LAG Berlin-Brandenburg: Corona – einstweilige Verfügung – Informationsmittel – Kommunikationsmittel – Videokonferenzen
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.4.2021 – 15 TaBVGa 401/21
ECLI:DE:LAGBEBB:2021:0414.15TABVGA401.21.00
BB-Online BBL2021-1981-1
Leitsatz
Bei Anwendung der §§ 129 Abs. 1, 40 Abs. 2 BetrVG kann ein 11-köpfige Betriebsrat verlangen, dass ihm die beantragten Informations- und Kommunikationsmittel (2 Lizenzen durch Durchführung von Videokonferenzen, 2 Headsets, 2 Webcams, 11 Smartphones) zur Verfügung gestellt werden.(Rn.31)
§ 129 Abs 1 BetrVG, § 40 Abs 2 BetrVG, § 935 ZPO, § 940 ZPO
Sachverhalt
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob der Betriebsrat einen Kostenvorschuss, hilfsweise bestimmte Sachmittel zu erhalten hat, um Betriebsratssitzungen im Wege von Videokonferenzen durchführen zu können.
Die Beteiligten zu 2) und 3) sind Arbeitgeberinnen und betreiben einen gemeinsamen Betrieb, bei dem ein elfköpfiger Betriebsrat gebildet ist. Der Betrieb führt Dienstleistungen aus dem Bereich des technischen Facility-Managements, der Hotelreinigung, der Unterhaltsreinigung, der Grünflächenpflege und weitere Dienstleistungen aus. Derzeit werden ca. 610 Arbeitnehmer am Betriebssitz in Berlin beschäftigt. Der Betriebsrat ist Antragsteller im hiesigen Verfahren.
Der Betriebsrat tagt regelmäßig alle 2 Wochen. Für seine Sitzungen wird temporär bei einem Dritten ein Konferenzraum angemietet. Bei Einhaltung der Abstandsregeln während der Pandemie können dort nur maximal 9 Personen zusammenkommen. Im Betriebsrat sind auch Personen Mitglieder, bei denen ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe bei einer Infektion mit Covid-19 besteht. Bisher kann nur der Niederlassungsleiter über seinen Laptop zu Videokonferenzen einladen.
In der Betriebsratssitzung vom 12.02.2021 (Anl. A9 bis A11) hat der Betriebsrat beschlossen, das hiesige einstweilige Verfügungsverfahren einzuleiten. Am 12.03.2021 hat der Betriebsrat erneut beschlossen, die Einleitung des hiesigen Verfahren zu genehmigen und gegen eine ablehnende Gerichtsentscheidung Rechtsmittel einzulegen (Anl. B1 - B3).
Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, er könne die entsprechenden Mittel gemäß § 129 BetrVG verlangen. Dies gelte auch unabhängig von einer Pandemiesituation, da die Betriebsräte jeweils weit voneinander entfernt tätig seien. Angesichts eines Konzernumsatzes im Jahre 2016 i.H.v. 503 Mio. EUR seien die aufzuwendenden Beträge für die Arbeitgeberin ohne Probleme verkraftbar.
Mit Beschluss vom 02.03.2021 hat das Arbeitsgericht Berlin die Anträge, die unverändert auch zweitinstanzlich gestellt wurden, zurückgewiesen. Es fehle an einem Verfügungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung, da diese die Hauptsache praktisch vollständig vorwegnähme. Dies wäre nur in absoluten Ausnahmesituationen möglich, die hier nicht vorlägen. Da der Betriebsrat seine Sitzungen bislang als Präsenzsitzungen durchgeführt habe, seien keine Umstände ersichtlich, warum nunmehr nach 11 Monaten des Andauerns der Corona-Pandemie eine sofortige Ausstattung des Betriebsrats mit den entsprechenden Mitteln erforderlich sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Betriebsrats. Er hält die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts für fehlerhaft. Dem liege die Vorstellung zugrunde, dass Ansprüche im Rahmen einer einstweiligen Verfügung allenfalls unmittelbar nach Inkraftsetzen des § 129 BetrVG hätten mit Erfolg geltend gemacht werden können. Die Bewertung einer Gefährdungssituation sei jedoch jederzeit möglich. Nach der am 27.01.2021 in Kraft getretenen Corona-Arbeitsschutzverordnung sei ein Arbeitgeber nunmehr verpflichtet, Tätigkeiten im Home-Office anzubieten. Diese Sichtweise habe der Betriebsrat für seine Arbeitstätigkeit übernommen. Das einstweilige Verfügungsverfahren habe der Betriebsrat nicht einmal 3 Wochen nach Inkrafttreten dieser Verordnung eingeleitet.
Der Betriebsrat beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 02.03.2021 – 8 BVGa 2158/21 – wie folgt abzuändern:
1. Den Beteiligten zu 2) und 3) wird aufgegeben, an den Betriebsrat einen Kostenvorschuss in Höhe von 2.100,00 Euro für den Erwerb von Software-Lizenzen zum Durchführen von Videokonferenzen und zur Anschaffung von Hardware zur Durchführung von Videokonferenzen (Headsets, Webcams, mobile Endgeräte nebst Datenverträgen) zu zahlen.
hilfsweise zu 1.
Den Beteiligten zu 2) und 3) wird aufgegeben, dem Betriebsrat folgende Materialien zur eigenen Verwendung zur Verfügung zu stellen:
- 2 Lizenzen für MS-Teams mindestens in der Version Office 365 Business Standard, oder einer vergleichbaren Videokonferenzplattform,
- 2 Headsets mit mindestens einem Frequenzbereich von 20 bis 17.000 Hertz und USB-Anschluss,
- 2 Webcams mit einer Videoauflösung von mindestens 1280 x 720 Pixel und USB-Anschluss,
- 11 Smartphones, welche mindestens folgende Anforderungen erfüllen: Internetfähig, mindestens 6,5 Zoll Display, Frontkamera mit einer Mindestauflösung von 13 MP, inklusive Zugang zum Internet mit mindestens High Speed Zugang, mit einer Datenübertragungsrate im Download von nicht unter 20 Mbit/s und im Upload von nicht unter 8 Mbit/s und einem monatlich verfügbaren Datenvolumen von nicht unter 3 GB.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der Verpflichtungen aus Nr. 1. wird der Antragsgegnerin ein Zwangsgeld bzw. Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 Euro, ersatzweise Zwangshaft, zu vollziehen an Herrn A, B und C angedroht.
Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und haben Bedenken, ob das hiesige Verfahren ordnungsgemäß durch den Betriebsrat eingeleitet worden ist. Eine Eilbedürftigkeit sei insbesondere deswegen nicht gegeben, weil der Termin im Hauptsacheverfahren für den 27.04.2021 angesetzt ist. Es sei nicht ersichtlich, dass eine erhöhte Anzahl von Betriebsratssitzungen erforderlich sei. Der Betriebsrat könne seine Arbeit auch unter Einhaltung der Hygienevorschriften fortsetzen. Bei einer stattgebenden Entscheidung käme es zur Vorwegnahme der Hauptsache. Bei einer Entscheidung zugunsten des Antragstellers bekäme dieser einen Vorschuss, um sich Sachmittel zu beschaffen, für die bis heute kein ordnungsgemäßes Konzept für die Durchführung der Betriebsratssitzungen vorgelegt werde. Welche Sachmittel zu stellen sind, könne vorliegend im Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Aus den Gründen
II.
Die Beschwerde des Betriebsrats hat hinsichtlich des Hilfsantrages zu 1) in vollem Umfang Erfolg. Insofern ist die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern. Der weitergehende Antrag des Betriebsrats ist hingegen zurückzuweisen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist frist- und formgerecht beim Landesarbeitsgericht eingelegt und begründet worden.
Dem hiesigen Verfahren liegt auch ein wirksamer Betriebsratsbeschluss zur Einleitung eines Beschlussverfahrens zugrunde. Hierbei kann offenbleiben, ob der Beschluss vom 12.02.2021 wirksam gefasst worden ist. Der Beschluss vom 12.03.2021 ist jedenfalls wirksam.
Nach ständiger Rechtsprechung setzt ein wirksamer Beschluss zur Einleitung eines Beschlussverfahrens u.a. voraus, dass die Betriebsratsmitglieder rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung geladen worden sind. Ein insofern bestehender Mangel kann später geheilt werden, wenn durch die im Übrigen ordnungsgemäß geladenen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats einstimmig beschlossen wird, über einen Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen. Insofern ist nicht erforderlich, dass alle Betriebsratsmitglieder an der Sitzung teilnehmen (BAG 04.11.2015 – 7 ABR 61/13 – juris Rn. 32). Auch im Nachhinein kann die Einleitung eines Beschlussverfahrens genehmigt werden, solange das Arbeitsgericht nicht bereits zurecht mangels Beschlusses über die Durchführung des Verfahrens oder die Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten den Antrag als unzulässig abgewiesen hat (BAG aaO Rn. 44; Fitting 30. Aufl. ArbGG Rn. 36).
Von den 11 regulären Betriebsratsmitgliedern waren zu der Sitzung am 12.03.2021 zwei arbeitsunfähig erkrankt. Daher sind zurecht zwei Ersatzmitglieder nachgeladen worden. Ausweislich des schriftlichen Protokolls zu der Beschlussfassung (Anl. B2) lag dem Betriebsrat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 19.02.2021 vor. Der Betriebsrat hat die Einleitung dieses Verfahrens und die Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten genehmigt und weiterhin beschlossen, Rechtsmittel einzulegen. Dieser Beschluss ist mit 11 Ja-Stimmen einstimmig gefasst worden. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit dieses Beschlusses ergeben sich somit nicht.
2. Der Betriebsrat kann sich nicht mit Erfolg auf einen Verfügungsanspruch hinsichtlich des Hauptantrages stützen. Ein solcher besteht nur für den Hilfsantrag.
2.1. Der Betriebsrat kann gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG nicht verlangen, dass die Beteiligten zu 2) und 3) ihm einen Kostenvorschuss i.H.v. 2.100,00 EUR für den Erwerb der notwendigen Soft- und Hardware zur Durchführung von Videokonferenzen zur Verfügung zu stellen haben.
Nach dieser Norm hat ein Betriebsrat nur einen Überlassungsanspruch. Er ist nicht berechtigt, sich die Sachmittel selbst zu beschaffen (BAG 21.04.09.1983 – 6 ABR 70/82 – juris Rn. 12; Fitting 30. Aufl. § 40 BetrVG Rn. 105; DKKW-Wedde 17. Aufl. Rn 118). Insofern kann der Betriebsrat auch nicht verlangen, dass ihm Geld dafür zur Verfügung gestellt wird, um eventuell erforderliche Sachmittel selbst zu beschaffen.
2.2. Der Hilfsantrag ist hingegen begründet. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind verpflichtet, dem Betriebsrat die beantragten Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen.
Gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat unter anderem für die Sitzungen und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Nach § 129 Abs. 1 BetrVG, der zurzeit befristet bis zum 30.06.2021 in Kraft ist, kann die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats sowie die Beschlussfassung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Gleiches gilt für die vom Betriebsrat gebildeten Ausschüsse. Bei der Ansetzung von Betriebsratssitzungen hat der Betriebsrat gemäß § 30 S. 2 BetrVG auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen.
Bei Anwendung der §§ 129 Abs. 1, 40 Abs. 2 BetrVG kann der 11-köpfige Betriebsrat verlangen, dass ihm die beantragten Hilfsmittel (2 Lizenzen durch Durchführung von Videokonferenzen, 2 Headsets, 2 Webcams, 11 Smartphones) zur Verfügung gestellt werden. Es liegt im Ermessen des Betriebsrats darüber zu befinden, ob er angesichts der weiterhin bestehenden Pandemiesituation Betriebsratssitzungen in Präsenzform durchführen will, oder ob er auf die Möglichkeit von Videokonferenzen zurückgreifen möchte. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich das Ermessen des Betriebsrats dahingehend beschränkt haben könnte, dass ausschließlich Präsenzsitzungen stattzufinden haben (offengelassen bei entsprechenden betrieblichen Notwendigkeiten LAG Berlin-Brandenburg 24.08.2020 – 12 TaBVGa 1015/20). Soweit ersichtlich nimmt die Rechtsprechung bisher nur an, dass der Betriebsrat umgekehrt nicht gezwungen ist, von Präsenzsitzungen abzusehen (LAG Berlin-Brandenburg 13.10.2020 – 26 TaBVGa 1281/20 – juris Rn 53). Unabhängig davon kommt vorliegend noch hinzu, dass der für die Sitzungen jeweils von einem externen Dritten angemietete Raum unstreitig nicht über die notwendige Größe verfügt, um für 11 Personen die notwendigen Abstände zu gewährleisten. Die Einhaltung eines hinreichenden physischen Abstands ist als technische Maßnahme aber vorrangig im Rahmen des Arbeitsschutzes zu gewährleisten. Die Zurverfügungstellung einer persönlichen Schutzausrüstung (Masken) ist demgegenüber nachrangig (Kohte jurisPR 18/2020 Anm. 1). Weiterhin kommt hinzu, dass einzelne Betriebsratsmitglieder wegen ihres Alters oder Vorerkrankungen einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind, was gemäß § 4 Nr. 6 ArbSchG besonders zu berücksichtigen ist. Es ist nicht ersichtlich, wie dem bei Präsenssitzungen Rechnung getragen wird. Jedenfalls bei Berücksichtigung dieser zusätzlichen Aspekte kann die Durchführung von Betriebsratssitzungen im Wege von Videokonferenzen nicht ermessensfehlerhaft sein. Letztlich kann offenbleiben, ob nicht unabhängig von der konkreten Pandemiesituation allen Betriebsratsmitgliedern wegen der Besonderheiten des Einzelfalles mobile Telefongeräte zur Verfügung zu stellen sind, was auch nachvollziehbar angenommen wird (so Hessisches Landesarbeitsgericht 28.11.2011 – 16 TaBV 129/11 – juris).
Die vom Betriebsrat beantragten Mittel sind auch „erforderlich“. Da die Möglichkeit zur Einladung zu Videokonferenzen accountgebunden ist, sind dem Betriebsrat 2 Lizenzen zur Verfügung zu stellen, um auch im Falle der Erkrankung oder Verhinderung des Vorsitzenden auch kurzfristig Einladungen durchführen zu können. Daher benötigt der Betriebsrat auch 2 Headsets und 2 Webcams. Weiterhin sind ihm 11 und nicht nur 9 Smartphones zur Verfügung zu stellen. Da es offenbar häufiger zu einer Verhinderungssituation bei den regulären Betriebsratsmitgliedern kommt, benötigen auch Ersatzmitglieder entsprechende Kommunikationseinrichtungen. Die beantragten Datenübertragungsraten halten sich im Rahmen des Üblichen und werden durch Discounter für 7,99 EUR im Monat derart preiswert angeboten, dass nicht zu erwarten ist, dass ein verringertes Datenvolumen zu einer relevanten Einsparung führen könnte.
3. Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beteiligten zu 2) und 3) steht dem Betriebsrat auch ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO zur Seite.
Ein Verfügungsgrund ist dann gegeben, wenn der Gläubiger, hier der Betriebsrat, auf die begehrte Erfüllung dringend angewiesen ist. Eine einstweilige Verfügung ist insofern dann zulässig, wenn die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung des Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist (Zöller-Vollkommer 33. Aufl. § 940 ZPO Rn. 6).
Diese Situation ist vorliegend gegeben. Wird der Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt, müsste der Betriebsrat auf die Durchführung von Videokonferenzen verzichten, da ihm die entsprechenden Mittel hierfür von den Arbeitgeberinnen nicht zur Verfügung gestellt werden. Tag für Tag würde das insofern bestehende Recht des Betriebsrats nicht realisiert werden können.
Der Verfügungsgrund entfällt auch nicht deswegen, weil der Betriebsrat seit Inkrafttreten des § 129 BetrVG 11 Monate abgewartet hat, ohne sich hierauf zu berufen. Es ist grundsätzlich Sache des Betriebsrats, wie er seine Arbeit organisiert. Insofern hat er die Gefährdungssituation durch die Pandemie immer wieder selbst einzuschätzen. Hier kommt hinzu, dass sich die Situation wellenförmig entwickelt hat. Dies gilt auch für die rechtlichen Begleitmaßnahmen. Insofern hat der Betriebsrat zu Recht darauf hingewiesen, dass nach § 2 Abs. 4 der ab dem 27.01.2021 in Kraft getretenen Corona-ArbSchV der Arbeitgeber verpflichtet ist, im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in der Wohnung der Beschäftigten auszuführen, wenn keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Auch wenn diese Pflicht nur öffentlich-rechtlich bestehen sollte und hierdurch kein Individualanspruch begründet wird (so Herfs-Röttgen NZA 2021, 388, 388), so wird durch diese Norm hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass Präsenzarbeiten möglichst zu vermeiden sind. Insofern bestand für den Betriebsrat jedenfalls ab diesem Zeitpunkt eine erhöhte Prüfungspflicht, ob nicht auch seine Sitzungstätigkeit durch Videokonferenzen ersetzt werden kann. Da der hiesige Antrag auf einstweilige Verfügung schon am 19.02.2021 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangen ist, kann dem Betriebsrat jedenfalls nicht vorgeworfen werden, durch verspätetes Handeln die erforderliche Eilbedürftigkeit selbst vereitelt zu haben.
Gegen den hier bejahten Verfügungsgrund spricht auch nicht, dass bei Stattgabe einer Entscheidung die Hauptsache vorweggenommen wird. In dieser Allgemeinheit trifft der Einwand nicht zu. Anders als bei einer zu erteilenden Auskunft kann die hiesige Leistung jederzeit zurückgenommen werden. Eine Vorwegnahme der Hauptsache findet bei Stattgabe der einstweiligen Verfügung somit nur in einem Zeitraum statt, in dem die einstweilige Verfügung wirkt. Umgekehrt wird bei Ablehnung der einstweiligen Verfügung der Betriebsrat daran gehindert, sein Recht zur Durchführung von Videokonferenzen umzusetzen. In einer solchen Situation ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen und der voraussichtlichen Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren vorzunehmen. Nach hiesiger Rechtsansicht stehen dem Betriebsrat die geltend gemachten Hilfsmittel durchaus zu. Eine abweisende Entscheidung ist auf Basis des bisherigen Vorbringens auch im Hauptsacheverfahren nicht zu erwarten. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitgeberinnen dem Betriebsrat für seine Sitzungen nur einen externen Raum zur Verfügung stellen, der für 11 Personen an sich zu klein bemessen ist. Hier kommt hinzu, dass einzelne Betriebsratsmitglieder erhöhten Gesundheitsgefahren ausgesetzt sind. Nach § 4 Nr. 6 ArbSchG sind jedoch spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen zu berücksichtigen. All dies spricht dafür, dass das Interesse des Betriebsrats an der Durchführung von Videokonferenzen deutlich höher zu gewichten ist als das Interesse der Arbeitgeberinnen, finanzielle Aufwendungen nicht tätigen zu wollen. Doch selbst wenn zu unterstellen wäre, dass die Arbeitgeberinnen im Hauptsacheverfahren obsiegen würden, sind die maximal zu erwartenden Kosten bei unterstellter Neuanschaffung aller Hilfsmittel mit ca. 2.500,00 EUR nicht besonders hoch.
Der vorliegende Verfügungsgrund ist auch nicht deswegen zu verneinen, weil für den 27.04.2021 das Hauptsacheverfahren in der 1. Instanz angesetzt ist. Dies ist schon deswegen nicht relevant, weil die Durchführung dieser Verhandlung nicht sicher unterstellt werden kann. Einzelne Beteiligte können erkranken oder aus sonstigen Gründen verhindert sein. Auch auf der Richterseite kann es zu Erkrankungen kommen. Ferner kann es die Pandemiesituation gebieten, Hauptsacheverfahren vorläufig nicht durchzuführen.
4. Der Antrag zu 2. auf Androhung von Zwangsmitteln ist zurückzuweisen, da eine solche nicht stattfindet.
Da nur der Arbeitgeber dem Betriebsrat die erforderlichen Sachmittel zur Verfügung zu stellen hat, liegt eine unvertretbare Handlung gemäß § 888 ZPO vor. Gemäß § 888 Abs. 2 ZPO findet eine Androhung der Zwangsmittel nicht statt. § 23 Abs. 3 BetrVG sieht ebenfalls nicht vor, dass bei einer Verhängung von Zwangsgeld zuvor eine Androhung stattzufinden hat. Unabhängig davon kommt maximal ein Zwangsgeld i.H.v. 10.000 EUR und jedenfalls ersatzweise keine Verhängung von Zwangshaft in Betracht (BAG 29.04.2004 – 1 ABR 30/02 – juris Rn. 138; Fitting § 23 BetrVG Rn. 110).
5. Da es sich um eine Entscheidung im Beschlussverfahren handelt, scheidet eine Kostenentscheidung aus.
Ein Rechtsmittel ist gegen die hiesige Beschwerdeentscheidung nicht gegeben, da sie im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangen ist.