ArbG Berlin: Einschlägige Berufserfahrung aus vorherigem Arbeitsverhältnis
ArbG Berlin, Urteil vom 18.3.2015 – 60 Ca 4638/14
Leitsatz
1. Einschlägige Berufserfahrung im Sinne des § 16 Abs. 2 TV-L für die Tätigkeit als Erzieherin kann auch durch Ausübung einer vorherigen Tätigkeit als Erzieherin mit besonders schwierigen fachlichen Aufgaben erworben werden.
2. Die in § 16 Abs. 2 S. 2 und S. 3 TV-L getroffene Unterscheidung betreffend die Anrechnung einschlägiger Berufserfahrung aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber und solcher aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber ist nicht mit der gem. Art. 45 AEUV garantierten Freizügigkeit vereinbar und gem. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 unwirksam (vgl. EuGH, Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH, Urt. vom 5. Dezember 2013, C-514/12).
Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin aufgrund ihrer Berufserfahrung höheren Stufen der Entgeltgruppe 8 TV-L zuzuordnen ist.
Die Klägerin, ausgebildete Erzieherin, war vom 1. Dezember 2007 bis 31. August 2008 beim Sozialdienst k. Frauen e.V. als 'Heimerzieherin' und vom 1. September 2008 bis 31. August 2012 beim Verein zur Entwicklung neuer L. für M. e.V. als 'pädagogische Mitarbeiterin' tätig.
Seit 1. September 2012 ist die Klägerin als vollbeschäftigte Erzieherin beim beklagten Land tätig. Gemäß arbeitsvertraglicher Vereinbarung findet auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (Angleichungs-TV Land Berlin) Anwendung. Die Klägerin ist eingruppiert in die Entgeltgruppe 8 TV-L, das beklagte Land ordnete die Klägerin der Stufe 1 dieser Entgeltgruppe zu.
Mit Schreiben vom 5. November 2012 machte die Klägerin eine Vergütung nach Stufe 2 ab 1. September 2012 geltend. Aufgrund ihrer Tätigkeiten vom 1. Dezember 2007 bis 31. August 2012 verfüge sie über einschlägige Berufserfahrung. Das beklagte Land lehnte dies mit der Begründung ab, es handle sich bei der Tätigkeit als Heimerzieherin beim Sozialdienst k. Frauen um die Tätigkeit einer Erzieherin mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten, die der Entgeltgruppe 9, Fallgruppe 2 TV-L zuzuordnen sei. Damit handle es sich nicht um eine gleichartige Tätigkeit. Dasselbe gelte für die weiter ausgeübte Tätigkeit als pädagogische Mitarbeiterin im Bereich des betreuten Wohnens.
Mit ihrer am 1. April 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt die Klägerin zunächst ein Entgelt nach Stufe 2 der Entgeltgruppe 8 TV-L ab 1. September 2012.
Die Tätigkeit einer Erzieherin mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten vermittle auch die erforderliche einschlägige Berufserfahrung einer Erzieherin „in Normaltätigkeit“. Die Protokollnotiz Nr. 1 stelle nicht auf eine Gleichwertigkeit der Eingruppierung in der früheren und jetzigen Tätigkeit ab. Der Tarifvertrag knüpfe an den Beruf an, in dem die Berufserfahrung gewonnen werde, in ihrem Fall durchgehend als Erzieherin. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb nur ein niedrigeres Niveau an die Anforderungen erzieherischer Tätigkeit zur Anerkennung von Erfahrungszeiten führen solle.
Der k. Sozialdienst betreibe in Berlin stationäre Jugendhilfeeinrichtungen für Jugendliche und junge Erwachsene mit besonderen Schwierigkeiten, die Aufgabe der Erzieherin in einer solchen Einrichtung bestehe in einer umfassenden pädagogischen, gesundheitlichen und hygienischen Betreuung und Hilfe bei der Bewältigung alltäglicher Lebensprobleme, schwerpunktmäßig schulischer Probleme. Hierzu erfolge eine enge Kooperation mit der von den Insassen besuchten Schule. Nicht wesentlich anders habe sich ihre Arbeit als pädagogische Fachkraft beim Verein zur Entwicklung neuer L. für M. e.V. gestaltet. Ihre Aufgabe sei gewesen, mit den Mädchen und jungen Frauen Gruppenarbeiten durchzuführen, Beziehungsarbeit zu leisten, Gesprächsführung und demokratische Verhaltensweisen zu lernen und in Rollenspiel und Dialogtechniken zur Eigenidentifikation beizutragen. Das beklagte Land gehe zu Recht von einer besonders schwierigen fachlichen Tätigkeit einer Erzieherin aus.
In ihrer derzeitigen Tätigkeit sei sie als Erzieherin an einer Grundschule einer Grundschulklasse fest zugeteilt und führe begleitend zum Unterricht Erziehungsarbeit durch, in vier bis fünf Stunden im Unterricht, im Übrigen als Betreuung außerhalb des Unterrichts, wobei ca. zwei Mal pro Woche „Lernzeiten“ zur Erledigung von der Grundschullehrerin mitgeteilter bzw. abgesprochener Aufgaben durchzuführen sein. Auch hier bestehe eine wesentliche Aufgabe darin, demokratische Verhaltensweisen einzuüben und zu praktizieren, zumal die Schule von vielen Kindern mit ausgeprägten Sprachschwierigkeiten, Anpassungsproblemen und schwierigen häuslichen Verhältnissen besucht werde und diskriminierendes Verhalten gegenüber anderen Gruppen von Migranten sowie antisemitische Äußerungen vorkämen. Bei der Bewältigung ihrer Aufgaben könne sie unmittelbar auf ihre vorherige Arbeit mit jungen Menschen in schwieriger sozialer Lage zurückgreifen.
Mit ihrer am 17. Oktober 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung verlangt die Klägerin – unter Berücksichtigung von Ausschlussfristen – eine Vergütung nach Stufe 3 und nachfolgend Stufe 4.
Nach der Entscheidung des EuGH vom 5. Dezember 2013, C 514/12 stehe die Freizügigkeitsrichtlinie Nr. 492/2011 einer nur teilweisen Berücksichtigung vorheriger Beschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern bei gleichzeitiger voller Berücksichtigung der bei einer Gebietskörperschaft geleisteten Zeiten für die Ermittlung von Entlohnungsstufen entgegen. Entsprechend seien ihre vorherigen Erfahrungszeiten voll zu berücksichtigen.
Aufgrund der vorliegenden Erfahrungszeiten von 1. Dezember 2007 bis 31. August 2012, d.h. vier Jahren und neun Monaten sei sie ab Beginn des Arbeitsverhältnisses zum beklagten Land am 1. September 2012 der Stufe 3 zuzuordnen; das sich hiernach ergebende Entgelt stehe ihr wegen der der Ausschlussfrist gem. § 37 TV-L seit 1. April 2014 zu. Unter Berücksichtigung dieser Zeiten habe die Laufzeit in Stufe 3 mit Ablauf des 31. Mai 2014 geendet, weshalb ihr ab dem 1. Juni 2014 ein Entgelt nach Stufe 4 zustehe. Soweit man keine Anrechnung der Restzeiten annehme, stehe ihr jedenfalls die für diesen Fall hilfsweise geltend gemachte Vergütung nach Stufe 3 ab 1. April 2014 zu.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass das beklagten Land verpflichtet ist der Klägerin
vom 1.9.2012 bis 31.3.2014 Entgelt nach Stufe 2,
vom 1.4.2014 bis 31.5.2014 Entgelt nach Stufe 3,
und ab 1.6.2014 Entgelt nach Stufe 4
hilfsweise:
vom 1.9.2012 bis 31.3.2014 Entgelt nach Stufe 2,
und ab 1.4.2014 Entgelt nach Stufe 3
weiter hilfsweise
vom 1.9.2012 bis 31.3.2014 Entgelt nach Stufe 2,
und ab 1.9.2014 Entgelt nach Stufe 3
jeweils der Entgeltgruppe EG 8 TV-L
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die monatlichen Entgeltdifferenzen zwischen dem bezogenen und dem hiernach zustehenden Entgelt ab der jeweiligen monatlichen Fälligkeit zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Zuordnung zur Erfahrungsstufe 2 auch unter Berücksichtigung der Tätigkeitsbeschreibung im vorgelegten Zwischenzeugnis des Vereins zur Entwicklung neuer L. für M. e.V. (s. Bl. 32, 33 d.A.) nicht hinreichend dargelegt. Weder die frühere noch die derzeitige Tätigkeit werde im Sinne einer Eingruppierungsfeststellungsklage hinreichend beschrieben. Auch zur erforderlichen unveränderten Fortsetzung der Tätigkeit sei nicht hinreichend vorgetragen.
Die Entscheidung des EuGH C 514/12 sei nicht einschlägig, da der öffentliche Dienst des Landes Berlin für Arbeitnehmer aus der gesamten EU offenstehe, einschlägige Berufserfahrung EU-weit erworben werden könne und § 16 TV-L deshalb keine unzulässige Bevorzugung Einheimischer gegenüber „Wanderarbeitern“ beinhalte.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Rechtsvortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Aus den Gründen
I. Die Klage ist als übliche Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig (vgl. nur BAG, Urteil vom 24. September 2014 – 4 AZR 559/12 –, Rn. 13, juris).
II. Die Klage ist überwiegend begründet.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch ein Entgelt nach Stufe 2 der Entgeltgruppe 8 TV-L ab 1. September 2012.
a) Die Voraussetzungen für eine höhere Stufenzuordnung regelt § 16 Abs. 2 TV-L in der Fassung gemäß Angleichungs-TV Land Berlin wie folgt:
„Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, beziehungsweise – bei Einstellung nach dem 31. Januar 2014 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren – in Stufe 3.(…)“
Einschlägige Berufserfahrung ist nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 TV-L eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogenen entsprechenden Tätigkeit. Um einschlägige Berufserfahrung handelt es sich demnach, wenn die frühere Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird oder zumindest gleichartig war. Das setzt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich voraus, dass die Beschäftigte die Berufserfahrung in einer Tätigkeit erlangt hat, die in ihrer eingruppierungsrechtlichen Wertigkeit der Tätigkeit entspricht, die sie nach ihrer Einstellung auszuüben hat. Dabei kommt es nicht auf die formale Bewertung der Tätigkeit durch den Arbeitgeber, sondern auf die entgeltrechtlich zutreffende Bewertung an (s. BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 964/11 - Rn. 20, juris; BAG, Urteil vom 27. März 2014 – 6 AZR 571/12 –, Rn. 17, juris).
Wie der spezielle Fall zu beurteilen ist, wenn aufbauend auf einer bestimmten Tätigkeit für besonders schwierige Aufgaben derselben Tätigkeit eine höhere Entgeltgruppe vorgesehen ist und eine Arbeitnehmerin Berufserfahrungen in Ausübung der schwierigeren Aufgaben erworben hat, ist mit dieser Rechtsprechung zum regelmäßigen Normalfall („grundsätzlich“) noch nicht geklärt. Eine solche eingruppierungsrechtlich unterschiedliche Bewertung nimmt der TV-L bei Erzieherinnen vor. Hier sieht Teil II Ziff. 20 der Entgeltordnung zum TV-L die Entgeltgruppe 8 für „Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit“ vor, während „Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten“ der Entgeltgruppe 9 zugeordnet werden.
In diesem Fall kann eine einschlägige Berufserfahrung für die Tätigkeiten auch durch Ausübung der schwierigeren Aufgaben dieser Tätigkeit erworben werden. Es handelt sich hier nicht um ein aliud, sondern um die Tätigkeit derselben Art, einer Erzieherin, mit grundsätzlich von derselben Wertigkeit, wobei gehobenen Anforderungen hier durch eine um eine Stufe höhere Eingruppierung – anstelle beispielsweise einer Zulage, die dies honoriert – Rechnung getragen wird. Wenn nach der Rechtsprechung betreffend Eingruppierungen bei Aufbaufallgruppen zunächst zu prüfen ist, ob die Anforderungen der Ausgangsfallgruppe erfüllt werden und anschließend, ob die qualifizierenden Merkmale der höheren Entgeltgruppen vorliegen (vgl. BAG, Urteil vom 21. März 2012 – 4 AZR 292/10 –, Rn. 18, juris m.w.N.), spricht auch dies dafür, dass in Ausübung der qualifizierteren Tätigkeit zugleich einschlägige Berufserfahrung gemäß der Ausgangsfallgruppe erworben werden kann.
b) Die Klägerin hat mit ihrer Berufstätigkeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. August 2012 einschlägige Berufserfahrung im Sinne des § 16 Abs. 2 TV-L erworben.
Es ist davon auszugehen, dass die Arbeit der Klägerin in diesem Zeitraum die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 8 TV-L (Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit) erfüllt.
aa) Die Klägerin ist unstreitig jedenfalls seit 1. Dezember 2007 ausgebildete Erzieherin, d.h. Erzieherin mit staatlicher Anerkennung.
bb) Bei der Tätigkeit der Klägerin handelt es sich um eine entsprechende Tätigkeit. Erzieher/innen beobachten das Verhalten und Befinden von Kindern und Jugendlichen, betreuen und fördern sie, analysieren die Ergebnisse nach pädagogischen Grundsätzen und beurteilen z.B. Entwicklungsstand, Motivation oder Sozialverhalten. Auf dieser Grundlage erstellen sie langfristige Erziehungspläne und bereiten Aktivitäten sowie pädagogische Maßnahmen vor, die z.B. das Sozialverhalten oder die individuelle Entwicklung unterstützen. Sie fördern die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, indem sie diese zu kreativer Betätigung sowie zu freiem oder gelenktem Spielen anregen. Weiterhin dokumentieren sie die Maßnahmen und deren Ergebnisse, führen Gespräche, unterstützen und beraten bei schulischen Aufgaben und privaten Problemen. Darüber hinaus bereiten sie Speisen zu, behandeln leichte Erkrankungen und Verletzungen und leiten zu Körperpflege- und Hygienemaßnahmen an. Erzieher/innen reflektieren die erzieherische Arbeit im Team, ggf. auch zusammen mit Vorgesetzten oder Fachleuten aus Medizin, Psychologie und Therapie, und arbeiten mit anderen sozialpädagogischen Fachkräften zusammen. Zu Eltern bzw. Erziehungsberechtigten halten sie engen Kontakt und stehen diesen informierend und beratend zur Seite (so die Beschreibung in berufe.net.arbeitsagentur.de, Erzieher/in, Stand März 2015).
Die Durchführung einer solchen Tätigkeit hat die Klägerin hinreichend vorgetragen. Nach ihrer Darlegung hat sie als Heimerzieherin beim Sozialdienst katholischer Frauen die Heimbewohnerinnen pädagogisch und betreffend Gesundheit und Hygiene betreut und bei der Bewältigung der Lebensprobleme und Schulprobleme unterstützt. Bei der weiteren Tätigkeit beim Verein zur Entwicklung neuer Lebensqualitäten war nach ihrer Darlegung Aufgabe der Durchführung von Gruppenarbeit und Beziehungsarbeit, das Einüben und praktizieren von Methoden der Gesprächsführung, das Erlernen demokratischer Verhaltensweisen sowie zur Eigenidentifikation beizutragen. Dies erfüllt die o.g. Merkmale erzieherischer Tätigkeit. Dass bei Jugendlichen weniger das Spiel betreut, sondern Gespräche geführt werden, steht dem nicht entgegen, die Aufgaben und Schwerpunkte erzieherischer Tätigkeit im Sinne einer Vorbereitung auf ein eigenständiges, den gesellschaftlichen Anforderungen entsprechendes Leben unterscheiden sich abhängig vom Alter der Betreuungspersonen. Auch soweit eher Behörden denn Erziehungsberechtigte als Ansprechpartner einzubeziehen waren ändert dies nichts an der Aufgabe der Vermittlung eines Entwicklungsstandes an Dritte und der Formulierung von noch anstehenden Aufgaben und ggf. erforderlichen Maßnahmen.
Dass die Klägerin diese von ihr behauptete, im Vorfeld durch Vorlage eines Zwischenzeugnisses beim beklagten Land geltend gemachte Tätigkeit nicht ausgeübt habe, macht das beklagte Land nicht geltend. Es wird auch nicht bestritten, dass es sich bei der durchgehenden Arbeit der Klägerin um eine Tätigkeit von hinreichendem zeitlichen Umfang handelt.
Soweit das beklagte Land geltend macht, die vorherige Tätigkeit der Klägerin sei als Tätigkeit mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten zutreffend der Entgeltgruppe 9 TV-L zuzuordnen, steht dies einer Anerkennung dieser Zeiten nicht entgegen. Soweit das beklagte Land zutreffend geltend macht, die Voraussetzungen dieser Eingruppierung in Abgrenzung zur Entgeltgruppe 8 TV-L seien nicht hinreichend vorgetragen, kommt es auch hierauf nicht an.
cc) Es handelt sich auch – was mit der Eingruppierungsfrage nicht zwangsläufig abschließend geklärt ist – um eine gleichartige Tätigkeit. Die Klägerin hat weiterhin erzieherische Aufgaben wahrzunehmen. Es kann dahingestellt bleiben, ob Erziehungsarbeit mit älteren Jugendlichen einschlägige Berufserfahrung für die Betreuung von Kleinkindern vermitteln kann und umgekehrt. Die Klägerin ist beim beklagten Land eingesetzt als Erzieherin an einer Grundschule, d.h. zu betreuen sind angesichts der sechsjährigen Grundschule in Berlin Kinder im Alter von normalerweise ca. 6 bis 12 Jahren, bei einer möglichen längeren Schuleingangsphase und / oder der Wiederholung von Klassen, wie sie gerade in einem schwierigen sozialen Umfeld erforderlich werden, auch darüber hinaus. Es handelt sich damit um ein Alter in dem in erheblichen Umfang durch verbale Auseinandersetzung gearbeitet wird. Dies spricht für eine insoweit im Wesentlichen gleichartige Arbeit. Zudem geht es weiterhin um die Vermittlung sozialadäquater Verhaltensweisen bei einem schwierigen sozialen Umfeld. Die Klägerin hat zuvor mit Jugendlichen aus bzw. in einem schwierigen sozialen Umfeld nebst damit einhergehenden Problemen gearbeitet und ist jetzt beim beklagen Land an einer Schule mit vielen Kindern aus einem schwierigen sozialen Umfeld eingesetzt. Im Hinblick auf diesen Aspekt von Erziehungsarbeit in einem schwierigen sozialen Umfeld und die hier vorliegende Gleichartigkeit treten Unterschiede betreffend die Arbeit an einer Schule im Vergleich zu einer solchen an den vorherigen Einrichtungen sowie ein etwaiger Altersunterschied der Kinder bzw. Jugendlichen in den Hintergrund.
2. Die Klägerin wäre aufgrund vorliegender einschlägiger Berufserfahrung bereits ab dem 1. September 2012 der Stufe 3 zuzuordnen gewesen und hat unter Berücksichtigung der Ausschlussfrist gemäß § 37 TV-L Anspruch auf ein Entgelt nach dieser Stufe ab 1. April 2014.
a) § 16 Abs. 2 S. 2 und 3 TV-L unterscheiden zwischen einer voll anzurechnenden einschlägigen Berufserfahrung aus einem Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber, d.h. hier dem beklagten Land und einer in geringerem Umfang anzurechnenden einschlägigen Berufserfahrung aus einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber. Auch wenn hierin unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien kein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss interner Bewerber gegenüber externen Bewerbern liegt (BAG, Urteil vom 20. September 2012 – 6 AZR 211/11 –, Rn. 14, juris) ist dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 5. Dezember 2013 nicht mit Art. 45 AEUV und 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union vereinbar (EuGH, Urteil vom 05. Dezember 2013 – C-514/12 –, juris).
aa) Die Anwendbarkeit der genannten Regelungen betreffend die Freizügigkeit wird nicht durch Art. 8 S. 2 VO 492/2011 bzw. Art. 45 Abs. 4 AEUV ausgeschlossen. Die vorgesehene Ausnahme betreffend eine „Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung“ ist unionseinheitlich auszulegen. Entscheidend ist, ob die Stelle eine besondere Verbundenheit ihres Inhabers zum Staat erfordert, weil die Tätigkeit mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und mit der Verantwortung für die Wahrung der allgemeiner Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften zu tun hat (s. nur EuGH, Urteil vom 24. Mai 2011 – C-54/08 –, juris; s. zu Lehrkräften EuGH, Urteil vom 27. November 1991 – C-4/91 –, juris; Wißmann in ErfK, 15. Aufl., Art. 45 AEUV Rn. 41 m.w.N.). Bei der Tätigkeit der Klägerin als Erzieherin handelt es sich um keine spezifisch hoheitliche Tätigkeit.
bb) Art. 45 Abs. 2 AEUV verbietet jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 stellt nur eine besondere Ausprägung des in Art. 45 Abs. 2 AEUV enthaltenen Diskriminierungsverbots auf dem speziellen Gebiet der Beschäftigungsbedingungen und der Arbeit dar und ist daher ebenso auszulegen wie Art. 45 Abs. 2 AEUV (EuGH, Urteil vom 05. Dezember 2013 – C-514/12 –, juris).
(1) Hiernach stehen die Art. 45 AEUV und 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union einer nationalen Regelung entgegen, nach der die von den Dienstnehmer/-innen einer Gebietskörperschaft ununterbrochen bei ihr zurückgelegten Dienstzeiten bei der Ermittlung des Stichtags für die Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen in vollem Ausmaß, alle anderen Dienstzeiten dagegen nur teilweise berücksichtigt werden (Tenor der Entscheidung (EuGH, Urteil vom 05. Dezember 2013 – C-514/12 –, juris).
Zwar handelt es sich ersichtlich um keine an die Staatsangehörigkeit anknüpfende unmittelbare Diskriminierung. Nach der vom Europäischen Gerichtshof vorgenommenen Auslegung d. Art. 45 AEUV und 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 stellt eine solche Regelung zur unterschiedlichen Berücksichtigung von Dienstzeiten jedoch eine Beeinträchtigung der garantierten Freizügigkeit durch eine mittelbare Diskriminierung von „Wanderarbeitnehmern“, d.h. grenzüberschreitend tätigen Beschäftigten dar. Zwar treffe es zu, dass sich eine solche Regelung zum Nachteil nicht nur der grenzüberschreitend arbeitenden „Wanderarbeiter“ sondern auch auf nur im Inland tätige Beschäftigte auswirke. Jedoch wirke sich eine solche Regelung stärker auf Wanderarbeitnehmer denn auf inländische Arbeitnehmer aus, weil erstere ihre Berufserfahrung sehr wahrscheinlich in einem anderen Mitgliedstaat erworben hätten. Dass sich eine solche Regelung auch auf inländische Beschäftigte auswirke, stehe der Annahme einer mittelbaren Diskriminierung nicht entgegen. Um eine Maßnahme als mittelbar diskriminierend zu qualifizieren, müsse diese nicht bewirken, dass alle Inländer begünstigt werden oder unter Ausschluss der Inländer nur die Staatsangehörigen anderer Mitgliedsstaaten benachteiligt würden. Da die Freizügigkeit eine grundlegende Bestimmung der Union sei, sei jede Beeinträchtigung dieser Freiheit, und sei sie noch so unbedeutend, grundsätzlich verboten. Eine Ausnahme sei nur dann zulässig, wenn mit dieser eines der im Vertrag genannten legitimen Ziele verfolgt werde und diese durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt seien (EuGH, Urteil vom 05. Dezember 2013 – C-514/12 –, juris).
(2) Diese Auslegung des Europäischen Gerichtshofs betrifft auch die streitgegenständliche Regelung in § 16 Abs. 2 TV-L. Auch hiernach werden Zeiten der vorheriger Berufstätigkeit, von denen die Zuordnung zu Entgeltstufen abhängt, unterschiedlich behandelt, je nachdem ob die vorherige Berufstätigkeit für das beklagte Land oder für einen anderen Arbeitgeber geleistet wurde. Auch hier gilt die Erwägung, dass zwar Aus- wie Inländer gleichermaßen als Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst des Landes Berlin beschäftigt werden und so anrechenbare Zeiten ansammeln können, grenzüberschreitend tätige Beschäftigte („Wanderarbeitnehmer“) mit höherer Wahrscheinlichkeit über nur anderweitig angefallene vorherige Zeiten verfügen als nur im Inland tätige Beschäftigte. Auch wenn dem möglicherweise bezüglich der Anzahl praktischer Fälle überschaubare, auf angenommenen Wahrscheinlichkeiten zum Verlauf der Arbeitsleben beruhende Annahmen zugrunde liegen, reicht dies für den Europäischen Gerichtshof aus, um eine mittelbare Beeinträchtigung der Freizügigkeit anzunehmen.
Dass § 16 Abs. 2 TV-L auf einschlägige Berufserfahrung abstellt, während die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Dienstzeiten betrifft, ändert hieran nichts. Es gelten dieselben Erwägungen, auch eine einschlägige Berufserfahrung wird von nur im Inland tätigen Beschäftigten mit etwas höherer Wahrscheinlichkeit beim beklagten Land erworben als dies bei „Wanderarbeitnehmern“ der Fall ist. Angesichts der Tatsache, dass es sich beim beklagten Land beispielsweise auch betreffend Erzieher und Erzieherinnen um einen sehr großen Arbeitgeber handelt erscheint auch durchaus plausibel, dass „Inländer“ mit höherer Wahrscheinlichkeit im Rahmen eines vorherigen Arbeitsverhältnisses beim beklagten Land tätig sind, als unter Inanspruchnahme der Freizügigkeit zuziehende Beschäftigte.
(3) Die Regelung ist auch nicht im Sinne der o.g. Rechtsprechung durch ein im Vertrag genanntes legitimes Ziel oder zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Solche Ziele oder Gründe werden vom beklagten Land nicht vorgetragen. Allein anhand der Regelung sind solche nicht feststellbar. Soweit der Europäische Gerichtshof erwägt, ob eine Honorierung der Bindung an einen bestimmten Arbeitgeber als zwingender Grund des Allgemeininteresses in Betracht käme, wäre das hier mit der Regelung in § 16 TV-L gewählte Mittel von vornherein nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen, weil nicht die Treue zum beklagten Land, sondern (nur) einschlägig Berufserfahrung honoriert wird. Auch soweit man eine leistungs- und kenntnisgerechte Vergütung als Grund des Allgemeininteresses anerkennt (vgl. zur Honorierung von Berufserfahrung z.B. EuGH, Urteil vom 03. Oktober 2006 – C-17/05 –, juris) und deshalb beispielsweise geringere Einarbeitungszeiten aufgrund vorliegender Kenntnis von Strukturen honoriert werden könnten, kann auf der Grundlage des Sachvortrags nicht festgestellt werden, dass es sich um eine hierfür geeignete Regelung handelt. Eine Kenntnis von Verwaltungsstrukturen, der Personalvertretung, u.U. auch Ansprechpartnern im Land Berlin wird nicht nur bei im Wesentlichen derselben Tätigkeit erworben, erforderlich für jegliche Anerkennung ist aber „einschlägige Berufserfahrung“. Umgekehrt sichert das Erfordernis „einschlägiger Berufserfahrung“ ohnehin, dass nur Berufserfahrungen mit großer Sachnähe und damit Nützlichkeit für den Arbeitgeber angerechnet werden. Zudem dürfte eine gewisse grundlegende Kenntnis der spezifischen Strukturen bei einem Arbeitgeber innerhalb des ersten Arbeitsjahres erworben werden. Eine Differenzierung, die bei Arbeit bei demselben Arbeitgeber eine volle Anrechnung von unbegrenzt vielen Jahren mit der Folge einer entsprechenden Stufenzuordnung vorsieht, während Zeiten bei einem anderen Arbeitgeber mit der Erstzuordnung zu Stufe 2 praktisch der Anrechnung eines Jahres entsprechen, wäre jedenfalls ausgehend von dieser Begründung nicht erforderlich.
(4) Dem steht nicht entgegen, dass es sich um eine tarifvertragliche Regelung handelt. Soweit auch Recht auf Kollektivverhandlungen Bestandteil des Unionsrechts ist, muss dieses im Rahmen der Anwendung des Unionsrechts im Einklang mit diesem ausgeübt werden (s. nur EuGH, Urteil vom 08. September 2011 – C-297/10 und C-298/10, C-297/10, C-298/10 –, juris m.w.N.).
b) Der auf der Grundlage dieser Auslegung vorliegende Verstoß gegen Art. 45 AEUV und Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 gem. Art. 7 IV VO 492/2011 zur Unwirksamkeit der Regelung. An ihre Stelle tritt im Sinne einer Anpassung nach Oben die Regelung, die für die Nicht-Diskriminierten gilt (vgl. ausführlich BAG, Urteil vom 10. November 2011 – 6 AZR 148/09 –, BAGE 140, 1-14; Wißmann in ErfK, 15. Aufl., Art. 45 AEUV Rn. 45 m.w.N. auch zur Rechtsprechung des EuGH). Eine zwischenzeitlich vorliegende ablösende Regelung, im Rahmen derer in begrenzten Umfang übergangsweise auftretende Beeinträchtigungen hinzunehmen sind bzw. gewisse Gestaltungsspielräume für Übergangsregelungen gesehen werden (vgl. EuGH, Urt. vom 19.06.2014, C-501/12) liegt hier nicht vor.
c) Bei voller Anrechnung der einschlägigen Berufserfahrung verfügte die Klägerin zum Zeitpunkt der Einstellung über eine Berufserfahrung von insgesamt 4 Jahren und 9 Monaten. Die Voraussetzung für eine Zuordnung zur Stufe 3, d.h. gem. § 16 Abs. 3 TV-L eine Berufserfahrung von drei Jahren lag damit bei Einstellung vor.
Aufgrund der Geltendmachung der entsprechenden Vergütung mit ihrer am 17. Oktober beim Arbeitsgericht eingegangenen, dem beklagten Land am 24. Oktober zugestellten Klageerweiterung steht der Klägerin ein Entgelt nach Entgeltgruppe 8 TV-L, Stufe 3 ab dem 1. April 2014 zu.
4. Für einen „Vortrag“ bei Einstellung nicht bezahlter Zeiten und damit auf ein Entgelt nach Stufe 4 ab dem 1. Juni 2014 gibt es im vorliegenden Fall keine Grundlage.
§ 16 Abs. 2 TV-L regelt die Zuordnung zu einer Stufe bei Einstellung. Aus der Regelung ergibt sich nur, welcher Stufe eine Beschäftigte zum diesem Zeitpunkt zuzuordnen ist. Soweit eine Zuordnung zur Stufe 1, Stufe 2 oder Stufe 3 ausdrücklich vorgesehen ist, gibt es im Wortlaut keine Anhaltspunkte für einen „Vortrag“ von durch die Stufenzuordnung nicht „verbrauchten“ Erfahrungszeiten. Auch in § 16 Abs. 2 S. 2 TV-L, wonach die Stufenzuordnung „unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung“ erfolgt, geht es um die (Erst-)Zuordnung zu einer Stufe bei Einstellung.
Zu welchem Zeitpunkt Beschäftigte nach der ersten Stufenzuordnung einer höheren Stufe zugeordnet werden, d.h. die nächste Stufe erreichen, regelt § 16 Abs. 3 TV-L. Hierfür erforderlich sind bestimmte durchgehende Tätigkeitszeiten der Beschäftigten ununterbrochen bei „ihrem Arbeitgeber innerhalb derselben Entgeltgruppe“, d.h. maßgeblich sind engere Voraussetzungen als nur eine einschlägige Berufserfahrung (vgl. zur Zulässigkeit der Anknüpfung an diese solche Berufserfahrung EuGH, Urteil vom 08. September 2011 – C-297/10 und C-298/10, C-297/10, C-298/10 –, juris).
Etwaige über diese tarifvertragliche Regelung hinausgehende Regelungen wurden nicht vorgelegt. Anhaltspunkte für eine allgemein übliche und dann aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch im vorliegenden Fall maßgebliche „Vortragspraxis“ sind nicht vorgetragen.
5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 BGB i.V.m. § 24 Abs. 1 S. 2 TV-L.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Auszugehen ist von dem 36-fachen Differenzbetrag, wobei für die ersten Monate nur der Differenzbetrag zwischen Stufe 1 und Stufe 2 der Entgeltgruppe 8 anzusetzen ist und es ab 1. September 2013 um die Differenz zwischen der Stufe 2 und der Stufe 3 bzw. 4 geht.