LAG Schleswig-Holstein: Betriebsänderung bei Einführung eines standardisierten Verbesserungsverfahrens
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.1.2014 - 3 TaBV 38/13
Amtliche Leitsätze
1. Die werksweite Einführung eines standardisierten, in Phasen aufeinander aufbauenden Verbesserungsverfahrens, das die systematische Steigerung der Effektivität und Produktivität zum Ziel hat, kann eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Ziff. 5 BetrVG darstellen.
2. Auch wenn zu Beginn der Einführung eines derartigen Verfahrens iSd § 111 Satz 3 Ziff. 5 BetrVG mangels Vorliegens von Auswertungsergebnissen noch keine konkreten wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Beschäftigten geplant sind, ist ein Sozialplan in der Einigungsstelle erzwingbar. Das gilt jedenfalls nach Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen.
3. Es reicht aus, dass die in dem erzwingbaren Sozialplan als ausgleichsfähig geregelten Nachteile gerade objektiv durch diese Betriebsänderung möglicherweise verursacht werden.
4. Zur Wirtschaftlichkeitsprüfung bei aktuell - noch - nicht feststellbarem Sozialplanvolumen.
Sachverhalt
A.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommenen Sozialplanes vom 10.01.2013.
Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist ein Tochterunternehmen des weltweit agierenden in den U... ansässigen H...- Konzerns. An ihrem Betriebssitz in G... stellt sie Scheibenbremsbeläge für PKW, Nutzfahrzeuge und Schienenfahrzeuge, Industriereib-Beläge, Reibwerkstoffe aus Sintermetall sowie Handbremsbacken her. Im Betrieb in G... sind zurzeit ca. 964 Mitarbeiter beschäftigt. Antragsgegner ist der im Betrieb in G... gebildete Betriebsrat.
Die Beteiligten verhandeln seit Oktober 2006 über die Einführung und Anwendung des H... Operating System (HOS) im Betrieb der Antragstellerin in G.... Bei HOS handelt es sich um ein mehrstufiges Verfahren zur umfassenden Verbesserung des Produktionsstandortes und zur Steigerung der Produktivität. Dabei wird eine Verbesserung aller für die Leistungsfähigkeit eines Standortes maßgeblichen Kennzahlen angestrebt. Zielvorgaben von HOS sind: a) die Steigerung der Qualität und Fehlerreduzierung; b) die Unfallvermeidung durch Erhöhung der Sicherheit; c) Steigerung der Lieferpünktlichkeit; d) Verbesserung der Lagerhaltung und e) Aufstellung von betriebswirtschaftlichen Vorgaben mittels OPE (Effektivitätsberechnung für jeden Bereich und jeden Mitarbeiter pro Stunde).
Die Einführung und gleichzeitige Anwendung von HOS richtet sich konzernweit nach einem standardisierten Verfahren, das in fünf aufeinander aufbauende Phasen untergliedert ist.
„Phase 1 - Organisatorische Bereitschaft" beinhaltet u.a. die Vorbereitung auf die Einführung von HOS (u.a. Festlegung von Verantwortlichkeiten und Führungsteams, Schulung von Führungskräften, Erarbeitung von Kommunikationsstrukturen).
„Phase 2 - Grundlagen und Planung" beinhaltet u.a. den Start der Umsetzung des HOS in Form der Grundlagenanalyse, Bestandsaufnahme der Lieferkette, Organisation und Prozessabläufe, Entwicklung eines Konzepts zur Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse, Einrichtung von Verbesserungsteams, Entwicklung von Schulungsplänen.
„Phase 3 - Lernen durch Beobachtung und Stabilisierung" beinhaltet u.a. die Schulung der Führungstruppe, Schaffung und Instandhaltung eines organisierten und sauberen Arbeitsumfeldes, Entwicklung standardisierter Arbeitsabläufe mithilfe von Arbeitsblättern (SOS), die Vorgaben für die Reihenfolge der Erledigungsschritte einschließlich Zeitangaben enthalten.
„Phase 4 - Verbesserung der Arbeitsprozesse": Hier erfolgt u.a. die Umsetzung der substantiellen Erstverbesserungen einschließlich der standardisierten Abläufe. Auf der Grundlage einer internen Auswertung der ermittelten standardisierten Arbeits- und Produktionsabläufe werden Kennzahlen erstellt (SCS), die das Hauptverfahren, Zeit, Maschinen- und Mitarbeiterauslastung betreffen. In diesem Zusammenhang wird u.a. am jeweiligen Arbeitsplatz die für jeden notwendigen Arbeitsschritt aufgewendete Zeit gestoppt. Außerdem wird auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse ein System (TPS) zur Erreichung höchstmöglicher Maschinenverfügbarkeit implementiert.
„Phase 5 - Streben nach Qualität" dient der Langzeiterprobung der zuvor entwickelten Arbeitsprozesse sowie der Vertiefung und des Ausbaus der erlernten Techniken zur Prozessbeobachtung und -verbesserung. Die Langzeiterprobung ist eingeteilt in verschiedene Stadien von Bronze (solide Ausgereiftheit) bis Gold.
Hinsichtlich der Einzelheiten des HOS wird auf die Anlage Ast1 - Bl. 84 f d. A -. und Seite 4 f des Antragsschriftsatzes (Bl. 70 f d. A.) verwiesen.
Im Rahmen der 2006 begonnenen Interessenausgleichsverhandlungen zur Einführung des HOS schlossen die Beteiligten am 18. April 2008 innerhalb der Einigungsstelle einen Teilinteressenausgleich HOS über die Umsetzung der ersten drei Phasen in bestimmten ausgewählten Bereichen (Anlage ASt 2, Bl. 86 - 102 d. A.). Am 20. Juni 2011 verständigten sie sich in einer weiteren Betriebsvereinbarung HOS darauf, dass die Phasen 1 bis 3 werksweit in Angriff genommen werden sollten (Anlage ASt 3, Bl. 103 - 108 d. A.). Seitdem verhandelten die Beteiligten in der Einigungsstelle über einen Interessenausgleich über die werksweite Einführung bzw. Umsetzung aller fünf Phasen, die letztendlich u.a. scheiterten, weil der Betriebsrat Regelungen zum Ausgleich möglicher Nachteile (z.B. einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen) sowie die Aufstellung eines Sozialplans begehrte, die Arbeitgeberin aber stets betonte, dass den Mitarbeitern durch die Einführung von HOS keine unmittelbaren wirtschaftlichen Nachteile entstünden. Der Vorsitzende der Einigungsstelle unterbreitete zuletzt unter dem 20. Dezember 2012 den Entwurf eines Spruchs der Einigungsstelle zum Sozialplan. Schließlich beschloss die Einigungsstelle am 10.01.2013 mit der Stimme des Vorsitzenden und der Beisitzer des Betriebsrats die „Betriebsvereinbarung HOS - wirtschaftliche Nachteile" (Anlage ASt 6, Bl. 124 - 128 d. A.). Im Laufe dieses Verfahrens schlossen die Betriebsparteien schließlich am 10.12.2013 eine freiwillige Betriebsvereinbarung über die werksweite Anwendung aller fünf Phasen von HOS. Darin heißt es unter anderem, dass den Mitarbeitern durch die Einführung und Anwendung von HOS keine Nachteile entstehen „sollen".
Beide Beteiligten sind sich darüber einig, dass die wirtschaftliche Dimension des Sozialplans bis dato nicht greifbar ist.
Der Sozialplan enthält folgende Regelungen:
„1. Geltungsbereich
1.1.
Diese Betriebsvereinbarung wird zur Regelung der möglichen wirtschaftlichen Folgen für folgende geplante und zum Teil schon durchgeführte Maßnahmen geschlossen.
Die Arbeitgeberin führt das H... Operating System (HOS) ein. HOS beinhaltet Instrumente und Lean-Methoden, um Arbeitsabläufe und Routinen zu strukturieren, zu vereinheitlichen und zu optimieren sowie Fertigungsprozesse anschaulich zu beschreiben und Kennzahlen festzulegen. ....
1.2
Die Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebs mit Ausnahme der Leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG.
2. Betriebsbedingte Beendigungen von Arbeitsverhältnissen
Erfolgen betriebsbedingte Beendigungen von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder den Abschluss von Aufhebungsverträgen, haben betroffene Beschäftigte Anspruch auf Abfindungen nach den nachstehenden Regeln, es sei denn, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch das „HOS" verursacht wurde.
2.1 Abfindungsformel
Die Höhe der Abfindung berechnet sich wie folgt:
Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatseinkommen
2.2 Grundbetrag und Mindestbetrag
Zuzüglich zur obigen Formel wird ein Grundbetrag gezahlt in Abhängigkeit von der Betriebszugehörigkeit:
bis zu drei Jahren | € 2.700,00 |
über drei bis fünf Jahren | € 3.500,00 |
und von über fünf Jahren | €4.500,00 |
Der Mindestabfindungsbetrag nach Ziff. 2.1 und 2.2 beträgt | € 10.000,00 |
2.3 Leistungen für Sondergruppen
Schwerbehinderte oder Gleichgestellte erhalten einen Betrag von € 10.225,84.
Für jede gegenüber dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin unterhaltsberechtigte Person wird ein wie folgt gestaffelter Betrag gezahlt:
für die 1. Person | € 3.800,00 |
für die 2. Person | € 3.000,00 |
für die 3. Person und jede weitere Person | € 2.500,00 |
2.4 Abfindung und Multiplikator
Die sich nach den Ziff. 2.1 bis 2.3 ergebende Abfindungssumme wird mit 1,075 multipliziert.
2.5 Definition Bruttomonatseinkommen
2.6 Definition Betriebszugehörigkeit
2.7 Vollzeit/ Teilzeit
2.8.
..... (Begrenzung Regelaltersgrenze)
3 Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Kündigungsfrist
4. Wegfall von Arbeitsplätzen, Qualifizierung und Versetzungen
4.1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz aus betrieblichen Gründen wechseln, erhalten für die Dauer von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Wechsels mindestens ihre bisherige Bruttovergütung (im Sinne des Bruttoeinkommens der letzten zwölf Monate als Jahreseinkommen).
4.2 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die aus betrieblichen Gründen abgruppiert werden, erhalten für die Dauer von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Wechsels die Differenz zwischen ihrer bisherigen und ihrer neuen monatlichen Vergütung als tarifdynamische persönliche Zulage vergütet. Diese wird nicht gegen andere Einkommensbestandteile gegengerechnet.
... -
4.3 Die Ansprüche aus Ziffern 5.1 und 5.2 bestehen nicht, wenn der Arbeitsplatzwechsel bzw. die Herabgruppierung nicht durch die Maßnahmen nach der Betriebsvereinbarung „HOS" verursacht worden ist.
5. Schlussbestimmungen
Diese Betriebsvereinbarung tritt am 1. Februar 2013 in Kraft.
Die vorstehenden Regelungen gelten bis zum Erreichen des „Goldstatus" plus zwei Jahre nach SIF, längstens jedoch für die Maßnahmen, die bis zum 31.12.2020 eingeleitet worden sind.
Die Arbeitgeberin kann die Regelungen der Ziffern 2 und 4 kündigen, wenn bei ihrer Anwendung wegen des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen der Fortbestand des Unternehmens oder Arbeitsplätze des Betriebs gefährdet würden. Im Falle einer solchen Kündigung ist mit dem Betriebsrat eine Neuregelung für den Bereich der Ziffern 2 und 4 zu vereinbaren. Im Fall der Nicht-Einigung gilt das gesetzliche Verfahren.
(Anlage Ast. 6 - Bl. 124 - 128 d.A.)
Die Arbeitgeberin hat in der Zeit zwischen 1994 und dem 29. Juni 2011 acht teilweise erzwungene, teilweise freiwillige Sozialpläne aufgestellt. An deren Inhalt vor allem auch bezüglich der wirtschaftlichen Größenordnung des Faktors hat sich der Spruch der Einigungsstelle orientiert. Auf die Anlagen B1 bis B8 (Bl. 168 bis 198 d. A.) wird verwiesen. Die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin war zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Einigungsstelle über Jahre hinweg konstant und stabil. Ausgewiesen ist stets ein Defizit. Im Jahre 2013 ist die Zahl der Aufträge und der Auslieferung deutlich gestiegen. Diese Tendenz ist auch 2014 anhaltend.
Der durch Spruch entstandene Sozialplan wurde der Arbeitgeberin mit Begründung am 15. Januar 2013 zugestellt (Anlage ASt 7, Bl. 129 d. A.). Mit ihrem am 29.01.2013 beim Arbeitsgericht Lübeck eingegangenen Antrag hat sie geltend gemacht, der Spruch der Einigungsstelle sei rechtswidrig und ermessensfehlerhaft.
Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bestehe mangels konkret feststellbarer oder absehbarer Nachteile für die Mitarbeiter nicht. Versetzungen oder Entlassungen aus Anlass von HOS seien gegenwärtig weder absehbar noch geplant. Außerdem sei das Ermessen fehlerhaft gebraucht worden, da ohne konkrete Anhaltspunkte für feststehende oder zu erwartende wirtschaftliche Nachteile abstrakt und damit ohne Volumenfestlegung und -begrenzung Sozialplanansprüche normiert worden seien.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 10. Januar 2013 mit dem Gegenstand „ Betriebsvereinbarung HOS - wirtschaftliche Nachteile" unwirksam ist.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, der Einigungsstellenspruch sei wirksam. Die Ergebnisse der verschiedenen Phasen von HOS mündeten in Veränderungen im Betrieb, in der Organisation und an den Arbeitsplätzen der Beschäftigten. Es handele sich gerade um einen gezielten Veränderungsprozess in mehreren Schritten, so dass die Mitarbeiter am Tage der Einführung noch keine unmittelbaren Nachteile erlitten. Diese seien aber - abstrakt - vorhersehbar, da gerade eine Standardisierung sowie Effektivitäts- und Produktivitätssteigerung gewollt sei. Damit würden zumindest Teile der Arbeitsleistung frei, was zu Kündigungen oder Versetzungen zwecks Effektivierung führen könne. Auch würden Handlungsspielräume durch die Standardisierung eingegrenzt, was oftmals Verschiebungen der Wertigkeit der Arbeitsleistung nach sich ziehe. Das gelte es abzusichern, falls derartige durch HOS verursachte Nachteile tatsächlich entstehen.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 26.06.2013 die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs festgestellt. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, die Einigungsstelle habe mit ihrem Spruch vom 13.01.2013 ihre Regelungskompetenz überschritten und den Rahmen des eingeräumten Ermessens nicht eingehalten. Regelungsgegenstand der gegenwärtigen Betriebsänderung sei nur die Einführung von HOS nicht aber die Umsetzung der sich daraus ergebenden Verbesserungspotentiale. Derzeit seien jedenfalls keine konkreten Anhaltspunkte für etwaige aus der Betriebsänderung „Einführung von HOS" folgende wirtschaftliche Nachteile ersichtlich, vielmehr nur rein hypothetisch. Es fehle daher im gegenwärtigen Stadium der Einführung bereits die für einen erzwingbaren Sozialplan notwendige Kausalität. Außerdem liege eine Ermessensüberschreitung vor, weil der Spruch der Einigungsstelle entgegen den Erfordernissen des § 112 Abs. 5 BetrVG keine konkrete Prognose aufgestellt habe, welche Bereiche mit welchen Folgen betroffen seien und welche Aussichten etwaige betroffene Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt hätten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts verwiesen.
Gegen diese dem Betriebsrat am 05.07.2013 zugestellte Entscheidung hat er am 05.08.2013 Beschwerde eingelegt, die er innerhalb der verlängerten Frist begründet hat.
Er ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Die Betriebsänderung „Einführung von HOS" umfasse zwingend auch die späteren Auswirkungen. Das liege bereits an der Art des Systems HOS, das einen Analyseteil und einen Veränderungsteil sowie die auswertende Aufstellung von Vorgabekennzahlen für die Arbeitsprozesse und deren anschließende Umsetzung der Erkenntnisse in Form der Erprobung habe. Die derzeitige Nichterkennbarkeit von Nachteilen liege im System HOS und im Fehlen des Interessenausgleichs, in dem die Arbeitgeberin gerade nicht habe regeln wollen, dass das, was auf die Arbeitnehmer zukomme, für diese keine Nachteile haben werde. Bei einer Betriebsänderung nach § 111 Satz 3 Ziff. 3 und 4 BetrVG werde das Vorliegen von Nachteilen fingiert. Der Abschluss eines Sozialplans setze bei diesen Fallkonstellationen gerade nicht das feststehende Entstehen von Nachteilen voraus, sondern nur das Vorhandensein entsprechender naheliegender Fallkonstellationen. Anderenfalls könne der Arbeitgeber bei gescheiterten Interessenausgleichsverhandlungen die Betriebsänderung umsetzen wie er wolle, ohne für entstehende Nachteile einen Ausgleich nach §§ 112, 112 a BetrVG oder nach § 113 BetrVG gewähren zu müssen. Der Sozialplan überschreite auch nicht die Grenzen des Ermessens. Da noch nicht bekannt sei, welche Arbeitnehmer betroffen sein werden, sei eine Pauschalierung notwendig gewesen. Die Regelungen seien auch betriebsüblich und würden ausweislich anderer existenter Sozialpläne im Betrieb der Arbeitgeberin seit langem vergleichbar praktiziert. Konkretere Regelungen seien nicht möglich gewesen. Die notwendige Kausalität sei nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Sozialplans dadurch gewährleistet worden, dass Ansprüche aus dem Sozialplan nur bestünden, wenn es für sie zu nachteiligen Veränderungen komme, die durch HOS verursacht worden sind.
Der Betriebsrat beantragt,
in Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Lübeck vom 26.06.2013 im Verfahren 5 BV 9/13 den Antrag der Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde des Beteiligten zu 2 zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht für zutreffend.
Sie bleibt bei ihrer Ansicht, durch die Einführung des H.O.S. entstünden nach dem gegenwärtigen Stand den im Betrieb der Antragstellerin in G... beschäftigten Mitarbeitern keinerlei unmittelbare wirtschaftliche Nachteile, die in einem Sozialplan ausgeglichen bzw. gemildert werden müssten. Insbesondere sei im Zuge von HOS nicht geplant, Mitarbeiter zu entlassen oder zu versetzen. Dies bestätigten auch die Erfahrungen an anderen Standorten des H...-Konzerns, an denen H.O.S. bereits eingeführt und angewendet werde. Sie hätten zu keinen Kündigungen geführt. Selbst wenn man der Argumentation des Antragsgegners folgen würde und unterstellte, dass es durch die mit HOS angestrebte Prozess- und Arbeitsablaufverbesserung in der Zukunft evtl. irgendwann einmal zu einem Arbeitsplatzabbau kommen solle, seien solche mittelbaren Folgen im jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal im Ansatz absehbar, beruhten dann vielmehr auf einer neuen unternehmerischen Entscheidung, die ggf. gesondert interessenausgleichs- und sozialplanpflichtig wäre. Auf die Einführung von HOS beruhende wirtschaftliche Nachteile der Mitarbeiter seien nicht ersichtlich. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass es zu derartigen Folgen kommen könne, genüge für die Bejahung der Regelungskompetenz der Einigungsstelle gerade nicht. Solche Maßnahmen könnten nur dann als Bestandteil bzw. spezifische Folge der Einführung des HOS angesehen und zum Gegenstand ein- und desselben Sozialplans gemacht werden, wenn es ein einheitliches Gesamtkonzept gebe, das die Einführung von HOS und als Folge einen künftigen Personalabbau beinhalte. Das sei aber gerade nicht der Fall. Sofern mit dem Spruch der Einigungsstelle vom 10. Januar 2013 bereits jetzt ein Ausgleich für etwaige künftige Maßnahmen geschaffen werden solle, sei dies als unzulässiger Vorrats- oder Rahmensozialplan unwirksam. Darüber hinaus erweise sich der Spruch der Einigungsstelle als ermessensfehlerhaft. Die Einigungsstelle habe sich vorliegend nicht von den gesetzlich vorgeschriebenen Grundsätzen der Ermessensausübung leiten lassen, indem sie nicht die Gegebenheiten des Einzelfalls betrachtet habe. Weiterhin sei es der Einigungsstelle unmöglich gewesen, schon jetzt zu beurteilen, ob das künftig möglicherweise anfallende Sozialplanvolumen den Fortbestand des Unternehmens oder die Durchführung der betriebsändernden Maßnahme im Unternehmen gefährde. Weder die finanzielle Lage des Unternehmens im Zeitpunkt der Realisierung etwaiger Sozialplanansprüche noch deren Umfang seien auch nur im Ansatz vorhersehbar. Des Weiteren erweise sich der Sozialplan auch im Hinblick auf die Abfindungsformel, die Laufzeit und die Beweislastregelung in Ziffer 2. und Ziffer 4.3 als unverhältnismäßig.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Aus den Gründen
B.
Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig und begründet. Die Einigungsstelle hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 10.01.2013 ihre sich aus § 76 Abs. 5 Satz 3 und Satz 4 BetrVG in Verbindung mit § 112 Abs. 5 BetrVG ergebende Regelungskompetenz nicht überschritten und auch nicht außerhalb des ihr gesetzlich eingeräumten Ermessens gehandelt. Der Spruch zur „Betriebsvereinbarung H.O.S. - wirtschaftliche Nachteile" vom 10. Januar 2013 ist wirksam. Die Einigungsstelle war funktionell zuständig. Die Bemessung des Sozialplanvolumens ist nicht ermessensfehlerhaft. Die Regelungen des Sozialplans werden dessen Funktion als Ausgleich oder Milderung wirtschaftlicher Nachteile der Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer gerecht.
I. Die Beschwerde ist statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 Satz 2, 89 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG).
II. Die Beschwerde des Betriebsrats ist begründet. Der Spruch der Einigungsstelle ist wirksam.
1. Der Feststellungsantrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse liegt vor.
Streiten die Betriebsparteien über die Rechtswirksamkeit eines Spruchs der Einigungsstelle ist die Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses der Einigungsstelle zu beantragen. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs besteht, soweit und solange diesem ein betriebsverfassungsrechtlicher Konflikt zugrunde liegt und dieser fortbesteht. (BAG vom 23.02.2010 - 1 ABR 65/08, zitiert nach Juris, Rn. 17).
Der von der Einigungsstelle am 10. Januar 2013 beschlossene Sozialplan entfaltet unter Berücksichtigung der geregelten Laufzeit und des Inhalts der Regelung der Betriebsvereinbarung ausschließlich Wirkungen für die Zukunft. Diese Rechtswirkungen bestehen, solange die Antragstellerin das HOS einführt und aufgrund der getroffenen Beweislastregelung auch noch darüber hinaus.
2. Die Arbeitgeberin hat die Feststellung, dass der Sozialplan unwirksam ist, fristgemäß innerhalb der Zweiwochenfrist des § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG im Beschlussverfahren geltend gemacht. Sie ist daher mit dem Vorbringen eines Ermessensverstoßes nicht ausgeschlossen.
3. Der Antrag der Arbeitgeberin auf Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vom 10.01.2013 ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts war daher abzuändern.
a) Der Spruch der Einigungsstelle unterliegt in vollem Umfang der arbeitsgerichtlichen Rechtskontrolle. Diese umfasst u. a. die Beachtung der Kompetenz der Einigungsstelle, wenn diese gegen den Willen eines der Betriebspartner eine verbindliche Entscheidung trifft (BAG vom 25.01.2000 - 1 ABR 1/99 - zitiert nach Juris, Rn. 29).
b) Die Einigungsstelle war zur Aufstellung eines Sozialplans zuständig. Der Sozialplan „HOS- wirtschaftliche Nachteile" war erzwingbar. Die Arbeitgeberin hat eine Betriebsänderung in Form der grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation und der Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren i.S.d. § 111 Satz 3 Ziffer 4 und Ziffer 5 BetrVG vorgenommen.
aa) Die Einführung und Anwendung der 5 Phasen des HOS stellt eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Ziffer 4 und Ziffer 5 BetrVG dar.
(1) Nach § 111 Satz 1 BetrVG hat der Unternehmer mit dem Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft haben können, zu beraten.
(2) Gem. § 111 Satz 3 Ziff. 4 BetrVG gelten grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen als Betriebsänderung.
Eine Änderung der Betriebsorganisation liegt vor, wenn der Betriebsaufbau, insbesondere hinsichtlich Zuständigkeiten und Verantwortung, umgewandelt wird (BAG vom 18.3.2008 - 1 ABR 77/06 - Juris, Rz. 22 m.w.N., vgl. Fitting § 111 Rn. 92; Richardi-Annuß, Kom. zum BetrVG, 14. Auflage, Rz. 108 ff). Betriebsanlagen sind Gegenstände des Betriebes, die nicht zur Veräußerung bestimmt sind, sondern den arbeitstechnischen Produktions- und Leistungsprozess gestalten (Fitting, Rz. 94 zu § 111 BetrVG; Richardi - Annuß, Rz. 114 zu § 111 BetrVG, m.w.N.)
Grundlegend ist die Änderung, wenn sie sich auf den Betriebsablauf in erheblicher Weise auswirkt. Maßgeblich dafür ist der Grad der Veränderung (vgl. BAG vom 18.11.2003 - 1 AZR 637/02). Es kommt entscheidend darauf an, ob die Änderung einschneidende Auswirkungen auf den Betriebsablauf, die Arbeitsweise oder die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer hat. Die Änderung muss in ihrer Gesamtschau von erheblicher Bedeutung für den gesamten Betriebsablauf sein (BAG vom 18.3.2008 - 1 ABR 77/06 - Juris Rz. 22; Fitting § 111 Rn. 95; Richardi-Annuß, Kom. zum BetrVG, 14. Auflage, Rz. 118).
(3) Die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren gilt gem. § 111 Satz 3 Ziff. 5 BetrVG ebenfalls als Betriebsänderung. Unter Arbeitsmethode versteht man die Art und Weise, wie die menschliche Arbeit zur Erfüllung des Betriebszwecks arbeitstechnisch eingesetzt wird. Der Begriff erfasst auch die organisatorische Gestaltung für die Erbringung der Arbeit, z.B. die Einführung von Gruppenarbeit. Es werden alle Rationalisierungsmaßnahmen erfasst, soweit sie sich auf den Arbeitsablauf auswirken. Unter Fertigungsverfahren sind die Fabrikationsmethoden zu verstehen (vgl. Fitting, Rz. 97 ff zu § 111 BetrVG; Richardi - Annuß, Rz. 119 ff zu § 111 BetrVG, m.w.N.; GK-BetrVG - Oetker, Rz. 167 zu § 111).
Es muss sich um grundlegend neue Arbeits- oder Fertigungsmethoden handeln. Die laufende Verbesserung, die in jedem Betrieb eine Rolle spielt, scheidet aus. Es muss vielmehr eine andere Methode an Stelle der bisherigen treten. „Grundlegend" ist qualitativ zu betrachten, kann sich aber auch aus der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer ergeben (Fitting, Rz. 100 f ff zu § 111 BetrVG; Richardi - Annuß, Rz. 123 zu § 111 BetrVG, m.w.N.; GK-BetrVG - Oetker, § 111, Rz. 127).
(4) Die Änderung der Betriebsanlagen steht in engem Zusammenhang mit der in § 111 Satz 3 Ziff. 5 BetrVG genannten Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren. Während in Ziffer 4 die sächlichen Arbeitsmittel im Vordergrund stehen, geht es in Ziffer 5 mehr darum, wie die menschliche Arbeitskraft zur Verfolgung des arbeitstechnischen Zwecks eingesetzt wird (vgl. Fitting, Rz. 97 zu § 111 BetrVG; Richardi - Annuß, Rz. 117 zu § 111 BetrVG, m.w.N.).
(5) HOS ist eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Ziff. 4 BetrVG und auch im Sinne des § 111 Satz 3 Ziff. 5 BetrVG. Mit HOS beabsichtigt die Arbeitgeberin eine werksweite Änderung der Arbeitsmethoden und des Fertigungsverfahrens. Gleichzeitig stellt HOS ein Verfahren zur grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation im Sinne des § 111 Satz 3 Ziff. 4 BetrVG dar. Die Arbeitsweise und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und damit die Betriebsorganisation sollen mit diesem System in aufeinander aufbauenden Phasen strukturiert geändert werden. Aus der in Anfangsphasen erarbeiteten Bestandsaufnahme ist eine Änderung der Betriebsorganisation angestrebt. Das Arbeitsumfeld soll besser organisiert werden. Die Arbeitsabläufe sowie die Maschinen- und Mitarbeiterauslastung sollen nach einer zuvor erfolgten Bestandsaufnahme analysiert und dann mittels zu entwickelnder Arbeitsblätter (SOS) und Zeitvorgaben werksweit standardisiert werden. Die Arbeitsabläufe sollen dann nachhaltig und systematisch mit Hilfe von HOS u.a. nach Erfassung der aufgewendeten Zeit pro Arbeitsvorgang und der Leerlaufzeiten, rationalisiert und effektiver, damit auch produktiver gestaltet werden. HOS ist ein seit 2008 begonnener grundlegender, organisierter Prozess, der mehr als 900 Mitarbeiter betrifft. Der gesamte Standort G... wird mittels HOS auf seine Effektivität überprüft und soll mittels neu festgelegter Kennzahlen (SCS) in Bezug auf Zeit, Arbeitsumfeld Maschinen- und Mitarbeiterauslastung mit gesteigerter Produktivität die Aufträge abarbeiten.
Mittels HOS soll auch die bisherige Arbeitsorganisation nachhaltig geändert werden. Die bisherige freie Gestaltung der Arbeitsabläufe und des Arbeitsumfelds wird unter HOS abgeschafft. Ein System TPS wird zudem für die Maschinenverfügbarkeit implementiert.
Die Einführung und Anwendung des HOS erfüllt also die Voraussetzungen des § 111 Satz 3 Ziff. 4 und Ziff. 5 BetrVG. Sie gilt als Betriebsänderung, die die Beteiligungspflicht des Betriebsrats gem. §§ 111, 112 BetrVG auslöst.
bb) Liegt einer der Tatbestände des § 111 Satz 3 BetrVG vor, ist nicht mehr zu prüfen, ob nachteilige Folgen für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zu erwarten sind (BAG vom 09.11.2010, a.a.O.). Bei § 111Satz 3 Ziffer 4 und Ziffer 5 BetrVG wird unterstellt, dass es sich bei der geplanten Betriebsänderung um solche Veränderungen handelt, die „wesentliche Nachteile" für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können. Die Entstehung wesentlicher Nachteile wird fingiert. Das löst die Unterrichtungs- und Beratungspflicht des Arbeitgebers nach §§ 111, 112 BetrVG aus. Der Arbeitgeber muss in Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen eintreten.
Voraussetzung für die Aufstellung eines Sozialplans ist das Vorliegen einer Betriebsänderung und das Entstehen von ausgleichsfähigen Nachteilen. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach den §§ 111, 112 BetrVG entfallen nicht deshalb, weil die konkrete Betriebsänderung im Einzelfalle solche wesentlichen Nachteile nicht befürchten lässt. Dem Verlangen des Betriebsrats nach Abschluss eines Sozialplans steht daher nicht entgegen, dass nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin wesentliche Nachteile für erhebliche Teile der Belegschaft nicht zu befürchten sind. Hierauf kommt es nicht an. Ob ausgleichs- oder milderungswürdige Nachteile entstehen oder entstanden sind, ist bei der Aufstellung des Sozialplans zu prüfen und notfalls von der Einigungsstelle nach billigem Ermessen zu entscheiden (BAG vom 17.08.1982 - 1 ABR 40/80 - juris, LS 2 und Rz. 25 f ; BAG vom 25.01.2000 - 1 ABR 1/99 - Rz. 34/ BAG vom 09.11,2010 - 1 AZR 708/09 - Rz. 13). Dass tatsächlich Nachteile für die Mitarbeiter entstehen oder entstanden sind, ist nicht erforderlich (BAG vom 25.01.2000 - 1 ABR 1/99, Rz. 34; BAG vom 17.08.1982, 1 ABR 40/80 - juris, Rz. 25).
Es reicht bereits die Möglichkeit des Entstehens von Nachteilen aus. Daher kann der Abschluss eines Sozialplans nicht mit der Begründung verweigert werden, es würden keine Nachteile entstehen (Schaub - Koch, Arbeitsrechtshandbuch, 15. Aufl. Rz. 44 zu § 244).
In Bezug auf HOS wird hier fingiert, dass aufgrund der Einführung und Anwendung der 5 Phasen von HOS wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile derselben eintreten können. Es musste entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin und des Arbeitsgerichts ein Sozialplan aufgestellt werden - mit welchem Inhalt auch immer.
cc) Die Einigungsstelle hat ihre Regelungskompetenz nicht überschritten. Sie ist zu Recht davon ausgegangen, die Einführung und Anwendung von HOS lasse auszugleichende Nachteile erwarten. Die Auffassung der Arbeitgeberin, die notwendige Ursächlichkeit zwischen der Einführung von HOS und etwaigen künftigen, derzeit nicht geplanten konkreten personellen Auswirkungen auf die Belegschaft fehle, ist unzutreffend. Der Ansatzpunkt der Arbeitgeberin ist falsch.
(1) Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin ist der Einigungsstellenspruch nicht schon deshalb unwirksam, weil die Frage, ob ausgleichspflichtige Nachteile entstehen, nur Gegenstand eines Interessenausgleichs - der hier gescheitert ist - sein könnte.
(1.1) Im Interessenausgleich geht es darum, ob, wann und in welcher Form die vorgesehene unternehmerische Maßnahme durchgeführt werden soll (§ 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG; ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 323/83 -, BAGE 49, 160, 165 = AP Nr. 13 zu § 113 BetrVG 1972, zu I 3 der Gründe, mit weiteren Nachweisen). Der Interessenausgleich kann vorsehen, dass der Arbeitgeber bei der Betriebsänderung keine Maßnahmen ergreift oder personelle Einzelmaßnahmen durchführt oder notwendige personelle Maßnahmen so durchführt, dass für die betroffenen Arbeitnehmer kein wirtschaftlicher Nachteil eintritt. Der Interessenausgleich verhindert dann die Nachteile. Solche Maßnahmen können aber nicht in einem erzwingbaren Sozialplan geregelt werden (Richardi, Rz. 21 zu § 112; vgl. auch BAG vom 17.09.1991 - 1 ABR 23/91 - Rz. 21). Der Sozialplan, über den die Einigungsstelle nach § 112 Abs. 4 BetrVG verbindlich entscheiden kann, knüpft daran an und prüft das Vorliegen etwaiger dann noch entstehender wirtschaftlicher Nachteile. Ein solcher, die schonungsvolle Durchführung der Betriebsänderung zusagender Interessenausgleich ist hier aber gerade nicht zustande gekommen.
(1.2) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Annahme der Arbeitgeberin auch nicht aus der Tatsache, dass die Betriebsparteien am 10.12.2013 eine freiwillige Betriebsvereinbarung über die werksweite Anwendung aller 5 Phasen von HOS abgeschlossen und geregelt haben, dass durch die werksweite Einführung und Anwendung keine Nachteile entstehen „sollen".
Bei der Überprüfung des Einigungsstellenspruchs durch die Arbeitsgerichte ist auf die bei der Aufstellung des Sozialplans vorhandenen Umstände abzustellen (BAG vom 25.1.2000 - 1 ABR 1/99 - Rz. 36; Fitting, Rz. 105 zu § 76 BetrVG). Welche Entwicklungen später eintreten, ist daher unbeachtlich, da zum Zeitpunkt des Einigungsstellenspruchs nicht vorhersehbar. Ungeachtet dessen stellt die im Dezember 2013 getroffene Regelung über Nachteile gerade keine verpflichtende Zusage der Arbeitgeberin dar, dass sie keine personellen Maßnahmen aus Anlass der Einführung und Anwendung von HOS ergreifen wird. Mit der Sollvorschrift wurde nur eine Absichtserklärung aufgenommen. Sie ist gerade nicht zwingend.
(1.3) Damit ist die Durchführung der Betriebsänderung „Einführung von HOS" in jeder Hinsicht offen für die Verursachung von Nachteilen für die betroffene Belegschaft, die HOS anwenden und umsetzen muss. HOS beinhaltet konkrete Instrumente und Rationalisierungsmethoden, um zu optimieren und Produktivitätsvorgaben festzulegen. Davon geht auch der Spruch der Einigungsstelle bei dem Sozialplan aus.
(2) Da die Voraussetzungen des § 111 Satz 3 Ziffer 4 und 5 BetrVG vorliegen, musste hier die Arbeitgeberin in Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen eintreten. Die Interessenausgleichsverhandlungen sind in der Einigungsstelle letztendlich im Dezember 2012/ Januar 2013 für gescheitert erklärt worden. Das hat zur notwendigen Folge, dass die Einigungsstelle einen Sozialplan zu beschließen hatte - mit welchem Inhalt auch immer. Die gegenteilige Ansicht der Arbeitgeberin und des Arbeitsgerichts ist fehlerhaft. Anderenfalls liefe die Fiktion des § 111 Satz 3 BetrVG leer. Die Einigungsstelle hat grundsätzlich erst entschieden, wenn sie Regelungen getroffen hat, die den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer mit normativer Wirkung gem. § 77 Abs. 4 BetrVG Wirkung festlegen (BAG vom 26.05.2009 - 1 ABR 12/08 - Rz.16). In der Einigungsstelle ist im Rahmen der Vereinbarung eines Sozialplans bzw. ggf. im Spruch festzulegen, welche Nachteile auszugleichen sind oder ob ggf. ein sog. Null-Sozialplan aufzustellen ist. Die Einigungsstelle muss daher ggf. beschließen, dass keine mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile vorliegen oder die mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile der Arbeitnehmer zu keinerlei Leistungsverpflichtungen für die Arbeitgeberin führen (BAG vom 26.05.2009 - 1 ABR 12/08 - juris, Rz.18).
(3) Es kommt nicht darauf an, ob bei Vorliegen einer geplanten Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Ziffer 4 und Ziffer 5 BetrVG bereits spätestens zum Zeitpunkt des Spruchs der Einigungsstelle konkrete Nachteile existieren bzw. spezifiziert in die Betriebsänderung eingeplant oder gar eingetreten sind. Die im erzwingbaren Sozialplan als ausgleichsfähig geregelten Nachteile müssen nur objektiv gerade von der geplanten Betriebsänderung verursacht worden sein bzw. verursacht werden. Deren tatsächliches Entstehen ist nicht Voraussetzung für die Bejahung einer Regelungskompetenz der Einigungsstelle. Deren tatsächliches Entstehen ist vielmehr nur Voraussetzung für das Vorliegen eines Anspruchs des betroffenen Arbeitnehmers. Die unternehmerischen Planungen und Entscheidungen in Bezug auf eine Betriebsänderung, die die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach §§ 111, 112 BetrVG auslösen, sind nicht gleichzusetzen mit der unternehmerischen Entscheidung für die individuelle personelle Maßnahme nach §§ 99, 102 BetrVG.
(4) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der BAG-Entscheidung vom 10.12.1996 - 1 ABR 32/96, wie die Arbeitgeberin meint. Die Erzwingbarkeit eines Sozialplans hängt gerade nicht davon ab, ob tatsächlich Nachteile entstanden sind. Das angeführte Zitat ist zwar korrekt (Rz. 26), darf aber nicht nur im Wortlaut und losgelöst vom Gesamtzusammenhang angewendet werden. In der BAG-Entscheidung ging es um die Ursächlichkeit zwischen Betriebsänderung und Nachteilen, nicht um den Zeitpunkt der Entstehung der Nachteile. Der Betriebsrat ist nach Wortlaut, Sinn und Zweck der §§ 111, 112 BetrVG zu beteiligen, wenn eine Betriebsänderung geplant, aber noch nicht umgesetzt ist. Keine Voraussetzung ist deshalb, dass die wirtschaftlichen Nachteile bereits im Zeitpunkt der Aufstellung des Sozialplans eingetreten sind. Es genügt, dass sie eintreten können, wenn die geplante Betriebsänderung durchgeführt wird (Richardi, Rz. 61 zu § 112 BetrVG m.w.N.). Bei Aufstellung des Sozialplans müssen daher ausgleichs- und milderungswürdige Nachteile nicht bereits vorliegen. Bei Sozialplänen geht es um die Festlegung von Ansprüchen der Arbeitnehmer für den Fall, dass sie infolge einer Betriebsänderung bestimmte Nachteile erleiden, z.B. entlassen werden (BAG vom 26.08.1997 - 1 ABR 12/97 - juris, Rz. 42). Die mögliche Entstehung solcher auf die Betriebsänderung zurückzuführender ausgleichs- und milderungswürdiger Nachteile ist in der Einigungsstelle zukunftsbezogen zu prüfen. Nach dem Normzweck des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dient der Sozialplan, also auch eine darin vorgesehene Abfindung, dem Ausgleich und der Überbrückung der künftigen Nachteile, die durch eine geplante Betriebsänderung entstehen können (BAG 12. November 2002 - 1 AZR 58/02 - BAGE 103, 321, zu III 1 der Gründe mwN, BAG vom 20.5.2008 - 1 AZR 203/07 - Rz. 18). Die Möglichkeit des Entstehens reicht gerade aus (Schaub - Koch, Arbeitsrechthandbuch, Rz. 44 zu § 244).
(5) Der Kausalitätsgrundsatz muss von der Einigungsstelle gewahrt sein. Nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG können in einem Sozialplan - in den Grenzen billigen Ermessens - nur diejenigen Nachteile ausgeglichen bzw. gemildert werden, die den Arbeitnehmern infolge einer geplanten Betriebsänderung entstehen. Die Betriebsparteien bzw. die Einigungsstelle entscheiden, ob und welche Nachteile der Betriebsänderung berücksichtigt werden sollen. Voraussetzung für die Aufstellung eines Sozialplans ist, dass aufgrund der geplanten Betriebsänderung Nachteile für die Belegschaft zu erwarten sind (Hess, Worzalla, BetrVG, 9. Auflage, Rz. 92 zu § 112). Das Mitbestimmungsrecht knüpft an die jeweilige konkrete Betriebsänderung an. Die nach dem Spruch der Einigungsstelle auszugleichenden Nachteile dürfen nur solche sein, die gerade auf die mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung zurückzuführen sind. Die auszugleichenden bzw. zu mildernden Nachteile müssen von der Betriebsänderung selbst verursacht sein (BAG vom 10.12.1996 - 1 ABR 32/96 - juris, Rz.; BAG vom 25.01.2000 - 1 ABR 1/99 - Rz. 34; Bork, Arbeitnehmerschutz und Betriebsaufspaltung, BB 1989, 2181, 2186; GK-BetrVG - Oetker, Rz. 181 zu § 111). Nachteile, die gar nicht entstanden sind oder mit Sicherheit auch künftig nicht eintreten werden, darf die Einigungsstelle nicht ausgleichen (GK-BetrVG - Oetker, Rz. 421 zu §§ 112, 112a - mit einer Vielzahl von Rechtsprechungsnachweisen). Der wirtschaftliche Nachteil muss aus der jeweiligen Betriebsänderung herrühren. Die Betriebsänderung muss kausal für den Nachteil sein (Löwisch, BetrVG, 5. Aufl. Rz. 28 f zu § 112). Weitergehende Nachteile können nur in einem freiwilligen Sozialplan berücksichtigt werden.
Wirtschaftliche Nachteile aus Vorgängen, die selbst keine Betriebsänderung und auch nicht deren notwendige Folge darstellen, sind dagegen einer erzwingbaren Regelung durch einen Spruch der Einigungsstelle nicht zugänglich (BAG vom 25.01.2000 - 1 ABR 1/99 - zitiert nach Juris, Rz. 30 m.w.N.). Auch für künftig einmal möglicherweise anfallende, aber noch nicht geplante Betriebsänderungen kann der Betriebsrat einen Sozialplan nicht zwingend verlangen (vgl. BAG vom 26.08.1997 - 1 ABR 12/97 - Juris, Rz. 31).
(6) Die Einigungsstelle hat vorliegend in ihrem Spruch vom 10.01.2013 den Kausalitätsgrundsatz des § 112 BetrVG nicht verkannt und die Regelungskompetenz nicht überschritten.
Die Antragsgegnerin hat keine verbindlichen Erklärungen für eine schonungsvolle Durchführung der Betriebsänderung in einem Interessenausgleich abgegeben. Sie hat nur verhandelt. Damit kann es angesichts der geführten Interessenausgleichsverhandlungen für betroffene Arbeitnehmer keine Nachteilsausgleichsansprüche gem. § 113 BetrVG geben, weil ein Interessenausgleich, von dem abgewichen werden könnte, gerade nicht zustande gekommen ist. Es liegt auf der Hand, dass die 5-phasige Betriebsänderung „HOS" zu Nachteilen für die Arbeitnehmer führen kann. Angesichts der konkreten Subsumtion von HOS unter § 111 Satz 3 BetrVG wird deutlich, dass insoweit bereits der Ansatz des Arbeitsgerichts, Regelungsgegenstand der gegenwärtigen Betriebsänderung sei nur die Einführung von HOS, nicht aber die Umsetzung der sich daraus ergebenden Verbesserungspotentiale, fehlerhaft ist. Die genauere Betrachtung von HOS und aller 5 aufeinander aufbauenden Phasen zeigt, dass die Einführung von HOS nicht ohne die gleichzeitige schrittweise Umsetzung der jeweils gewonnenen Verbesserungspotentiale erfolgen kann. Das wurde verkannt.
Diese 5-phasige Betriebsänderung ist eine einheitliche unternehmerische Entscheidung, die sich von der Bestandsaufnahme, über die Analyse, dann zur Effektivitätsauswertung und Standardisierung der Arbeitsabläufe, zu Zeitvorgaben der Abläufe, zur Aufstellung von verbindlichen Kennziffern, bis zur Erprobung der ermittelten Werte und weiteren Effektivitätssteigerung erstreckt. Die Arbeitgeberin entscheidet keineswegs von Phase zu Phase, was nun geschehen soll. Das HOS macht nur Sinn, wenn es als einheitliche Planung eingeordnet und abgearbeitet wird. HOS ist, anders als eine Betriebsschließung oder Maßnahme nach § 112a BetrVG, ein andauernder, aufeinander aufbauender Prozess, eine entwickelte systematische Methode mit dem Ziel der Effizienzsteigerung. Gerade weil HOS ein System und das Gesamtkonzept mit einzelnen festgelegten Schritten ist, kann der Betriebsrat zur Durchsetzung seines Anspruchs auf Herbeiführung eines Sozialplans nicht darauf verwiesen werden, die Arbeitgeberin müsse aus den sich in den verschiedenen Phasen ergebenden Ergebnissen noch Einzelplanungen und Einzelschlussfolgerungen ziehen. Rationalisierungsmaßnahmen in Form der Änderung der Arbeitsmethoden im Sinne des § 111 Satz 3 Ziff. 4 BetrVG sind systemimmanent, dass bei der Einführung keine konkrete Prognose bzgl. der sich ergebenden Nachteile erfolgen kann. Deshalb werden diese für die Auslösung der Mitbestimmungsrechte fingiert. Im erzwingbaren Sozialplan dürfen nur keine Nachteile ausgeglichen oder gemildert werden, die nicht auf HOS zurückzuführen sind. Diesen Grundsatz hat die Einigungsstelle beachtet.
Durch den ständigen Optimierungsprozess, die Standardisierung der Arbeit und die Zeiterfassung der Arbeitsvorgänge (OPE) können mit der Betriebsänderung HOS Rationalisierungsmöglichkeiten ermittelt werden, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen können. Das ist schon deshalb naheliegend, weil es der Arbeitgeberin um Steigerung der Produktivität geht. Bei gleichbleibender Nachfrage führt dieses regelmäßig zu einem Überhang von Arbeitsplätzen, der notfalls durch Versetzungen oder gar Entlassungen gehandhabt werden muss. Ebenso liegt es auf der Hand, dass durch die Standardisierung von Arbeitsabläufen Abgruppierungen in Betracht kommen können, da z.B. Entscheidungsspielräume eine Veränderung erfahren. Die Eingruppierung von Arbeitnehmern ist jedoch gerade keine eigene unternehmerische Entscheidung, unterliegt vielmehr nur der Richtigkeitskontrolle. Ursächlich für eine sich ergebende Abgruppierung oder die anderen genannten personellen Maßnahmen ist dann aber HOS. Vor diesem Hintergrund stellt hier der durch Einigungsstellenspruch entstandene Sozialplan keinen unzulässigen, nur der freiwilligen Mitbestimmung unterliegenden Vorrats- oder Rahmensozialplan zur Regelung während der Laufzeit eintretender eventuell künftiger Betriebsänderungen dar (vgl. dazu BAG vom 11.12.2007 - 1 AZR 824/06 - Rz. 34). Es geht nicht um die vorsorgliche Regelung für noch völlig ungewisse Fälle. Der angefochtene Einigungsstellenspruch regelt vielmehr absehbare Nachteile, die den im Betrieb der Arbeitgeberin Beschäftigten aus der Einführung und Anwendung der 5-phasigen Betriebsänderung HOS entstehen können. Die gilt es abzusichern. Ob die Nachteile später tatsächlich eintreten, ist keine Voraussetzung für die Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs.
c) Der Spruch der Einigungsstelle verstößt nicht gegen das ihr in § 76 Abs. 5 Satz 4, § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG eingeräumte Ermessen.
aa) Danach hat die Einigungsstelle bei Aufstellung eines Sozialplans sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Sie hat insbesondere den Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles Rechnung zu tragen ( § 112 Abs. 5 Ziff. 1 BetrVG), die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen und diejenigen Arbeitnehmer, die eine zumutbare Weiterbeschäftigung ablehnen, von den Leistungen aus dem Sozialplan auszuschließen (§ 112 Abs. 5 Ziff. 2 BetrVG) sowie bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens nicht gefährdet wird (§ 112 Abs. 5 Ziff. 3 BetrVG). Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle des von der Einigungsstelle ausgeübten Ermessens ist, ob die Regelung im Verhältnis zwischen den Betriebsparteien untereinander einen billigen Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Betriebsrat als Sachwalter der Belegschaft darstellt. Es ist ohne Bedeutung, ob die von der Einigungsstelle angenommenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zutreffen und ihre weiteren Überlegungen frei von Fehlern sind und eine erschöpfende Würdigung aller Umstände zum Inhalt haben (BAG vom 24.08.2004 - 1 ABR 23/03 - juris, Rz. 23 m.w.N.). Die Betriebsparteien und die Einigungsstelle haben nach ständiger Rechtsprechung und einhelliger Auffassung im Schrifttum einen weiten Ermessensspielraum.
bb) Diesen Anforderungen hat die Einigungsstelle mit ihrem durch Spruch vom 10. Januar 2013 aufgestellten Sozialplan genügt. Ein Ermessensfehler ist entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts und der Arbeitgeberin nicht feststellbar.
(1) Die Einigungsstelle muss den Ausgleich der durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile möglichst konkret vornehmen. Das ist hier geschehen. Die Einigungsstelle hat das Gebot einer Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls und der Aussichten der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt in § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG nicht missachtet.
(1.1) Danach ist zwar eine Abstufung des Nachteilsausgleichs nach den jeweils zu erwartenden Nachteilen vorzunehmen. Da sich oft zum Zeitpunkt der Aufstellung des Sozialplans noch nicht beurteilen lässt, welche Nachteile der einzelne Arbeitnehmer zu erwarten hat, können die Ausgleichsleistungen für typischerweise zu erwartende Nachteile vielfach nur pauschaliert vorhergesagt werden. Die Einigungsstelle darf bei der Beurteilung der den Arbeitnehmern entstehenden Nachteile pauschale und typische Annahmen zugrunde legen. Sie kann daher hinsichtlich der Aussichten auf dem Arbeitsmarkt nach dem Alter der Arbeitnehmer differenzieren und Altersgruppen bilden (Fitting, BetrVG, §§ 112, 112a Rn. 256, 263, m.w.N.). Die Nachteile dürfen u.a nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung und Ähnlichem pauschaliert und prognostiziert werden (BAG vom 6.5.2003 - 1 ABR 11/02 - Rz. 48 m.w.N.).
(1.2) Der Spruch der Einigungsstelle wird entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin und des Arbeitsgerichts diesen gesetzlichen Anforderungen gerecht. Er sieht nicht etwa für alle Arbeitnehmer eine gleich bemessene Abfindung in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des jeweiligen Bruttogehalts pro Jahr der Betriebszugehörigkeit vor. Dies vertrüge sich in der Regel mit den gesetzlichen Erfordernissen nicht (BAG 14. September 1994 - 10 ABR 7/94 - BAGE 78, 30). Die Einigungsstelle hat stattdessen Abfindungen vorgesehen, deren Höhe neben der Dauer der Betriebszugehörigkeit auch von der Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen und einer möglichen Schwerbehinderung abhängt. Dass das Alter nicht gesondert berücksichtigt wird, hat seinen Grund im Antidiskriminierungsgesetz und im EU-Recht. Das ist nicht zu beanstanden. Höhere Zeiten der Betriebszugehörigkeit können nur mit einem höheren Lebensalter erreicht werden. Auch die unter 2.8 geschaffene Sonderregelung für das Renteneintrittsalter zeigt, dass der notwendige in die Zukunft gerichtete Arbeitsmarktbezug hergestellt wurde.
(1.3) Die zweite Anforderung des § 112 Abs. 5 Ziff. 2 BetrVG hat die Einigungsstelle dadurch berücksichtigt, dass Arbeitnehmer gem. Ziffer 2 keine Leistungen nach dem Sozialplan erhalten, wenn sie auf einem zumutbaren Arbeitsplatz im selben Betrieb weiterbeschäftigt werden können, denn sie erhalten Leistungen nur, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch HOS verursacht wurde. Damit hat sie den Anforderungen des § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1, Nr. 2 BetrVG genügt.
(2) Der Spruch der Einigungsstelle verstößt nicht gegen § 112 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Die Einigungsstelle hat auch die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit und das Verbot der Gefährdung des Fortbestands des Unternehmens beachtet. Der Vorwurf der Arbeitgeberin, der Spruch der Einigungsstelle gefährde den Fortbestand des Unternehmens schon deshalb, weil gegenwärtig weder ein begrenztes Sozialplanvolumen feststellbar noch die finanzielle Lage des Unternehmens im Zeitpunkt der Realisierung von Sozialplanansprüchen vorhersehbar sei, ist unzutreffend. Die Einigungsstelle hat sich bei der Festlegung der Abfindungshöhe und der maßgebenden Faktoren an den in der Vergangenheit für den Standort G... abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen und vor allem auch an den zum Zeitpunkt des Spruchs praktizierten Abfindungsregelungen orientiert. Auf die Anlagen B1 bis B 8 (Bl. 168 - 198) wird verwiesen. Die wirtschaftliche Situation der Arbeitgeberin hat unter Einbeziehung der Erörterungen im Anhörungstermin vom 22.01.2014 keine Einbrüche aufzuweisen. Das gilt auch für den Zeitpunkt der Aufstellung des Sozialplans. Die Auftragslage und die wirtschaftliche Lage waren konstant, im Laufe des Jahres 2013 bis Anfang 2014 sogar positiver. Im Anhörungstermin wurde auch bestätigt, dass die wirtschaftliche Situation der Arbeitgeberin Gegenstand der Erörterungen in der Einigungsstelle war. Damit ist die Einigungsstelle zum Zeitpunkt des Spruchs angesichts der Betriebsüblichkeit der Abfindungsregelung nicht unter Überschreitung ihres Ermessens davon ausgegangen, der Sozialplan werde nicht zu überhöhten Belastungen des Unternehmens führen. Das gilt umso mehr, als angesichts der fünf aufeinander aufbauenden Phasen von HOS und der noch nicht vorhandenen Ergebnisse noch keine konkrete wirtschaftliche Prognose erstellbar war.
Zudem wurde der Arbeitgeberin mit Blick auf die lange, sich an der Dauer der Betriebsänderung HOS orientierende Laufzeit des Sozialplans in Ziffer 5 Abs. 3 eine Kündigungs- und Korrekturmöglichkeit im Falle der Gefährdung des Fortbestands des Unternehmens oder von Arbeitsplätzen im Betrieb eingeräumt. Damit steht ihr bei Bedarf entsprechendes Regelungsinstrumentarium zur Verfügung.
(3) Der Sozialplan erfasst auch nur solche Nachteile, die von HOS verursacht worden sind. Da HOS zur Produktivitätssteigerung sowie zur effizienteren Arbeit führen soll, kommen als mögliche kausale Nachteile die Beendigung von Arbeitsverträgen, Versetzungen und Abgruppierungen in Betracht. Auf deren Ausgleich bzw. Milderung hat sich die Einigungsstelle jedenfalls im Rahmen des ihr obliegenden Ermessens beschränkt. Der Sozialplan enthält auch in Ziffer 2 und Ziffer 4.3 ausdrücklich Regelungen, dass bei den o.g. personellen Maßnahmen Ansprüche nur bestehen, wenn sie durch das HOS verursacht wurden.
Allein der Umstand, dass der Arbeitgeberin die Beweislast auferlegt wurde, macht die getroffenen Regelungen nicht ermessensfehlerhaft. Die Beweislastregelung beruht darauf, dass die Arbeitgeberin die Ursachen der Vertragsbeendigung kennt. Das ist dem Arbeitsrecht nicht fremd. Die Regelung orientiert sich u.a. an der Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes.
(4) Sonstige mögliche Ermessens- oder Rechtsfehler des Einigungsstellenspruchs sind nicht erkennbar.
4) Nach alledem war der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts auf die Beschwerde des Betriebsrats abzuändern. Der Antrag der Arbeitgeberin auf Feststellung der Unwirksamkeit des durch Spruch der Einigungsstelle vom 10.1.2013 aufgestellten Sozialplans war zurückzuweisen. Der Sozialplan ist wirksam.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 92 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 72 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG zuzulassen. Dem Verfahren liegen Rechtsfragen hinsichtlich der Aufstellung von Sozialplänen bei Betriebsänderungen gem. § 111 Satz 3 Ziffer 4 und Ziffer 5 BetrVG vor allem bei gescheiterten Interessenausgleichsverhandlungen zugrunde, die klärungsbedürftig und für die Allgemeinheit von Bedeutung sind.