ArbG Berlin: Darlegungslast für Existenz einer unternehmerischen Entscheidung
ArbG Berlin, Urteil vom 24.3.2016 – 28 Ca 283/16
Volltext: BB-ONLINE BBL2016-1140-7
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Amtlicher Leitsatz
Die nach der Rechtsprechung des BAG im Kontext betriebsbedingter Kündigungen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG inhaltlich nur begrenzte Kontrollierbarkeit jener „Unternehmer-entscheidung“, die personalbedarfsrelevante Daten setzen soll, entbindet den Arbeitgeber vor Gericht nicht von der Last (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG), die Existenz der betreffenden Entschlussfassung - als überprüfbaren Lebensvorgang - zu beschreiben und notfalls nachzuweisen (s. bereits BAG 03.02.1977 – 2 AZR 476/75 – AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 7 [III.1. - „Juris“-Rn. 25]; 29.03.1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61 = AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 50 [B.II.1. - „Juris“-Rn. 49]; ständige Rechtsprechung).
Sachverhalt
Es geht um - auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützte – Kündigung. - Vorgefallen ist folgendes:
I. Die (heute) 35[1]-jährige Klägerin trat per 15. Januar 2011 als „Assistentin am Standort Berlin“ in die Dienste der Beklagten (Kopie Anstellungsvertrag vom 20. Dezember 2010/5. Januar 2011[2]: Urteilsanlage I.; Kopie „Allgemeine Vertragsbestandteile“[3]: Urteilsanlage II.), die sich mit einer nicht näher bezeichneten Zahl von (aber jedenfalls mehr als zehn[4]) Vollzeitbeschäftigten unter anderem der Unternehmensberatung widmet. Hier bezog die Klägerin zur Zeit der Ereignisse, die den Hintergrund des Rechtsstreits bilden, für durchschnittlich 40 Arbeitsstunden pro Woche ein Monatsgehalt von 2.600,-- Euro (brutto).
II. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 (Kopie[5]: Urteilsanlage III.), das seine Adressatin zu einem gleichfalls nicht näher bezeichneten Zeitpunkt erreichte, erklärte die Beklagte ohne Angabe von Gründen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2016. - Hiermit will es die Klägerin nicht bewenden lassen: Sie nimmt die Beklagte mit ihrer am 8. Januar 2016 bei Gericht eingereichten und 13 Tage später (21. Januar 2016) zugestellten Klage im Wesentlichen auf Feststellung in Anspruch, dass die Kündigung ihr Arbeitsverhältnis nicht beendet habe. Sie hält die Kündigung für sozial ungerechtfertigt und bestreitet das Vorliegen eines Grundes, der diese rechtfertigen würde, „mit Nichtwissen“[6]. Bestritten werde auch, dass eine sogenannte Sozialauswahl getroffen worden sei[7].
III. Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 21. Dezember 2015 zum 31. März 2016 beendet wird;
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. März 2016 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
V. Sie hält die Klagebegehren der Sache nach für gegenstandslos[8]. Dazu hat sie vorausschicken lassen[9], dass sie ihre Auslandstätigkeiten nach einem Wechsel in ihrer Geschäftsführung komplett neu strukturiert habe[10]. Anstelle durch sogenannte „Länder-Desks“ sollten ihre Mandanten im Ausland dabei künftig von eigenen und selbständigen Niederlassungen (vor Ort) betreut werden[11]. Die bis dahin vorhandene Struktur, in großen Niederlassungen einzelne Abteilungen für die jeweiligen Länder vorzuhalten, sei „nicht mehr existent“[12]. In diesem Zusammenhang sei auch der Bereich des „Südamerika-Desk's“, für den die Klägerin eingestellt und tätig gewesen sei, „aufgelöst“ worden und der Arbeitsplatz „weggefallen“[13]. Weder beständen hiernach Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin in Berlin, noch in einem anderen Bereich[14]. - Dem entsprechen, mit einigen Vertiefungen, die Ausführungen der Beklagten in der nach bewilligter Fristverlängerung unterbreiteten Klageerwiderung: Danach habe Herr Rechtsanwalt Dr. C. N., bei dem nach einer Neuverteilung der Zuständigkeiten innerhalb ihrer Geschäftsführung die Zuständigkeit für die Niederlassung Berlin liege, „unter anderem entschieden“, dass es „im Rahmen der Neuausrichtung der verschiedenen Bereiche – hier des Anwaltsbereichs – zu wesentlichen Veränderungen und dem Wegfall von mehreren internen Abteilungen sowie dem Abbau von doppelten Strukturen innerhalb der Länderverantwortung bzw. dem Bereich der Rechtsanwälte“ komme[15]. „Ein Beispiel“ für eine solche, kostenintensive doppelte Struktur seien die sogenannten „Länder-Desks“ gewesen[16]. „Im Rahmen der unternehmerischen Entscheidung über den Wegfall der jeweiligen ,Länder-Desks' und den Abbau dieses [gemeint wohl: dieser; d.U.] Organisationseinheiten“ seien sämtliche damit zusammenhängenden Arbeitsplätze weggefallen“[17]. Ergänzend sei auszuführen, dass in Berlin „eine weitere Mitarbeiterin“ gekündigt werde „und eine weitere Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung und Organisationsmaßnahme dadurch“ erfolgt sei[18]. Bei dieser Mitarbeiterin handele es sich – im Gegensatz zur Klägerin - „sogar um eine Berufsträgerin als Rechtsanwältin“[19]. Deren Tätigkeit und Aufgabengebiet sei „allerdings so speziell und auf diesen Bereich zugeschnitten“ gewesen, dass auch für sie keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestanden habe und der Arbeitsplatz weggefallen sei[20].
VI. Hierzu erwidert die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. März 2016[21] unter anderem, es werde bestritten, dass die Beklagte durch Herrn Dr. N. „beschlossen/entschieden“ habe, ihre Auslandstätigkeiten komplett neu zu strukturieren und hierbei insbesondere dazu übergegangen sei, ihre Mandanten künftig vom Ausland aus zu betreuen[22]. Gleichfalls werde „bestritten, dass im Rahmen dieser angeblichen unternehmerischen Entscheidung über den Wegfall der vorhandenen ,Länder-Desks' ,sämtliche damit zusammenhängenden Arbeitsplätze“ weggefallen seien[23]. Die Beklagte trage zu dieser allgemeinen Behauptung keinerlei substantiierte Einzelheiten vor, etwa welche konkreten Arbeitsplätze angeblich an welchen Standorten weggefallen sein sollten[24]. Tatsächlich bestünden die sogenannten „Länder-Desks“ an verschiedenen Standorten mit den auch ursprünglich im Rahmen dieser „Länder-Desks“ tätigen Mitarbeitern – was die Klägerin für die „Länder-Desks“ Lateinamerika, Asien/Pazifik, Indien und China vertieft - „unverändert fort“[25]. Zudem sei Frau G. C. N. am Standort der Beklagten in Eschborn als „Länderkoordinatorin“ neu eingestellt worden[26]. Aus diesen Gründen könne – über die schon als solche bestrittene Unternehmerentscheidung hinaus - „auch nicht von einer tatsächlichen Umsetzung dieser angeblich getroffenen Entscheidung die Rede sein“[27]. „Greifbare Formen“, wie von der Rechtsprechung insoweit gefordert, habe „die Umsetzung der angeblich getroffenen Unternehmerentscheidung jedenfalls nicht angenommen“[28]. Der Vortrag der Beklagten hierzu könne „insgesamt nur als pauschal und nebulös bezeichnet werden“[29]. Jedenfalls würden ihr „keine nachprüfbaren Fakten“ vorgetragen[30]. Unabhängig davon könne sie (Klägerin) aufgrund ihrer Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrungen – die die Klägerin vertieft - auch ohne Weiteres auf einem anderen Arbeitsplatz in Berlin oder einem anderen Standort der Beklagten weiterbeschäftigt werden[31]. Immerhin suche die Beklagte, wie ihre Stellenausschreibungen[32] (Kopie: Urteilsanlage IV.) belegten, auch in Berlin nach wie vor Prüfungsassistenten mit und ohne Berufserfahrung[33]. Damit könne sie (Klägerin) entgegen deren Vortrag sehr wohl auf einem anderen freien Arbeitsplatz, ggf. nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen weiterbeschäftigt werden[34].
VII. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen. Das gilt für die Ausführungen der Beklagten in der Klageerwiderungsschrift allerdings nur mit der Maßgabe, dass die Klägerin dazu im vorerwähnten Schriftsatz vom 23. März 2016 den Wunsch angemeldet hat, noch ergänzend Stellung nehmen zu können, weil ihr die Klageerwiderung erst am 17. März 2016 zugegangen und daher die ihr vonseiten des Gerichts zugesagte Zweiwochenfrist zum Kammertermin noch nicht abgelaufen sei[35]. Darüber hinaus hat die Beklagte im Kammertermin am 24. März 2016 ihrerseits vorsorglich um Erklärungsfrist zum besagten Schriftsatz der Klägerin vom 23. März 2016 bitten lassen. Soweit hier aus diesen Schriftstücken zitiert oder berichtet wird, geschieht dies daher ausschließlich zur Illustration.
Aus den Gründen
Der Klage ist ihr Erfolg nicht zu versagen. Für diesen Befund bedarf es keines weiteren Austauschs von Schriftsätzen, sodass dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgebot gerade in Bestandsschutzsachen (s. §§ 9 Abs. 1[36], 61 a Abs. 1[37] ArbGG) ungeschmälert Rechnung getragen werden kann. - Im Einzelnen:
A. Die Kündigung vom 21. Dezember 2015
Der Kündigung im Schreiben vom 21. Dezember 2015 (Urteilsanlage III.) kann keine Wirksamkeit bescheinigt werden. - Sie ist unwirksam.
I. Die Klägerin hat ihre Feststellungsklage binnen dreier Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens (nicht vor dem 21. Dezember 2015) bei Gericht einreichen lassen (8. Januar 2016). Die Zustellung ist am 21. Januar 2016 bewirkt worden. Damit hat die Klägerin bei rechtlich gebotener[38] Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen aus § 167 ZPO[39] die ihr durch § 4 Satz 1 KSchG[40] zur Klageerhebung gesetzte dreiwöchige Frist gewahrt. Die Kündigung „gilt“ folglich nicht schon kraft Gesetzes nach § 7 (1. Halbsatz)[41] KSchG als „von Anfang an rechtswirksam“. Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit vielmehr eines besonderen Grundes und darf – selbstverständlich – auch sonst nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen.
II. Diesen Anforderungen genügt die Kündigung nicht. Der Beklagten kann ein Grund zur einseitigen Auflösung des nach Dauer (§ 1 Abs. 1 KSchG[42]) und Beschäftigtenzahl (§ 23 Abs. 1 KSchG[43]) unter Bestandsschutz stehenden Arbeitsverhältnisses der Klägerin nicht bescheinigt werden. Zumindest ist eine solche Sachlage anhand der Vorbringens der dafür darlegungsbelasteten Beklagten (s. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG[44]) nicht feststellbar:
1. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG[45] ist eine Kündigung sozial ungerechtfer tigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist. Von den so umschriebenen möglichen „Störquellen“ (Wilhelm Herschel [46]) im Vollzug eines Arbeitsverhältnisses geht es der Beklagten hier - erklärtermaßen - um sogenannte betriebsbedingte Gesichtspunkte.
a. Zur Kennzeichnung des normativen Gehalts des Rechtsbegriffs „dringender betrieblicher Erfordernisse“, vertritt das Bundesarbeitsgericht[47] (BAG) spätestens[48] seit November 1960[49] die Auffassung, dass „einer vernünftigen und sachgerechten Entscheidung des Unternehmers über die Gestaltung des Betriebes und den sich aus dieser Entscheidung ergebenden Notwendigkeiten ein besonderes Gewicht beizumessen“ sei[50]. - Das schließe zwar nicht aus, „dass ein dringendes betriebliches Erfordernis dann nicht gegeben“ sei, „wenn die unternehmerische Entscheidung unsachlich, unvernünftig oder willkürlich“ sei[51]. Im Vordergrund müsse aber „die Beachtung der Freiheit der Unternehmerentscheidung stehen“[52]. Aus dieser heute oft als „Missbrauchskontrolle“ bezeichneten Selbstbeschränkung der Gerichte für Arbeitssachen bei der Überprüfung personalbedarfsrelevanter „Unternehmerentscheidungen“ ist in den Folgejahren die weitere bemerkenswerte[53] Konsequenz gezogen worden, dass für die Tatsachen, die eine missbräuchliche Unternehmerentscheidung feststellbar machen sollen, im Gegensatz zum in § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG[54] eigens kodifizierten Grundsatz der gekündigte Arbeitnehmer darlegungs- und beweisbelastet sei[55].
b. Für diese richterliche „Gebrauchsanweisung“ zu § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, die sich mit dem Wortlaut des Gesetzes ersichtlich nicht ohne weiteres[56] in Verbindung bringen lässt[57], ist allerdings - immerhin - anerkannt, dass die von den Gerichten im Grundsatz respektierte „Unternehmerentscheidung“ nicht etwa als reines Faktum (: die schlichte Willensäußerung des Unternehmers als seiner „Entscheidung“), sondern als normativer Begriff anzusehen sei, „der keinen für alle Fälle feststehenden Inhalt hat, sondern stets im Hinblick auf den Zusammenhang, in dem er jeweils steht, zu bestimmen ist“[58]. Damit ist zumindest festgehalten, dass die Gerichte für Arbeitssachen sowohl die tatbestandlichen Merkmale einer bestandsschutzrelevanten Unternehmerentscheidung zu definieren als auch die Grenzen ihrer rechtlichen Tolerierung abzustecken haben.
c. Innerhalb dieses gedanklichen Orientierungsrahmens erkennen die Gerichte für Arbeitssachen nicht nur – und in erster Linie[59] – die StilIlegung von Betrieben (oder Betriebsteilen) als – allenfalls[60] – richterlicher Missbrauchskontrolle unterworfene[61] Unternehmerentscheidung an, sondern auch den verlautbarten Willen, „eine Abteilung stillzulegen, bestimmte Arbeiten an ein anderes Unternehmen zur selbständigen Erledigung zu vergeben und/oder an einem bestimmten Standort zu konzentrieren“[62]. Dasselbe gilt mit dem Recht, festzulegen, welche unternehmerischen Ziele verfolgt werden[63], auch für entsprechende Vorgaben, welche „Größenordnung“[64] das Unternehmen und welche „Stärke“ die Belegschaft haben soll, um das Betriebsziel zu erreichen[65]. Weiter ist es nach dieser Konzeption dem Unternehmer überlassen, „die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe erledigt werden soll“[66], und seine Befugnis, „grundsätzlich sowohl das Arbeitsvolumen (Menge der zu erledigenden Arbeit) als auch das diesem zugeordnete Arbeitskraftvolumen (Arbeitnehmerstunden) und damit auch das Verhältnis dieser beiden Größen zueinander“ festzulegen[67]. Schließlich unterliegt grundsätzlich freiem Ermessen nach dieser Judikatur der unternehmerische Entschluss, „künftig auf Dauer mit weniger Personal zu arbeiten“[68], wie die Bestimmung, „mit welcher Anzahl von Arbeitskräften der Arbeitgeber nach Durchführung des innerbetrieblichen Organisationsaktes die verbleibende Arbeitsmenge durchführen lasse“[69]. Abgerundet wird das Bild dieser Facetten thematisch anerkannter „Unternehmerentscheidungen“ endlich durch die dem Arbeitgeber zugebilligte Rechtsmacht zur organisatorischen Umgestaltung nicht nur des Betriebes oder kollektiver Teilbereiche, sondern auch zur „Umstrukturierung … einzelner Arbeitsplätze“[70]. In diesen Zusammenhang gehört auch der Entschluss des Arbeitgebers, geschäftsmäßig angebotene Dienstleistungen nicht (länger) durch Arbeitnehmer erbringen zu lassen, sondern durch – sogenannte – freie Mitarbeiter (Honorarkräfte)[71]. - All diesen Ermessensspielräumen gegenüber, so hat das BAG ausgesprochen, könne das gesetzliche Kündigungsschutzrecht den Unternehmer „nicht dazu verpflichten, betriebliche Organisationsstrukturen und –abläufe beizubehalten und geplante Organisationsänderungen nicht durchzuführen“[72]. Ebenso wenig hätten die Gerichte für Arbeitssachen „organisatorische Vorgaben zu machen“ oder „die Stichhaltigkeit der Erwägungen zu prüfen, die den Arbeitgeber gerade zu dem von ihm gewählten und keinem anderen Konzept geführt haben“[73].
d. Die historisch gewachsene Bereitschaft der Gerichte für Arbeitssachen, den rechtlichen Gehalt der Tatbestandsmerkmale der „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht innerhalb der textlichen Fassung des Gesetzes zu suchen[74], sondern durch Konzeptualisierung einer weitgehend kontrollfreien „Unternehmerentscheidung“ den maßgeblichen Bezugspunkt zur Beurteilung „betriebsbedingter“ Kündigungen außerhalb der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale zu setzen, hat ihnen nicht nur das Dilemma beschert, dass mit der Emanzipation vom Text des Gesetzes zugleich dessen Orientierungshilfen für die Bestimmung unverzichtbarer Grenzziehungen abhanden kommen[75]. Das methodische Konzept, verlautbarten Willensakten derjenigen Vertragspartei, deren Rechtsmacht durch ihre Bindung an dringende betriebliche Erfordernisse eigentlich unter sozialstaatlich geprägte „Kuratel“ gestellt werden soll, der Sache nach „Tatbestandswirkung“ zuzubilligen, hat vielmehr auch die begreifliche Neigung betrieblicher Sachwalter geweckt, sich zur Verteidigung erklärter Kündigungen vor Gericht in allen nur erdenklichen Problemkonstellationen auf eine vordergründig unangreifbare „Unternehmerentscheidung“ zu berufen, und dies möglichst auch (und vielfach gerade) dann, wenn hinter dem Kündigungsentschluss – etwa gegenüber persönlich „missliebig“[76] gewordenen Arbeitspersonen - normativ nicht tolerierte Motive stehen.
e. Solchen Erfahrungen sind die Gerichte für Arbeitssachen freilich schon frühzeitig etwa mit der Klarstellung begegnet, dass nicht schon die Kündigung als solche eine „Organisationsmaßnahme“ bilde, die allenfalls auf Missbrauch hin zu überprüfen sei[77]. Denn dann geriete die Kündigung zum – praktisch kontrollfreien - „Selbstzweck“. Entsprechendes gilt für den funktionell gleichwertigen – nur eben anders etikettierten - Arbeitgebervortrag, die strittige Kündigung beruhe schlicht darauf, dass die Stelle des Betroffenen eben „gestrichen“ worden[78] sei. Beides lassen die Gerichte für Arbeitssachen für sich allein zu Recht nicht gelten, weil mit solcherart Prozessvortrag sonst im Ergebnis jede Kündigung vom Arbeitgeber nach Belieben kontrollfrei gestellt werden könnte.
e. Eine verwandte Spielart potentiell allzu kreativer Inanspruchnahme „freier“ Unternehmerentscheidungen begegnet den Gerichten in Fällen, in denen Ursache (Unternehmerentscheidung) und Wirkung (Kündigung) in ähnlicher Weise wie bei der Kündigung als Selbstzweck oder als Ausdruck von „Stellenstreichung“ praktisch nicht voneinander unterscheidbar erscheinen. Namentlich dort, wo nach den Gegebenheiten des Streitfalles Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit für die gekündigte Arbeitsperson tatsächlich fortbestehen, liegt oft der Eindruck nicht fern, dass die betreffende Kündigung lediglich die Voraussetzung dafür schaffen soll, die betreffende Stelle im alsbaldigen Anschluss mit Interessenten zu besetzen, die zu „genehmeren“ Bedingungen zu arbeiten bereit (oder gezwungen) sind als der bisherige Stelleninhaber (: „Austauschkündigung“[79]). Den sich aus solchen Versuchungen ergebenden Risiken zur Zweckentfremdung der Unternehmerfreiheit suchen die Gerichte in neuerer Zeit durch Intensivierung prozessualer Darlegungslasten des Arbeitgebers über die „Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit“ der geltend gemachten Unternehmerentscheidung zu begegnen[80], bei denen vor allem – und angesichts des § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG verdientermaßen - das „Dogma“ eine punktuelle Einschränkung erfährt[81], der betroffene Arbeitnehmer müsse einen Missbrauch des vom Arbeitgeber beanspruchten Rechts zur betriebsbedingten Kündigung nachweisen.
2. Nach diesen Grundsätzen kann der hiesigen Kündigung die sowohl benötitgte als auch beanspruchte soziale Rechtfertigung, wie schon vorausgeschickt (s. oben, S. 6 [II.]), nicht zugebilligt werden. Insofern fehlt es dem Beklagtenvortrag nämlich bereits – sogar in mehrfacher Hinsicht - am „Grundstein“:
a. Die Klägerin weist mit vollem Recht der Sache nach darauf hin (s. oben, S. 4 [VI.]), dass es den Ausführungen der Beklagten in auffälliger Weise an den für gerichtliche Tatsachenfeststellungen benötigten Konturen fehle (Klägerin: „pauschal und nebulös“).
aa. Das gilt nicht zuletzt für die sogenannte „Unternehmerentscheidung“, der nach der refererierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Kraft innewohnen soll, als personalbedarfsrelevantem Willensakt ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG[82] autonom hervorzubringen. Insofern hat es seinen guten Grund, wenn die Gerichte für Arbeitssachen seit annähernd vierzig Jahren darauf bestehen, dass der Arbeitgeber im Rechtsstreit nicht nur die (behauptete) Thematik entsprechender Entschlussfassung brauchbar beschreibt, sondern auch deren raumzeitliche Koordinaten als – überprüfbaren - Lebensvorgang aufdeckt[83]. Nur das ist richtig, weil anderenfalls nicht einmal prüfbar wäre, ob der betreffende Entschluss dem Ausspruch der Kündigung als deren Beweggrund tatsächlich vorausgegangen – oder, was ja bisweilen vorkommt – anstelle potentiell „lichtscheuer“ Motive im Rechtsstreit zur Vermeidung des Prozessverlusts lediglich nachgeschoben ist[84].
ab. Angesichts dessen greift der hiesige Beklagtenvortrag bei weitem zu kurz: Zwar sucht sie in mehreren Schriftsätzen plausibel zu machen, warum sich die personell teilweise erneuerte Geschäftsführung für ein anderes System der Betreuung ihrer global verstreuten Klientel entschieden habe. Im unübersehbaren Kontrast zum dafür betriebenen Begründungsaufwand steht allerdings der Umstand, sie über Zeitpunkt und situative Begleitumstände einer solchen unternehmerischen Kurskorrektur kein Wort verliert. Das kann im Rechtsstreit nicht gutgehen und tut es hier auch nicht.
b. Darüber hinaus vermisst die Klägerin im hiesigen Vortragsgeschehen zu Recht auch Äquivalente zu jenen „greifbaren Formen“ (s. oben, S. 4 [VI.]), die die Gerichte dem Arbeitgeber bekanntlich seit annähernd 60 Jahren als Objektivierung („Glaubhaftmachung“[85]) der Ernstlichkeit bekundeter Unternehmerentscheidungen zum Schutz gegen unerwünschte Zweckentfremdung diesbezüglicher Rechtsmacht abverlangen[86]. Das gilt nicht nur für solche potentiell vorgeblichen Betriebsänderungen, die zwar als Stilllegung anheben, dann allerdings in Veräußerungen enden, sondern – wie gleichfalls seit mittlerweile mehr als 35 Jahren judiziert[87] - analog auch für sonstige personalüberhangsrelevante Umstrukturierungen. Auch den sich hieraus ergebenden Vortragslasten wird das Prozessvorbringen der Beklagten nicht annähernd gerecht.
III. Die Konsequenzen dessen veranschaulicht der Tenor zu I. des Urteils.
B. Der „Schleppnetzantrag“
Der Klage war ihr Erfolg auch nicht zu versagen, soweit die Klägerin mit ihrem rem Klageantrag zu 2. festgestellt sehen will, dass ihr Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände ende, sondern über den 31. März 2016 hinaus fortbestehe: Es ist in der Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen bekanntlich anerkannt, dass ein Arbeitnehmer mit seiner Klage gegen die Kündigung vorsorglich auch den sogenannten allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO[88] stellen kann, um zu verhindern, dass der Arbeitgeber sich während des Rechtsstreits überraschend auf andere – zuweilen schlicht untergeschobene - Beendigungstatbestände beruft[89]. Dieses Klagebegehren wird im Fachschrifttum pointiert als „Schleppnetzantrag“ bezeichnet[90]. Das ihm zugrunde liegende Schutzbedürfnis ist auch der hiesigen Klägerin – ohne gegen die Akteure der Beklagten persönlichen Argwohn zu hegen – objektiv nicht abzusprechen. - Daher also: Tenor zu II.
C. Kosten und Streitwert
Für Kosten und Streitwert lässt es sich kurz machen:
I. Soweit das Gericht auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme entschieden hat, bedurfte es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO[91]). Diese Kosten hat es der Beklagten als unterlegener Partei zuweisen müssen (s. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO[92]; Tenor zu III.).
II. Den Wert des Streitgegenstandes hat das Gericht aufgrund des § 61
Abs. 1 ArbGG[93] im Tenor festgesetzt und für die Kündigungsschutzklage gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG[94] mit der dreifachen Monatsvergütung der Klägerin bemessen, also mit (3 x 2.600,-- Euro = ) 7.800,-- Euro bemessen. Der „Schleppnetzantrag“ ist nach den Gepflogenheiten der arbeitsgerichtlichen Praxis hingegen ohne gesonderten Ansatz geblieben. - Aus beidem erklärt sich der Tenor zu IV.
[1] So Klageschrift vom 8.1.2016 S. 2 (Bl. 2 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA“]): „Die 35-jährige, verheiratete Klägerin“.
[2] S. Kopie als Teil des Anlagenkonvoluts K 1 zur Klageschrift (Bl. 4-7 GA).
[3] S. Kopie als weiterer Teil des Anlagenkonvoluts K 1 zur Klageschrift (Bl. 8-13 GA).
[4] S. Klageschrift S. 3 (Bl. 3 GA): „Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit“.
[5] S. Kopie als Anlage K 2 zur Klageschrift (Bl. 14 GA).
[6] S. Klageschrift S. 2 (Bl. 2 GA).
[7] S. Klageschrift S. 2 (Bl. 2 GA).
[8] S. Klageerwiderungsschrift vom 11.3.2016 S. 1-4 (Bl. 39-42 GA).
[9] S. Schriftsatz vom 22.2.2016 S. 1-2 (Bl. 28-29 GA).
[10] S. Schriftsatz vom 22.2.2016 S. 1 (Bl. 28 GA).
[11] S. Schriftsatz vom 22.2.2016 a.a.O.
[12] S. Schriftsatz vom 22.2.2016 S. 2 (Bl. 29 GA).
[13] S. Schriftsatz vom 22.2.2016 S. 1 (Bl. 28 GA).
[14] S. Schriftsatz vom 22.2.2016 S. 1 (Bl. 28 GA).
[15] S. Klageerwiderungsschrift S. 2 [vor 2.] (Bl. 40 GA), wo der Satz allerdings (wohl versehentlich) nicht mit dem Ausdruck „kommt“ abgeschlossen wird, sondern mit dem Begriff „gibt“; d.U.
[16] S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
[17] S. Klageerwiderungsschrift S. 2 [2.] (Bl. 40 GA).
[18] S. Klageerwiderungsschrift S. 2-3 [2.] (Bl. 40-41 GA).
[19] S. Klageerwiderungsschrift S. 3 [vor 3.] (Bl. 41 GA).
[20] S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
[21] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 S. 1-4 (Bl. 49-52 GA).
[22] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 S. 1 [I.] (Bl. 49 GA).
[23] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 S. 2 [oben] (Bl. 50 GA).
[24] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 a.a.O.
[25] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 S. 2 (Bl. 50 GA).
[26] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 a.a.O.
[27] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 a.a.O.
[28] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 a.a.O.
[29] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 a.a.O.
[30] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 a.a.O.
[31] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 S. 3 [II.] (Bl. 51 GA).
[32] S. Kopie als Anlage K 3 zum Schriftsatz vom 23.3.2016 (Bl. 53 GA).
[33] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 S. 3 [2.] (Bl. 51 GA).
[34] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 S. 4 [vor III.] (Bl. 52 GA).
[35] S. Schriftsatz vom 23.3.2016 S. 1 [vor I.] (Bl. 49 GA).
[36] S. Text: „§ 9 Allgemeine Verfahrensvorschriften. (1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen“.
[37] S. Text: „§ 61 a Besondere Prozessförderung in Kündigungsverfahren. (1) Verfahren in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind nach Maßgabe der folgenden Vorschriften vorrangig zu erledigen“.
[38] Vgl. zur analogen Anwendung der Vorgängervorschrift in § 270 Abs. 3 ZPO statt vieler BAG 26.6.1986 – 2 AZR 358/85 – BAGE 52, 263 = AP § 4 KSchG 1969 Nr. 14 = NZA 1986, 761 [B.II.3 c, cc.], wonach die Regelung des § 270 ZPO a.F. „auch im Bereich der Klageerhebung nach § 4 KSchG Anwendung findet“; 17.6.1998 – 2 AZR 336/97 – NZA 1998, 1225 = RzK I 7 b Nr. 32 [II.1.], wonach „gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 270 Abs. 3 ZPO die Drei-Wochen-Frist für die Klageerhebung nach § 4 KSchG auch dann gewahrt wird, wenn die Klage zwar vor Fristablauf bei dem Gericht eingereicht worden ist, aber die Zustellung an den Prozessgegner erst danach erfolgt (§ 270 Abs. 3 ZPO: ,demnächst')“; ebenso schon BAG 8.4.1976 – 2 AZR 583/74 – AP § 4 KSchG 1969 Nr. 2.
[39] S. Text: „§ 167 Rückwirkung der Zustellung. Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt“.
[40] S. Text: „§ 4 Anrufung des Arbeitsgerichts. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist“.
[41] S. Text: „§ 7 Wirksamwerden der Kündigung. Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam“.
[42] S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist“.
[43] S. Text: „§ 23 Geltungsbereich. (1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen“.
[44] S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) … (2) … 4Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen“.
[45] S. Text: „§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen. (1) … (2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist“.
[46] S. Wilhelm Herschel, Anm. BAG [23.7.1970] AP § 1 Gesamthafenbetriebsgesetz Nr. 3 [III.b.2]: „Die Dreiteilung der Kündigungsgründe gibt … die Richtung an, aus der die Störung kommen kann“; ebenso BAG 25.11.1982 – 2 AZR 140/81 – BAGE 40, 361 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 7 [B.I.3.]; 29.1.1997 – 2 AZR 9/96 – BAGE 85, 107 = AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 32 = NZA 1997, 709 [II.1 c.]: „§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG differenziert insoweit nach der ,Störquelle', nicht nach den der ,Störung' eventuell zugrunde liegenden ferneren Ursachen“.
[47] S. zur vorausgehenden Judikatur der Instanzgerichte statt vieler nur LAG Bremen 6.5.1953 – Sa 102 u. 103/52 – AP 1954 Nr. 9 [II.]: „Es ist allgemein anerkannt, dass die wirtschaftliche, technische und organisatorische Gestaltung eines Betriebes dem Unternehmer obliegt. Die Gerichte haben insoweit lediglich die Aufgabe nachzuprüfen, ob einmal hierbei sachfremde, willkürliche oder offenbar fehlerhafte Überlegungen ausschlaggebend gewesen sind, und zum anderen ob die Kündigung unter den Gesichtspunkten des Unternehmers dringend erforderlich war und einen Vorteil für den Betrieb bedeutet“ (mit Nachweisen zur älteren Rechtsprechung); s. dazu auch LAG Stuttgart 26.6.1951 – 1 Sa 83/51 – BB 1952, 376: „offensichtlicher Verstoß“ gegen die Grundsätze einer vernünftigen Geschäftsführung; LAG Düsseldorf 8.8.1952 – 2 Sa 211/52 – DB 1952, 888: „offensichtliche Fehlmaßnahme der Betriebsleitung“; LAG Bremen 29.10.1952 – Sa 61/52 – BB 1953, 356 [1.]: „offensichtliche Fehlgriffe zum Nachteil der Arbeitnehmerschaft“; LAG Düsseldorf 7.8.1953 – 3 Sa 56/53 – AP § 1 KSchG Nr. 4 (mit ablehnender Anmerkung Hildegard Krüger), wonach es den Gerichten nicht zustehe, Rationalisierungsmaßnahmen und andere organisatorische Maßnahmen auf ihre „Berechtigung oder die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit … nachzuprüfen“: LAG Freiburg 10.11.1955 – I Sa 79/55 – AP § 1 KSchG Nr. 16 [2.]: „In Rechtsprechung und Rechtslehre wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass es nicht Aufgabe der Gerichte sein könne, die Notwendigkeit und wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des Unternehmens nachzuprüfen“.
[48] S. zuvor allerdings schon BAG 17.9.1957 – 1 AZR 352/56 – AP § 13 KSchG Nr. 8: „Ermessen“ des Unternehmers; s. zur Aufnahme der Rechtsfigur der „Unternehmerentscheidung“ in die Judikatur des BAG zu § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG statt vieler Walter Bitter DB 1999, 1214-1215 [III.]; Klaus Zepter DB 2000, 474 [II.1.]; Peter Stein BB 2000, 457-458 [II.].
[49] BAG 18.11.1960 – 1 AZR 70/58 – AP Art. 44 Truppenvertrag Nr. 28 = DB 1961, 344.
[50] BAG 18.11.1960 a.a.O. (Fn. 49).
[51] BAG 18.11.1960 a.a.O. (Fn. 49).
[52] BAG 18.11.1960 a.a.O. (Fn. 49).
[53] S. zur Kritik nur LAG Schleswig-Holstein 13.10.1998 – 1 Sa 205/98 – LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 52 = ArbuR 1999, 37 = RzK I 5 c Nr. 122 [I.d.]: „Der Ansatz des BAG begegnet allerdings Bedenken. … Zum anderen trägt nach der Konzeption des § 1 KSchG der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sachbezogene und anerkennenswerte Gründe für die Kündigung vorliegen. Kündigungsschutz im Wege einer bloßen Missbrauchskontrolle im Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers ist bei Kündigungen geboten, die nicht dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes unterfallen“; s. zu neuerer Kritik ferner statt vieler Jürgen Kühling ArbuR 2003, 92 ff. und Peter Stein ArbuR 2003, 99 ff.
[54] S. Text oben, S. 6 Fn. 44.
[55] S. dazu etwa schon BAG 22.11.1973 – 2 AZR 543/72 – AP § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 22 [I.2 c.]: „Darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, aus denen sich ergeben soll, dass eine Unternehmerentscheidung für das Gericht nicht bindend ist, ist nämlich der Arbeitnehmer, der sich auf den Kündigungsschutz beruft (vgl. Auffarth/Müller, KSchG, § 1 Rn. 203)“; 24.10.1979 – 2 AZR 940/77 – AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 8 [II.1 a.]: „Für die Umstände, aus denen sich ein Missbrauch des unternehmerischen Ermessens ergeben soll, trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast“; ständige Judikatur, s. aus neuerer Zeit BAG 22.4.2004 – 2 AZR 385/03 – DB 2004, 1890 [B.I.3.]: „Da für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung die Vermutung spricht, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt, Rechtsmissbrauch also die Ausnahme ist, hat im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich der Arbeitnehmer die Umstände zu beweisen, aus den sich ergeben soll, dass die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist“.
[56] S. hierzu aber Friedhelm Rost JbArbR 39 (2002), 83, 86: „Diese Beschränkung … folgt … aus einer an der Verfassung orientierten Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes“. Damit ist in der Tat der springende Punkt – die verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG im Blickwinkel „praktischer Konkordanz“ (Konrad Hesse) - benannt.
[57] S. statt vieler nur Jürgen Kühling ArbuR 2003, 92, 93 [C.I.1.]: „Die Dogmatik zur betriebsbedingten Kündigung hat sich vom Gesetzestext weit entfernt“; Friedhelm Rost (Fn. 56) S. 86: „Diese Beschränkung bei unternehmerischen Vorgaben ist dem Wortlaut des Kündigungsschutzgesetzes nicht zu entnehmen, der Begriff der Unternehmerentscheidung taucht dort überhaupt nicht auf“.
[58] So bereits Wilhelm Herschel Anm. LAG Düsseldorf [7.9.1976] EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 3 [II.2.]: „Nur ist dem LAG entgegenzuhalten, dass es den Rahmen des freien unternehmerischen Ermessens zu weit zieht. Es hat nicht genug beachtet, dass das unternehmerische Ermessen ein normativer Begriff ist, der keinen für alle Fälle feststehenden Inhalt hat, sondern stets im Hinblick auf den Zusammenhang, in dem er steht, zu bestimmen ist“; wörtlich anknüpfend BAG 20.2.1986 – 2 AZR 212/85 – AP § 1 KSchG 1969 Nr. 11 = EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37 = NZA 1986, 823 [B.II.2 b.]; 4.2.1993 – 2 AZR 463/92 – RzK I 5 d Nr. 31 [B.III.1.]; 19.5.1993 – 2 AZR 584/92 – BAGE 73, 151 = AP § 2 KSchG 1969 Nr. 31 = EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 73 = NZA 1993, 1075 [II.2 e, aa.].
[59] S. nur BAG 7.6.1984 – 2 AZR 602/82 – AP § 22 KO Nr. 5 = NZA 1985, 121 [B.II.6.]: „geradezu ein klassischer Fall eines berechtigten betrieblichen Erfordernisses“; s. aus neuerer Zeit statt vieler BAG 27.11.2003 – 2 AZR 48/03 - NZA 2004, 477 [B.I.1.]: „Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen gehört die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber“.
[60] Offengelassen, ob überhaupt richterliche Kontrolle stattzufinden hat, BAG 27.9.1984 – 2 AZR 309/82 – BAGE 47, 13 = AP § 613 a BGB Nr. 39 [B.III.3 a.]; 27.2.1987 – 7 AZR 652/85 – BAGE 54, 215 = AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 41 = NZA 1987, 700 [II.3 a.]; freilich wohl überholt, vgl. nur BAG 21.2.2002 – 2 AZR 556/00 – EzA § 2 KSchG Nr. 45 [II.2.]: „Der Arbeitgeber ist auf Grund seiner Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich bis an die Grenze der Willkür berechtigt, seine betrieblichen Aktivitäten einzuschränken … . Hierzu gehört zweifellos genauso das Recht, sein Unternehmen aufzugeben“.
[61] Kritisch hierzu in neuerer Zeit etwa Jürgen Kühling ArbuR 2003, 92 ff., 97, der unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (auch hier) für eine Verhältnismäßigkeitskontrolle eintritt.
[62] BAG 21.2.2002 (Fn. 60) [II.1.].
[63] BAG 21.2.2002 (Fn. 60) [II.1.].
[64] BAG 21.2.2002 (Fn. 60) [II.1.]; 5.2.1998 – 2 AZR 227/97 – BAGE 88, 19 = AP § 626 BGB Nr. 143 = NZA 1998, 771, 773 [II.2 b.]; 12.11.1998 – 2 AZR 91/98 – BAGE 90, 182 = NZA 1999, 471 [B.I.5.].
[65] BAG 24.4.1997 – 2 AZR 352/96 – AP § 2 KSchG 1969 Nr. 42 [II.2 a.]; 7.5.1998 - 2 AZR 536/97 – BAGE 88, 363 = NZA 1998, 933, 935 [II.1 e.]; 17.6.1999 – 2 AZR 141/99 – BAGE 92, 71 = NZA 1999, 1098 = RzK I 5 c Nr. 117 [II.2 c.].
[66] BAG 22.5.2003 – 2 AZR 326/02 – AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = RzK I 5 c Nr. 152 [B.II.2 a.].
[67] BAG 22.5.2003 (Fn. 66) [B.II.2 a.].
[68] BAG 24.4.1997 (Fn. 65) [II.2 a.]; 7.5.1998 (Fn. 65) [II.1 e.]; 17.6.1999 – 2 AZR 522/98 – BAGE 92, 61 = NZA 1999, 1095 [II.1 a.]; 17.6.1999 (Fn. 65 – 141/99) [II.2 b.].
[69] BAG 24.4.1997 (Fn. 65) [II.2 a.]; 19.5.1993 (Fn. 58) [II.2 e, bb.]; 17.6.1999 (Fn. 65 – 141/99) [II.1 a.].
[70] S. BAG 21.9.2000 – 2 AZR 440/99 – BAGE 95, 350 = NZA 2001, 355 [B.II.2 a]; 18.10.2000 – 2 AZR 465/99 – BAGE 96, 95 = NZA 2001, 437 [II.1 c, bb.]: „Umstrukturierung des gesamten oder von Teilen eines Betriebes oder einzelner Arbeitsplätze“; s. auch BAG 30.8.1995 – 1 ABR 11/95 – AP § 99 BetrVG 1972 Versetzung Nr. 5 = NZA 1996, 496, 498 [A.II.3 b, bb.].
[71] S. hierzu namentlich BAG 9.5.1996 – 2 AZR 438/95 – BAGE 83, 127 = AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 1996, 1145 („Weight Watchers“) [Leitsatz 1.]: „Bei einer innerbetrieblichen Umstrukturierungsmaßnahme (hier: Einführung eine neuen Vertriebssystems) muss es im Hinblick auf betriebsbedingte Kündigungen dem Arbeitgeber überlassen bleiben, wie er sein Unternehmensziel möglichst zweckmäßig und kostengünstig am Markt verfolgt. Dazu gehört auch die Umgestaltung der zugrunde liegenden Vertragsform für die Vertriebsmitarbeiter (freies Mitarbeiterverhältnis statt Arbeitsverhältnis). … Zu prüfen bleibt dabei allerdings, ob die Strukturmaßnahme tatsächlich durchgeführt worden ist“; 13.3.2008 – 2 AZR 1037/06 – AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 176 = NZA 2008, 878 [B.I.2 b, bb (1.)]: „Es ist aber von der Unternehmerfreiheit gedeckt, wenn die Beklagte sich entschließt, diese Bestückung nicht mehr selbst unter Einsatz eigener Arbeitnehmer vorzunehmen, sondern durch Dritte vornehmen zu lassen. Das Gesetz zwingt den Marktteilnehmer nicht, den Bedarf an Leistungen ausschließlich durch Arbeitsverträge zu decken. Er kann vielmehr auf jeden rechtlich zulässigen Vertragstyp zurückgreifen, muss aber dann auch die jeweiligen – auch nachteiligen – rechtlichen Folgen in Kauf nehmen. So verzichtet er, wenn er keine Arbeitsverträge schließt, auf das Direktionsrecht. Die Beklagte begibt sich in Umsetzung ihrer unternehmerischen Entscheidung ihres gerade durch das persönliche Weisungsrecht geprägten Einflusses auf ihre vormaligen Arbeitnehmer. Von einem schlichten Abstreifen des Bestandsschutzes unter Beibehaltung des Weisungsrechts kann im Streitfall keine Rede sein“.
[72] BAG 21.2.2002 (Fn. 60) [II.1.].
[73] BAG 22.4.2004 (Fn. 55) [B.I.4.].
[74] So wäre es methodisch beispielsweise – was hier nicht vertieft werden kann – wohl möglich, den Begriff des (betrieblichen) „Erfordernisses“ unter dem Einfluss verfassungsrechtlicher Wertgehalte (Art. 12 Abs. 1 GG) vorrangig „subjektiv determinieren“ zu lassen, um die rechtlichen Schranken solcher unternehmerischer Definitionsmacht dann aus den Worten „bedingt“ (als Teilelement des Prinzips der Verhältnismäßigkeit) und „dringend“ (als qualifizierte Form der Erforderlichkeitskontrolle) zu entwickeln; vgl. dazu schon Ulrich Preis, Prinzipien des Kündigungsschutzes bei Arbeitsverhältnissen (1987), S. 305 ff., 401 ff.
[75] Es ist diese Konturlosigkeit einer der wesentlichen Gründe für das von Friedhelm Rost (Fn. 56; S. 83-84) angesprochene „Bemühen, die unternehmerische Entscheidung kündigungsschutzrechtlich weiter zu strukturieren und vor allem auch ihre Grenzen aufzuzeigen“, das allerdings in der Tat in der neueren Judikatur namentlich des Zweiten Senats des BAG deutlich spürbar wird.
[76] S. bereits BAG 2.6.1960 – 2 AZR 91/58 – BAGE 9, 263 = AP § 626 BGB Nr. 42 = ArbuR 1961, 254, 255 [IV.]: „Die Revision rügt in erster Linie, das LAG sei zu Unrecht auf die … Behauptung des Klägers nicht eingegangen, dass der Beklagte es systematisch darauf angelegt habe, einen Grund für die Entlassung des Klägers zu finden. Er habe nämlich wiederholt geäußert, er wolle die ganze geophysikalische Abteilung seines Betriebes auflösen, allen in dieser Abteilung Beschäftigten kündigen, sie aber später wieder einstellen, jedoch mit Ausnahme des Klägers. … Brachte er Scheingründe vor, dann hätten sie sich bei richtiger Beurteilung durch das Gericht als haltlos herausgestellt“; 22.11.1973 (Fn. 55) [I.2 c.]: Das LAG hätte „erwägen müssen, ob die Neugliederung des Betriebs in K. durch die Beklagte deshalb offenbar unsachlich oder willkürlich gewesen sei, weil sie lediglich zu dem Zweck erfolgt ist, den Kläger als einen ihr missliebigen Arbeitnehmer zu entfernen“; 24.10.1979 (Fn. 55) [II.2.], wonach es bei der Missbrauchskontrolle im Wesentlichen um die Fälle gehe, „in denen die Kündigung nicht durch die Betriebsänderung, sondern die Betriebsänderung durch den Wunsch des Arbeitgebers bedingt ist, sich von einem missliebigen Arbeitnehmer zu trennen“.
[77] S. bereits BAG 21.5.1957 – 3 AZR 79/55 – AP § 1 KSchG Nr. 31 [I.]; 20.2.1986 (Fn. 58) [B.II.2 b.]; 4.12.1986 – 2 AZR 23/86 – RzK I 5 c Nr. 17 [II.1.]; 19.5.1993 (Fn. 58) [II.2 e, aa.]; 24.4.1997 (Fn. 65) [II.2 – vor a.]; 26.9.2002 – 2 AZR 636/01 – AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124 = NZA 2003, 549 [II.1 d.].
[78] S. BAG 17.6.1999 (Fn. 65 – 141/99) [II.2 f.] im Bezug auf die Behauptung, es sei „der Stellenplan“ geändert worden: „Mit der von der Beklagten gegebenen Begründung könnte ebenso die Notwendigkeit der Entlassung von zwei, drei oder x-beliebig vielen Baufacharbeitern gerechtfertigt werden“.
[79] Klassischer – dort sogar richterlich gebilligter - Fall beim LAG Düsseldorf 7.8.1953 (Fn. 47 – mit zu Recht ablehnender Anmerkung von Hildegard Krüger), bei dem die Arbeitgeberin die Entlassung einer seit 1939 bei ihr beschäftigten Angestellten unter Berufung auf dringende betriebliche Gründe damit zu rechtfertigen suchte, „sie erfülle eine Pflicht gegenüber der Allgemeinheit, wenn sie alljährlich etwa 25-30 junge Mädchen, die von der Schule entlassen worden seien, als Anlernlinge unterbringe“, wofür natürlich – so sinngemäß – Platz geschaffen werden müsse.
[80] S. dazu BAG 17.6.1999 (Fn. 65 – 141/99) [II.2 e.]: „Reduziert sich … die Organisationsentscheidung zur Personalreduzierung praktisch auf den Kündigungsentschluss, sind diese beiden Unternehmerentscheidungen ohne nähere Konkretisierung, nicht voneinander zu unterscheiden. … In diesen Fällen muss der Arbeitgeber … darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten … zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen, d.h. es geht um die Darlegung einer näher konkretisierten Prognose der Entwicklung … ; und [um die Darlegung; d.U.] wie diese Arbeiten von dem verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können“; im Anschluss BAG 17.6.1999 (Fn. 68 – 522/98) [II.1 c.]; entsprechend zur Änderungskündigung BAG 22.4.2004 (Fn. 55) [B.I.3.]: „konkrete Angaben …, wie sich die Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Änderungsbedarf entsteht“; s. im gleichen Sinne auch BAG 22.5.2003 (Fn. 66) [B.I.3 d (1.)]: „Dass der Arbeitgeber zur organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung vortragen muss, ist weder Selbstzweck, noch darf es dazu dienen, dass die Gerichte in die betrieblichen Organisationsabläufe eingreifen. Vermieden werden sollen betriebsbedingte Kündigungen, die zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals führen (…). Vermieden werden soll außerdem, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wird, um Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestehen und lediglich die Arbeitsvertragsinhalte und die gesetzlichen Kündigungsschutzbedingungen als zu belastend angesehen werden“; s. prägnant zu den zuletzt angesprochenen „Austauschkündigungen“ namentlich BAG 26.9.1996 – 2 AZR 200/96 – BAGE 84, 209 = NZA 1997, 202, 203 [II.3 b.]: „Entschluss der Beklagten zur Lohnkostensenkung durch Verringerung der Heuern und ‚Flucht’ aus dem deutschen Arbeits- und Sozialrecht“; 23.11.2000 – 2 AZR 617/00 – BAGE 96, 294 = NZA 2001, 500 [II.2 c.]: „Würde die Aufgabenverlagerung … eine Neueinstellung von Teilzeitkräften oder eine Erhöhung der vertraglichen Arbeitszeit bereits dort beschäftigter Arbeitnehmer erfordern, würde sich die Änderungskündigung gegenüber der Klägerin zum Teil als unzulässige Austauschkündigung darstellen“.
[81] S. zunächst BAG 17.6.1999 (Fn. 65 – 141/99) [II.2 f.]: „Ob insoweit an der vom Senat für die bisherigen Fälle angenommenen Beweislast des Arbeitnehmers … festzuhalten ist (…), braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden“; 17.6.1999 (Fn. 68 – 522/98) [II.1 e.]; s. sodann BAG 22.4.2004 (Fn. 55) [B.I.3.]: „Wenn … die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich sind, so kann … die Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht in jedem Falle von vornherein greifen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten auswirken und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Änderungsbedarf entsteht“.
[82] S. Text oben, S. 7 Fn. 45.
[83] S. dazu schon BAG 7.12.1978 – 2 AZR 155/77 – BAGE 31, 157 = AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 6 [II.1 b.]: „Vom Gericht voll nachzuprüfen ist … immer, ob die zur Begründung dringender betrieblicher Erfordernisse angeführten … Gründe (z.B. Einschränkung der Produktion, Arbeitsmangel oder bestimmte Rationalisierungsmaßnahmen) tatsächlich vorliegen“; 29.3.1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61 = AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 50 [B.II.1.]: „Vom Gericht voll nachzuprüfen ist, ob eine solche unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt“; 26.9.1996 (Fn. 80) [II.2 b.]; aus neuerer Zeit etwa BAG 25.4.2002 – 2 AZR 260/01 – NZA 2003, 605 [B.II.1.]; 22.5.2003 (Fn. 66) [B.I.2 b.]; s. ferner schon BAG 3.2.1977 – 2 AZR 476/75 – AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 4 = EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 7 [III.1.]: „Das LAG hat es … auch zutreffend für beweiserheblich gehalten, ob bereits im Zeitpunkt der Kündigung aufgrund einer Unternehmerentscheidung der Beklagten festgestanden hat, dass ihre ‚Exportabteilung’ – womit ausschließlich die Stelle des Klägers gemeint sein konnte – aufgelöst werden sollte“; 26.9.1980 – 7 AZR 465/77 – n.v. (Juris) [I.4 a.]: „Dass entsprechende … Gründe … zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bereits ‚greifbare Formen’ angenommen haben, hat der im einzelnen darlegungspflichtige Arbeitgeber (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG) im einzelnen darzutun“; 4.12.1986 (Fn. 77) [II.2.], wonach die Vorinstanz nicht beachtet habe, „dass die Beklagte sich erst im Berufungsverfahren auf eine generelle Personalreduzierung berufen und wegen der anhaltenden Verweisung auf die Anhörung des Betriebsrates nicht hinreichend dargetan hat, dass zum Zeitpunkt der Kündigung eine solche Entscheidung vorlag“.
[84] S. zu einer strukturell eng verwandten Problematik bei zeitlichen Schranken der Aufdeckung von Differenzierungsgründen zur Gleichbehandlungskontrolle statt vieler nur BAG 9.9.1981 – 5 AZR 1182/79 – BAGE 36, 187 = AP Art. 3 GG Nr. 117 = EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 26 = NJW 1982, 461 = BB 1982, 676 [B.I.3. - „Juris“-Rn. 37]: „Diese Differenzierungsgründe muss der Arbeitgeber spätestens dann offenlegen, wenn die Arbeitnehmer … an ihn herantreten. … Auch Mayer-Maly meint, es gehe nicht an, dass ein Arbeitgeber zunächst so differenziert, wie es ihm passt, und dann im Streitfall nach Rechtfertigungskriterien Ausschau hält“.
[85] S. im selben Sinne zutreffend Alfons Kraft/Thomas Raab, Anm. BAG [19.6.1991 – 2 AZR 127/91] EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70 [2.]: „Die von der Rechtsprechung geforderten ,greifbaren Formen‘ dienen daher in erster Linie der ,Glaubhaftmachung‘ der ernsthaften Stilllegungsabsicht, da es sich dabei um eine innere Tatsache handelt, die ansonsten kaum überprüfbar wäre. Andererseits muss ein Arbeitgeber, wenn er tatsächlich den Betrieb stilllegen will, bereits einige Zeit vorher initiativ werden, um die nötigen Schritte einzuleiten, so dass in der Regel die Darlegung ,greifbarer Formen‘ für ihn unproblematisch sein dürfte“.
[86] S. dazu etwa schon BAG 27.2.1958 – 2 AZR 445/55 – BAGE 6, 1 = AP § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 1 = SAE 1958, 136 [III.1. „Juris“-Rn. 11]: „Richtig ist zwar, dass betriebliche Gründe, insbesondere Arbeitsmangel und Rationalisierungsmaßnahmen, für betriebsbedingte Kündigungen als Kündigungsgründe nur ausreichen, wenn sie bereits greifbare Formen angenommen haben. … Das bedeutet aber nicht, wie die Revision meint, dass die betrieblichen Gründe, die einen Arbeitnehmer entbehrlich machen, bereits tatsächlich eingetreten sein müssen, wenn die Kündigung ausgesprochen wird. Es würde eine sachlich durch nichts gerechtfertigte und wirtschaftlich durchaus unvernünftige Überspannung des Schutzes des Arbeitnehmers vor sozial ungerechtfertigter Kündigung bedeuten, wenn man annehmen wollte, der Arbeitgeber dürfte aus dringenden betrieblichen Umständen eine Kündigung überhaupt erst dann aussprechen, wenn diese Umstände, die den Arbeitnehmer entbehrlich machen, auch tatsächlich eingetreten sind. Der Sinn der Anerkennung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung nach näherer Maßgabe des § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG ist nicht der, den Arbeitgeber zu zwingen, sehenden Auges in eine wirtschaftlich für ihn untragbare Situation geraten zu müssen. Deshalb kann eine betriebsbedingte Kündigung unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG schon dann ausgesprochen werden, wenn im Zeitpunkt der Kündigung eine vernünftige und betriebswirtschaftliche Betrachtung ergibt, dass bis zum Auslaufen der dabei einzuhaltenden Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden muss (...)“; seither ständige Rechtsprechung.
[87] S. dazu statt vieler nur BAG 26.9.1980 – 7 AZR 465/77 – n.v. (Volltext: „Juris“) [I.4. - „Juris“-Rn. 36]: „Wie der Zweite Senat bereits in dem Urteil vom 27.2.1958 [s. oben, Fn. 86; d.U.] (…) entschieden hat, reichen Arbeitsmangel und geplante Rationalisierungsmaßnahmen für eine betriebsbedingte Kündigung nur dann aus, wenn sie bereits ,greifbare Formen‘ angenommen haben. Dieser Grundsatz gilt gleichermaßen für alle innerbetrieblichen und außerbetrieblichen Umstände, die dazu geeignet sind, ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG darzustellen. Dass entsprechende … Gründe … zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bereits ,greifbare Formen‘ angenommen haben, hat der insoweit darlegungspflichtige Arbeitgeber (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG) im einzelnen darzutun“; gleichfalls ständige Judikatur.
[88] S. Text: § 256 Feststellungsklage. (1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde“.
[89] S. dazu nur BAG 13.3.1997 – 2 AZR 512/96 – EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 57 [II.1.]: „Es ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass ein Arbeitnehmer neben einer gegen die Kündigung nach § 4 KSchG gerichteten Klage eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen über den Kündigungstermin hinaus erheben und damit zwei selbständige prozessuale Ansprüche geltend machen kann. … a) Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsprechung der zulässigen Verbindung beider Klagen nach § 4 KSchG und nach § 256 ZPO insbesondere zu den in der Praxis gelegentlich auftretenden Fällen entwickelt, bei denen Arbeitgeber oder deren Prozessbevollmächtigte durch nicht ohne weiteres erkennbare weitere (Prozess-)Kündigungen versuchen, die Wirkungen des § 7 KSchG herbeizuführen“.
[90] S. Walter Bitter; Zur Kombination von Kündigungsschutzklage mit allgemeiner Feststellungsklage – Oder: Zur Schleppnetztheorie des Bundesarbeitsgerichts, DB 1997, 1407 ff.
[91] S. Text: „§ 308 Bindung an die Parteianträge. (1) … (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen“.
[92] S. Text: „§ 91 Grundsatz und Umfang der Kostentragungspflicht. (1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen … “.
[93] S. Text: „§ 61 Inhalt des Urteils. (1) Den Wert des Streitgegenstandes setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest“.
[94] S. Text: „§ 42 Wiederkehrende Leistungen. (1) … (4) Für die Wertberechnung bei Rechts-streitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahrs zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet“.