R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Arbeitsrecht
25.02.2025
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Corona-Sonderleistung – Pflegefachkräfte – Krankenhäuser – Personalratsmitglied

LAG Nürnberg, Urteil vom 29.10.2024 – 7 SLa 22/24

Volltext: BB-Online BBL2025-563-2

Leitsatz

Ein Personalratsmitglied in der pauschalen Freistellung hat keinen Anspruch nach § 611a BGB und Art. 46 Abs. 2 S. 1 BayPersVG auf die erneute Sonderleistung an die Pflegefachkräfte aufgrund der besonderen Belastungen durch die SARS-CoV-2-Pandemie nach § 26e Abs. 2 S. 1 KHG.

BayPersVG Art. 46 Abs. 2 Satz 1; KHG § 26e Abs. 2 Satz 1

Sachverhalt

Die Parteien streiten um eine Sonderzahlung an Pflegekräfte („Corona-Prämie“).

Der Kläger arbeitet bei der Beklagten seit 01.04.1985 als Gesundheits- und Krankenpfleger in Vollzeit. Er ist Mitglied des Personalrates bei der Beklagten und seit dem 10.02.2020 pauschal von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt. Ohne die Freistellung hätte der Kläger nach Maßgabe des § 26e Abs. 2 Satz 1 KHG als Pflegefachkraft im Jahr 2021 an mindestens 185 Tagen in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus gearbeitet und wäre prämienberechtigt gewesen.

Die Beklagte hatte nach Maßgabe des Bescheides des Institutes für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH vom 27.09.2022 (im Folgenden: InEK) (Bl. 39 ff der Akte) an die bei ihr beschäftigten Pflegefachkräfte, die die Voraussetzungen des § 26e Abs. 2 Satz 1 KHG erfüllten, jeweils einen Betrag von 2.203,82 € bezahlt.

Mit Schreiben vom 03.03.2023 (Bl. 4 f der Akte) verlangte der Kläger Zahlung des entsprechenden Betrages an sich nach Art. 46 Abs. 2 BayPersVG. Dies lehnte die Beklagte ab.

Der Kläger machte vor dem Erstgericht geltend, es handele sich bei der Sonderzahlung nach § 26e KHG um Arbeitsentgelt nach Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPersVG. Dazu zählten auch Leistungen, die nicht im Synallagma stünden wie Zuschläge, Zulagen und sonstige Prämien. Dies gelte auch für sonstige Sonderzahlungen ohne Entgeltcharakter wie Weihnachtsgeld, Betriebstreue-Prämien und vergleichbare Leistungen. In § 26e Abs. 2 KHG sei auch ein originärer Anspruch der Pflegekräfte gegenüber dem jeweiligen Krankenhaus vorgesehen. Die Auffassung, die Beklagte sei nur Zahlstelle für weitergereichtes Geld aus Bundesmitteln, sei schwer vertretbar. Zutreffend sei allenfalls, dass der Kläger den besonderen Belastungen durch Pflegeleistungen im Krankenhaus während der Pandemie nicht durch unmittelbare Arbeitsleistung ausgesetzt gewesen wäre. Darauf käme es aber nicht an.

Das Erstgericht gab der Klage statt und verwies darauf, dass es sich bei der Sonderzahlung um Arbeitsentgelt handele.

Das Urteil vom 21.12.2023 wurde der Beklagten am 17.01.2024 zugestellt. Sie legte dagegen am 05.02.2024 Berufung ein begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 17.04.2024 am 15.04.2024.

Die Beklagte macht in der Berufung geltend:

Der Rechtsweg zum Arbeitsgericht sei nicht eröffnet. Nach Maßgabe der Entscheidung des BAG, Beschluss vom 12.01.2024 – 9 AZB 23/23 – sei für den Streit um die CoronaSonderleistung nach § 26e Abs. 2 Satz 1 KHG der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen des § 26e Abs. 2 Satz 1 KHG. Er habe 2021 keinen Tag in der unmittelbaren Patientenversorgung auf den bettenführenden Stationen gearbeitet. Er sei vollständig freigestellt gewesen als Mitglied des Personalrates.

Die Voraussetzungen des Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPersVG seien nicht erfüllt. Bei der Corona-Sonderleistung handele es sich nach der mittlerweile vorliegenden Rechtsprechung des BAG nicht um Arbeitsentgelt.

Die Beklagte und Berufungsklägerin stellt folgenden Antrag:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 21.12.2023 – 1 Ca 336/23 – wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 21.12.2023, Az. 1 Ca 336/23 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Kläger trägt in der Berufung vor:

Der Rechtsweg sei in der Berufung der Prüfung entzogen.

Bei der Sonderzahlung handele es sich um Arbeitsentgelt. Sie werde nur an Arbeitnehmer in Krankenhäusern für ganz bestimmte arbeitsvertraglich zu erbringende Leistungen bezahlt. Sie stehe damit im Austauschverhältnis mit dieser Arbeitsleistung und sei somit Bestandteil des Arbeitsentgeltes. Die Entscheidung des BAG vom 12.01.2024 zum öffentlich-rechtlichen Charakter der Sonderzahlung überzeuge nicht.

Auch bei Anschluss an diese Entscheidung stünde dem Kläger der Anspruch nach Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPersVG zu. Dieser sei weit auszulegen dahingehend, dass er jede finanzielle Benachteiligung freigestellter Personalvertreter untersage. Das wäre aber hier der Fall, da die Sonderzahlung in einem ausreichenden Bezug zum Arbeitsverhältnis stehe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Ferner wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 05.02.2024 und die Berufungserwiderung vom 14.06.2024.

Aus den Gründen

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Bei der Sonderzahlung an Pflegekräfte nach § 26e Abs. 2 Satz 1 KHG handelt es sich nicht um Arbeitsentgelt nach § 611a BGB und Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPersVG.

1. Die Beklagte rügt in der Berufung den Rechtsweg. Die Frage des Rechtsweges wurde erstinstanzlich nicht problematisiert. § 17a Abs. 5 GVG schließt eine Überprüfung im Rechtsmittel gegen die Hauptsachentscheidung aus. Der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit ist eröffnet. Der Kläger macht einen Vergütungsanspruch geltend nach Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPersVG iVm. § 611a Abs. 2 BGB.

2. Nach der Rechtsprechung des BAG, Urteil vom 30.01.2024 – 1 AZR 74/23 –, Rn. 16, 17 und 20 handelte es sich bei der Sonderzahlung an Pflegekräfte nach § 26d KHG anlässlich der besonderen Belastung dieser Berufsgruppe in der Pandemie nicht um eine Leistung des Arbeitgebers. Den Krankenhausträgern kam nach BAG nur „die Funktion einer von staatlicher Seite – dem Bundesamt für Soziale Sicherung – in Dienst genommenen „Verteilungs- und Zahlstelle“ zu.

Für die weitere Sonderzahlung an Pflegekräfte nach § 26e KHG gilt nichts Anderes. Dies ergibt sich schon aus der Konstruktion dieser Zahlung nach § 26e KHG. Danach veröffentlichte das InEK in einem ersten Schritt eine Übersicht über alle Krankenhäuser, die einen Anspruch auf Auszahlung von Bundesmitteln für die dort geregelte Corona-Prämie nach § 26e Abs. 1 KHG. In einem zweiten Schritt meldeten die Krankenhäuser dem InEK die Zahlen zu den prämienberechtigten Beschäftigten nach § 26e Abs. 4 KHG. Sodann ermittelte das InEK unter Berücksichtigung des „Topfes“ von 500 Mio €, den die Bundesrepublik für die Prämie bereitstellte, die Prämienhöhe für die einzelnen berechtigten Pflegefachkräfte bzw. Intensivpflegefachkräfte nach § 26e Abs. 5 KHG. Im nächsten Schritt ermittelte das InEK den auf das jeweilige Krankenhaus entfallenden Gesamtbetrag nach § 26e Abs. 6 KHG. Dieser Betrag wurde dann an das jeweilige Krankenhaus ausbezahlt nach § 26e Abs. 7 KHG. Das jeweilige Krankenhaus hatte dann binnen Frist von vier Wochen aus den erhaltenen Bundesmitteln den berechtigten Kräften die Prämie auszuzahlen nach § 26e Abs. 2 Satz 1 bis 3 KHG. Die zweckentsprechende Verwendung der zur Verfügung gestellten Mittel war durch eine Bestätigung des Jahresabschlussprüfers nachzuweisen nach § 28e Abs. 8 KHG. Im Ergebnis erhielten damit die berechtigten Pflegekräfte aus Bundesmitteln eine Sonderzahlung wegen ihrer besonderen Belastungen in der Pandemie. Es liegt keine entgeltliche Leistung des Arbeitgebers vor. Er muss nur die nach § 26e Abs. 2 Satz 1 KHG als prämienberechtigte Pflegefachkräfte feststellen und anschließend die zugewiesenen Mittel des Bundes an diese verteilen.

Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Rechtsprechung des BAG. Nach der Rechtswegentscheidung des BAG, Beschluss vom 12.01.2024 – 9 AZB 23/23 –, Rn. 8 gilt auch für die Sonderzahlung nach § 26e KHG, dass es für den Krankenhausträger um die Erfüllung einer öffentlich-rechtlich auferlegten Pflicht geht und der Arbeitgeber nur fungiert als in Dienst genommene Zahlstelle.

3. Nach diesen Vorgaben liegt mit der Zahlung der Sonderleistung nach § 26e Abs. 2 Satz 1 KHG an die berechtigten Pflegekräfte keine Zahlung von Arbeitsentgelt seitens der Beklagten vor. Sie verteilt nur die ihr von der Bundesrepublik zur Verfügung gestellten Mittel an den im Gesetz selbst definierten Empfängerkreis. Zu diesem Empfängerkreis zählt der Kläger unstreitig nicht.

a. Die Berufung macht geltend, die Rechtsauffassung des BAG, Beschluss vom 12.01.2014, der Leistungsanspruch nach § 26e Abs. 2 Satz 1 KHG sei öffentlich-rechtlicher Natur, sei rechtlich nicht haltbar.

Darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist die Frage, ob es sich bei dieser Sonderzahlung um Arbeitsentgelt handelt. Dies ist nicht der Fall. Schon dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP vom 05.04.2022, BTDrucksache 20/1331 lässt sich entnehmen, dass es das Anliegen des Gesetzgebers ist, dem Pflegepersonal in Krankenhäusern und in der Langzeitpflege eine Anerkennung zukommen zu lassen für deren besondere Belastungen und besondere Leistungen in der andauernden Pandemie durch die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für Prämienzahlungen. Dabei werden die Träger der entsprechenden Einrichtungen verpflichtet, nach konkreten Vorgaben des Gesetzgebers die prämienberechtigten Pflegekräfte in ihren Betrieben festzustellen und zu melden und die ihnen für diese Prämienzahlung zur Verfügung gestellten Mittel auch in der vorgesehenen Höhe an die prämienberechtigten Pflegekräfte auszuzahlen. Für eine freie Entscheidung der Träger der betroffenen Einrichtungen, einen bestimmten Teil der Belegschaft eine besondere Leistung aus gegebenem Anlass zukommen zu lassen, besteht kein Raum. Das Gericht schließt sich der Auffassung des BAG an, dass es sich bei der Zahlung nach § 26e KHG nicht um Arbeitsentgelt handelt, sondern der Arbeitgeber hier nur als Zahlstelle fungiert.

b. Die Berufung macht ferner geltend, der Kläger würde bei Vorenthaltung der Sonderzahlung entgegen Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPersVG benachteiligt werden.

Richtig an diesem Ansatz ist, dass mit dem Verbot der Entgeltminderung für Personalräte in Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPersVG die Bereitschaft von Arbeitnehmern gefördert werden soll, ein entsprechendes Amt zu übernehmen ohne Sorge um Einkommenseinbußen dadurch. Verfehlt an diesem Ansatz ist die Annahme, der Kläger erleide eine Einkommenseinbuße. Dies ist nicht der Fall. Er erhält nur keine Leistung aus Mitteln des Bundes, weil er die vom Bund dafür aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt. Dabei übersieht der Kläger, wer hier differenziert zwischen Pflegekräften, die mit der Arbeit am Bett in der Pandemie besonderen Belastungen ausgesetzt waren und anderen Pflegekräften, bei denen dies nicht in dieser Intensität der Fall war. Es ist nicht die Beklagte, die für diese Differenzierung verantwortlich ist, sondern der Gesetzgeber. Der Gesetzgeber hat den Kreis der begünstigten Pflegekräfte abschließend in § 26e Abs. 2 Satz 1 KHG definiert.

Soweit die Berufung geltend macht, er sei grundsätzlich berechtigt gewesen und die Beklagte hätte es verabsäumt, die entsprechenden Bundesmittel für ihn zu beantragen, ist das für das Gericht nicht nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang vergleicht sich der Kläger schlicht mit dem falschen Personenkreis mit der Folge, dass er für sich eine Vorzugsbehandlung reklamiert. In Krankenhäusern gibt es eine Vielzahl von Pflegekräften, die ebenso wie er im Jahr 2021 nicht an mindestens 185 Tagen in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen gearbeitet haben mit den sich daraus ergebenden besonderen Belastungen und deshalb ebenfalls keine Corona-Sonderzahlung erhalten haben.

Auf die Berufung hin war das Urteil der ersten Instanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

III. 1. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 72 Abs. 1 und 2 ArbGG.

stats