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Arbeitsrecht
07.05.2015
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit im Beschlussverfahren, Übergangsmandat, Restmandat

LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.4.2015 – 21 SHa 462/15

Leitsatz

1. Zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts bei einem negativen Kompetenzkonflikt im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren

2. Nach einer Betriebsaufspaltung oder -abspaltung hat der bisherige Betriebsrat für die neu entstandenen Betriebe unter den Voraussetzungen des § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Übergangsmandat. Für den Ursprungsbetrieb hat er im Fall der Aufspaltung nach § 21b BetrVG ein Restmandat; im Fall der Abspaltung bleibt es bei dem bisherigen originären Mandat.

3. Kommt es zu einem Konflikt zwischen den Betriebsparteien, hängt die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nach § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG davon ab, auf welches Mandat sich der Konflikt bezieht.

4. Für Konflikte, die das Übergangsmandat betreffen, ist das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Betriebsleitung des jeweiligen neu entstandenen Betriebes ihren Sitz hat.

5. Für Konflikte, die das Restmandat betreffen, ist das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Betriebsleitung des aufgelösten Gesamtbetriebes ihren Sitz hatte.

6. Wird einer der neu entstandenen Betriebe oder der weiterbestehende (Rest-)Ursprungsbetrieb später stillgelegt, ist für Konflikte im Zusammenhang mit der Stilllegung das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk, die Betriebsleitung des stillgelegten Betriebes ihren Sitz hatte.

§ 36 Abs 1 Nr 6 ZPO, § 48 Abs 1 Nr 1 ArbGG, § 82 Abs 1 S 1 ArbGG, § 21a Abs 1 S 1 BetrVG, § 21b BetrVG

Aus den Gründen

I. In dem am 26. Januar 2015 vor dem Arbeitsgericht Berlin anhängig gemachten Beschlussverfahren begehrt der Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Betriebsrat) von der Beteiligten zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) im Zusammenhang mit der Fremdvergabe von Abfertigungsleistungen am Flughafen T. Auskunft, wen die Arbeitgeberin mit der Erbringung der Abfertigungsleistungen beauftragt hat, sowie die Vorlage des Dienstleistungsvertrages.

Die Arbeitgeberin erbringt Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen und hat ihren Sitz in Hamburg. Sie unterhielt an den Flughäfen T. und Sch. einen aus den Betriebsteilen T. (Station T.), Sch. (Station Sch.) und CTS bestehenden Betrieb mit Sitz in Sch. (sog. Betrieb Berlin). Die Betriebs- bzw. Stationsleitung oblag Herrn O. und Frau J.. Der Betriebsrat ist der für den Betrieb Berlin gebildete Betriebsrat.

Am 18. September 2014 um 0.00 Uhr übertrug die Arbeitgeberin den Betriebsteil Sch. der AHS BERLIN A. H. S. GmbH (im Folgenden: AHS BERLIN) und den Betriebsteil CTS der A. IT, T. and C. GmbH (im Folgenden: AITC). Seither wurden die drei ehemaligen Betriebsteile durch eigene Betriebsleitungen geführt. Der ehemalige Betriebsteil T. bzw. der (Rest-)Betrieb Berlin wurde durch Herrn O. mit Sitz in T. geleitet, der ehemalige Betriebsteil Sch. durch Frau J. mit Sitz in Sch. und der ehemalige Betriebsteil CTS durch Frau D. ebenfalls mit Sitz in Sch.. Am 19. September 2014 unterzeichneten die Arbeitgeberin, der Betriebsrat sowie die AHS Berlin und die AITC einen Interessenausgleich (Bl. 4 ff. d. A.), der außer der bereits erfolgten Übertragung der Betriebsteile Sch. und CTS an die AHS BERLIN und die AITC u. a. die Fremdvergabe der Abfertigungsleitungen am Standort T. und die Schließung der Station T. voraussichtlich zum 30. September 2014 vorsah.

Bis etwa 22. Oktober 2014 war die Stationsleitung für die Station T. in T. angesiedelt, wobei Herr O., der zugleich Leiter der Station Düsseldorf war, seine Leitungsaufgaben für die Station T. hauptsächlich von Düsseldorf aus per Mobiltelefon und E-Mail wahrnahm. Zu Ende Oktober 2014 gab die Arbeitgeberin ihre Räumlichkeiten am Standort T. auf, nachdem sie die bisher von ihr am Standort T. erbrachten Abfertigungsleistungen jedenfalls teilweise an ein anderes Unternehmen fremd vergeben hatte. Seither ist Herr O. nur noch von Düsseldorf aus tätig und wird, da es in Berlin kein Stationssekretariat mehr gibt, von der zentralen Personalabteilung im „Headoffice“ der Arbeitgeberin in Hamburg unterstützt.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2015 hat das Arbeitsgericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass bezüglich der örtlichen Zuständigkeit unklar sei, wo der Betrieb i. S. d. § 82 ArbGG liege, da T. nur einer der Standorte sei, und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit am 11. Februar 2015 eingegangenem undatiertem Schriftsatz hat der Betriebsrat die Auffassung vertreten, da die Stationsleitung Berlin weiter existiere und von Herrn O. mobil ausgeübt werde, sei das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Gerichtsbezirk der betroffene Betriebsteil T. liege, und sich diesbezüglich u. a. auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 7. August 2009 - 3 SHa 2/09 - (LAGE § 82 ArbGG 1979 Nr. 2) berufen. Hilfsweise hat er die Verweisung des Verfahrens an das Arbeitsgericht Cottbus beantragt. Mit Schreiben vom 12. Februar 2015 hat das Arbeitsgericht der Arbeitgeberin Gelegenheit gegeben, hierzu binnen einer Woche Stellung zu nehmen. Das Schreiben ist bei der Arbeitgeberin nach deren Angaben am 17. Februar 2015 eingegangen. Mit ebenfalls am 12. Februar 2015 vorab per Telefax eingegangenem Schriftsatz von demselben Tag hat die Arbeitgeberin die Auffassung vertreten, es gebe in T. keinen Betrieb mehr, und angeregt, das Verfahren an das Arbeitsgericht Hamburg zu verweisen. Wegen der Einzelheiten der Schriftsätze der Beteiligten sowie der gerichtlichen Verfügung vom 12. Februar 2015 wird auf den Akteninhalt (Bl. 14 - 16 und Bl. 26 - 28 d. A.) verwiesen.

Mit Beschluss vom 13. Februar 2015 hat sich das Arbeitsgericht Berlin für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Arbeitsgericht Cottbus verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, da der Betriebsrat nur noch ein Übergangs- bzw. Restmandat wahrnehme, könne sich die örtliche Zuständigkeit nur aus der aktiven Zeit der Betriebsparteien ergeben. Der ursprüngliche Sitz des Betriebes sei in Sch. gewesen, weshalb das Arbeitsgericht Cottbus örtlich zuständig sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des Beschlusses (Bl. 50 f. d. A.) verwiesen.

Mit am 23. Februar 2015 vorab per Telefax eingegangenem Schriftsatz hat die Arbeitgeberin zu dem undatierten Schriftsatz des Betriebsrats Stellung genommen und die Auffassung vertreten, unter Berücksichtigung der vom Betriebsrat zitierten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg sei die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Berlin gegeben. Keinesfalls sei das Arbeitsgericht Cottbus zuständig, da die Betriebsleitung ab dem 18. September 2014 nicht mehr von Sch., sondern von den Räumlichkeiten am Flughafen T. aus tätig geworden sei, bis diese aufgegeben worden seien.

Mit Beschluss vom 9. März 2015 hat das Arbeitsgericht Cottbus die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, in dessen Bezirk beide Gerichte liegen, zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Der Verweisungsbeschluss sei offensichtlich gesetzwidrig. Das Arbeitsgericht Berlin habe eine örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Cottbus aufgrund eines Betriebsteils fingiert, der zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens im Bezirk des Arbeitsgerichts Cottbus unstreitig nicht mehr existiert habe. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, weshalb nach dem vom Arbeitsgericht Berlin aufgestellten Maßstab dieses örtlich unzuständig sein solle. § 82 ArbGG knüpfe nicht an die Beteiligten an, sondern an den Ort des Konflikts. Der Konflikt der Beteiligten beziehe sich nicht auf den (ehemaligen) Betrieb in Sch., sondern den (ehemaligen) Betrieb in T.. Für T. sei das Arbeitsgericht Berlin zuständig. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des Beschlusses (Bl. 60 f. d. A.) verwiesen.

Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zum Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 9. März 2015 Stellung zu nehmen. Wegen des Inhalts ihrer Stellungnahmen wird auf den Schriftsatz des Betriebsrats vom 7. April 2015 (Bl. 70 - 73 d. A.) und den Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 9. April 2015 (Bl. 83 - 86 d. A.) verwiesen.

II.

Für das vorliegende Beschlussverfahren örtlich zuständig ist das Arbeitsgericht Berlin. Der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Februar 2015 ist für das Arbeitsgericht Cottbus nicht bindend.

1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.

a) Bei negativen Kompetenzkonflikten findet § 36 ZPO auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Anwendung (ebenso LAG Baden-Württemberg vom 07.08.2009 - 3 SHa 2/09 - Rn. 12, LAGE § 82 ArbGG 1979 Nr. 2). Aus der beschränkten Verweisung in § 80 Abs. 2 ArbGG kann nicht der Schluss gezogen werden, dass im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung keine Anwendung finden (GMP-Matthes/ Spinner, § 80 Rn. 42; ErfK-Koch, § 80 ArbGG Rn. 2).

b) Sowohl das Arbeitsgericht Berlin als auch das Arbeitsgericht Cottbus haben sich i. S. d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das Arbeitsgericht Berlin hat sich durch nach § 48 Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 3 ArbGG, § 17a Abs. 2 GVG unanfechtbaren Beschluss vom 13. Februar 2015 für unzuständig erklärt. Das Arbeitsgericht Cottbus hat mit Beschluss vom 9. März 2015 die Übernahme des Verfahrens endgültig abgelehnt. Das genügt den Anforderungen, die an das Merkmal „rechtskräftig“ i. S. d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, da es insoweit allein darauf ankommt, dass eine ausdrückliche den Beteiligten bekannt gemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (vgl. BGH vom 26.08.2014 - X ARZ 275/14 - Rn. 3, MDR 2015, 51; OLG Brandenburg vom 02.06.2014 - 1 (Z) Sa 23/14 - Rn. 5 zitiert nach juris; Zöller-Vollkommer, § 36 Rn. 24 f. m. w. N.).

c) Zuständig für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 36 Abs. 2 ZPO das Landesarbeitsgericht, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört (BAG vom 07.02.2014 - 10 AS 3/14 - Rn. 4, EzA § 17a GVG Nr. 20). Dies ist vorliegend das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Zur Vermeidung eines Verfahrensstillstandes ist die Vorlage im Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auch ohne Antrag einer Partei oder im Beschlussverfahren ohne Antrag einer der Beteiligten von Amts wegen zulässig (vgl. LAG Bremen vom 09.10.2014 - 1 SHa 4/14 - Rn. 26 zitiert nach juris; Hessisches LAG vom 09.06.2008 - 1 SHa 1/08 - Rn. 2 zitiert nach juris, jeweils m. w. N.).

2. Nach § 48 Abs. 1 ArbGG, § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG sind rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Die Bindungswirkung ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Daher ist das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten Verweisungsbeschluss gelangt ist, es sei denn, der Verweisungsbeschluss ist ausnahmsweise wegen offensichtlicher Gesetzwidrigkeit nicht bindend (BAG vom 06.01.1998 - 5 AS 24/97 - Rn. 6 zitiert nach juris; BGH vom 23.10.1996 - 5 AS 6/96 - Rn. 7 zitiert nach juris). Dabei entfällt die Bindungswirkung nicht schon dann, wenn der Beschluss unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Ein Verweisungsbeschluss ist vielmehr nur dann nicht bindend, wenn dem Beschluss jede rechtliche Grundlage fehlt, wenn er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder wenn er sonst bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint (BGH vom 19.02.2013 - X ARZ 507/12 - Rn. 7 m. w. N., NJW-RR 2013, 764; vgl. auch BAG 28.02.2006 - 5 AS 19/05 - Rn. 7, AP Nr. 88 zu § 2 ArbGG 1979; BAG vom 06.01.1998 - 5 AS 24/97 - Rn. 7 zitiert nach juris; GMP-Germelmann, § 48 Rn. 94)

3. Bei Anlegung dieses Maßstabes erweist sich der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Februar 2015 als offensichtlich gesetzwidrig und ist deshalb nicht bindend.

a) Das Arbeitsgericht hat der Arbeitgeberin vor seiner Entscheidung nur unzureichend rechtliches Gehör gewährt. Zwar hatte die Arbeitgeberin grundsätzlich Gelegenheit, sich zur örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Berlin zu äußern, und hat diese Gelegenheit mit Schriftsatz vom 12. Februar 2015 auch genutzt. Das Arbeitsgericht hatte ihr mit Schreiben vom 12. Februar 2015 zunächst auch die Möglichkeit gegeben, zum hilfsweisen Antrag des Betriebsrats auf Verweisung des Verfahrens an das Arbeitsgericht Cottbus Stellung zu nehmen, und ihr hierfür eine Frist von einer Woche gesetzt. Jedoch hat das Arbeitsgericht den Ablauf der Stellungnahmefrist nicht abgewartet, sondern über die örtliche Zuständigkeit bereits am 13. Februar 2015, dem auf das Schreiben vom 12. Februar 2015 folgenden Tag, entschieden und der Arbeitgeberin dadurch das rechtliche Gehör zu dem Verweisungsantrag abgeschnitten.

b) Die Entscheidung beruht auch auf dem Gehörsverstoß. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass dem Arbeitsgericht, wenn es den Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 23. Februar 2015, der innerhalb der ursprünglich verfügten Wiedervorlagefrist eingegangen ist, abgewartet hätte, aufgefallen wäre, dass die Arbeitgeberin den Betriebsteil T. ab dem 18. September 2015 als nunmehr eigenständigen Betrieb zunächst noch aktiv weiterbetrieben und - wenn überhaupt, was streitig ist - erst später, nämlich Ende Oktober 2015 stillgelegt hat. Im Hinblick darauf erscheint es auch nicht ausgeschlossen, dass das Arbeitsgericht seine örtliche Zuständigkeit bejaht hätte.

4. Der Verweisungsbeschluss ist auch in der Sache unrichtig. Zuständig ist das Arbeitsgericht Berlin.

a) Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Betrieb liegt, auf den sich der Verfahrensgegenstand bezieht (GMP-Matthes/Spinner, § 82 Rn. 7). Die Regelung ist zwingend und verdrängt die Vorschriften der Zivilprozessordnung (GMP-Matthes/ Spinner, § 82 Rn. 2).

Der Begriff des Betriebes i. S. d. § 82 ArbGG bestimmt sich nach materiellem Betriebsverfassungsrecht, insbesondere nach den §§ 1 und 4 BetrVG (vgl. LAG Baden-Württemberg vom 07.08.2009 - 3 SHa 2/09 - Rn. 18 zitiert nach juris, LAGE § 82 ArbGG 1079 Nr. 2; Düwell-Lipke-Reinfelder, § 82 Rn. 2; GWBG-Greiner, § 82 Rn. 3). Die Lage des Betriebes bestimmt sich danach, wo die Verwaltung des Betriebes ihre Tätigkeit entfaltet, d. h. wo die Betriebsleitung ihren Sitz hat (GMP-Matthes/Spinner, § 82 Rn. 8). Verfügt die Betriebsleitung über keinen festen Sitz, sondern nur über ein mobiles Büro, kommt es darauf an, in welchem Gerichtsbezirk die Betriebsleitung ihre Leitungsmacht insbesondere in personellen und sozialen Angelegenheiten ausübt (vgl. LAG Baden-Württemberg vom 07.08.2009 - 3 SHa 2/09 - Rn. 21 zitiert nach juris, LAGE § 82 ArbGG 1979 Nr. 2; ErfK-Koch § 82 ArbGG Rn. 2; GWBG-Greiner, § 82 Rn. 3).

Bei Betrieben, die aus mehreren Betriebsteilen bestehen und für den ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt wurde, ist demnach das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk die zentrale Betriebsleitung ihren Sitz hat, auch wenn sich die streitige Angelegenheit nur auf einen der Betriebsteile bezieht (ErfK-Koch, § 82 ArbGG Rn. 2; GMP-Matthes/ Spinner, a. a. O.; GWBG-Greiner, a. a. O.). Im Fall des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der als selbstständiger Betrieb geltende Betriebsteil liegt (ErfK-Koch, a. a. O.).

b) Wird ein aus mehreren Betriebsteilen bestehender Betrieb aufgespalten mit der Folge, dass der bisherige Betriebsrat bezogen auf die ehemaligen Betriebsteile und nunmehr eigenständigen Betriebe unter den Voraussetzungen des § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur noch ein Übergangsmandat und bezogen aus den ehemaligen Gesamtbetrieb nach § 21b BetrVG nur noch ein Restmandat hat (vgl. BAG vom 24.05.2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 48, AP Nr. 194 zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung), muss man hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit danach unterscheiden, ob der Konflikt den früheren Gesamtbetrieb im Sinne des Restmandats betrifft oder einen der durch die Aufspaltung neu entstandenen Betriebe im Sinne des Übergangsmandats. Bezieht sich der Konflikt auf den früheren Gesamtbetrieb, ist das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk die frühere Gesamtbetriebsleitung ihren Sitz hatte. Bezieht sich der Konflikt auf einen der durch die Aufspaltung neu entstandenen Betriebe, ist das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Leitung dieses neu entstandenen Betriebes ihren Sitz hat.

Entsprechendes gilt im Fall der Abspaltung eines oder mehrerer Betriebsteile vom Ursprungsbetrieb. Werden ein oder mehrere Betriebsteile vom Ursprungsbetrieb abgespalten und behält der Ursprungsbetrieb seine Identität, bleibt der bisherige Betriebsrat bezogen auf den Ursprungsbetrieb im Amt und hat unter den Voraussetzungen des § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG für die abgespaltenen Betriebsteile ein Übergangsmandat (BAG vom 24.05.2012 - 2 AZR 62/11 - a. a. O.). Für Konflikte, die sich auf den Ursprungsbetrieb beziehen, ist das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Leitung des Ursprungsbetriebes ihren Sitz hat, und für Konflikte, die sich auf einen abgespaltenen Betriebsteil und nunmehr eigenständigen Betrieb beziehen, das Arbeitsgericht, in dessen Bezirk die Leitung des abgespaltenen Betriebsteils ihren Sitz hat.

Wird einer der durch die Aufspaltung oder Abspaltung neu entstandenen Betriebe später stillgelegt, wandelt sich das Übergangsmandat nach § 21b BetrVG in ein Restmandat um, ohne dass dies irgendwelche Auswirkungen auf die örtliche Zuständigkeit hat. Gleiches gilt, wenn der seine Identität behaltende Ursprungsbetrieb später stillgelegt wird und sich das weiterbestehende originäre Mandat des Betriebsrats nach § 21b BetrVG in ein Restmandat umwandelt.

c) Insoweit ist dem Arbeitsgericht Berlin, das den Verweisungsbeschluss erlassen hat, darin zuzustimmen, dass in Angelegenheiten, die das Restmandat des Betriebsrats nach § 21b BetrVG betreffen, für die örtliche Zuständigkeit auf den Sitz der Betriebsleitung vor der Aufspaltung oder der Stilllegung abzustellen ist. Denn da sich die örtliche Zuständigkeit nach § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nach der Lage des Betriebes und damit nach dem Ort richtet, wo die betriebliche Leitungsmacht ausgeübt wird, wäre es nicht sachgerecht und mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu vereinbaren, wenn in den Fällen, in denen der Betrieb nicht mehr existiert und der Betriebsrat deshalb nur noch ein Restmandat hat, für Konflikte im Zusammenhang mit dem Restmandat nicht mehr das Arbeitsgericht, in dessen Bezirk der Betrieb lag, zuständig wäre, sondern beispielsweise das für den Sitz des Unternehmens zuständige Arbeitsgericht, weil die Restangelegenheiten von der Unternehmenszentrale aus abgewickelt werden.

d) Danach ist das Arbeitsgericht Berlin örtlich zuständig.

aa) Dahingestellt bleiben kann, ob durch die Übertragung der Betriebsteile Sch. und CTS an die AHS BERLIN und die AITC am 18. September 2015 um 0.00 Uhr der ursprüngliche aus den Betriebsteilen T., Sch. und CTS bestehende Betrieb Berlin aufgespalten worden ist oder ob nur die Betriebsteile Sch. und CTS abgespalten worden sind und die Identität des ursprünglichen Betriebes Berlin durch den (Rest-)Betrieb in T. beibehalten worden war (vgl. dazu Richardi-Thüsing, § 21a Rn. 6). Letzteres wäre der Fall, wenn das betriebliche Substrat, auf das sich das Betriebsratsamt bezieht, weitgehend unverändert geblieben ist und insbesondere noch ein räumlicher und funktionaler Zusammenhang mit dem Ursprungsbetrieb bestanden hat (vgl. dazu BAG vom 24.05.2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 49, a. a. O., Fitting, § 21a Rn. 9a; kritisch zur Abgrenzung zwischen Ausspaltung und Abspaltung GK-Kreutz, § 21a Rn. 23 ff.). Ebenso kann offen bleiben, ob der verbleibende Standort T. Ende Oktober 2014 vollständig oder nur in Teilen stillgelegt wurde. Denn unabhängig davon, wie diese Fragen zu beantworten sind, liegt die örtliche Zuständigkeit beim Arbeitsgericht Berlin.

bb) Mit der Übertragung der Betriebsteile Sch. und CTS an jeweils andere Unternehmen war bei der Arbeitgeberin nur noch der Standort T. verblieben und war die ursprüngliche in Sch. ansässige Betriebsleitung bestehend aus Herrn O. und Frau J. aufgelöst worden. Herr O. leite ab diesem Zeitpunkt den Standort T. allein und hatte als Stationsleiter der Station T. seinen organisatorischen und funktionalen Sitz in T., auch wenn er seine Stationsleiteraufgaben überwiegend mobil von Düsseldorf aus wahrnahm, weil er außerdem die Funktion des Stationsleiters Düsseldorf innehatte. Dies ergibt sich schon daraus, dass sich nach dem unstreitigen Sachverhalt jedenfalls das Stationssekretariat in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin in T. befand, worüber für den Standort T. die Stationsleiteraufgaben organisatorisch abgewickelt wurden.

cc) Der Konflikt zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin, der Gegenstand des Beschlussverfahrens ist, bezieht sich auf Umstände, die nach der Aufspaltung des ursprünglichen Betriebes Berlin in die drei eigenständigen Betriebe T., Sch. und CTS oder der Abspaltung der Betriebsteile Sch. und CTS eingetreten sind und betrifft allein den Betrieb T. bzw. den in T. angesiedelten (Rest-)Betrieb Berlin und nicht etwa den ursprünglichen Gesamtbetrieb.

dd) Dementsprechend ist auch nicht das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Betrieb Berlin vor seiner Aufspaltung oder der Abspaltung der Betriebsteile Sch. und CTS lag, sondern das Arbeitsgericht, in dessen Bezirk der Betrieb T. bzw. der (Rest-)Betrieb Berlin lag und nach Meinung des Betriebsrats immer noch liegt. Das ist das Arbeitsgericht Berlin.

III.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 37 Abs. 2 ZPO).

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