ArbG Berlin: DeutschlandCard - Hinweis auf Aufklärung bei Einladung zum Gespräch bei Verdachtskündigung
ArbG Berlin, Urteil vom 12.7.2013 - 28 Ca 3420/13
Leitsätze
1. Hegt der Arbeitgeber den Verdacht erheblicher Vertragsverstöße gegen eine Arbeitsperson und will er sich deshalb die prozeduralen Voraussetzungen sogenannter "Verdachtskündigung" verschaffen, so hat er die betreffende Zielperson für die zur Aufklärung anberaumte Befragung im Interesse sachgerechter Vorbereitung regelmäßig bereits bei der Einladung auf die anstehende Thematik und die in Betracht kommenden Folgen hinzuweisen (LAG Berlin-Brandenburg 30.03.2012 - 10 Sa 2271/11 - NZA-RR 2012, 353 [II.2.]; 2.11.2012 - 6 Sa 1280/12 - n.v. [2.2.2.]; 16.12.2010 - 2 Sa 2022/10 - LAGE § 611 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10 [2.2.4.]). Ihr ist außerdem die Möglichkeit einzuräumen, sich zur fraglichen Konsultation von einer (auch anwaltlichen) Person ihres Vertrauens begleiten zu lassen (s. zu Rechtsanwalt schon LAG Berlin-Brandenburg 6.11.2009 - 6 Sa 1121/09 - LAGE § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8 [Leitsatz]; 16.12.2010 a.a.O.; 30.03.2012 a.a.O.; s. auch bereits BAG 13.03.2008 - 2 AZR 961/06 - NZA 2008, 809).
2. Besteht für die einheitliche Handhabung eines Rabattpunktesystems im Einzelhandel (hier: sog. "DeutschlandCard") als Teil des vertraglichen Pflichtenkreises des befassten Personals ein Reglement für den Umgang mit dem System, so kann der Arbeitgeber die Adressaten nicht für die Enttäuschung ungeschriebener Verhaltenserwartungen (hier: Beschränkung von Sonderrabatt-Coupons auf möglichst höchstpersönlichen Gebrauch) als vermeintlichen Vertragsverstoß belangen: Er hat dann besagten vertraglichen Pflichtenkreis vielmehr zunächst einmal durch Überarbeitung (Ergänzung) des Reglements zu verdeutlichen, ehe sich Abweichungen ggf. als Vertragsverstöße beantworten lassen (s. auch bereits Hessisches LAG 10.09.2008 - 6 Sa 384/08 - n.v.)
Sachverhalt
Im Vordergrund des Rechtsstreits steht - vorzugsweise fristlose - sogenannte Verdachtskündigung. - Vorgefallen ist folgendes:
I. Die (heute1) 60-jährige Klägerin trat im November 1988 (wohl) als Verkäuferin in die Dienste der vormaligen „O. R. GmbH", die eine über die Grenzen Berlins hinaus tätige Filialkette des Einzelhandels unterhielt. Diese veräußerte nach Börsengang als „O. R. AG" und Rückumwandlung zur GmbH Teile ihres Filialnetzes an selbständig agierende Kaufleute, so auch die an der S.straße 98 in Berlin-St. gelegene Wirkungsstätte der Klägerin. Deren Eignerin wurde zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt unter Beschäftigung von ständig mehr als zehn Arbeitspersonen2 die Beklagte. Bei ihr bezog die Klägerin zur Zeit der Ereignisse, die den Hintergrund des Rechtsstreits bilden, zuletzt als Kassiererin3 bei wöchentlich 27 Arbeitsstunden4 ein Monatsgehalt von 1.689,-- Euro5 (brutto).
II. Mit besagten „Ereignissen" hat es folgende Bewandtnis:
1. Wie zahllose andere Handelsunternehmen beteiligt sich auch die Beklagte am unter dem Logo „Deutschland-Card" betriebenen Marketingsystem zur Verkaufsförderung und Kundenbindung. In dessen Mittelpunkt stehen durch Einkäufe erzielbare „Rabattpunkte", die gegen Warenprämien eingetauscht oder beim Einkauf verrechnet werden können6.
a. Zusätzlich offerieren die Akteure ihrer Zielgruppe im Rahmen spezieller Marketingaktivitäten sogenannte „DeutschlandCard-Sondercoupons", die eine Vermehrfachung der regulären Rabattpunktzahlen vorsehen oder auch erhöhte Punktekontingente ermöglichen7. In diesem Zusammenhang entspricht einer dieser Rabattpunkte einem Cent, 100 davon also einem Euro.
b. Was den Umgang des Verkaufspersonals der Beklagten mit hierher gehörenden „Coupons" betrifft, so trifft ihre wohl 17-seitige „Arbeitsanweisung für Kassierer-/innen"8 (Kopie [Auszug]: Urteilsanlage I.) folgende Bestimmungen:
„6. DeutschlandCard-Coupons
Es dürfen nur DeutschlandCard-Coupons akzeptiert werden, die mit dem E. bzw. M.-Logo versehen sind. Dabei sind E.-gekennzeichnete Coupons nur in E.-Märkten und M.-Coupons nur in M.-Häusern gültig.
Alle Coupons sind zusätzlich mit einem Gültigkeitszeitraum versehen.
Werden Coupons in Flugblättern, Zeitungen o.ä. besonders beworben ist in der laufenden Woche der Kunde auch nach einzulösenden Coupons zu befragen.
Die durch Coupons erworbenen Zusatzpunkte werden auf dem Kassenbon je nach Kassensystem ausgedruckt. (Nicht bei Übergangslösung mit NCR Kassen)
Generell sind die Coupons nach Registrierung analog der Leergutbons9 zu entwerten. Coupons gelten nur für einen einmaligen Einkauf".
Diese Vorgaben gelten in gleicher Weise für das Personal der Beklagten, das sich genauso wie sonstige Kundschaft am System „DeutschlandCard" beteiligen darf und soll10.
c. Im Zuge solcher Verkaufsförderungsbemühungen entwickelten die Werbestrategen im vierten Quartal des Jahres 2012 ein „Couponheft", das von Mitte November 2012 bis Ende Februar 2013 zum Einsatz kam und auch in der Filiale der Beklagten zur Verfügung stand11. Dieses ansprechend aufgemachte Couponheftchen12 (Kopie [Umschlagseiten]: Urteilsanlage II.) sollte seinen Reiz auf das Kaufverhalten der Adressaten nicht zuletzt dadurch entfalten, dass ihm drei Sondercoupons13 (Kopie: Urteilsanlage III.) inne wohnten, deren Verwendung den Konsumenten je nach Umsatz mit einer Verdopplung bis Vervierfachung14 seiner regulären Rabattpunktzahl belohnten. - Ähnliche Stimulanzien versprachen sich die Gestalter von einer Aktion, die im Januar 2013 auch in der Filiale der Beklagten gestartet wurde und bis 16. Februar 2013 andauern sollte: Diese sollte Einkäufe an „Fleisch- und Wurst-Bedientheken" mithilfe gleichfalls zweier Sondercoupons15 (Kopie: Urteilsanlage IV.) dadurch beflügeln, dass für einen im Rahmen der „DeutschlandCard" getätigten Einkauf ab 5,-- Euro Gesamtwert bei Vorlage des Coupons 50 Zusatzpunkte und ab 10,-- Euro Gesamtwert sogar 100 Zusatzpunkte dem Rabattpunktekonto gutgeschrieben werden konnten16.
2. Auf diesem Hintergrund geschah folgendes:
a. Am 7. Februar 2013 empfing die Beklagte von der zentralen Revision der „E." die Nachricht, dass drei ihrer am System der „DeutschlandCard" beteiligten Kundenkarten auffällig geworden seien, und zwar solche, die für Mitarbeiterinnen der Filiale registriert waren17. Eine davon ist die Klägerin18. Deren Auswertung19 („Berichtsbeschreibung"; Kopie: Urteilsanlage V.) ergab für die Zeit vom 22. Januar bis 7. Februar 2013 den vielfachen Einsatz des Verdopplungs-Coupons (s. oben, S. 3 [c.]; Urteilsanlage III.) und eine Häufung des Einsatzes von (Sonder-)Coupons über die 100 Zusatzpunkte (s. oben, S. 3 [c.]; Urteilsanlage IV.)20.
b. So instruiert, aktivierte die Beklagte die bei der Zentrale der „E." in Minden angesiedelte Revision, die für den 8. Februar 2013 eine Inspektorin zu Recherchen in die Filiale vor Ort entsandte21. Noch am selben Tag (8. Februar 2013) baten die befassten Sachwalter die Klägerin für 15.00 Uhr zu einem Gespräch, dessen situativen Rahmen und Verlauf die Beklagte im Rechtsstreit so hat beschreiben lassen22:
„Das Gespräch mit der Klägerin fand am 8.2.2013 in der Zeit von 15:00 Uhr von23 15:26 Uhr statt. Das Gespräch hatte folgenden Inhalt:
Gesprächsprotokoll24 vom 08.02.2013
Teilnehmer:
J. G. [Name der Beklagten im Original ausgeschrieben; d.U.]
F. L. [wie zuvor] (Stellvertretender Filialleiter)
M. C. [dto.] (Revisorin bei E.)
E. E. [dto.] (Revisorin bei E.)
A. N. [dto.] (Betriebsratsvorsitzende/Verkäuferin im R. Markt S.str.)
E. M. [Name der Klägerin im Original ausgeschrieben; d.U.] (Verkäuferin mit Kassenfunktion im R. Markt S.str.)
Dauer des Gesprächs: 15:00-15:26 Uhr
Wir baten Fr. M. [wie zuvor; d.U.] während ihrer Arbeitszeit zum Gespräch.
Fr. C. stellt sich und Fr. E. vor. Die restlichen Teilnehmer sind Fr. M. aus dem Filialbetrieb bekannt. Herr L. führt das Protokoll. Fr. N. führt Protokoll für den Betriebsrat.
Fr. C. beginnt das Gespräch:
'Frau M., bitte erklären Sie die Verfahrensweise mit Leergutbons an der Kasse'.
Fr. M.:
'Nach dem Scannen der Pfandbons entwerte ich diese und sammel sie'.
Fr. C.:
'Erklären Sie bitte, wie Sie mit Deutschland-Card Coupons verfahren'.
Fr. M.:
'Ich nehme die Deutschland-Card Coupons vom Kunden entgegen, scanne sie, entwerte sie durch Einreißen und entsorge sie im Papierkorb unter dem Kassentisch'.
Fr. C.:
'Wissen Sie, wie die aktuell laufende Deutschland-Card-Aktion funktioniert? Wann bekommt der Kunde welche Coupons?'
Fr. M.:
'Ich weiß, dass man für einen Einkauf von 5,-€ an der Fleisch- oder Wursttheke einen 50-Punkte-Coupon erhält und für einen 10,- Einkauf gibt es einen 100-Punkte-Coupon'.
Fr. C.:
'Hatten Sie auch Coupons an der Kasse?'
Fr. M.:
'1-2 Coupons behalte ich für Stammkunden an meiner Kasse zurück. Falls die Mitarbeiter an der Fleisch- oder Wursttheke mal keine ausgegeben haben. Dann scanne ich einen Coupon für sie ein'.
Fr. C.:
'Von wem haben Sie diese Coupons einbehalten?'
Fr. M.:
'Von anderen Kunden, die ihre Coupons bei mir eingelöst haben'.
Fr. C.:
'Und wann haben Sie das gemacht? Also die Coupons für die Stammkunden eingescannt?'
Fr. M.:
'Ich glaube, innerhalb der Woche der Aktion, solange die Coupons reichen. Ich bin mir aber nicht ganz sicher'.
Fr. C.:
'Frau M., besitzen Sie auch eine Deutschland-Card?'
Fr. M.:
'Ja, ich sammel selbst Punkte mit der Deutschland-Card'.
Fr. C.:
'Was machen Sie mit den Punkten? Wofür sammeln Sie?'
Fr. M.:
'Ich sammel die Punkte, um dann später, etwa zwei Mal im Jahr, den Einkauf damit zu bezahlen. Prämien interessieren mich nicht'.
Fr. c.:
'Frau M., wissen Sie, welchen Geldwert die Deutschland-Card-Punkte haben?'
Fr. M.:
'Ja, 100 Punkte haben einen Wert von 1,-€'.
Fr. C.:
'Frau M., in der Revisionsprüfung ist ihre Deutschland-Card auffällig geworden. Die eine Auffälligkeit besteht darin, dass in der besprochenen Aktionswoche und auch danach fast täglich mindestens 100 Punkte auf Ihrem Konto gutgeschrieben wurden. Die Einkäufe, die Sie in der Woche mit der Deutschland-Card getätigt haben, hatten aber zu geringe Werte, als dass Sie einen Anspruch auf Zusatz-Coupons gehabt hätten'.
Fr. M.:
'Meine Söhne kaufen auch bei R. ein und haben die Coupons für mich gesammelt. Meine Söhne haben keine Deutschland-Card'.
Fr. G.:
'Dann hätten Ihre Söhne für mindestens 150,-€ Fleisch oder Wurst kaufen müssen'.
Fr. C.:
'Frau M., in welcher Filiale gehen denn Ihre Söhne einkaufen?'
Fr. M.:
'In der R. und in Sp.'.
Fr. C.:
'Wieviele Coupons haben Sie von Ihren Söhnen bekommen?'
Fr. M.:
'Das weiß ich nicht mehr genau. Aber jetzt habe ich noch 2-3 zu Hause'.
Fr. C.:
'Es gibt noch eine andere Auffälligkeit mit Ihrer Deutschland-Card. Sie erhalten bei jedem Einkauf die doppelten Punkte'.
Fr. M.:
'Ich habe mir von den Sonderheften, die hinter der Kasse ausliegen, einen Stapel mitgenommen, so 10-13 Hefte. Die Doppelt-Punkten-Coupons habe ich ausgeschnitten und solange sie gültig sind, benutzt. Mir ist nicht klar, dass ich das nicht darf'.
Fr. G.:
'Auf dem Coupon steht doch drauf, dass er nur ein Mal pro Karte eingelöst werden darf'.
Fr. M.:
'Das wusste ich nicht'.
Fr. G.:
'Haben Sie ihre Deutschland-Card jetzt dabei?'
Fr. M.:
'Ja, die habe ich im Kittel'.
Fr. M. holt die Deutschland-Card aus der Kitteltasche. Diese befindet sich in einer Plastikhülle. Auf der einen Seite ist ein Doppelt-Punkten-Coupon eingesteckt. Zu erkennen ist nur der Strich-Code des Coupons, da der Text weggefaltet wurde. Gültig ist der Coupon bis zum 28.02.2013.
Fr. M.:
'Der Coupon ist da schon lange drin. Ich weiß gar nicht, warum ich den da noch drin habe, den habe ich nicht mehr benutzt. Ich gebe ja beim Bezahlen die ausgeschnittenen Coupons an der Kasse ab'.
Fr. C.:
'Frau M., haben Sie die 100-Punkte-Coupons von der Fleisch- und Wurst-aktion nach dem Einkauf auch für sich behalten?'
Fr. M.:
'Nein, ich gebe ich Coupons immer beim Kassierer ab. Ich habe jetzt noch ungefähr 1-2 Coupons von meinen Söhnen übrig'.
Fr. C.:
'Kann es sein, dass wir auf den Kameraaufzeichnungen eventuell sehen, dass Sie auch 100-Punkte-Coupons nicht beim Kassierer abgegeben haben? Die Aufzeichnungen werden wir nochmal ansehen'
Fr. M.:
'Es kann sein, dass ich die Coupons 1-2 Mal aus Versehen wieder eingesteckt habe'.
Hr. L.:
'Wie wollen Sie denn die benutzen Coupons später erkennen?'
Fr. M.:
'Ich habe sie in der Mitte geknickt und ins Portemonnaie getan, so weiß ich, dass ich sie schon benutzt habe. Ich habe sie dann später zu Hause weggeworfen'.
Fr. G.:
'Ich glaube Ihnen nicht, dass ihre Söhne für so viel Geld in einer Woche Fleisch oder Wurst gekauft haben'.
Fr. M.:
'Ich habe die Coupons von meinen Söhnen bekommen und nur ein Mal benutzt'.
Fr. G.:
'Wir werden den Sachverhalt genauer prüfen und deshalb stelle ich Sie bezahlt bis einschließlich 12.03.2013 frei. Sollte sich der Verdacht bestätigen, werde ich gegebenenfalls arbeitsrechtliche Maßnahmen einleiten'
Fr. M.:
'Fr. G., wenn Sie mich zu Unrecht beschuldigen und weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen einleiten, werde ich mich zu wehren wissen'.
Beweis:
F. L.
(Stellvertretender Filialleiter)
M. C.
(Revisorin bei E.)
E. E.
(Revisorin bei E.)
A. N.
(Betriebsratsvorsitzende)
- alle zu laden über die Beklagte -".
c. So („Sachverhalt genauer prüfen") geschah es: Im Anschluss an die vorerwähnte Suspendierung der Klägerin ermittelten die Sachwalter der Beklagten weiter:
ca. Eine im Anschluss von der Runde befragte Kollegin der Klägerin, die gleichfalls in den Verdacht entsprechender Unregelmäßigkeiten gekommen war (Frau C. H. [Name im Original ausgeschrieben; d.U.]), fand sich unter situativen Begleitumständen, die nicht im Einzelnen geklärt sind25, bereit, der Beklagten auf einem betriebsüblich verwendeten Vordruck26 („ERKLÄRUNG als Zeugenaussage"; Kopie: Urteilsanlage VII.) folgenden Text zu notieren und zu unterzeichnen:
„ERKLÄRUNG als Zeugenaussage
Ich, ... [Daten der Gewährsperson; d.U.]
erkläre in Anwesenheit folgender Zeugen an Eides statt:
1. F. L. [Name im Original ausgeschrieben; d.U.]
2. J. G. [Beklagte; wie zuvor]
3. A. N. [wie zuvor]
4. ...
[Vordrucktext:] unwiderruflich folgenden Sachverhalt:
[handschriftlich:] Ich habe den Coupon vom Kunden bekommen und für mich einbehalten. Beim bezahlen der Ware benutze ich den Coupon mehrmals für meinen Einkauf. 100 DC Punkte haben einen Wert von 1,- €. Auch meine Kolleginnen Fr. P. [wie zuvor] und F. M. [Klägerin; wie zuvor] haben [Streichung] einen Coupon a 100 DC Punkte einbehalten und bei ihrem Einkauf diesen Coupon entweder selber gescannt oder ich tat es für sie. Der Coupon war fest in der DC-Hülle und wurde nach dem Kassiervorgang wieder mitgenommen.
[Vordrucktext:] Diese Erklärung gebe ich freiwillig und ohne jeden Zwang ab.
[Ort, Datum ... Unterschrift]".
cb. Weitere Erkenntnisse bezogen die Ermittler der Beklagten aus Videomaterialien, die auf der Grundlage einer Reihe einschlägiger Abmachungen der Betriebsparteien von August 200227 und Januar 200928 angefallen waren:
(1.) Einer der Vorgänge betrifft nach Angaben der Beklagten29 eine Szene, die sich zu einem nicht benannten Zeitpunkt im Bereich der Kasse 2 zugetragen habe:
„In einer Videosequenz wurde beobachtet, wie die Klägerin eine Mitarbeiterin Frau J. M. [Name im Original ausgeschrieben; d.U.] an die unbesetzte Kasse 2 rief, um dort etwas für ihren Pausenverzehr zu bezahlen. Auf dem Video ist folgendes zu sehen:
Die Klägerin legt ihre DeutschlandCard neben die Kasse. Frau M.nimmt diese und scannt Vor- und Rückseite, d.h. sowohl die normale Bepunktung der DeutschlandCard als auch den Doppeltpunktecoupon. Dann dreht sich Frau M. kurz zur Kasse, um dort eine PLU-Nummer einzugeben. Die Klägerin nimmt dann selbständig einen Coupon, scannt diesen ein und nimmt diesen wieder an sich".
(2.) Die andere Szene zeigt nach den Worten der Beklagten30 folgendes:
„In einer zweiten Videosequenz ist zu erkennen, wie die Mitarbeiterin Carmen T. [Name im Original ausgeschrieben; d.U.] an der Kasse 3 sitzende die Klägerin abkassiert. Die Klägerin kauft für ihre Pause eine Flasche Wasser. Zu erkennen ist, wie die Klägerin ihre DeutschlandCard und einen Coupon neben dem Scanner ablegt. Die Mitarbeiterin Frau T. scannt zuerst die Flasche, dann nimmt sie die DeutschlandCard und den Coupon und scannt zügig Vor- und Rückseite der DeutschlandCard und den 100 Punkte Coupon (dies geht aus dem Kassenjournal hervor), um beides unverzüglich an die Klägerin zurück zu geben. Die Klägerin nimmt beides an sich und steckt die Deutschland Card und den nur einmalig zu benutzenden 100 Punkte Coupon wieder ein".
cc. Die am ersten Vorgang beteiligte Frau M. unterzeichnete der Beklagten unter gleichfalls nicht geklärten situativen Begleitumständen zu einem ebenso wenig angegebenen Zeitpunkt einen handschriftlichen Text31 (Kopie: Urteilsanlage VIII.) mit folgenden Zeilen:
„STELLUNGNAHME
ICH HABE FRAU M. [wie zuvor; d.U.] ZU IHRER PAUSE ABKASSIERT.
ICH ZOG ANFANGS GLEICH IHRE DEUTSCHLANDKARTE DURCH UND DIE RÜCKSEITE MIT DOPPELT PUNKTEN DURCH.
DANACH DREHTE ICH MICH ZUR TASTATUR UM EINE PLU-NUMMER EINZUTIPPEN UND SIE ZOG DANN SELBT NOCH ETWAS DURCH.
DARAUFHIN FRAGTE ICH SIE WAS DA GEPIEPT HAT UND SIE SAGTE SIE HÄTTE IHRE DEUTSCHLANDKARTE DURCHGEZOGEN.
[Unterschrift]".
d. Auf diesem Hintergrund bestellte die Beklagte die Klägerin für den 13. Februar 2013 zu einem weiteren Gespräch in ihre Filiale32. Zu Inhalt und Verlauf dieser Begegnung hat die Beklagte im Rechtsstreit folgende Schilderung unterbreitet33:
„Das Gespräch dauerte von 13:10 Uhr bis 13:15 Uhr. Teilnehmer des Gesprächs waren neben der Beklagten der stellvertretende Filialleiter Herr L. [Name im Original ausgeschrieben; d.U.], die Revisorin bei E. Frau M. [wie zuvor; d.U.], die Revisorin bei E. Frau E. [wie zuvor], die Betriebsratsvorsitzende Frau N. [wie zuvor und die Klägerin.
Das Gespräch hatte folgenden Verlauf:
'Fr. M. betritt den Raum und übergibt Fr. G. als erstes einen Krankenschein.
Fr. M. stellt die Anwesenden vor.
Fr. M.
'Ich möchte, dass mein Mann bei dem Gespräch dabei ist?'
Fr. G. [Beklagte; d.U.]:
'Ich würde gerne erstmal anfangen, ihr Mann kann dann gegebenenfalls später dazukommen'.
Fr. M.:
'Ich möchte Frau N. als Betriebsratsvertretung nicht dabei haben, ich hätte gern Frau S. [wie zuvor] dabei'.
Fr. N.:
'Frau S. ist aber kein Betriebsratsmitglied mehr, weil sie die Funktion abgegeben hat. Der Aushang befindet sich am Schwarzen Brett'.
Fr. M.:
'Dann hätte ich gern Frau K. [wie zuvor] dabei'.
Fr. G.:
'Fr. K. hat bereits Feierabend und ist nicht mehr im Markt. Dann müssten wir das Gespräch verschieben'.
Fr. M.:
'Fr. M., wir möchten uns mit Ihnen nochmal über den Sachverhalt unterhalten'.
Fr. M.:
'Ich möchte mich nicht darüber unterhalten. Ich möchte eigentlich nur wissen, ob ich wieder arbeiten kommen kann oder wie es nun weitergeht'.
Fr. G.:
'Ich entscheide mich dafür, dass ich nicht mehr mit Ihnen zusammenarbeiten möchte. Da sie die Sache nicht erklären können oder wollen, ist der Sachverhalt für mich eindeutig'.
Fr. M.:
'Dann breche ich das Gespräch an dieser Stelle ab'.
Hr. L.:
'Fr. M., ich würde Ihnen gerne die Kameraaufzeichnung zeigen, wo zu sehen ist, dass Sie die Coupons selbst behalten und nicht der Kassiererin übergeben'.
Fr. M.:
'Ich breche das Gespräch ab. Ich sage jetzt nichts mehr'.
Fr. M.:
'Fr. G., dann müssen Sie mich kündigen'.
Frau M. verlässt den Raum'.
Beweis:
Zeugnis
F. L.
(Stellvertretender Filialleiter)
M. C.
(Revisorin bei E.)
E. E.
(Revisorin bei E.)
A. N.
(Betriebsratsvorsitzende)".
3. Zwei Tage später (15. Februar 2013) wandte sich die Beklagte unter Schilderung der Angelegenheit aus ihrer Sicht auf betriebsüblichem Vordruck34 (Kopie: Urteilsanlage IX.) an den Betriebsrat.
a. Diesen ließ sie per Deckblatt wissen, dass sie das Arbeitsverhältnis der Klägerin kündigen wolle. Dort heißt es unter anderem (Urteilsanlage IX./1.):
„Die Kündigung soll außerordentlich, ersatzweise ordentlich als verhaltensbedingte Kündigung, jeweils sowohl als Tatkündigung als auch als Verdachtskündigung ausgesprochen werden".
Ein besagtem Vordruck zur „Begründung der Kündigung von E. M. [Name im Original ausgeschrieben; d.U.]" beigefügter Text (Urteilsanlage IX./2.), auf dessen übrige Einzelheiten Bezug genommen wird, ist mit den Worten eingeleitet:
„Frau M. soll gekündigt werden, weil der dringende Verdacht des Betruges mit Deutschland-Card-Punkten besteht".
b. Das so angesprochene Gremium hegte keine Bedenken: Jedenfalls leitete es seine Stellungnahme der Beklagten unter dem 18. Februar 2013 in der Weise zu, dass unter den Rubriken zur Beantwortung des Plans diejenige Rubrik mit „Kreuz'chen" versehen war: „Der umseitigen Kündigung wird zugestimmt" (Urteilsanlage IX./1.).
4. Mit Schreiben vom 20. Februar 201335 (Kopie: Urteilsanlage X.), dass die Klägerin tags darauf (21. Februar 2013) erreichte, erklärte die Beklagte unter Berufung auf „verhaltensbedingte Gründe" die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, und zwar vorzugsweise „fristlos mit Ablauf des 22. Februar 2013" und notfalls „fristgemäß mit Ablauf des 30. September 2013".
III. Hiergegen richtet sich die am 7. März 2013 bei Gericht eingereichte und eine Woche später (14. März 2013) zugestellte Kündigungsschutzklage. Die Klägerin bestreitet, der Beklagten einen - gar „wichtigen" - Grund zur Kündigung (s. § 626 Abs. 1 BGB36) gegeben zu haben, und die Einhaltung der sogenannten Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB37). Außerdem verlangt sie für den Fall des Obsiegens vorläufige Weiterbeschäftigung.
IV. Die Klägerin beantragt,
1. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 20. Februar 2013 weder mit sofortiger Wirkung noch zum 30. September 2013 beendet worden ist;
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;
3. die Beklagte im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/oder 2. zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Kassiererin weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
V. Sie hält die Klagebegehren der Sache nach für gegenstandslos. Die Kündigung halte rechtlicher Kontrolle nämlich stand, weil sich für sie nach ihren Erkenntnisquellen38 „ganz eindeutig ein Beleg des dringenden Verdachtes" ergeben habe, dass die Klägerin „unter Ausnutzung ihrer Stellung als Kassiererin" wiederholt und weisungswidrig Coupons genutzt39 habe, „um so einen finanziellen Vorteil zu erlangen". Damit habe sie (Beklagte) „von einem dringenden Verdacht eines Vermögensdelikts ausgehen" müssen40. Soweit für die Verdachtskündigung nach geltendem Recht die vorherige Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers als Wirksamkeitsvoraussetzung geboten sei, habe sie dem durch zweimalige Befragung der Klägerin „Rechnung getragen"41. Im Übrigen sei, wie die Beklagte meint, die Kündigung auch „sozial gerechtfertigt, da das Vertrauensverhältnis zu der Klägerin" aufgrund ihrer Kassenmanipulation mit dem Sondercoupon der „DeutschlandCard" nicht mehr gegeben gewesen sei42. Insgesamt sei durch das Verhalten der Klägerin „das Vertrauensverhältnis derart gestört, dass eine Weiterbeschäftigung" nicht mehr in Frage komme43.
VI. Hierzu erwidert die Klägerin, die die Kündigung angesichts des Begründungsstils der Beklagten als „Verdachtskündigung" begreift44, unter anderem, die bei Ausspruch der Kündigung vorliegenden Tatsachen hätten einen solchen Verdacht nicht zugelassen45. Zudem sei der erhobene Vorwurf „reichlich unkonkret"46: Weder aus ihrer eigenen Anhörung, noch aus der Konsultation des Betriebsrates oder dem schriftsätzlichen Prozessvorbringen werde klar, auf welche Einzelakte die Beklagte sich berufe oder „welches genaue Verhalten" ihr (Klägerin) vorgeworfen werde47.
1. Soweit sie Coupons „mehrfach genutzt" habe solle, bestreite sie dies48: Sie habe bereits angegeben, auch Coupons ihrer Söhne eingelöst zu haben49. Auch habe ihr Ehemann im Aktionszeitraum Fleischeinkäufe getätigt und Coupons erhalten50. Außerdem hätten Stammkunden der Beklagten, die selber Coupons erhalten hätten, ihr ihre Coupons überlassen51. Insofern habe sie „schlicht nicht nötig" gehabt, Coupons mehrfach zu verwenden52. Der Schluss von der vermehrten Verwendung von Aktionscoupons auf vermeintliche Mehrfachnutzung sei somit „nicht ohne weiteres zulässig"53. - Die Klägerin lässt auch bestreiten, die Klarsichthülle ihrer Deutschland-Card „in betrügerischer Absicht präpariert" zu haben, um dadurch Coupons mehrfach zu verwenden54: Sie habe „nichts 'weggefaltet', sondern einen 'Doppelt punkten' Coupon von denen, mit denen sie sich rechtmäßig eingedeckt" gehabt habe, „in die Klarsichthülle gesteckt"55. Nach jedem Einkauf sei „der Coupon entfernt und durch einen neuen ersetzt" worden56. Auch an „Doppelpunkt-Coupons" habe kein Mangel geherrscht und damit keine Notwendigkeit zur Mehrfachnutzung57.
2. Soweit die Beklagte sich „auf die undatierte Bezichtigung von Frau M." (s. oben, S. 9 [cc.]; Urteilsanlage VIII.) beziehe, ergebe sich auch daraus nichts, was den Verdacht der Mehrfachnutzung von Coupons erhärten könne58. Deren Stellungnahme sei lediglich zu entnehmen, dass Frau M. sie (Klägerin) bezichtige, „irgendwann irgendetwas selbst eingescannt zu haben"59. Wann dies geschehen sein solle, bleibe ebenso offen wie die Frage, was genau vorgefallen sein solle60. Sie (Klägerin) bestreitet jedenfalls einen solchen Vorfall61. - Was die Erklärung von Frau H. (s. oben, S. 7-8 [ca.]; Urteilsanlage VII.) betreffe, so lässt die Klägerin zu bedenken geben, dass diese (Frau H.) „während der überraschenden erstmaligen Konfrontation mit ähnlichen Vorwürfen" nicht nur „auf Initiative der Beklagten" einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet haben, sondern auch mit der Erstattung einer Strafanzeige bedroht worden sei62. Sie habe dabei „unter nicht unerheblichem Druck" gestanden, die Erklärung abzugeben63. In diesem Kontext sei auch die Erklärung, die mit der bezeichnenden vorgedruckten Formel schließe „Diese Erklärung gebe ich freiwillig und ohne jeden Zwang ab", zu verstehen und zu bewerten64. Jedenfalls werde Frau H. „sich freuen, im Rahmen einer Zeugenaussage die Gelegenheit zu erhalten, ihre 'unwiderrufliche' Erklärung richtigzustellen"65. - Unabhängig davon träfen auch die Vorwürfe, die aus der Erklärung hervorgingen, nicht zu66. Weder habe sie Coupons in der Absicht, sie selbst zu verwenden, einbehalten, noch habe sie Coupons selbst gescannt oder den Coupon in der „DeutschlandCar-Hülle" nach der Nutzung wieder mitgenommen oder mehrfach verwendet67.
3. Soweit sich die Beklagte auf Aufnahmen der Überwachungskameras beruft, sei dies unzulässig68: Sowohl aus der Richtlinie zur Nutzung dieser Technik aus dem August 2002 (s. oben, S. 8 [cb.] mit Fn. 27) als auch aus der Betriebsvereinbarung vom Dezember 2008 (a.a.O. mit Fn. 28) gehe hervor, dass die Aufnahmen nicht zur Kontrolle des Verhaltens und der Leistung des Personals genutzt werden dürften69. Insofern labe sich die Beklagte - so die Klägerin wörtlich - „ausgiebig an den Früchten eines verbotenen Baumes"70. Konsequenz solcher widerrechtlichen Nutzung erhobener Kameradaten könne, wie die Klägerin meint, nur ein Verwertungsverbot der Beklagten im Prozess sein71. Dasselbe gelte, wie sie weiter meint, für diejenige Videoszene, die die Beklagte dem 1. Februar 2013 zuordne72: Sie hätte nach den mit dem Betriebsrat verabredeten Regularien am 6. Februar 2013 bereits gelöscht werden müssen, hätte von Frau C. daher am 8. Februar 2013 nicht mehr vorgefunden werden dürfen73. Auch dies führe aus ihrer Sicht zu einem Beweisverwertungsverbot74. - Unabhängig davon lässt die Klägerin „mit Nichtwissen" bestreiten, dass die Videosequenzen denjenigen Inhalt hätten, den die Beklagte behaupte75. Schließlich legt sie Wert auf die Feststellung, dass die behaupteten Inhalte ohnehin nicht geeignet wären, den von der Beklagten gehegten Verdacht zu erhärten76: Die betreffenden Szenen zeigten schon nach deren eigenem Vortrag allenfalls, dass sie (Klägerin) „einmal einen Coupon selbst gescannt" und diesen „in zwei Fällen nicht sofort weggeworfen" habe77.
4. Des Weiteren lässt die Klägerin rügen, dass die für eine „Verdachtskündigung" gebotene Sachverhaltsaufklärung nicht in der gebotenen Weise vonstatten gegangen sei78: Ihr sei von der Beklagten nicht die Möglichkeit eingeräumt worden, juristischen Rat einzuholen und eine Stellungnahme fertigen zu lassen79. Zum Gespräch am 8. Februar 2013 (s. oben, S. 4-7) sei nicht ordnungsgemäß eingeladen worden80. Sie sei „ohne Nennung von Gesprächsthemen über die Lautsprecheranlage ins Büro gerufen" worden und habe „offensichtlich keine Gelegenheit" gehabt, „sich in irgendeiner Form auf das Gespräch vorzubereiten"81. Sie sei von einer größeren Gruppe von Vorgesetzten konfrontiert worden und habe nicht die Möglichkeit gehabt, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen"82. Auch im weiteren Verlauf sei sie zu keinem Zeitpunkt mit dem genauen Vorwurf oder den Verdachtsmomenten konfrontiert worden83. Im von der Beklagten vorgelegten „Protokoll" winde sich das Gespräch „über viereinhalb Seiten um den unausgesprochenen Vorwurf", sie habe „DeutschlandCard-Coupons mehrfach verwendet"84. Direkt ausgesprochen sei der Verdacht nicht worden85. Die Beklagte machte sich „auch nicht die Mühe, ihren Verdacht über die pauschale Behauptung 'Betrug mit der DeutschlandCard' hinaus auf bestimmte Vorgänge, Zeiträume oder Fälle zu konkretisieren86. Dies gelte sowohl für ihre eigene Anhörung, als auch für die Konsultation des Betriebsrates und das schriftsätzliche Prozessvorbringen87. Insbesondere sei sie zu keinem Zeitpunkt befragt worden, „ob sie Coupons mehrfach verwendet habe"88. Obendrein seien ihr auch die Videosequenzen, die den Verdacht begründen sollten, „nicht vorgespielt" worden89. Was insofern das Gespräch vom 13. Februar 2013 (s. oben, S. 9-10 [d.]) anbelange, so sei es fast ausschließlich um die Frage gegangen, ob sie berechtigt sei, eine Vertrauensperson mit in das Gespräch zu nehmen90. Dabei habe die Beklagte, wie die Klägerin weiter meint, insbesondere eine Heranziehung von Frau K. nicht verweigern dürfen91. Es sei nicht Sache des Arbeitgebers, die Vertrauensperson des Arbeitnehmers zu bestimmen, die „eben auch ein Gewerkschaftssekretär oder Rechtsanwalt" habe sein können92. Insofern habe sie sich auch zu Recht geweigert, weitere Fragen zu beantworten93. Die Beklagte habe das Gespräch somit verlegen und auf einen Zeitpunkt verschieben müssen, zu dem ihre Vertrauensperson eben verfügbar sei94.
5. Endlich vermisst die Klägerin eine Interessenabwägung95: Mit keinem Wort erwähne die Beklagte ihre außerordentlich lange Betriebszugehörigkeit, den beanstandungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses oder den verhältnismäßig geringfügigen Umfang des vermuteten Schadens96. - Außerdem rügt die Klägerin eine „von vorne bis hinten fehlerhafte Betriebsratsanhörung" und führt das aus97.
VII. Die Beklagte entgegnet unter anderem, es gehe nicht darum, der Klägerin die Sammlung von Punkten nach dem System der „DeutschlandCard" vorzuwerfen, sondern darum, dass sie sich dann auch so behandeln lassen müsse „wie jeder dritte Kunde, der nicht Angestellter eines die DeutschlandCard nutzenden Unternehmens" sei „und Insiderwissen im Rahmen der ausgeübten Tätigkeit" habe98. Zudem gehe es nach Sinn und Zweck um Kundenbindung, d.h. um die Gewährung werthaltiger Punkte mit dem Ziel, „Kunden zu animieren, aufgrund der gewährten Vorteile auch in dem jeweiligen Unternehmen einzukaufen"99. Demgegenüber habe die Klägerin hier „ihre berufliche Stellung und Tätigkeit ausgenutzt, um durch eine missbräuchliche Verwendung der DeutschlandCard-Coupons einen materiellen Vorteil zu erlangen"100. So habe sie „nachweislich ihre Tätigkeit" im Hause „dahin gehend ausgenutzt, dass sie entgegen den klaren Richtlinien und Anweisungen Sonderpunkte-Coupons und Doppelbepunktungs-Coupons mehrfach" genutzt habe101. - Soweit die Klägerin ihr vorhalte (s. oben, S. 14 [3.]), sich ausgiebig an den Früchten eines verbotenen Baumes zu laben, hält die Beklagte dies für „sehr interessant" und lässt dazu vertiefend ausführen102:
„Auf der einen Seite irrt die Klägerin, denn es geht hier um eine allgemeine und allen Mitarbeitern bekannte Videoüberwachung, die, zur Verringerung und Verhütung von Ladendiebstählen sowie anderer Straftaten im Filialbereich' eingesetzt wurde. Es ging bei dem Einsatz der Videoüberwachung keinesfalls um die Kontrolle des Verhaltens oder der Leistung der Mitarbeiter.
Fakt ist jedoch, dass - wenn strafrechtlich relevante Handlungen der Mitarbeiter (sozusagen als 'Abfallprodukt' der Videoüberwachung) erkennbar sind, dies auch durch die Beklagte verwertet werden dürfen.
Der Baum ist nicht verboten sondern er wurde gemeinsam von der Beklagten und dem zuständigen Betriebsrat gepflanzt.
Interessant ist auch, dass die Klägerin indirekt zugibt, dass es Früchte zu ernten gab. Die Früchte (die Videoaufzeichnungen über das Verhalten der Klägerin an der Kasse) in Verbindung mit den Zeugenaussagen der jeweiligen Kassiererin ergeben nämlich sehr wohl ein konkretes Bild der Manipulationen der Klägerin mit den Coupons der DeutschlandCard".
Im Übrigen seien mit der Klägerin auch „zur Sachverhaltsaufklärung zwei Gespräche geführt" worden103. Hierzu heißt es bei der Beklagten104:
„Aus dem ersten Gesprächsprotokoll geht eindeutig hervor, dass die Klägerin eben mit dem Verdacht konfrontiert wurde, sowohl 100-Punkte-Coupons verwendet zu haben, die sie oder Dritte nicht erworben hatten sondern ein durch Kunden oder selbst erhaltener Coupon mehrfach genutzt wurde, obwohl die dafür notwendigen Voraussetzungen - nämlich mindestens für € 10,- Fleisch- und Wurstwaren gekauft zu haben - nicht vorlagen.
Der zweite Verdacht bestand darin, dass sie die Doppelpunkte-Karte, die ebenfalls nur 1x verwendet werden durfte, mehrfach verwendet hätte.
Dieser Verdacht erhärtete sich dadurch, dass die Klägerin bei Vorlage ihrer DeutschlandCard auf der Rückseite eindeutig diesen Coupon mit dem Scannercode in der Hülle hinterlegt hatte".
Schließlich habe die Klägerin zu keinem Zeitpunkt erklärt oder auch nur angedeutet, dass sie einen Anwalt kontaktieren oder rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen wolle105. Sie habe auch zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass sie noch eine schriftliche Stellungnahme zu den ihr vorgeworfenen Sachverhalt abgeben wolle106. Insofern sei die Anhörung zu der ausgesprochenen Verdachtskündigung, wie die Beklagte meint, ordnungsgemäß erfolgt107.
VII. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen.
Aus den Gründen
Der Klage ist ihr Erfolg nicht zu versagen. Das gilt für alle drei Rechtsschutzanliegen der Klägerin. - Im Einzelnen:
A. Der Kündigungsschutz (Klageantrag zu 1.)
Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Die Kündigungen im Schreiben vom 20. Februar 2013 (Urteilsanlage X.) haben das Arbeitsverhältnis der Parteien weder mit sofortiger Wirkung aufgelöst, noch werden sie es mit Ablauf der Kündigungsfrist zum 30. September 2013 auflösen. Sie sind unwirksam.
I. Die Klägerin hat ihre Feststellungsklage binnen dreier Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens (21. Februar 2013) bei Gericht einreichen lassen (7. März 2013). Die Zustellung ist am 14. März 2013 bewirkt worden. Damit hat die Klägerin selbst ohne die anderenfalls rechtlich gebotene108 Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen aus § 167 ZPO109 die ihr durch §§ 13 Abs. 1 Satz 2110, 4 Satz 1111 KSchG zur Klageerhebung gesetzte dreiwöchige Frist gewahrt. Die Kündigungen „gelten" folglich nicht schon kraft Gesetzes nach §§ 13 Abs. 1 Satz 2112, 7 (1. Halbsatz)113 KSchG als „von Anfang an rechtswirksam". Sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit vielmehr eines besonderen (hier in erster Linie sogenannten „wichtigen") Grundes und dürfen - selbstverständlich - auch sonst nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen.
II. Diesen Anforderungen genügen die hiesigen Kündigungen indessen nicht. Die Klägerin hat der Beklagten in der Tat keinen Grund gegeben, ihr Arbeitsverhältnis - gar fristlos - aufzukündigen. Eine Kündigung wäre schon nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG114114 „sozial gerechtfertigt"115 und folglich aufgrund des § 1 Abs. 1 KSchG116116 rechtsunwirksam. Erst recht steht der Beklagten kein sogenannter „wichtiger" Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB117 zur Seite. Jedenfalls ließe sich eine kündigungsrelevante Sachlage anhand des Prozessvorbringens der darlegungs- und beweisbelasteten4 Beklagten nicht feststellen:
1. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG119 ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist. Von den so umschriebenen möglichen „Störquellen" (Wilhelm Herschel 120) im Vollzug eines Arbeitsverhältnisses geht es der Beklagten hier - erklärtermaßen (Urteilsanlage X.) um sogenannte verhaltensbedingte Gesichtspunkte. Als Grundstein setzt eine so motivierte Kündigung bekanntlich eine - in aller Regel: vorwerfbare - Verletzung vertraglicher Pflichten des Arbeitnehmers voraus121. In besonderen Fallgestaltungen kann darüber hinaus aber auch schon - in begrifflicher Entgegensetzung zur deshalb sogenannten „Tatkündigung" - der bloße Verdacht schwerwiegender Vertragsverfehlung ein Kündigungsrecht des Arbeitgebers in Reichweite bringen, von der denn auch bei der Beklagten ausdauernd die Rede (s. oben, S. 12 [V.]) ist.
2. Für den Streitfall lassen sich indessen, wie eben schon angeklungen, weder die normativen Voraussetzungen des einen noch die des anderen Kündigungstyps objektivieren. Dabei kann sogar auf sich beruhen, ob die Beklagte sich angesichts des betriebsverfassungsrechtlichen Vorlaufs (s. oben, S. 10-11 [3 a.]; Urteilsanlage XI.) auf eine „Tatkündigung" im Rechtsstreit überhaupt mit Erfolg stützen könnte. - Insofern, neuerlich, der Reihe nach:
a. Soweit es um „Tatkündigung" gehen soll, leidet das Verständnis des Beklagtenvorbringens zu ihrer Kündigungsmotivation allerdings erheblich darunter, dass schon die innerbetriebliche Interaktion von ausgeprägten Ambivalenzen bei ihren befassten Sachwaltern bestimmt anmutet:
aa. Wie gleichfalls schon referiert (s. nochmals oben, S. 12 [V.]), stellt die Beklagte im Rechtsstreit wiederholt heraus, wie sehr sich bei ihr der „Verdacht" ergeben und verfestigt habe, die Klägerin habe sich gleichsam serienhaft entgegen der betrieblichen Weisungslage wirtschaftliche Vorteile durch manipulative Verwendung von Sondercoupons zur „DeutschlandCard" zu verschaffen versucht.
(1.) Dem entspricht nicht nur die Darstellung im Rechtsstreit (s. oben, S. 17), sie habe die Klägerin in den Gesprächen am 8. und 13. Februar 2013 mit entsprechendem „Verdacht konfrontiert", sondern auch der Aufmacher ihrer Nachricht an den Betriebsrat (s. oben, S. 11 [vor b.]; Urteilsanlage IX./2.), die Klägerin solle „gekündigt werden, weil der dringende Verdacht des Betruges mit Deutschland-Card-Punkten" bestehe. Gänzlich anders akzentuiert es jedoch der betriebliche Vordruck (s. oben, S. 10 [3 a.]; Urteilsanlage IX./1.): Danach sollte die beabsichtigte Klägerin „sowohl als Tatkündigung als auch als Verdachtskündigung ausgesprochen werden". Hierzu wiederum passt, dass die Beklagte im Kammertermin am 12. Juli 2013 auf Nachfrage des Gerichts der Sache nach beteuert hat, er gehe ihr sowohl um den einen als auch um den anderen Kündigungstyp.
(2.) Die Beantwortung der Frage ist alles andere als gleichgültig. Bekanntlich betrachten die Gerichte für Arbeitssachen die „Verdachtskündigung" nämlich keineswegs als „Holz vom gleichen Stamm" wie die Tatkündigung, sondern als etwas qualitativ anderes122, das insbesondere auch eigenen und namentlich prozedural anspruchsvolleren rechtlichen Prüfkriterien unterliegt: Danach soll lediglich die „Verdachtskündigung" - nicht aber die Tatkündigung - für ihre Wirksamkeit darauf angewiesen sein, dass sich der Arbeitgeber vor ihrem Ausspruch sämtlicher nach Lage der Dinge in Betracht kommenden Aufklärungsbemühungen unterzieht und dabei vor allem auch seiner Zielperson in rechtlich zunehmend ausgeformter Weise, auf die gleichfalls noch zu sprechen zu kommen sein wird (s. näher unten, S. 28 ff.), Gelegenheit zur Stellungnahme (und Verteidigung!) verschafft123. Ob diese These von der „Exklusivität" der Anhörungsobliegenheit so zutrifft oder nicht124, sei hier dahingestellt. Hier genügt, dass das befasste Gericht sich die eine oder andere Variante möglicher Kündigungsgründe nicht aussuchen kann, sondern der Arbeitgeber sich im Zeichen einer Vertragsfreiheit125 dazu äußern und klipp und klar festlegen muss, ob nun die Tat- oder Verdachtskündigung (oder beides) seinen ultimativen Trennungswunsch getragen haben soll126. Zum Problem für den Arbeitgeber kann dann allerdings genau das werden, was sich hier in der innerbetrieblichen Konsultation des hiesigen Betriebsrates abzeichnet: Ist das Gremium nämlich nur zum einen Kündigungstyp nach Maßgabe des § 102 Abs. 1 BetrVG127 gehört worden, so kann der Arbeitgeber im Rechtsstreit nicht kurzerhand ohne vorherige Konsultation des Gremiums auf den anderen Kündigungstyp zurückgreifen128. - Ohne rechtzeitige (Selbst-)Vergewisserung des Arbeitgebers, was genau er eigentlich will, geht es auch insofern somit nicht ab.
ab. Die sich hieraus insbesondere für die vorliegende Anhörungsprozedur ergebenden Fragen können im Ergebnis aber auf sich beruhen. Selbst wenn entgegen diesbezüglichem Verständnis namentlich der Klägerin (s. oben, S. 12 [VI.]) angenommen werden sollte, die Beklagte habe schon innerbetrieblich auch die „Tatkündigung" betrieben, ergäbe sich daraus nicht das beanspruchte Kündigungsrecht. Der der Beklagten vorschwebende Tatnachweis ist mit den verfügbaren Mitteln nämlich nicht zu führen:
(1.) Allerdings begegnet dem Betrachter auch insofern wiederum zunächst jene „Unschärfe", die gerade schon beim Kündigungstyp zu verzeichnen war und von der Klägerin gleichfalls nicht ohne Grund beanstandet (s. oben, S. 13 [vor 1.]) wird. Immerhin hat die Beklagte darauf in ihrem jüngsten Schriftsatz reagiert und klargestellt (s. oben, S. 17), die Klägerin habe im Widerspruch zur Weisungslage „Sonderpunkte-Coupons und Doppelbepunktungs-Coupons mehrfach" genutzt.
(2.) Soll es nun also darum129129 gehen, so wird sich ein konkreter Begehungsnachweis gegen die Klägerin in der Tat nicht führen lassen. Dabei ist gleichgültig, dass es für die gerichtliche Beweiswürdigung im Sinne der § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG130, §§ 495 Abs. 1131, 286 Abs. 1 Satz 1132 ZPO bekanntlich nicht auf letztgültige Gewissheiten ankommt. Wie namentlich der Bundesgerichtshof (BGH) in Fortschreibung „klassischer" Judikatur bereits des frühen Reichsgerichts133 (RG) betont hat, setzt das Gesetz in tatsächlich zweifelhaften Fällen keine „von allen Zweifeln freie Überzeugung" voraus134. Es begnügt sich vielmehr, fordert aber auch einen „für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit", der „den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen"135. Selbst hiernach kann die Klägerin nicht als „überführt" gelten:
(a.) Was dabei zunächst die ältere der beiden Aktionen betrifft, bei der sich bei Einkäufen durch Inhaber der „DeutschlandCard" je nach dem Umfang des der Beklagten vermittelten Umsatzes Verdopplungen (bis 50,-- Euro) bis hin zu Vervierfachungen der fälligen Rabattpunkte (ab 100,-- Euro) erzielen ließen (s. oben, S. 3 [c.]; Urteilsanlagen II. u. III.), gilt folgendes:
(aa.) Objektivierbar ist aufgrund der der Beklagten zugänglich gemachten „Berichtsauswertung" (s. oben, S. 4 [a.]; Urteilsanlage V.), dass die Klägerin im fraglichen Zeitraum bis auf den Einkauf vom 19. Januar 2013 (0,42 Euro136) verschiedentlich137 den „Verdoppler"-Coupon wohl eingesetzt hat: Geht man davon aus, dass mit der „DeutschlandCard" pro Einkauf bis zu 1,99 Euro jeweils allenfalls ein Rabattpunkt zu erlösen wäre, so verweisen die demgegenüber tatsächlich registrierten Punktzahlen unübersehbar auf dabei zumeist zum Zuge gekommene Rabattverstärker.
(ab.) Diese Befunde tragen aber nicht den Schluss, die Klägerin habe mit dieser Praxis ihre vertraglichen Pflichten verletzt. Soweit die Beklagte das anders sieht, kann dem nicht gefolgt werden:
[1.] Wenn sie der Klägerin zunächst angelastet wissen will, gegen die Vorgaben der Kassenanweisung (s. oben, S. 2-3 [II.1 b.]; Urteilsanlage I.) verstoßen zu haben, wonach Coupons „nur für einen einmaligen Einkauf" gölten, bewegt sie sich im Bereich der Spekulation. Es ist nach dem aktuellen Reglement nämlich nicht untersagt, gültige Rabattcoupons im Zusammenhang mit getätigten Einkäufen zu verschenken oder anderweit zu „stiften". Weder in der erwähnten Kassenanweisung noch auf den Rabattcoupons selber findet sich ein Hinweis darauf, dass die so verdienten Punkteanwartschaften nicht übertragbar und damit lediglich zum höchstpersönlichen Gebrauch des jeweiligen Kunden bestimmt wären138. - Und das hat Folgen139: Denn auf diese Weise ist der Klägerin insbesondere nicht die Rechtsverteidigung dahin abzuschneiden, sie verdanke ihre „Verdoppler" ihren Söhnen, ihrem Mann oder anderweit mehr oder weniger großzügigen Spendern nach regulären Einkäufen. Insofern bewegte sie sich somit jedenfalls ihren Einlassungen zufolge „im grünen Bereich".
[2.] Dass die Beklagte der Klägerin diese Einlassungen freilich nicht abnehmen will und insbesondere ausdauernd für „unglaubwürdig" hält140, steht auf einem anderen Blatt. Es hilft ihr aber nicht weiter, weil die prozessuale Lastenverteilung im Kündigungsrechtsstreit insoweit eindeutig ist: Wie bereits erwähnt (s. oben, S. 19 Fn. 118) ist es Sache der Beklagten, die tatsächlichen Grundlagen eines Kündigungsvorwurfs nachzuweisen. Hierzu gehört gegebenenfalls bekanntlich auch, die Zielperson entlastende Umstände im Rechtsstreit auszuräumen141. Das ist durch anhaltende Skepsis nicht zu ersetzen.
[3.] Nur ergänzend sei hiernach noch darauf hingewiesen, dass sich ein Kündigungsgrund für die Beklagte auch nicht aus ihrer Annahme herleiten ließe, aus dem auf den Sondercoupons kleinformatig aufgedruckten Text142 (Urteilsanlage III.) ergäbe sich ein Verbot an den Nutzer, bei unterschiedlichen Einkäufen und Wahrung der Umsatzvorgaben mehrere solcher Coupons zugunsten seines Punktekontos zu aktivieren: Abgesehen davon, dass sich wegen der äußeren Gestaltung schon Bedenken gegen die wirksame Einbeziehung solcher Kautelen in das vertragliche Pflichtengefüge ergäben (§§ 310 Abs. 4 Satz 2143, 305 c Abs. 2144 BGB), begegnete die Aufschrift schon wegen ihrer nicht enden wollenden Ziffernfolge erheblichen Bedenken unter Gesichtspunkten der Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen (§ 307 Abs. 1 BGB145): Weder dem Normalkunden noch dem Personal der Beklagten wäre es zumutbar, beim etwaigen Besitz mehrerer Couponausschnitte (s. Urteilsanlage III.) diese vor deren Vorlage an der Kasse etwa erst daraufhin studieren zu sollen, ob sich im „Kleingedruckten" derselbe (oder ein anderer) „Barcode" befinde. Jeder Verwender darf vielmehr im Zeitalter jener elektronischen Datenverarbeitung, von der nicht zuletzt das System der „DeutschlandCard" lebt, darauf vertrauen, dass die Technik bei etwaigen Unverträglichkeiten die Mitarbeit automatisch verweigert. Sollten die Programmierverantwortlichen entsprechende Vorkehrungen versäumt haben, so wären die Folgen einschlägiger Defizite nicht dadurch zu bewältigen, dass die im Zweifel arglosen Nutzer kurzerhand wegen „Betrugsversuchs" belangt werden146.
[4.] Erst recht könnte die Beklagte der Klägerin nicht mit obendrein kündigungsrechtlichen Konsequenzen einen Verstoß gegen den „Geist" ihres Rabattsystems147 anlasten: Sollten mit den Sonderaktionen (weitere und zulässige) Zwecke verfolgt werden, die durch die verschriftlichten Nutzungsbedingungen nicht ausreichend gewahrt erscheinen, so wäre es nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit zunächst einmal Sache der Werbestrategen und Textgestalter, die jeweiligen Reglements mit sprachlichen Mitteln so zu überarbeiten, dass sich das intendierte Ziel (besser) erreichen lässt. Insofern wären zunächst einmal die „Spielregeln" zu verdeutlichen. Stattdessen bei Bedarf ungeschriebene Verhaltenserwartungen für das Personal zu postulieren, um „Abweichler" dann ggf. mit arbeitsrechtlichen Sanktionen bis hin zur Kündigung zu belegen, wäre jedenfalls kein statthaftes Mittel der Problembewältigung.
(b.) Nicht besser steht es im Ergebnis um die jüngere der beiden Aktionen und somit den Vorwurf, die Klägerin habe sich ebenso serienhaft wie weisungswidrig 100 Sonderpunkte (s. Urteilsanlage IV.) für ihr „DeutschlandCard"-Konto - salopp gesprochen - „unter den Nagel gerissen": Auch insofern gilt sinngemäß, was für die andere Aktion schon ausgeführt worden ist. Insofern kann auf die diesbezüglichen Ausführungen (S. 24 ff.) verwiesen werden.
(c.) Soweit es im Übrigen um reine Verfahrensfragen bei der Abwicklung von Einkäufen unter Couponbeteiligung an der Kasse gehen sollte (s. schon oben, S. 23 Fn. 129: eigenhändiges Scannen; Wiederansichnahme des bereits verwerteten Coupons), kann dahingestellt bleiben, ob dergleichen mit den von der Beklagten aufgebotenen Beweismitteln objektiviert werden kann148 oder darf149: Jedenfalls könnte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin, solange es nur um solche Verstöße gegen die betriebliche Verfahrensordnung ginge, nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit (s. heute auch § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB150) nicht ohne vorherige vergebliche Abmahnung ultimativ durch Kündigung beenden151.
ac. Wären der Klägerin somit keine gravierenden Vertragsverfehlungen nachzuweisen, so schiede die sogenannte „Tatkündigung" nach allem unabhängig davon aus, ob die Beklagte die zuständige Belegschaftsvertretung zuvor ordnungsgemäß beteiligt hat (s. insofern nochmals oben, S. 22).
b. Kommt es nach allem wohl nicht von ungefähr, dass die Beklagte sich sowohl vorgerichtlich als auch im Rechtsstreit nachdrücklich auf den „Verdacht" schwerwiegender Vertragsverfehlung durch die Klägerin bezogen hat (s. oben, S. 12 [V.]), so müsste die Kündigung im Schreiben vom 20. Februar 2013 den einschlägigen normativen Anforderungen genügen. Das tut sie aber nicht, und dies liegt letztlich offen zutage. - Insofern, letztmalig, der Reihe nach:
ba. Beizutreten ist der Beklagten jedoch im gedanklichen Ausgangspunkt: Denn nach ebenso langjähriger wie eingespielter Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen kommen sowohl als „wichtiger Grund" im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB152 als auch als Quelle „sozialer" Rechtfertigung einer Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG153 nicht nur erwiesene gravierende Vertragsverfehlungen, sondern auch Sachverhalte in Betracht, in denen lediglich der dringende Verdacht des Arbeitgebers besteht, der Arbeitnehmer habe seine vertraglichen Verpflichtungen in schwerwiegender (nicht notwendigerweise „strafbarer") Weise verletzt154. - Allerdings hat solche Kündbarkeit von Arbeitsverhältnissen wegen gestörten Vertrauens in die Redlichkeit und Loyalität von Arbeitspersonen ihre Grenzen. - Vor allem gilt:
(1.) Da die auf bloßen „Verdacht" gestützte Kündigung ihrer Natur nach auch einen in Wahrheit unschuldigen Adressaten treffen kann, und um zu verhindern, dass sich der Arbeitgeber hinsichtlich etwaiger entlastender Momente kurzerhand auf Unwissenheit zurückzieht, die er sich selber zuzuschreiben hat (s. den Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB155), bestehen die Gerichte in derartigen Problemlagen darauf, dass nicht nur aufgrund objektiver Tatsachen „starke Verdachtsmomente" existieren, sondern der Arbeitgeber - wie oben (s. Seite 21 [(2)]) schon erwähnt - außerdem alle zumutbaren Anstrengungen zur Sachverhaltsaufklärung156 unternommen hat. Dabei hat der Arbeitgeber der Zielperson vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit zur Stellungnahme zu den ermittelten Umständen zu geben157. Der Sinn insbesondere auch dieses letzteren Verfahrensgebots liegt auf der Hand: Je sorgfältiger die Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers158 in Verdachtslagen schon innerbetrieblich gewahrt werden, desto geringer bleibt das Risiko, den Adressaten einer sich nach Jahr und Tag vor Gericht als haltlos erweisenden Verdachtskündigung gleichwohl vielfach irreversible159 Folgen tragen zu lassen.
(2.) Vernachlässigt der Arbeitgeber die ihm hiernach zugewiesene Aufklärungslast, so kann die Kündigung schon deshalb keine Wirksamkeit entfalten160. Das ist auch kein Wunder: Der Arbeitgeber soll seine Kündigung nicht auf einen „Verdacht" stützen können, den er kraft unfair verkürzten161 Lagebildes gewonnen hat. Andererseits genügt es in diesem Zusammenhang, wie gerade schon angeklungen („Gelegenheit"), dass der Arbeitgeber dem Betroffenen die Möglichkeit verschafft hat, sich zu den Verdachts stiftenden Umständen - im besten Falle: „reinigend"162 - zu äußern. Macht der Betroffene von solcher Gelegenheit aus bei ihm liegenden Gründen keinen Gebrauch, so ist dem Anhörungsgebot gleichwohl Genüge getan163. Die „Verdachtskündigung" ist dann jedenfalls nicht deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die auf faire Sachverhaltsaufklärung bedachten Spielregeln missachtet hätte.
bb. Diesen Grundsätzen hält die streitgegenständliche „Verdachtskündi-gung", wie bereits vorausgeschickt, nicht stand:
(1.). Für diesen Befund kann auf sich beruhen, ob und in welchen etwaigen Punkten überhaupt mit der Beklagten vom - objektiv - dringenden Verdacht manipulativer Praktiken der Klägerin ausgegangen werden könnte. Bekanntlich stellen die Gerichte für Arbeitssachen spätestens an dieser Stelle ihrer „Kontrollklaviatur" zur Verdachtskündigung mit vollem Recht erhebliche Anforderungen164. Das kann aber, wie gesagt, dahingestellt bleiben.
(2.) Ausschlaggebend schlägt gegen die hiesige Verdachtskündigung nämlich zu Buche, dass die Akteure der Beklagten, wie ihre gut dokumentierten Befragungsaktionen anschaulich belegen, den bei der Anhörung ihrer Zielperson nach dem Gesagten zu wahrenden Anforderungen bei weitem nicht gerecht werden. - Insofern, letztmalig, der Reihe nach:
(a.) Worauf die betriebliche Praxis nicht zuletzt im Lichte der Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts165 (BVerfG) gerade bei der Konsultation ins Visier geratener Arbeitspersonen maßgeblich Wert zu legen habe, ist von den Gerichten für Arbeitssachen vor allem in jüngerer Zeit zunehmend verdeutlicht und ausgeformt worden:
(aa.) Hierher gehört nicht mehr nur das ohnehin in der Logik der Prozedur liegende Gebot, dem Adressaten, dem eine möglichst substantielle Erwiderung zwecks „Reinigung" (Reichsgericht a.a.O.166) ermöglicht werden soll, die Kenntnis der den Verhörspersonen vorliegenden Verdachtsmomente zu vermitteln167. Neuerdings erfährt vielmehr wachsende Aufmerksamkeit der Fachgerichte, in welcher situativen Lage sich Arbeitspersonen zu finden pflegen, die regelmäßig einer erkennbar bereits vorbefassten Mehrzahl von Akteuren urplötzlich mit für sie selber typischerweise nicht überschaubaren Konsequenzen Rede und Antwort stehen sollen168. Hierzu bestehen die Gerichte mit vollem Recht zunehmend darauf, dass schon der Anbahnung solcher Unterredungen die nötige Aufmerksamkeit gewidmet wird. Dabei wird der Tatsache gebührend Rechnung gezollt, wie sehr dem ins Visier geratenen Menschen neben gravierendsten Konsequenzen für seine Erwerbsgrundlage spätestens bei strafrechtlichen Bezügen des Verdachtsbildes (hier: „dringender Verdacht des Betruges"; Urteilsanlage IX./2.) auch Zäsuren für seine zivile Existenz als Mitglied der staatlichen Gemeinschaft drohen können (und vielfach gerade deshalb zur Überwindung von Trennungswiderständen von den Akteuren auch wohlbewusst vor Augen geführt, zuweilen noch übertrieben werden).
(ab.) Gemeint ist zum einen, dass der Betroffene in die Lage versetzt wird, sich mental auf die ihn erwartende Situation vorzubereiten169: Dazu muss er nicht nur - ohnehin als Grundregel jeder gedeihlichkeitsversprechenden zwischenmenschlichen Kommunikation auf Augenhöhe - zunächst einmal wissen, welches Anliegen seine Gesprächspartner ihm gegenüber verfolgen, sondern in der Tat auch, was für ihn selber auf dem Spiel stehe170. Gefordert ist daher zuförderst die vorherige Bekanntgabe der zu erwartenden Thematik171. Bedacht zu nehmen ist aber auch nicht zuletzt darauf, dass gerade die Zielperson des Kollektivs eben persönlich „betroffen" und damit - im signifikanten Unterschied zu allen übrigen Beteiligten - auf emotionalen und fachlichen Beistand gesteigert angewiesen ist172. Deshalb wird heute zutreffend darauf bestanden, dass ihr von den Initiatoren der Unterredung von vornherein ermöglicht wird, sich zur Wahrung ihrer mentalen, intellektuellen und rechtlichen Verteidigungsmöglichkeiten präsenter (auch anwaltlicher) Begleitung zu versichern173.
(b.) Wie der Blick auf die hiesige Prozedur der Beklagten demgegenüber zeigt, trennen diese Welten von den besagten normativen Anforderungen:
(ba.) Das gilt schon für die Anbahnung der Konfrontation am 8. Februar 2013: Hier ist die Klägerin, wie neben der Verlaufsdarstellung der Beklagten (s. oben, S. 4-7) auch ihre eigene unstreitige Einlassung (s. oben, S. 15 [4.]) verdeutlicht, spontan aus der Arbeit heraus separiert und in eine untereinander offenbar eingestimmte Runde von Akteuren geholt worden. Anlass und Thematik blieb ihr (zunächst) verborgen. So bestand situativ weder Raum zu eigener Vorbereitung noch die Gelegenheit, sich innerbetrieblichen Beistandes oder einer rechtlich bewanderten externen Vertrauensperson zu bedienen.
(bb.) Das setzte sich im dialogischen Geschehen (Urteilsanlage V.) um die Klägerin fort: Ihr ist dabei weder eröffnet worden, dass ihr Verhalten Verdachtsmomente erzeugt oder strafrechtliche Fragen („Verdacht des Betruges mit Deutschland-Card-Punkten") aufgeworfen habe, noch, dass vom Verlauf der Unterredung und dem sich für die Verhörspersonen ergebenden Lagebild ihr künftiges betriebliches Dasein abhänge. Stattdessen erfuhr die Klägerin zum Auftakt eine - examensähnliche - Abfrage ihres Wissensstandes über betriebliche Abläufe bei „Leergutbons" und „DeutschlandCard", um erst ganz am Ende der Begegnung zu hören, dass „gegebenenfalls arbeitsrechtliche Maßnahmen" auf sie zukämen.
(bc.) Ernüchternd wirkt auch, dass in der Verlaufsdarstellung der Beklagten keine Rede davon ist, dass die Inspektoren vor Ort es für angezeigt gehalten hätten, der Klägerin Einsicht in jene äußerst informative „Berichtsbeschreibung" (Urteilsanlage V.) zu geben, der sie die personifizierende Aufmerksamkeit der überbetrieblichen und betrieblichen Administration überhaupt verdankte: Nach der als „Gesprächsprotokoll" überschriebenen (zuletzt allerdings zum bloßen „Gedächtnisprotokoll" herabgestuften) Dokumentation des dialogischen Austauschs ist jedenfalls kein Raum für die Annahme, ihr sei dieses offenbar zentrale Schriftstück zu ihrem Einkaufsverhalten auch nur zur Einsichtnahme vorgelegt worden. Erst recht ist der Klägerin ersichtlich keine Kopie zwecks Studiums und Stellungnahme ausgehändigt worden. - Im Gegenteil: Wenn die dialogische Darstellung der Beklagten zutrifft, erhielt die Klägerin an diesem Tag allen zitierten Grundsätzen der Gerichte für Arbeitssachen zuwider174 nicht einmal für ein einziges der zahllosen aufgelisteten Beispiele konkretisierte Daten (Kalendertag, Uhrzeit und sonstige Einzelheiten wie: Kasse, Kassierperson, Umsatz, Bonuspunkte und Zahl der in die Bepunktung eingeflossenen Coupons) zur substantiellen Prüfung. - „Anhörung" im Rechtssinne sieht anders aus.
(bd.) Nicht minder berechtigt erscheint zudem die Kritik der Klägerin (s. oben, S. 16 [oben]), von der versammelten Mannschaft nicht direkt danach befragt worden zu sein, „ob sie Coupons mehrfach verwendet habe". Auch darin spiegelt sich ein gravierendes Defizit der Prozedur (salopp: „Katze im Sach"), weil ohne konkrete Benennung des dem Verhörspersonal vorschwebenden Geschehensbildes für die Zielperson zwangsläufig unklar bleibt, worauf sich ihre Verteidigungsanstrengungen zur Zerstreuung oder Relativierung des Verdachts denn nun sachgerecht richten sollten.
(be.) Ist all dies mehr als genug, um das Schicksal der von der Beklagten unter Schirmherrschaft der zentralen Revision am 8. Februar 2013 veranstalteten Befragung der Klägerin als vermeintlich brauchbare Anhörung vor „Verdachtskündigung" zu besiegeln, so bedarf keiner weiteren Vertiefung, dass sich das Blatt auch mit dem Folgetermin fünf Tage später (13. Februar 2013; s. oben, S. 9-10 [d.]) nicht mehr wenden ließ: Zwar musste der Klägerin - zumal nach tagelanger Suspendierung - nun immerhin klar sein, dass die Beklagte sich für Herkunft und Verwendung ihrer Sondercoupons mit dem Ziel einer Trennung interessierte. Damit waren die Fehler des Auftaktgeschehens aber nicht wieder gutzumachen: Erlebnis, Dynamik und Konsensstrukturen des Gesprächs vom 8. Februar 2013 sind in die Einschätzungen der Inspektoren naturgemäß unauslöschlich eingeflossen. Im Übrigen stellte sich die Ouvertüre am 13. Februar 2013 als neuerliche prozedurale Fehlleistung der Beklagten jedenfalls insofern dar, als sie die ersichtlich auf „Begleitschutz" dringende Klägerin über die ihr dieserhalb rechtlich gegebenen Möglichkeiten (s. oben, S. 32-33) nicht wenigstens jetzt noch aufklärte. Spätestens nach der gründlich missglückten Auftaktveranstaltung vom 8. Februar 2013 wäre es hier Sache der Beklagten gewesen, sich zumindest in der Verfahrensgestaltung um Aufmerksamkeit für die berechtigten Belange der Klägerin zu bemühen (§ 241 Abs. 2 BGB175). Wenn sie stattdessen die eben noch selbst erkannte Möglichkeit, das Gespräch im Interesse des Wunschs der Klägerin nach einem Beisein von Frau K. zu verschieben (s. oben, S. 10 [vor 3.]), schlicht überging, kann sie den unter solchen Umständen nachvollziehbaren Abbruch dialogischer Kooperation durch die Klägerin nicht dieser als Verweigerung sachdienlicher Mitwirkung im Sinne der zitierten Rechtsprechungsgrundsätze (s. oben, S. 30 [vor bb.]) zurechnen.
3. Ist damit der Einsicht nicht auszuweichen, dass der normativ gebotene Vorlauf einer „Verdachtskündigung" von der Beklagten schon nicht aufgezeigt (und nach Lage der Dinge offenbar auch nicht aufzeigbar) ist, so kommt es auf die von der Klägerin des Weiteren aufgeworfenen Fragen der Beteiligung des Betriebsrates (s. oben, S. 16 [vor VII.]) nicht mehr an. Die Kündigung im Schreiben vom 20. Februar 2013 erweist sich - unabhängig davon - als unwirksam.
III. Die Konsequenzen verdeutlicht der Tenor zu I. des Urteils.
B. Der „Schleppnetzantrag" (Klageantrag zu 2.)
Der Klage war ihr Erfolg auch nicht zu versagen, soweit die Klägerin mit ihrem Klageantrag zu 2. festgestellt sehen will, dass ihr Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände ende, sondern über den 30. September 2013 hinaus fortbestehe: Es ist in der Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen bekanntlich anerkannt, dass ein Arbeitnehmer mit seiner Klage gegen die Kündigung vorsorglich auch den sogenannten allgemeinen Feststellungsantrag nach § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG176, §§ 495 Abs. 1177, 256 Abs. 1178 ZPO stellen kann, um zu verhindern, dass der Arbeitgeber sich während des Rechtsstreits überraschend auf andere - zuweilen schlicht untergeschobene - Beendigungstatbestände beruft179. Dieses Klagebegehren wird daher im Fachschrifttum auch pointiert als „Schleppnetzantrag" bezeichnet180. Das ihm zugrunde liegende Schutzbedürfnis ist auch der hiesigen Klägerin - ohne gegen die Akteure der Beklagten persönlichen Argwohn zu hegen - objektiv nicht abzusprechen. - Daher also: Tenor zu II.
C. Die Prozessbeschäftigung (Klageantrag zu 3.)
Dass die Klägerin bis zur Beendigung des Kündigungsrechtsstreits ihre vorläufige Weiterbeschäftigung fordern kann, ergibt sich aus den bekannten Grundsätzen in BAGE 48, 122181. - Dem trägt der Tenor zu III. Rechnung.
D. Die Nebenentscheidungen
Für Kosten und Streitwerte lässt es sich kurz machen:
I. Soweit das Gericht auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme entschieden hat, bedurfte es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO182). Diese Kosten hat das Gericht als unterlegener Partei der Beklagten zuweisen müssen (s. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO183; Tenor zu IV.).
II. Den Wert der Streitgegenstände hat es aufgrund des § 61 Abs. 1 ArbGG184 im Tenor festgesetzt. Ihn hat das Gericht nach Maßgabe des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG185 mit der dreifachen Monatsvergütung der Klägerin bemessen, also mit (3 x 1.689,-- Euro = ) 5.067,-- Euro. Der „Schleppnetzantrag" ist entsprechend neuerer Praxis der zuständigen Kostenkammer des LAG Berlin-Brandenburg ohne gesonderten Ansatz geblieben, während der Wunsch nach Prozessbeschäftigung mit nochmals einer Monatsvergütung (1.689,-- Euro) zu Buche schlägt. - Das macht zusammen (5.067,-- Euro + 1.689,-- Euro = ) 6.756,-- Euro und erklärt den Tenor zu V.
Fußnoten
1) Geboren im Mai 1953.
2) S. Klageschrift S. 2 (Bl. 2 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA"]): „Die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden".
3) S. dazu Klageerwiderungsschrift vom 30.4.2013 S. 1 (Bl. 15 GA): „Seit September 2006 ist die Klägerin als Kassiererin tätig".
4) S. Klageschrift S. 2 (Bl. 2 GA).
4) S. etwa BGH 20.2.1995 - II ZR 9/94 - ZIP 1995, 560 = NJW-RR 1995, 669 [I.3 a.]: „Wer einen wichtigen Kündigungsgrund geltend macht, muss dessen tatsächliche Voraussetzungen beweisen"; 28.10.2002 - II ZR 353/00 - ZIP 2002, 2254 = NJW 2003, 431 [I.2 c, bb.]: „Wer einen Kündigungsgrund im Sinne von § 626 BGB geltend macht, wie hier die Beklagte, muss dessen tatsächliche Voraussetzungen beweisen"; 12.2.2007 - II ZR 308/05 - ZIP 2007, 396 = NJW-RR 2007, 690 [III.1.]; ständige Rechtsprechung; s. zur Beweislast für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG; Text: (1) ... Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen".
5) S. Klageschrift a.a.O.
6) S. Klageerwiderungsschrift S. 2 [II.] (Bl. 16 GA).
7) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.: „Multiplikation der normalen Rabattpunkte ... bzw. höhere Punktsätze".
8) S. Kopie als Anlage B 1zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 48-65 GA).
9) S. dazu Nr. 3.7 der Arbeitsanweisung (Bl. 53 GA): „Leergutrückgabebons werden an einer separaten Leergutkasse oder einem Leergutautomaten produziert und werden mittels der Leergut-Minustaste erfasst bzw. gescannt. Die Leergutrückgabebons sind sofort zu entwerten, indem sie eingerissen werden. ...".
10) S. Klageerwiderungsschrift S. 6 (Bl. 20 GA): „Grundsätzlich können natürlich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Inhaber einer DeutschlandCard sein und diese auch benutzen. Dies jedoch auch nur dann nur in dem Rahmen, wie es jedem Dritten - also jedem Kunden - auch zugute käme".
11) S. Klageerwiderungsschrift S. 3 [1.] (Bl. 17 GA).
12) S. Kopie als Anlage B 2 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 66 GA).
13) S. Kopie als Anlage B 3 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 67 GA).
14) Einkäufe bis 50,-- Euro ermöglichten eine Verdopplung, Einkäufe ab 50,-- Euro eine Verdreifachung und Einkäufe ab 100,-- Euro besagte Vervierfachung; d.U.
15) S. Kopie als Anlage B 4 u. B 5 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 68 u. 69 GA).
16) Wie Fn. 15.
17) S. Klageerwiderungsschrift S. 3 [III.] (Bl. 19 GA).
18) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.: „Es ging um die drei Mitarbeiterinnen C. H. [Name im Original ausgeschrieben; d.U.], Emerita P. [wie zuvor] und die Klägerin".
19) S. Kopie als Anlage B 6 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 71 GA).
20) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
21) S. Klageerwiderungsschrift S. 7 (Bl. 21 GA): „Dabei wurde festgestellt, dass die Klägerin neben der Nutzung der 100 Zusatzpunktecoupons auch in allen Fällen ihres Einkaufs den bis zum 28.2.2013 gültigen Coupon zur Zweifachpunktung nutzte"; S. 6 (Bl. 20 GA): „Die Klägerin hat im Zeitraum vom 22.1.2013 bis 7.2.2013 15 Coupons à 100 Zusatzpunkte eingelöst".
22) S. Klageerwiderungsschrift S. 9-13 (Bl. 23-27 GA).
23) Schreibweise im Original; gemeint wohl „bis"; d.U.
24) Anmerkung: Befragt, wie sie dies technisch bewerkstelligt habe, hat die Beklagte im Kammertermin am 12.7.2013 erklärt, dass es sich bei der Inhaltswiedergabe um ein „Gedächtnisprotokoll" handele; dessen konkrete Entstehungsbedingungen hat das Gericht nicht weiter auszuleuchten versucht; d.U.
25) S. dazu noch unten, S. 14 [vor 3.].
26) S. Kopie als Anlage B 10 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 81 GA).
27) S. Kopie einer „Richtlinie zur Nutzung der Kameraüberwachung im Filialbereich" vom 8.8.2002 als Anlage B 7 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 72 GA); Textauszug: „3. Es werden keine Aufzeichnungen vorgenommen. - 4. Die Kamera-Anlage (nur mit Weitwinkelobjektiv) darf nicht zur Kontrolle des Verhaltens und der Leistung von Mitarbeitern genutzt werden".
28) S. Kopie einer „Betriebsvereinbarung Nr. 21" vom 9./14.1.2009 als Anlage B 8 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 73-79 GA); Textauszug: „3. Die Kamera-Aufzeichnungen werden festgehalten und stehen der nachträglichen Analyse bei kriminellen Handlungen gegen ORM zur Verfügung ... . - 5. Die Daten der Kameraüberwachungsanlage sowie die Aufzeichnungen werden nicht zur Kontrolle des Verhaltens und der Leistung von Mitarbeitern genutzt".
29) S. Klageerwiderungsschrift S. 13 (Bl. 27 GA).
30) S. Klageerwiderungsschrift S. 15 (Bl. 29 GA).
31) S. Kopie als Anlage B 12 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 83 GA).
32) S. Klageerwiderungsschrift S. 15 (Bl. 29 GA).
33) S. Klageerwiderungsschrift S. 15-17 (Bl. 29-31 GA).
34) S. Kopie als Anlage B 13 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 84-88 GA).
35) S. Kopie als Anlage zur Klageschrift (Bl. 5 GA).
36) S. Text: „§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. (1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. - (2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil den Kündigungsgrund auf Verlangen unverzüglich schriftlich mitteilen".
37) S. Text: „§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. (1) ... (2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen".
38) S. Klageerwiderungsschrift S. 19 [vor IV.] (Bl. 33 GA): Für die Beklagte waren jedoch die Zeugenaussagen, die von DeutschlandCard bzw. der Revision übergebenen Auswertungen der Kartennutzung der Klägerin und die Auswertung der noch vorhandenen Videosequenzen ganz eindeutig ein Beleg des dringenden Verdachtes, dass die Klägerin unter Ausnutzung ihrer Stellung als Kassiererin bei der Beklagten mehrfach entgegen den Anweisungen einen Doppeltpunkte Coupon und mehrfach einen Zusatzpunktecoupon, den sie selbst nicht erworben hatte, nutzte, um so einen finanziellen Vorteil zu erlangen".
39) S. nochmals Klageerwiderungsschrift a.a.O. (Fn. 38): „einen Doppeltpunkte Coupon und mehrfach einen Zusatzpunktecoupon, den sie selbst nicht erworben hatte".
40) S. Klageerwiderungsschrift S. 31 (Bl. 45 GA).
41) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
42) S. Klageerwiderungsschrift S. 20 [V.] (Bl. 34 GA).
43) S. Klageerwiderungsschrift S. 19 [vor IV.] (Bl. 33 GA).
44) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 S. 1 (Bl. 97 ff. GA): „Die Beklagte hat ihr Arbeitsverhältnis zur Klägerin im vierundzwanzigsten Jahr seines Bestehens gekündigt, weil sie die Klägerin verdächtigt, DeutschlandCard-Coupons vertragswidrig mehrfach genutzt zu haben und darin einen Vertrauensbruch sieht, der ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht".
45) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
46) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 S. 2 (Bl. 98 GA).
47) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
48) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
49) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
50) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
51) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
52) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
53) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
54) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
55) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 S. 2-3 (Bl. 98-99 GA).
56) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 S. 3 (Bl. 99 GA).
57) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
58) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
59) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
60) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
61) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
62) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
63) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
64) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
65) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
66) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
67) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
68) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
69) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
70) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
71) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 S. 3-4 (Bl. 99-100 GA).
72) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 S. 4 (Bl. 100 GA).
73) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
74) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
75) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
76) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
77) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
78) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
79) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
80) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
81) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
82) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
83) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
84) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
85) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
86) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 S. 4-5 (Bl. 100-101 GA).
87) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
88) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 S. 5 (Bl. 101 GA).
89) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
90) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
91) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
92) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
93) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
94) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
95) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.: „Die Beklagte hat zudem keinerlei Interessenabwägung getroffen".
96) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 a.a.O.
97) S. Schriftsatz vom 2.7.2013 S. 6-7 (Bl. 102-103 GA).
98) S. Schriftsatz vom 12.7.2013 S. 1 (Bl. 108 GA).
99) S. Schriftsatz vom 12.7.2013 a.a.O.
100) S. Schriftsatz vom 12.7.2013 S. 2 (Bl. 109 GA).
101) S. Schriftsatz vom 12.7.2013 a.a.O.
102) S. Schriftsatz vom 12.7.2013 S. 3 (Bl. 110 GA).
103) S. Schriftsatz vom 12.7.2013 S. 4 [5.] (Bl. 111 GA).
104) S. Schriftsatz vom 12.7.2013 a.a.O.
105) S. Schriftsatz vom 12.7.2013 S. 5 (Bl. 112 GA).
106) S. Schriftsatz vom 12.7.2013 a.a.O.
107) S. Schriftsatz vom 12.7.2013 a.a.O.
108) Vgl. zur analogen Anwendung der Vorgängervorschrift in § 270 Abs. 3 ZPO statt vieler BAG 26.6.1986 - 2 AZR 358/85 - BAGE 52, 263 = AP § 4 KSchG 1969 Nr. 14 = NZA 1986, 761 [B.II.3 c, cc.], wonach die Regelung des § 270 ZPO a.F. „auch im Bereich der Klageerhebung nach § 4 KSchG Anwendung findet"; 17.6.1998 - 2 AZR 336/97 - NZA 1998, 1225 = RzK I 7 b Nr. 32 [II.1.], wonach „gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 270 Abs. 3 ZPO die Drei-Wochen-Frist für die Klageerhebung nach § 4 KSchG auch dann gewahrt wird, wenn die Klage zwar vor Fristablauf bei dem Gericht eingereicht worden ist, aber die Zustellung an den Prozessgegner erst danach erfolgt (§ 270 Abs. 3 ZPO: 'demnächst')"; ebenso schon BAG 8.4.1976 - 2 AZR 583/74 - AP § 4 KSchG 1969 Nr. 2.
109) S. Text: „§ 167 Rückwirkung der Zustellung. Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt".
110) S. Text: „§ 13 Außerordentliche, sittenwidrige und sonstige Kündigungen. (1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden".
111) S. Text: „§ 4 Anrufung des Arbeitsgerichts. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist".
112) S. Text oben, Fn. 110.
113) S. Text: „§ 7 Wirksamwerden der Kündigung. Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam".
114) S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) ... (2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist".
115) S. zu dieser Prüfungsfolge auch bei Erklärung einer fristlosen Kündigung näher Ulrich Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen (1987), S. 483-484; ders. DB 1990, 685, 689; ders. Anm. BAG EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 44; Reiner Ascheid, KSchR (1993), Rn. 92; Walter Erman/Detlev W. Belling, BGB, Handkommentar, 12. Auflage (2008), § 626 Rn. 45; früher schon Klaus Popp, Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (1980), in: Wilhelm Maus/F. Jochen Kremp, Handbuch des Arbeitsrechts, Teil VI B; s. im gleichen Sinne auch Wilhelm Herschel, BB 1982, 254.
116) S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist".
117) S. Text: „§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. (1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann".
119) S. Text oben, Fn. 114.
120) S. Wilhelm Herschel, Anm. BAG [23.7.1970] AP § 1 Gesamthafenbetriebsgesetz Nr. 3 [III.b.2]: „Die Dreiteilung der Kündigungsgründe gibt ... die Richtung an, aus der die Störung kommen kann"; ebenso BAG 25.11.1982 - 2 AZR 140/81 - BAGE 40, 361 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 7 [B.I.3.]; 29.1.1997 - 2 AZR 9/96 - BAGE 85, 107 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 32 = NZA 1997, 709 [II.1 c.]: „§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG differenziert insoweit nach der 'Störquelle', nicht nach den der 'Störung' eventuell zugrunde liegenden ferneren Ursachen".
121) S. dazu statt vieler BAG 23.6.2009 - 2 AZR 283/08 - n.v. (Volltext in „Juris") [I.1.]: „Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne von § 1 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit anderer Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint"; s. auch BAG 20.8.2009 - 2 AZR 165/08 - NZA 2009, 1227 [B.I.]: „Eine schwere, insbesondere schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grunde an sich nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen".
122) S. dazu statt vieler schon BAG 4.10.1990 - 2 AZR 222/90 - n.v. („Juris") [B.III.2 a. - „Juris"-Rn. 51]: „Der Verdacht einer strafbaren Handlung ist gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, ein eigenständiger Kündigungsgrund, der im Tatvorwurf nicht zwangsläufig enthalten ist"; 25.11.2010 - 2 AZR 801/09 - AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9 = PersR 2011, 268 [B.I.1. - „Juris"-Rn. 16]: „Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar".
123) S. dazu statt vieler schon BAG 11.4.1985 - 2 AZR 239/84 - BAGE 49, 39 = AP § 102 BetrVG 1972 Nr. 39 = EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 62 = NZA 1986, 674 [Leitsatz 4.]: „Aufgrund der ihm obliegenden Aufklärungspflicht ist der Arbeitgeber gehalten, den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Verdachtskündigung zu den gegen ihn erhobenen Verdachtsmomenten zu hören. Die Erfüllung der Aufklärungspflicht ist Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Verdachtskündigung".
124) S. insofern nach wie vor ebenso prägnant wie überzeugend Wilhelm Herschel, Anm. BAG [13.3.1972] AP § 626 BGB Nr. 63 [I.b.].: Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung hat, der belebenden Wirkung des Art. 103 Abs. 1 GG zum Trotz, erst neuerlich größere Bedeutung gewonnen. Sie will eine etwaige rechtzeitige Entlastung des Arbeitnehmers fördern und so unnütze Rechtsstreitigkeiten vermeiden; sie soll dem Arbeitgeber Gelegenheit verschaffen, den Sachverhalt zuverlässiger und umfassender kennen zu lernen und damit eine bessere Grundlage der Beurteilung für den Kündigungsentschluss zu erlangen. Zunehmende Lebenserfahrung belehrt uns ja darüber, wie sehr die Anhörung des anderen Teils in objektiver wie subjektiver Hinsicht neue Aspekte zu liefern vermag. In dem Postulat steckt darüber hinaus die Vorstellung, es könne die Achtung vor der Person des Arbeitnehmers erfordern, dass ihm vor Ausspruch einer - insbesondere diskriminierenden - außerordentlichen Kündigung rechtliches Gehör auch im Betrieb gewährt werde".
125) S. deutlich etwa BAG 28.8.2003 - 2 AZR 333/02 - AP § 242 BGB Kündigung Nr. 17 = RzK I 8 l Nr. 48 = EzA § 242 BGB 2002 Kündigung Nr. 4 [B.III.1 b, cc.]: „Es ist ... Teil der Vertragsfreiheit, dass die Parteien ihre Interessen selbst definieren".
126) S. dazu - hier: spiegelbildlich - etwa BAG 4.10.1990 (Fn. 122) [B.III.2 a. - „Juris"-Rn. 52]: „Der Arbeitgeber muss die Kündigung deshalb zumindest hilfsweise auf den Verdacht stützen, wenn er sie gerichtlich unter diesem Gesichtspunkt beurteilt wissen will (...)".
127) S. Text: „§ 102 Mitbestimmung bei Kündigungen. (1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam".
128) S. dazu - wiederum spiegelbildlich - schon BAG 10.9.1982 - 7 AZR 201/80 - n.v. („Juris") [IV. - „Juris"-Rn. 16]: „Erst wenn diese Würdigung des erwiesenen Verhaltens des Klägers zu dem Ergebnis führt, ein wichtiger Grund liege nicht vor, ist zu fragen, ob der Verdacht, der Kläger habe eine bestimmte strafbare bzw. pflichtwidrige Handlung begangen, an diesem Ergebnis etwas ändert. Dabei kommt es zunächst darauf an, ob das beklagte Land seine Kündigung überhaupt auf diesen Verdacht stützt. ... Sollte es dies getan haben bzw. im erneuten Berufungsverfahren tun, wird das LAG zunächst zu prüfen haben, ob dem Personalrat im Anhörungsverfahren auch mitgeteilt worden ist, die Kündigung solle für den Fall der Nichterweislichkeit der Wegnahme der Gegenstände durch den Kläger auch wegen des Verdachts dieser Wegnahme ausgesprochen werden. Denn Kündigungsgründe, zu denen der Personalrat nicht gehört worden ist, sind im Kündigungsschutzprozess nicht zu berücksichtigen (...)"; im Anschluss BAG 3.4.1986 - 2 AZR 324/85 - AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 63 = NZA 1986, 677 = BB 1987, 1114 [II.1 c, cc. - „Juris"-Rn. 31]: „Wie bereits der Siebte Senat (...) zutreffend angenommen hat, stellt der Verdacht einer strafbaren Handlung auch im Sinne des § 102 BetrVG einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in der dem Betriebsrat mitgeteilten Behauptung, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, nicht enthalten ist"; s. aus neuerer Zeit auch BAG 23.4.2008 - 2 ABR 71/07 - AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 56 = EzA § 103 BetrVG 2001 Nr. 6 = NZA 2008, 1081 [Orientierungssatz]: „Will der Arbeitgeber seine Kündigung in erster Linie auf den dringenden Verdacht einer erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung stützen, muss er dies dem Betriebsrat mitteilen und die Umstände angeben, aus denen sich der konkrete Verdacht ergeben soll. Informiert er den Betriebsrat nur über eine aus seiner Sicht erfolgte Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers, kann er sich im späteren Kündigungsschutzprozess zur Begründung der Kündigung nicht mehr auf den Verdacht berufen, wenn die Verdachtsmomente bei Ausspruch der Kündigung bekannt waren".
129) Soweit zuvor streckenweise die Rede von Beobachtungen war, wonach die Klägerin die Registrierung von Coupons nicht der jeweiligen Kassierkraft überlassen, sondern selber bewirkt, oder auch den solcherart verwerteten Coupon nicht an Ort und Stelle ungültig gemacht habe (s. oben, S. 8-9; Urteilsanlagen VII. u. VIII.), scheint das damit überholt zu sein; das wäre mit Rücksicht darauf zumindest plausibel, als sich allein aus der Antwort auf die Frage, wer die Registrierung vornimmt und ob das „Vier-Augen-Prinzip" dabei gewahrt bleibt (oder nicht), jedenfalls kein messbarer Schaden für die Beklagte herleiten ließe: Der Technik ist gleichgültig, wessen Hand „DC-Card" oder „Coupon" zur Punktesammlung einscannt. Ebenso wenig ist es für die Beklagte konkret schadensrelevant, ob ein bereits verwerteter Coupon vor Ort an der Kasse oder erst später nach Erstgebrauch nach dem Muster von Leergutbons (s. oben, S. 3 Fn. 9) durch Einriss entwertet wird.
130) S. Text: „§ 46 Grundsatz. (1) ... (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt".
131) S. Text: „§ 495 Anzuwendende Vorschriften. (1) Für das Verfahren vor den Amtsgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten, soweit nicht aus den allgemeinen Vorschriften des Buches 1, aus den nachfolgenden besonderen Bestimmungen und aus der Verfassung der Amtsgerichte sich Abweichungen ergeben".
132) S. Text: „§ 286 Freie Beweiswürdigung. (1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheidend, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei".
133) S. RG 14.1.1885 - I 408/84 - RGZ 15, 338, 339: „Vermöge der Beschränkung der Mittel menschlichen Erkennens kann niemand (selbst im Falle eigener unmittelbarer Anschauung eines Vorganges) zu einem absolut sicheren Wissen von der Existenz eines Tatbestandes gelangen. Abstrakte Möglichkeiten der Nichtexistenz sind immer denkbar. Wer die Schranken des menschlichen Erkennens erfasst, wird nie annehmen, das er in dem Sinne zweifellos von der Existenz eines Vorgangs überzeugt sein dürfe, dass ein Irrtum absolut ausgeschlossen ausgeschlossen wäre. Deshalb gilt im praktischen Leben der hohe Grad von Wahrscheinlichkeit, welcher bei möglichst erschöpfender und gewissenhafter Anwendung der vorhandenen Mittel der Erkenntnis entsteht, als Wahrheit, und das Bewusstsein des Erkennenden von dem Vorliegen einer so ermittelten hohen Wahrscheinlichkeit, als die Überzeugung von der Wahrheit".
134) S. BGH 17.2.1970 - III ZR 139/67 - BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946 = MDR 1970, 491 [II.2 a. - „Juris"-Rn. 72]: „Diese persönliche Gewissheit ist für die Entscheidung notwendig, und allein der Tatrichter hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Eine von allen Zweifeln freie Überzeugung setzt das Gesetz dabei nicht voraus".
135) S. BGH 17.2.1970 a.a.O.
136) Dort ist in der maßgeblichen Spalte der „Berichtsbeschreibung" (rechts: „Anzahl Bonus Coupons") eine Null vermerkt und damit kein Coupon-Einsatz registriert; d.U.
137) Nicht „in's Bild" zu passen scheint auch etwa der Einkauf vom 18.1.2013 über 2,23 Euro, bei dem die Klägerin zwar einen Coupon eingesetzt haben soll (s. rechte Spalte „Anzahl Bonus Coupons", das System aber dennoch lediglich zwei Bonuspunkte registriert hat; wenn nicht alles täuscht, müssten ihr hier für die 2,23 Euro Umsatz kraft des „Verdoppler's" wenigstens vier Bonuspunkte gutgeschrieben worden sein. Ähnliches gilt beispielsweise für den 5.2.2013 (0,49 Euro), wo sich bei Einsatz eines Coupons 101 registrierte Punkte ergeben; hier tat offenbar der unten noch zu erörternde „Hunderter"-Coupon seine Wirkung, während der „Verdoppler" Pause hatte; d.U.
138) Insofern liegt auch die Rüge der Beklagten in der Klageerwiderungsschrift S. 25 (Bl. 39 GA) neben der Sache, die Klägerin habe sich Sonderpunkte gutschreiben lassen, „obwohl sie diese Coupons niemals durch ihren Einkauf erworben" habe; d.U.
139) S. tendenziell ähnlich insofern auch Hessisches LAG 10.9.2008 - 6 Sa 384/08 - (Volltext „Juris") [Rn. 31]: „Ein Gesichtspunkt, dass ein unterstelltes Fehlverhalten der Klägerin, sich durch wiederholte Vorlage eines Sondercoupons ... ungerechtfertigte Punktegutschriften verschafft zu haben, nicht für eine Kündigung ohne vorherige Kündigung ausreicht, ist der schon vom Arbeitsgericht angesprochene Umstand, dass nämlich ein derartiges unterstellten Fehlverhalten der Arbeitnehmerin nur zum Erfolg führen konnte, weil die Kassiererinnen der Beklagten den Sondercoupon nicht - wie es erforderlich wäre - vernichtet haben. Die Beklagte hat aber nicht dargelegt, dass eine entsprechende Anweisung aus November 2006 auch konsequent durchgesetzt wurde. Um einen Missbrauch zu vermeiden hätte dann nämlich es den Arbeitnehmerinnen auch untersagt werden müssen, Sondercoupons von Kunden oder Kolleginnen überhaupt anzunehmen, da dies immer die Gefahr mit sich bringt, das ein bereits verwendeter Sondercoupon weitergegeben und dann eben nicht vernichtet wird".
140) S. dazu etwa Klageerwiderungsschrift S. 31 (Bl. 45 GA): „Erklärungen abgegeben, die sehr unwahrscheinlich und unglaubwürdig sind und zu den vorgefundenen Handlungen im Widerspruch stehen"; Schriftsatz vom 9.7.2013 S. 2 [2.] (Bl. 108 GA): „Das Vorbringen der Klägerin ist schlichtweg unglaubwürdig".
141) S. zu dieser Widerlegungslast schon BAG 12.8.1976 - 2 AZR 237/75 - AP § 1 KSchG 1969 Nr. 3 = NJW 1977, 167 [C.III.1 c, aa.]: „Nach § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG hat der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen. Diese Beweislast trifft den Arbeitgeber auch dann, wenn er die Kündigung aus Gründen ausspricht, die nach seiner Darstellung im Verhalten des Arbeitnehmers liegen (...). Er muss dann alle Umstände darlegen und beweisen, die den Vorwurf begründen, dass der Arbeitnehmer vertragswidrig gehandelt hat. ... bb) ... Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen, die der Arbeitgeber vorzutragen und ggf. beweisen muss, gehören damit auch diejenigen, die einen Rechtfertigungsgrund für das Verhalten des Arbeitnehmers ausschließen"; s. entsprechend zur fristlosen Kündigung BAG 24.11.1983 - AP § 626 BGB Nr. 76 = EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88 [B.III.1.]: „Derjenige, der eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat, ist darlegungs- und beweisbelastet für alle Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können (...). ... Kündigt also der Arbeitgeber, so muss er alle Umstände darlegen und ggf. beweisen, die den Vorwurf begründen, der Arbeitnehmer habe vertragswidrig gehandelt. ... Das Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes gehört zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen. - Hier muss allerdings eine Überforderung der mit der Darlegungs- und Beweislast belegten Partei im Kündigungsschutzprozess vermieden werden. ... Daher richtet sich der Umfang der dargestellten Darlegungs- und Beweislast danach, wie substantiiert sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die Kündigungsgründe einlässt. ... Es reicht auch nicht aus, wenn der Arbeitnehmer Rechtfertigungsgründe pauschal ohne nähere Substantiierung vorbringt"; ständige Judikatur.
142) S. Text (hier: beim „Doppelt punkten"): „Davon ausgenommen: Tabakwaren, Pfand, Telefonkarten, Buch- u. Presseerzeugnisse und Zusatz-Punkte auf Artikel. Der Coupon ist nur in R. Märkten einzulösen. Er ist nicht mit anderen DeutschlandCard Rabattaktionen/Coupons kombinierbar und nur einmal pro Karte einlösbar. Pro Punkte-Konto darf nur ein Coupon mit dem Barcode 9941010505943 eingelöst werden".
143) S. Text: „§ 310 Anwendungsbereich. (1) ... (4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden".
144) S. Text: „§ 305 c Überraschende und mehrdeutige Klauseln. (1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil. - (2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders".
145) S. Text: „§ 307 Inhaltskontrolle. (1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist".
146) S. zu einem strukturell ähnlichen Gedanken vorrangig technischer Abhilfe - hier unter dem Gesichtspunkt des Prinzips der Verhältnismäßigkeit - etwa LAG Berlin-Brandenburg 17.4.2012 - 7 Sa 42/12 - n.v. („Juris") [2.1.3.2.]: „Die Klägerin hat nicht etwa selbst durch eigene Handlungen des Zeiterfassungssystem manipuliert oder die Dokumentation gefälscht. ... Sie hat im Ergebnis 'nur' die Situation genutzt und die 'Dinge laufen lassen'. Diese Vertragsstörung kann die Beklagte für die Zukunft bereits dadurch beseitigen, dass sie den Fehler im System behebt und auch für die Klägerin das System auf Saldierung umstellt".
147) S. etwa Klageerwiderungsschrift S. 22-23 (Bl. 36-37 GA): „Auch bei der Nutzung der DeutschlandCard mit Bonuspunkten war lediglich gewollt, dass Kunden, die über einen bestimmten Betrag hinaus Fleisch- und Wurstwaren auch tatsächlich erwerben, diese Bonuspunkte erhalten, die sie dann in unterschiedlicher Weise einsetzen können. Der Wert von 100 Bonuspunkten war bei der Verrechnung 1,00 €. Kundenbindungssysteme, dazu gehören die Payback-Karte, die DeutschlandCard genauso wie andere spezifische Kundenkarten. Diese werden ja nicht deshalb ausgegeben, um einem anonymen Kunden Rabatte oder Zugaben zu gewähren, dies hätte auch jederzeit an der Kasse passieren können ohne Vorlage einer Karte, sondern Kundenbindungssysteme dienen dazu, den Kunden zu animieren, eben nur bei dem Ausgebenden zu kaufen und besondere Kaufaktivitäten zu unterstützen"; s. auch S. 25 (Bl. 39 GA) - Zitat oben, Fn. 138 („niemals durch ihren Einkauf erworben").
148) Soweit dies verschriftlichte Angaben von Frau H. betrifft (s. oben, S. 7-8 [ca.]; Urteilsanlage VII.), böten diese selbst ohne Problematisierung der Entstehungsbedingungen des Texts schon wegen der situativen Unschärfe im Verweis auf die Klägerin keine brauchbare Grundlage für gerichtliche Überzeugungsbildungen; dasselbe gilt für den gleichfalls zumindest beweisrechtlich eher dubios anmutenden Text von Frau M. (s. oben, S. 9 [cc.]; Urteilsanlage VIII.).
149) Was in diesem Zusammenhang die von der Beklagten angebotenen Videoszenen anbelangt (s. oben, S. 8-9 [cb.]), so könnten sich in der Tat die auch von der Klägerin zur Sprache gebrachten Bedenken ergeben (s. oben, S. 14-15 [3.]), was das Gericht aber - einschließlich der von beiden Parteien eingestreuten Sprachbilder - gleichfalls auf sich beruhen lassen kann; angemerkt sei lediglich, dass spätestens die etwaige Aufbewahrung entsprechender Aufnahmen nach Ablauf der mit der Belegschaftsvertretung verabredeten Löschungsfrist (§ 4 Nr. 8 Satz 1 BV 2009: „spätestens nach 5 Tagen") hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit im Rechtsstreit zurückzuweisen sein könnte (s. zur Problematik statt vieler Wolfhard Kohte, in: Franz-Josef Düwell (Hrg.), BetrVG, 3. Auflage (2010), § 87 Rn. 75: „Vor allem ... bedarf der kollektivrechtliche Persönlichkeitsschutz einer effektiven Sicherung durch ein Beweisverwertungsverbot".
150) S. Text: „§ 314 Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund. (1) ... (2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig".
151) S. hierzu auch nochmals Hessisches LAG 10.9.2008 (Fn. 139) - Zitat dort.
152) S. Text oben, S. 19 Fn. 117.
153) S. Text oben, S. 19 Fn. 114.
154) S. dazu schon BAG 4.6.1964 - 2 AZR 310/63 - BAGE 16, 72 = AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 13; s. ferner BAG 11.4.1985 (Fn. 123) [C.III.3.]; 15.5.1986 - 2 AZR 397/85 - RzK I 8 c Nr. 9 [II.2.]; 26.2.1987 - 2 AZR 170/86 - RzK I 8 c Nr. 13 [B.I.]; 30.4.1987 - 2 AZR 283/86 - AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 19 = NZA 1987, 699 [B.I.2 b.]; 14.9.1994 - 2 AZR 164/94 - NZA 1995, 269 [II.3.]; 26.9.2002 - 2 AZR 424/01 - AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 [B.I.1 b.]; 10.2.2005 - 2 AZR 189/04 - AP § 1 KSchG 1969 Nr. 79 = NZA 2005, 1056 [B.I.4 a.]; 28.11.2007 - 5 AZR 952/06 - EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4 = NZA-RR 2008, 344 [II.1 b, aa.]; 13.3.2008 - 2 AZR 961/06 - n.v. (Volltext in „Juris") [B.I.1.]; ständige Rechtsprechung.
155) S. Text: „§ 162 Verhinderung oder Herbeiführung des Bedingungseintritts. (1) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten".
156) S. BAG 26.9.2002 (Fn. 154) [B.I.1 b, aa.]; deutlich früher bereits BAG 8.8.1968 - 2 AZR 348/67 - AP § 626 BGB Nr. 57 [II.1 c.]: Pflicht des Arbeitgebers, „das in seinen Kräften stehende zu tun, um ... Aufklärung herbeizuführen"; 11.4.1985 (Fn. 123) [III.3.]; 30.4.1987 (Fn. 154) [B.I.2 b.]; 10.2.2005 (Fn. 154) [B.I.4 a.]; 13.3.2008 (Fn. 154) [B.I.1.].
157) S. dazu nur BAG 14.9.1994 (Fn. 154) [II.3 c.]; 26.9.2002 (Fn. 154) [B.I.1 b.]; 10.2.2005 (Fn. 154) [B.I.4 a.]; 28.11.2007 (Fn. 154) [II.1 b, bb.]; 13.3.2008 (Fn. 154) [B.I.1.].
158) S. zu den Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers als teleologischem Bezugspunkt zur richterrechtlichen Ausgestaltung des Anhörungsgebots etwa BAG 26.9.2002 (Fn. 154) [B.I.1 b, bb.]: Der Arbeitgeber „muss alle relevanten Umstände angeben, aus denen er den Verdacht ableitet (Berkowsky Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 3. Auflage, § 26 Rn. 8; Busch MDR 1995, 217, 218; Hoefs Die Verdachtskündigung S. 199; Kraft Anm. BAG EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; Schönfeld NZA 1999, 299, 300). Andernfalls würden die Einlassungs- und Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers unzulässig beschränkt".
159) S. zur Einsicht, dass nachträgliches rechtliches Gehör im gerichtlichen Rechtsstreit auch unter Perspektiven des Grundrechtsschutzes keinen annähernd gleichwertigen Ersatz bietet, nach wie vor äußerst lesenswert bereits ArbG Münster 6.7.1988 - 4 Ca 431/88 - NJW 1989, 793 = DB 1988, 1756 (zur strukturell vergleichbaren Problemlage beim Rechtsbeistand für „dienstliche Gespräche"): „Die Sicherung des Rechts des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung gebietet daher von Verfassungs wegen eine Vorverlagerung des Rechtsschutzes, da nur so für den Arbeitnehmer irreversible Nachteile vermieden werden können. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger später gegen arbeitsrechtliche Maßnahmen, die auf dem Gespräch beruhen, Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, da ihm bereits zuvor faktische Nachteile entstehen, die nicht reversibel sind, wie die Ausgliederung des Arbeitnehmers aus dem Betrieb auch bei unwirksamer Kündigung eindrucksvoll belegt"; s. zum präventiven Aspekt des Rechtsschutzes durch Anhörungsrechte zutreffend auch schon BAG 16.11.1989 - 6 AZR 64/88 - NZA 1990, 477, 478 (zu § 13 Abs. 2 Satz 1 BAT) [II.5 b.]: „Die vorherige Anhörung des Angestellten ist nicht nur eine Förmelei, sondern bezweckt eine Auseinandersetzung des Arbeitgebers mit der Gegendarstellung des Betroffenen. Diese Auseinandersetzung, die im Idealfall zu einer Korrektur oder sogar zum Fallenlassen der beabsichtigten Rüge führen kann, findet erfahrungsgemäß weniger intensiv statt, wenn der Vorwurf in Form eines zu den Personalakten genommenen Schreibens manifestiert ist. Die Friedensfunktion der vorherigen Anhörung wird unterlaufen"; im selben Sinne anklingend bereits in BAG 30.4.1987 (Fn. 154) [B.I.1 c.]: „Es ist eben nicht dasselbe, ob der Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung gehört wird oder sich erst nachher im Prozess zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußern kann".
160) S. insofern nur - wenn auch mit der (wegen des insoweit relevanten Rechtsgedankens des § 162 Abs. 1 BGB nicht angebrachten) Einschränkung „schuldhaft" - BAG 11.4.1985 (Fn. 123); 30.4.1987 (Fn. 154); 26.9.2002 (Fn. 154) [B.I.1 b, cc.]; 28.11.2007 (Fn. 154) [II.1 b, cc.].
161) S. namentlich zur Anhörung des Arbeitnehmers nochmals Wilhelm Herschel (Fn. 124) - Zitat dort.
162) So bereits das Reichsgericht (RG) 4.10.1929 - 92/29 II - JW 1930, 2701, wonach der Arbeitgeber in einschlägigen Verdachtslagen - schon nach allgemeinen dienstvertragsrechtlichen Grundsätzen - seinem Mitarbeiter (dort: Vorstandsmitglied) „Gelegenheit geben" müsse, „sich von dem Verdacht zu reinigen und das erschütterte Vertrauen wieder herzustellen".
163) S. statt vieler BAG 26.9.2002 (Fn. 154 [B.I.1 b, cc.]; 30.4.1987 (Fn. 151) [B.I.2 d, aa.].
164) S. dazu statt vieler BAG 12.5.2010 - 2 AZR 587/08 - AP § 15 KSchG 1969 Nr. 67 = NZA-RR 2011, 15 = EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 67 [II.6 b, aa. - „Juris"-Rn. 27]: „Eine Verdachtskündigung kommt aber nur in Betracht, wenn gewichtige, auf objektive Tatsachen gestützte Verdachtsmomente vorliegen ... . Ein dringender Verdacht liegt nur vor, wenn bei kritischer Prüfung eine auf Beweistatsachen (Indizien) gestützte große Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Pflichtverletzung gerade dieses Arbeitnehmers besteht"; 25.11.2010 - 2 AZR 801/09 - AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9 [B.I.1. - „Juris"-Rn. 16]: „starke Verdachtsmomente".
165) S. dazu BVerfG 15.12.2008 - 1 BvR 347/08 - n.v. (Volltext: „Juris") [Ls. 2 a., 2 b.]: „2 a. Jedenfalls unter den strengen, für die sogenannte Verdachtskündigung entwickelten Voraussetzungen (...) ist die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ... auch wegen eines Verdachts möglich. - 2 b. Insbesondere muss der Arbeitnehmer ... ausreichend Gelegenheit zur Äußerung erhalten, damit soweit wie möglich ausgeschlossen werden kann, dass das Arbeitsverhältnis wegen eines unberechtigten Verdachts aufgelöst wird".
166) S. oben, Fn. 162.
167) S. dazu etwa BAG 28.11.2007 (Fn. 154) [II.1 b, bb.]: „Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht lediglich mit einer unsubstantiierten Wertung konfrontieren und ihm nicht wesentliche Erkenntnisse vorenthalten. Er muss alle erheblichen Umstände angeben, aus denen er den Verdacht ableitet. Nur dann hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich zum Verdachtsvorwurf und den ihn tragenden Verdachtsmomenten in einer die Aufklärung fördernden Weise zu äußern (BAG 26.9.2002 [Fn. 164] a.a.O. [B.I.1 b, bb.])"; 13.3.2008 [Fn. 154] [B.I.1 a.]: „Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen"; s. auch zutreffend Mario Eylert/Anne Friedrichs, DB 2007, 2203, 2205 [II.3.] - im Zusammenhang: „Insbesondere darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Erkenntnisse vorenthalten, die er im Anhörungszeitpunkt bereits gewonnen hat und die seiner Ansicht nach den Verdacht begründen. Er muss alle relevanten Umstände angeben, aus denen er den Verdacht ableitet. Anderenfalls werden die Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers unzulässig beschränkt und der Sinn der Anhörung, zur Aufklärung beizutragen und eine unnötige Kündigung zu vermeiden, verfälscht".
168) S. insofern instruktiv Peter Klenter, Anm. LAG Berlin-Brandenburg [30.3.2012 - s. sogleich, Fn. 169] AiB 2012, 618: „Im vorliegend ausgeurteilten - nicht untypischen - Fall hatte der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin ohne Angabe von Gründen zu einem 'Personalgespräch' eingeladen. ... Das Überraschungsmoment für den Arbeitnehmer, die personelle Überzahl und das zuvor untereinander abgestimmte Vorgehen der Arbeitgeberseite, das Übermaß und die Detailtiefe der vorgetragenen Tatsachen und Umstände schaffen ein Setting, das beim Arbeitnehmer selbstverständlich psychisch Stress verursacht und rechtlich die Waffengleichheit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber verletzt"; ähnlich im Anschluss Konstantin Esch, Anm. LAG Berlin [30.3.2012 - s. sogleich, Fn. 169] jurisPR-ArbR 46/2012 Anm. 4 [C.]: „Hinzu kommt, dass solche Anhörungen - werden sie unter Anwesenden vorgenommen - in der Regel in nichtöffentlichen Räumen und unter Beteiligung mehrerer Arbeitgeberrepräsentanten stattfinden (...). Dieses situative und strukturelle Ungleichgewicht soll dadurch ausgeglichen werden, dass dem Arbeitnehmer ein Recht auf Beistand einer ggf. rechtskundigen Vertrauensperson zugestanden wird (...)".
169) S. LAG Berlin-Brandenburg 30.3.2012 - 10 Sa 2272/11 - LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9= NZA-RR 2012, 353 [II.2. - „Juris"-Rn. 75]: „Formal bedeutet das, dass ein Anhörungsgespräch im Rahmen einer Verdachtskündigung nicht so ausgestaltet werden darf, dass eine Arbeitnehmerin sich allein einer größeren Gruppe von Vorgesetzten gegenüber sieht, ohne zuvor auf das Thema hingewiesen worden zu sein. Die Arbeitgeberin hat bei der Einladung zum Anhörungsgespräch zumindest auf den Themenkreis wie etwa 'Anhörung im Vorfeld einer beabsichtigten Kündigung wegen falscher Arbeitszeitaufzeichnungen' hinzuweisen, damit die Arbeitnehmerin in den Stand versetzt wird, sich auch mental auf ein solches Gespräch vorzubereiten und ggf. eine Vertrauensperson wie beispielsweise ein Betriebsratsmitglied oder eine Rechtsanwältin hinzuzuziehen".
170) S. LAG Berlin-Brandenburg 6.11.2009 - 6 Sa 1121/09 - LAGE § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8 [Leitsatz]: „Zur Anhörung des Arbeitnehmers als Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Verdachtskündigung gehört, ihm deutlich zu machen, dass der Arbeitgeber aufgrund konkreter Verdachtsmomente einen entsprechenden Verdacht hegt und darauf ggf. eine Kündigung zu stützen beabsichtigt, und dem Arbeitnehmer Gelegenheit zu geben, entweder einen Rechtsanwalt hinzuziehen oder sich über einen Rechtsanwalt innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich zu äußern"; ebenso schon Jochen Corts, Das Arbeitsrecht im BGB, 2. Auflage (2002), § 626 BGB Rn. 178; Ulrich Fischer, Die Anhörung des Arbeitnehmers vor der Verdachtskündigung, BB 2003, 522, 523 [IV.2.]: „Die bloße Aufforderung des Arbeitgebers, zu bestimmten Fragestellungen aus dem Arbeitsverhältnis, dem Verhalten des Arbeitnehmers innerhalb und außerhalb des Dienstes Stellung zu nehmen, ohne Hinweis auf eine bestehende Kündigungsabsicht, wird der Bedeutung der Anhörungsverpflichtung sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber nicht gerecht. Der Arbeitnehmer muss wissen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Rede steht, weil er nur so sachgerecht entscheiden kann, ob er sich einlässt oder nicht".
171) S. LAG Berlin-Brandenburg 2.11.2012 - 6 Sa 1280/12 - n.v. [2.2.2.]: „Um ihren Zweck erfüllen zu können, dem Arbeitnehmer eine substantiierte Einlassung zu den verdachtsbegründenden Umständen zu ermöglichen, muss ihm bei der Vorbereitung eines Anhörungsgesprächs vorab dessen Thema mitgeteilt werden, sofern dies nicht wegen drohender Verdunklungsgefahr untunlich erscheint. Nur so wird der Arbeitnehmer auch in die Lage versetzt zu entscheiden, ob er sich zu den vorgebrachten Verdachtsmomenten einlassen will oder nicht und ob er als Beistand einen Rechtsanwalt hinzuziehen möchte (...)".
172) Dies unterschätzt Wolf Hunold, Anm. LAG Berlin [6.11.2009] AuA 2010, 683: „Ein normal begabter Arbeitnehmer sollte die Anhörung allein, ohne anwaltliche Assistenz bewältigen können (...)", weil alle „Begabung" in Belastungssituationen ihren in Normallagen gegebenen Stellenwert einzubüßen pflegt.
173) S. LAG Berlin-Brandenburg 6.11.2009 (Fn. 170) [Leitsatz] - Zitat dort; dass. 30.3.2012 (Fn. 169) [II.2. - „Juris"-Rn. 75] - Zitat Fn. 170; dass. 16.12.2010 - 2 Sa 2022/10 - LAGE § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10 [2.2.4.]: „Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber dem anzuhörenden Arbeitnehmer bereits bei der Einladung zu dem Anhörungsgespräch exakte Hinweise auf den Inhalt der Vorwürfe geben muss oder nicht; dies wird ganz sicher der Fall sein, wenn der Kläger sich aufgrund von Aufzeichnungen, Unterlagen etc. auf ein solches Gespräch vorbereiten muss. Schon aber um der Möglichkeit willen, dass der Arbeitnehmer - was ihm von der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung zugestanden wird - einen Rechtsanwalt hinzuziehen können muss, muss dem Arbeitnehmer aber auch in den anderen Fällen ein Hinweis auf die Bedeutung der vorzunehmenden Unterredung gegeben werden"; dass. 7.3.2013 - 7 Sa 1179/12 - n.v. [3.2.1.]: „Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen (...). In diesem Zusammenhang ist dem Arbeitnehmer Gelegenheit zu geben, entweder einen Rechtsanwalt hinzuziehen oder sich über einen Rechtsanwalt innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich zu äußern (...)".
174) S. dazu nochmals BAG 13.3.2008 (Fn. 154) [B.I.1 a.] Zitat oben, Fn. 167; Textauszug: „Möglichkeit haben, bestimmte zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten"; ebenso etwa LAG Berlin-Brandenburg 7.3.2013 (Fn. 173) - Zitat dort.
175) S. Text: „§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis. (1) ... (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten".
176) S. Text oben, Fn. 130.
177) S. Text oben, Fn. 131.
178) S. Text: § 256 Feststellungsklage. (1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde".
179) S. dazu nur BAG 13.3.1997 - 2 AZR 512/96 - EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 57 [II.1.]: „Es ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass ein Arbeitnehmer neben einer gegen die Kündigung nach § 4 KSchG gerichteten Klage eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen über den Kündigungstermin hinaus erheben und damit zwei selbständige prozessuale Ansprüche geltend machen kann. ... a) Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsprechung der zulässigen Verbindung beider Klagen nach § 4 KSchG und nach § 256 ZPO insbesondere zu den in der Praxis gelegentlich auftretenden Fällen entwickelt, bei denen Arbeitgeber oder deren Prozessbevollmächtigte durch nicht ohne weiteres erkennbare weitere (Prozess-)Kündigungen versuchen, die Wirkungen des § 7 KSchG herbeizuführen".
180) S. Walter Bitter; Zur Kombination von Kündigungsschutzklage mit allgemeiner Feststellungsklage - Oder: Zur Schleppnetztheorie des Bundesarbeitsgerichts, DB 1997, 1407 ff.
181) S. hierzu BAG (GS) 27.2.1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122 = AP § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 14 [Leitsatz 1.]: „Außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen"; s. ferner BAG a.a.O. [C.II.3 b. u. C.II.3 c.]: „b) Abgesehen von den Fällen der offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Unsicherheit über die Wirksamkeit der Kündigung und damit die Ungewissheit über den Prozessausgang mit den daraus folgenden Risiken ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers, den gekündigten Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsprozesses nicht zu beschäftigen. ... [wird aufgeführt; d.U.] - c) Die Interessenlage verschiebt sich jedoch, wenn im Kündigungsprozess ein die Instanz abschließendes Urteil ergeht, das die Unwirksamkeit der Kündigung und damit den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses feststellt. Durch ein solches noch nicht rechtskräftiges Urteil wird zwar keine endgültige Klarheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geschaffen. Aber die Parteien hatten Gelegenheit, dem Gericht in einem ordentlichen Prozessverfahren die zur rechtlichen Beurteilung der Kündigung aus ihrer Sicht erforderlichen Tatsachen vorzutragen, dafür Beweis anzutreten und ihre Rechtsauffassungen darzustellen. Wenn ein Gericht daraufhin eine die Instanz abschließende Entscheidung trifft und die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt, so ist damit zumindest eine erste Klärung der Rechtslage im Sinne des klagenden Arbeitnehmers eingetreten. ... Es [gemeint: das Feststellungsurteil; d.U.] wirkt sich, solange es besteht, dahin aus, dass nunmehr die Ungewissheit des endgültigen Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen kann".
182) S. Text: „§ 308 Bindung an die Parteianträge. (1) ... (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen".
183) S. Text: „§ 91 Grundsatz und Umfang der Kostentragungspflicht. (1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen ... ".
184) S. Text: „§ 61 Inhalt des Urteils. (1) Den Wert des Streitgegenstandes setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest".
185) S. Text: „§ 42 Wiederkehrende Leistungen. (1) ... (4) Für die Wertberechnung bei Rechts-streitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahrs zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet".