch auf die Jahressonderzahlung für das Jahr 2006 nicht gestützt werden, denn § 32 Ziffer 3 Abs. 5 des in Bezug genommenen Manteltarifvertrages vom 28.09.2006 schließt einen Anspruch hierauf aus. Die Jahressonderzahlung für das Jahr 2006 wird nämlich von der Vergütungspflicht ausdrücklich ausgenommen.

Dieser Ausschluss bisheriger verbandstarifvertraglicher Ansprüche ist in einem firmenbezogenen Verbandstarifvertrag oder einem Haustarifvertrag jederzeit möglich, der der Standort- oder Zukunftssicherung dient.

Angesichts der wirtschaftlich prekären Lage vieler Krankenhausträger sehen auch der Verbandstarifvertrag zur Zukunftssicherung der Krankenhäuser (TV ZUSI) in Verbin4 dung mit örtlichen Anwendungsvereinbarungen solche kollektivrechtlichen Lösungen vor.

3. An dem gefundenen Auslegungsergebnis vermögen Vereinbarungen der an der Umwandlung des bisherigen Regiebetriebes des Landkreises D... beteiligten Parteien nachträglich nichts zu ändern.

Diese Vereinbarungen bezogen sich ausschließlich auf die Rechtspositionen im Zeitpunkt der Umwandlung am 01.01.1995 und die Erhaltung der damaligen einzel- und kollektivrechtlichen Ansprüche der Arbeitnehmer (vgl. §§ 4, 9 des Personalüberleitungsvertrages vom 22.12.1994, Bl. 125,126 d.A). Sie bezogen sich jedoch nicht auf davon unabhängige Änderungen der Verbandstarifverträge oder deren Ablösung durch späteres Tarifrecht der Verbände (z.B. TVöD, TVÜ-VKA, TV ZUSI) oder einzelner - auch ehemaliger - Verbandsmitglieder (hier Haustarifverträge vom 28.09.2006). Keinesfalls ist darin ein etwaiger Verzicht auf die Schaffung künftigen Tarifrechts in Form eines Haustarifvertrages zu sehen. Hierfür enthalten weder der Personalüberleitungsvertrag noch die Mitarbeiterinformation von Juli 1994 (Bl. 124 d.A.) irgendwelche Anhaltspunkte, die in die weitere Zukunft zielten. Insoweit kann deren rechtliche Einordnung als Vertrag zugunsten Dritter bzw. begünstigende Gesamtzusage dahingestellt bleiben.

Durch sie wurde nicht nachträglich der Charakter der Bezugnahmeklausel eingeschränkt.

4. Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen der Wirksamkeit der Haustarifverträge nicht entgegen, denn eine Tarifnorm steht stets unter dem Vorbehalt, durch eine nachfolgende tarifliche Regelung verschlechtert oder ganz gestrichen zu werden. Ein Vertrauensschutz besteht insoweit grundsätzlich nicht (vgl. BAG v. 23.03.2005 - 4 AZR 203/04 - AP Nr. 29 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; v. 20.03.2002 - 10 AZR 501/01 - BAGE 100,377). Dies gilt in gleicher Weise bei der Abänderung eines bisherigen Verbandstarifvertrages durch einen spezielleren Tarifvertrag (so BAG v. 23.03.2005, aaO).

Bedenken wegen des Rückwirkungsverbotes bestehen ebenfalls nicht. Nach den Regelungen in § 20 Abs. 3 TVÜ-VKA i.V.m. § 20 Abs. 1 TVöD entsteht der Anspruch auf die Jahressonderzahlung für das Jahr 2006 erst am 01.12.2006. Die Anspruchsentstehung setzt nämlich den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zu diesem Termin voraus. Vor diesem Termin entsteht kein anteiliger Anspruch (vgl. Dessau u.a. TVöD Kompaktkommentar, § 20 TVÜ-VKA Rdz. 9).

Insoweit wird mit Inkrafttreten des Manteltarifvertrages vom 28.09.2006 zum 01.10.2006 und den Haustarifvertrag zur Ergebnisbeteiligung, der mit Wirkung ab dem 01.01.2006 die bisherige tarifliche Sonderzahlung durch eine Ergebnisbeteiligung ersetzt, nicht in bereits entstandene Rechtspositionen der Arbeitnehmer eingegriffen (vgl. BAG v. 23.03.2006, aaO)

5. Ein Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht ersatzweise aus dem Tarifvertrag vom 28.09.2006 über die Ergebnisbeteiligung der Mitarbeiter der B..., denn nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Beklagten wurde im Jahr 2006 kein Betriebsüberschuss erwirtschaftet, der die Auszahlungen nach dem Inhalt dieses Tarifvertrages an die Mitarbeiter erlaubt hätte.

Insoweit sind keine weiteren Ausführungen veranlasst.

III. 1. Die unterlegene Klägerin hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Wegen der Vielzahl gleichgelagerter Fallkonstellationen einer Bezugnahmeklausel im öffentlichen Dienst auf etwaige von der Arbeitgeberin abgeschlossene Haustarifverträge wird der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zugemessen.

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