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Arbeitsrecht
10.06.2020
Arbeitsrecht
LAG Schleswig-Holstein: Berufungseinlegung per Fax wegen e-Akte unzulässig

LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25.3.2020 – 6 Sa 102/20

ECLI:DE:LARBGSH:2020:0325.6SA102

Volltext: BB-Online BBL2020-1396-6

Sachverhalt

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie über Zahlung. Ferner begehrt die Klägerin vom Beklagten Auskunft und Herausgabe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 08.01.2020 abgewiesen. Gegen das ihr am 07.02.2020 zugestellte Urteil legte die Klägerin mit am (Montag) 09.03.2020 um 16.41 Uhr beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Telefax-Schreiben Berufung ein. Zwei Tage später ging die Berufungsschrift im Original bei dem Landesarbeitsgericht ein.

Mit Verfügung vom 10.03.2020 hat das Gericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass ihre Berufung nicht formgerecht eingelegt worden ist, da sie als anwaltlich vertretene Partei ihr Rechtsmittel elektronisch hätte einreichen müssen. Daraufhin übermittelte die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten die Berufungsschrift sowie einen Schriftsatz vom 12.03.2020 am 12.03.2020 als elektronisches Dokument. Das Gericht hat mit Verfügung vom 13.03.2020 darauf hingewiesen, dass die am Vortag übersandten Schriftsätze nicht wirksam eingereicht worden sind, da nicht alle für die Darstellung des Dokuments notwendigen Inhalte in der Datei enthalten – „eingebettet“ – waren.

Der Beklagte hat mit ordnungsgemäß elektronisch übermitteltem Schriftsatz vom 20.03.2020 beantragt, die Berufung der Klägerin als unzulässig zu verwerfen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

Die Berufung der Klägerin ist unzulässig. Ihr vorsorglicher Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist ist unbegründet.

1. Die Berufung der Klägerin ist gemäß den §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ArbGG, 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie dieses Rechtsmittel nicht fristgerecht und bis heute nicht formgemäß eingelegt hat.

a) Das Urteil des Arbeitsgerichts ist der Klägerin am 07.02.2020 zugestellt worden. Sie hätte daher bis (Montag) 09.03.2020 Berufung einlegen müssen, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, § 188 Abs. 2 BGB.

Die Frist zur Einlegung der Berufung begann mit der Zustellung des Urteils des Arbeitsgerichts am 07.02.2020 zu laufen. Grundsätzlich beginnt die Rechtsmittelfrist allerdings nicht zu laufen, wenn die Rechtsmittelbelehrung fehlt, unvollständig oder unrichtig ist, § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG. Die Klägerin ist jedoch zutreffend über das Rechtsmittel (Berufung), das Gericht (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein) und die Frist (ein Monat ab Zustellung) belehrt worden. Auch auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung, also auf die erforderliche Form, ist sie hingewiesen worden. Unter 1. der Rechtsmittelbelehrung ist im vorletzten Absatz durch Fettdruck Folgendes hervorgehoben:

 „Die Einreichung muss in der o. g. Weise elektronisch erfolgen, wenn das Rechtsmittel schriftlich durch einen Rechtsanwalt, eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingelegt wird.“

Das steht nicht im Widerspruch zu dem Hinweis im dritten Absatz, in dem es heißt, dass die Berufung schriftlich einzulegen ist. Denn im Weiteren wird klargestellt, dass die Schriftform unter bestimmten Voraussetzungen auch durch die Einreichung eines elektronischen Dokuments gewahrt ist und für Rechtsanwälte allein dieser Weg der Einreichung eröffnet ist.

b) Innerhalb der Berufungsfrist hat die Klägerin nur per Telefax Berufung eingelegt, nämlich am 09.03.2020 um 16.41 Uhr. Damit hat sie die Rechtsmittelbelehrung des Arbeitsgerichts ignoriert und die Berufung nicht formgemäß eingelegt.

aa) Seit dem 01.01.2020 gilt vor allen Schleswig-Holsteinischen Arbeitsgerichten § 46 g ArbGG. Das ergibt sich aus der Landesverordnung über die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 13.12.2019 (Gesetz- und Verordnungsblatt Schleswig-Holstein vom 23.12.2019, Seite 782; im Folgenden: Landesverordnung). Danach können die dort genannten Personen, insbesondere also Rechtsanwälte, Syndikusrechtsanwälte und Behörden, die dort genannten Schriftsätze usw. nur noch elektronisch einreichen. Diese Pflicht betrifft auch ältere Verfahren und solche, die vom Gericht noch in Papierform geführt werden. Die Pflicht gilt auch für Parteien und Parteivertreter, die nicht aus Schleswig-Holstein kommen.

 (1) Durch die Landesverordnung konnte § 46 g ArbGG schon vor dem 01.01.2022 in Kraft gesetzt werden. Ermächtigungsgrundlage für die Landesverordnung ist Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (Bundesgesetzblatt I Seite 3786). Die Prozessordnungen, u. a. die ZPO und das ArbGG, sind jeweils mit Wirkung zum 01.01.2022 um überwiegend identische Bestimmungen ergänzt worden. Der dort festgelegte Termin zur Nutzungspflicht für Rechtsanwälte kann von den Ländern gemäß Art. 24 Abs. 2 Satz 1 ERVFöG vorgezogen werden, denn dort ist bestimmt, dass die Landesregierungen für ihren Bereich durch Rechtsverordnung bestimmen können, dass die in Art. 26 Abs. 7 genannten Vorschriften ganz oder teilweise bereits am 01.01.2020 oder am 01.01.2021 in Kraft treten.

 (2) Mit der Landesverordnung hat das Land Schleswig-Holstein von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Landesverordnung bestimmt, dass der in Art. 26 Abs. 7 ERVFöG genannte Artikel 3 Nr. 5 ERVFöG für den Bereich des Landes Schleswig-Holstein bereits ab dem 01.01.2020 in Kraft tritt. Daher gilt § 46 g ArbGG bereits ab diesem Zeitpunkt in Schleswig-Holstein.

 (3) § 46 g ArbGG gilt nicht nur im Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten, sondern auch im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht.

 (a) Zugegebenermaßen legt die systematische Einordnung der Norm ein anderes Ergebnis nahe. Denn die Vorschrift findet sich im ersten Abschnitt „Urteilsverfahren“, dort wiederum im ersten Unterabschnitt „Erster Rechtszug“. Hinzu kommt, dass § 64 Abs. 7 ArbGG, der § 46 g ArbGG nicht aufführt, allgemein als abschließend angesehen wird (Schwab/Weth/Schwab, ArbGG, 5. Auflage, § 64 Rn. 237), was dafür spricht, dass die Nutzungspflicht für den elektronischen Rechtsverkehr sich in der arbeitsgerichtlichen Berufungsinstanz nicht nach § 46 g ArbGG richtet, sondern nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm mit § 130 d ZPO. Da diese zivilprozessuale Vorschrift bislang nicht in Kraft gesetzt worden ist, liegt hierin ein weiteres Argument dafür, dass die Nutzungspflicht für den elektronischen Rechtsverkehr vor dem Landesarbeitsgericht noch nicht besteht.

 (b) Dieses Ergebnis hat der Gesetzgeber aber nicht gewollt. Es handelt sich um ein sogenanntes Redaktionsversehen. Dass sich die Nutzungspflicht für den elektronischen Rechtsverkehr im ersten Rechtszug nach § 46 g ArbGG richtet, nicht jedoch in der arbeitsgerichtlichen Berufungsinstanz, läuft der erkennbaren Regelungsabsicht des Gesetzgebers zuwider. Die Gesetzgebungsmaterialien lassen darauf schließen, dass der Regelungsbereich der in § 46 g ArbGG enthaltenen Regelung versehentlich nicht ausdrücklich auf die Berufungsinstanz erstreckt worden ist. Diese Auslegung vertritt auch das Ministerium für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein. Nach eigener Prüfung schließt sich das Gericht der im Folgenden wiedergegebenen Stellungnahme des Ministeriums vom 12.12.2019 an. Wesentlich ist, dass die vorgezogene Einführung gerichtsbarkeitsweise erfolgen sollte, nicht etwa nur für den ersten Rechtszug:

 „Die Regelungsintention ergibt sich aus der öffentlich zugänglichen Gesetzgebungsgeschichte:

Die oben zitierte Ermächtigungsgrundlage in Art. 24 Abs. 2 S. 1 ERVFöG war nicht im ursprünglichen Regierungsentwurf (BR-Drs. 818/J2) enthalten, sondern wurde aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 17/13948, S. 29) nach Zustimmung der Bundesregierung (BT-Drs. 17/12634, S. 55) aufgenommen. In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses heißt es zur Begründung auf S. 37:

Die Änderung geht zurück auf den Vorschlag des Bundesrates gemäß Nummer 10 seiner Stellungnahme, dem die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zuge-stimmt hat. Auf die Begründung des Vorschlags wird Bezug genommen.

In jener Stellungnahme des Bundesrates vom 1. Februar 2013 (BR-Drs. 812/12 (Beschluss, S. 17) heißt es unter Nr. 10 zur Begründung auszugsweise:

 (...) Aus diesem Grund soll in einem zweiten Schritt in dem neuen Artikel 24 Absatz 2 den Ländern die Möglichkeit eröffnet werden, die - nach dem Gesetzentwurf für einen festen Stichtag (1. Januar 2022) vorgesehene - Nutzungspflicht für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des Öffentlichen Rechts gerichtsbarkeitsweise durchzuführen und auf diese Weise flexibel zu staffeln (Opt-in). Dadurch wird es den Ländern z.B. möglich sein, die Nutzungsverpflichtung (und damit auch einigermaßen kalkulierbare Eingangszahlen in ihrem Bereich zunächst nur für einzelne kleinere Gerichtsbarkeiten vorzusehen, um das Funktionieren des elektronischen Geschäftsverkehrs zu überprüfen und auf etwaige Fehler reagieren zu können, ohne dass das gesamte System lahm gelegt" wird. (...)

Der neue Absatz 2 berücksichtigt auch die Interessen der Nutzer in angemessenem Maße: (...) Hinzu kommt, dass in einem Land der Nutzungszwang für Rechtsanwälte (etc.) erst dann (gerichtsbarkeitsweise) vorgesehen werden kann, wenn dort der neue elektronische Rechtsverkehr zumindest ein Jahr lang bereits eröffnet gewesen ist. (...)

Durch die Änderungen wird nach Auffassung der Länder das erklärte Ziel des Gesetzesentwurfs insgesamt kompakt, effektiv und gleichwohl übersichtlich umgesetzt. Das Zusammenspiel der Opt-Out-und Opt-ln-Möglichkeiten macht es für die Länder besonders attraktiv, den elektronischen Rechtsverkehr in ihrem Bereich frühzeitig zu öffnen, um schon während der Jahre 2018 und 2019 Erfahrungen mit den Vorschriften sammeln zu können, ohne mit unüberschaubaren Eingängen rechnen zu müssen, und dann die Phase der gerichtsbarkeitsweisen Nutzungsverpflichtung voll ausnutzen zu können. (...)

Die Absicht des Bundesrats, die Nutzungspflicht für einzelne Gerichtsbarkeiten gestaffelt einführen zu können, ist angesichts der mehrfachen Wiederholungen überdeutlich. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat sich diese Absicht durch die (redaktionell überarbeitete) Übernahme des Antrags und durch die vorbehaltlose Bezugnahme auf die Begründung des Bundesrats zu eigen gemacht.

Auch an einer weiteren Stelle im Gesetzgebungsverfahren kommt dieses Regelungsverständnis zum Ausdruck. So heißt es im Beitrag des hessischen Staatsministers Boddenberg im zweiten Bundesratsdurchgang (Protokoll der 912. Sitzung des Bundesrats vom 5. Juli 2013, S. 430 (B)):

Es gibt aber auch die Möglichkeit, schneller vorzugehen: Hat ein Land von der Verschiebung der Einführung keinen Gebrauch gemacht, soll schon ab dem 1. Januar 2020 eine Wahlmöglichkeit zur Einführung des verpflichtend zu nutzenden elektronischen Rechtsverkehrs bestehen (Opt-ln-Klausel). Wurde hingegen von der Opt-out-Regelung Gebrauch gemacht, besteht eine gerichtsbarkeitsweise Wahlmöglichkeit zur Einführung elektronischen Rechtsverkehrs einzig ab dem 1. Januar 2021.

Dass die Systematik des ArbGG nach den obigen Ausführungen einer die gesamte Arbeitsgerichtsbarkeit umfassenden, aber gleichzeitig auch auf sie beschränkten Nutzungspflicht entgegensteht, ist offensichtlich übersehen worden. Entweder hat der Gesetzgeber aus dem Blick verloren, dass im Gesetzentwurf § 46g ArbGG - anders als die überwiegend identischen §§ 130d ZPO, 14 b FamFG, 65d SGG, 55d VwGO und 52 FGO - nicht in einem Abschnitt mit allgemeinen Verfahrensvorschriften verortet war, sondern in einem nur auf das erstinstanzliche Verfahren beschränkten Teil. Oder es ist in diesem Stadium des Gesetzgebungsverfahrens unbemerkt geblieben, dass § 64 Abs. 6 ArbGG - anders als §§ 525 ZPO, 68 Abs.3 FamFG. 153 Abs. 1 SGG und 125 Abs. 1 VwGO - für das Berufungsverfahren nicht in erster Linie ergänzend auf die Bestimmungen über das erstinstanzliche Verfahren verweist.

Anders als mit einem solchen Versehen ist nicht erklärbar, weshalb die offenkundige Regelungsabsicht nicht mittels der auf der Hand liegenden Möglichkeit umgesetzt worden ist, § 46g ArbGG in den 1. Teil des ArbGG, der die „Allgemeinen Vorschriften" enthält, zu verschieben. Alternativ hätte die Vorschrift auch ausdrücklich in den Katalog des § 64 Abs. 7 ArbGG aufgenommen (und für das Beschwerdeverfahren etwa in § 78 ArbGG erwähnt) werden können.

Beim ursprünglichen Regierungsentwurf war dies noch nicht erforderlich gewesen: Denn nach dessen Art. 25 Abs. 5 sollte der elektronische Rechtsverkehr in sämtlichen Verfahrensordnungen taggleich am 1. Januar 2022 eröffnet werden. Auf dieser Grundlage machte es noch keinen wesentlichen Unterschied, ob sich die Nutzungspflicht für Rechtsanwälte und Behörden in Verfahren vor dem LAG aus § 46 g ArbGG (in jenem Entwurfsstadium noch als „§ 46 f bezeichnet) ergeben würde oder aus § 130 d ZPO.

Der offenkundigen Regelungsabsicht kann und sollte bei der Auslegung von § 64 Abs. 6 ArbGG der Vorrang vor der systematischen Erwägung gegeben werden, dass § 46 g ArbGG versehentlich an der falschen Stelle im ArbGG einsortiert ist. § 46 g ArbGG wäre demnach als eine andere Bestimmung im Sinne von § 64 Abs. 6 ArbGG anzusehen, die daher auch im zweitinstanzlichen Verfahren vor dem LAG anwendbar ist und der ergänzenden Verweisung auf die Regelungen der ZPO vorgeht. Mit dem Wortlaut von § 46 g ArbGG ist dies ohne Weiteres vereinbar.“

Der Beschluss des BAG von 24. Oktober 2019 – 8 AZN 589/19 – steht diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Das Gericht schließt sich auch insoweit den Ausführungen des Ministeriums an:

 „Dort werden unter Rz. 5 für das Revisionsverfahren die Formerfordernisse einer elektronisch eingereichten Nichtzulassungsbeschwerdebegründung aus § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 130 a Abs. 3 ZPO hergeleitet. Dabei enthält § 130 a ZPO Anforderungen an elektronische Dokumente. § 72 Abs. 5 ArbGG verweist für das Revisionsverfahren vor dem BAG allgemein auf die Regeln der ZPO, „soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt", und entspricht damit der oben erörterten Regelung für das Berufungsverfahren in § 64 Abs. 6 ArbGG. Dabei erwähnt das BAG (in einem das Ergebnis nicht tragenden Nebensatz), dass § 130a Abs. 3 ZPO dem § 46c Abs. 3 ArbGG entspreche, „der seinerseits für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gilt, jedoch für das Revisionsverfahren nicht in Bezug genommen wurde".

Die oben dargelegten Besonderheiten der Gesetzgebungsgeschichte spielten für die vom BAG behandelten Frage keine Rolle. Der Beschluss betraf nicht die §§ 46 g ArbGG und 130 d ZPO, die besondere Problematik des Art. 24 Abs. 2 ERVFöG stellte sich nicht.

cc) Die im Gesetzgebungsverfahren immer wieder betonte gerichtsbarkeitsweise Nutzungsverpflichtung soll der gesamten Gerichtsbarkeit, nicht nur einer einzelnen Instanz, Gelegenheit geben, zu überprüfen, wie der elektronische Rechtsverkehr funktioniert. Das lässt sich nur dann sinnvoll beurteilen, wenn der Rechtsverkehr in-stanzübergreifend stattfindet. Anderenfalls würden sich bei Rechtsmitteleinlegung Brüche ergeben. Es ergäbe sich kein realistisches Bild der Abläufe, wenn im zweiten Rechtszug Dokumente wieder in Papierform eingereicht werden könnten.

2. Wegen der Versäumung der Frist zur Berufungseinlegung ist der Klägerin auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ihr Wiedereinsetzungsantrag ist unbegründet. Gemäß § 233 Satz 1 ZPO ist einer Partei auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist einzuhalten. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Die Klägerin hat nicht ausreichend dargelegt, dass die nicht fristgerechte Einlegung der Berufung nicht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruht, das ihr zuzurechnen ist (vgl. BGH 12.06.2001 – XI ZR 161/01).

Zwar kann eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung die Wiedereinsetzung gegenüber der Versäumung der Rechtsmittelfrist rechtfertigen. Wie oben (II 1. a)) ausgeführt, war die Rechtsmittelbelehrung des angegriffenen Urteils jedoch ordnungsgemäß.

Angesichts der zutreffenden und unmissverständlichen Rechtsmittelbelehrung kann sich die Klägerin auch nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum ihres Prozessbevollmächtigten als Wiedereinsetzungsgrund berufen. Ein solcher Rechtsirrtum kann, wenn er unter Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht vermeidbar war, zur Wiedereinsetzung führen. Im vorliegenden Fall ergab sich für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin aber aus der Rechtsmittelbelehrung ohne Weiteres, dass er die Berufung elektronisch einzureichen hatte. Das hätte er bei sorgfältigem und vollständigem Lesen der Rechtsmittelbelehrung feststellen können. Von einem Rechtsanwalt kann erwartet werden, dass er die gesamte Rechtsmittelbelehrung liest, erst recht die drucktechnisch hervorgehobenen Passagen, wie hier den Hinweis auf die für Rechtsanwälte verpflichtende elektronische Einreichung von Rechtsmitteln. Daher kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, ihr in Niedersachsen ansässiger Prozessbevollmächtigter habe die Schleswig-Holsteinische Landesverordnung nicht gekannt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revisionsbeschwerde gemäß § 77 ArbGG ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden.

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