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Arbeitsrecht
27.05.2011
Arbeitsrecht
FG Köln: Berücksichtigung wertaufhellender Tatsachen nur bis zum Ablauf des Zeitraums für die Bilanzaufstellung

 

FG Köln, Urteil vom 17.3.2011 - 13 K 52/11

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Berechtigung der Klägerin in der Bilanz auf den 31. Dezember 2007 im Zusammenhang mit einer drohenden Schadensersatzforderung eine Rückstellung von mehr als 61.000 € Höhe zu bilden.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung - GmbH -, deren Geschäftszweck der Betrieb einer Werbeagentur ist.

Nach Lage der Akten führte sie in den Jahren 2000 bis 2006 für die B Versicherung - im Folgenden: Auftraggeberin - Werbekampagnen durch. Auf der Basis einer Vereinbarung vom 11. Februar 2000 mit der Auftraggeberin war die Klägerin verpflichtet, Rabatte der Fernsehsender bzw. Printmedien auszuweisen und an die Auftraggeberin in Form von Gutschriften zur Reinvestition zurückzugeben.

Mit Schreiben vom 12. April 2007 forderte die Auftraggeberin unter anderem Skontoerträge von der Klägerin. In dem Schreiben führte die Auftraggeberin sinngemäß Folgendes aus:

Die Klägerin hat seit 2000 die Rechnungen an die Auftraggeberin jeweils so zeitig gestellt, dass sämtliche Mediarechnungen skontiert bezahlt werden konnten. Der Gegenwert dieser Skontoerträge beläuft sich nach unseren konservativen Berechnungen (Skontosatz 2%), die Ihnen vorliegen, auf 1,125 Millionen €. Ich bin der Ansicht, dass dieses Geld der Auftraggeberin zusteht. Sie äußerten in dem Gespräch, dass Sie nicht davon ausgingen, dass in allen Fällen Skonto erwirtschaftet wurde, was wir gerne von einem Wirtschaftsprüfer überprüfen lassen könnten. Besonders irritiert war ich aber darüber, dass Sie grundsätzlich kein Unrecht darin sahen, Geld der Auftraggeberin zu Skontoerträgen für die Klägerin zu nutzen. Ich bat Sie um Überdenken dieser Haltung und um einen Lösungsvorschlag, um die aufgezeigte Praxis der Vergangenheit zu "heilen". Wegen der Bedeutung dieser Angelegenheit darf ich Sie darum bitten, uns diesen Vorschlag bis zum Ende nächster Woche (Freitag, den 20. April 2007) zu unterbreiten.

In der Folge fanden zwischen der Auftraggeberin und der Klägerin weitere mündliche Verhandlungen statt. Dabei bestand Streit zwischen den Beteiligten, ob Skontobeträge unter die vertragliche Regelung über Rabatte fielen. Die Klägerin verwies nach Lage der Akten auf freiwillig erbrachte Leistungen in Höhe von mindestens 400.000 €. Weitere Sachaufklärung sollte durch die Überprüfung der tatsächlich gezogenen Skonti erfolgen.

Der Geschäftsführer der Klägerin teilte der Auftraggeberin in der Folge im Rahmen einer E-Mail vom 27. Juni 2007 Folgendes mit:

Bei unserem Gespräch in C, bei dem wir unsere unterschiedlichen Rechtsauffassungen vertreten haben, sind wir so verblieben, dass ich wie von Ihnen gewünscht für das weitere Vorgehen die Skontobeträge der Klägerin benenne. Wie erwähnt stellen unsere BWA's und Bilanzen lediglich die Beträge über sämtliche Umsätze der Klägerin dar. Nimmt (man) einen Satz von 60 bis 70 Prozent davon als Grundlage, so ergibt sich daraus eine Summe zwischen 395T€ und 461T€.

Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass ich in der Vergangenheit ohne vertragliche Verpflichtung auf 350T€ zu Gunsten der Auftraggeberin verzichtet habe. Dies kann nicht unberücksichtigt bleiben.

Im nachfolgenden Schreiben vom 2. Juli 2007 bestätigte die Auftraggeberin, dass zwischen ihr und der Klägerin ein Dissens bestehe, ob Skonti als Rabatte unter die vertraglichen Regelungen fielen. Weiter führte die Auftraggeberin sinngemäß u. a. aus:

Aus dem ermittelten Betrag der tatsächlich gezogenen Skonti sollte dann im Wege eines pauschalen Ansatzes in Anlehnung an die von Ihnen geschätzten maßgeblichen Anteile der Auftraggeberin am Gesamtumsatz ein Zahlungsbetrag zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten von der Klägerin an die Auftraggeberin entrichtet werden, der ggf. mit künftigen Zahlungen auf das Vertragsverhältnis verrechnet werden kann. In Ansehung eines Prozessrisikos bei der Durchsetzung der kontroversen Standpunkte zur Eigenschaft von Skonti als Rabatte im Sinne des Vertrags, sollte dieser Zahlungsbetrag 50% der geschätzten maßgeblichen Anteile betragen.

Inzwischen haben Sie mit E-Mail vom 27. Juni 2007 an den Linksunterzeichner mitgeteilt, dass sich bei einem Ansatz von 70% der tatsächlich von der Klägerin insgesamt gezogenen Skonti eine Summe von 461.000 € als geschätzter Anteil auf Auftraggeberin-Umsätze ergebe. Der Zahlungsbetrag in Höhe von 50% hierauf errechnet sich somit auf 230.500 €.

Die Auftraggeberin ist im Interesse einer baldigen Beilegung der Differenzen und der Vermeidung einer aufwändigen Detailermittlung bereit, bei einer Zahlung bzw. Verrechnung von 230.500 € auf eine Auskunft über sämtliche im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich eingeräumten Skonti und eine Erstattung auch schuldhaft nicht gezogener Skonti zu verzichten.

Wir würden es begrüßen, wenn Sie diesem Angebot zu einer unkomplizierten Bereinigung der Angelegenheit durch verbindliche Gegenzeichnung des beigefügten Doppels dieses Schreibens beitreten könnten.

Eine Einigung auf der Basis dieses Schreibens ist augenscheinlich nicht zu Stande gekommen. Bereits unter dem 4. Juli 2007 übersandte die Auftraggeberin der Klägerin ein im Wesentlichen identisches Schreiben, das aber im letzten zitierten Absatz nunmehr folgende Textfassung enthielt:

Die Auftraggeberin ist im Interesse einer baldigen Beilegung der Differenzen und der Vermeidung einer aufwändigen Detailermittlung bereit, bei einer Zahlung bzw. Verrechnung von 61.000 € auf eine Auskunft über sämtliche im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich eingeräumten Skonti und eine Erstattung auch schuldhaft nicht gezogener Skonti zu verzichten. Geschäftsgrundlage ist darüber hinaus die einvernehmliche Neuordnung der Vertragsbeziehung schon für das zweite Halbjahr 2007.

Wir würden es begrüßen, wenn Sie diesem Angebot zu einer unkomplizierten Bereinigung der Angelegenheit durch verbindliche Gegenzeichnung des beigefügten Doppels dieses Schreibens beitreten könnten.

Dieser Vergleichsvorschlag der Auftraggeberin ist von zwei Vertretern der Auftraggeberin und (ebenfalls) unter dem 4. Juli 2007 vom Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnet worden.

Mit Schreiben vom 22. Juli 2008 schlug die Klägerin der Auftraggeberin vor, die zu diesem Zeitpunkt noch offenen 61.000 € in monatlichen Raten von fünf mal 10.000 € monatlich und im letzten Monat einmal zusätzlich 11.000 € zwischen August und Dezember 2008 zu begleichen. Dem stimmte die Auftraggeberin unter dem 28. Juli 2008 zu.

Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Klägerin für die vor dem Streitjahr liegenden Jahre 2003 bis 2006 beantragte die Klägerin erstmals im Rahmen einer Bilanzberichtigung die im Rahmen des Schreibens vom 2. Juli 2007 angeforderten 230.500 € als zusätzliche Rückstellung in 2006 einzubuchen. Unter Hinweis auf den Vergleich vom 4. Juli 2007 akzeptierte die Betriebsprüfung aber nur eine Rückstellung in Höhe von 61.000 €. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Betriebsprüfung vom 18. August 2009, insbesondere die Prüferbilanz zum 31. Dezember 2006, Anlage 2 zum Prüfungsbericht, Bezug genommen.

Dies führte zu dem Körperschaftsteuerbescheid 2006 vom 5. November 2009, mit dem die Körperschaftsteuer auf 32.230 € festgesetzt wurde. Dieser Bescheid wurde nach Lage der Akten nicht angegriffen. Die Klägerin geht aber davon aus, dass im Falle des Obsiegens im vorliegenden Verfahren der Verlustrücktrag zu einer Herabsetzung der Körperschaftsteuer 2006 auf null € führen wird.

Der im Rahmen der Betriebsprüfung für die Vorjahre abgegebenen Körperschaftsteuererklärung legte die Klägerin eine Bilanz auf den 31. Dezember 2007 zu Grunde. In dieser Bilanz auf den 31. Dezember 2007 berücksichtigte sie eine Rückstellung in Höhe von 575.000 € für die an die Auftraggeberin zurückzuzahlenden Skonti. Nach Überzeugung der Klägerin kann und muss zum Bilanzstichtag 2007 wegen zwischenzeitlich eingetretener werterhellender Umstände die Rückstellung in der gebildeten Höhe angesetzt werden. Diesen Ansatz begründete die Klägerin im Rahmen der Diskussion mit der Betriebsprüfung für die Vorjahre wie folgt:

Spätestens seit April 2007 sei der Auftraggeberin bekannt gewesen, dass die Klägerin die realisierten Skonti nicht oder nur teilweise an die Auftraggeberin abgeführt habe. Die Vereinbarung aus Juli 2007 habe für die Klägerin nicht bedeutet, dass nicht mehr mit einer Inanspruchnahme zu rechnen gewesen sei. Die Geschäftsbeziehung zu der Auftraggeberin sei so wertvoll gewesen, dass man bei Vorbringen weiterer Tatsachen auch erheblich höhere Rückforderungsansprüche hätte bedienen müssen.

Ein Journalist, der den Sachverhalt aufgedeckt habe, habe am 2. oder 9. Februar 2009 mit einem Mitglied des Vorstandes der Auftraggeberin ein Gespräch geführt. Am Mittwoch, den 18. Februar 2009, habe eine Hausdurchsuchung mit Beschlagnahme beim Geschäftsführer der Klägerin stattgefunden. Insoweit wird auf den Durchsuchungsbeschluss vom 16. Februar 2009 in der Sache ..., StA F ... in der Rechtsbehelfsakte Bezug genommen.

Erst am 20. Mai 2009 sei die Bilanz für das Jahr 2007 erstellt worden. Die Vollständigkeitserklärung der Prozessbevollmächtigten stamme vom 22. Mai 2009.

Im Weiteren verweist die Klägerin auf einen Aktenvermerk ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12. Juli 2009, in dem die Prozessbevollmächtigten die Auffassung vertreten, die Vorgänge zu Beginn des Jahres 2009 seien werterhellende Ereignisse, die - da sie vor Erstellung des Jahresabschlusses am 20. Mai 2009 eingetreten seien - bei der Berechnung der Höhe der Rückstellung zum 31. Dezember 2007 zwingend zu berücksichtigen seien.

Der Beklagte wich von der Steuererklärung ab, indem er die ertragswirksame Einbuchung der Rückstellung von 575.000 € (mit diesem Betrag wurde gerechnet, obwohl in dem Steuerbescheid ein Betrag von 575.500 € ausgewiesen ist) rückgängig machte, eine bereits 2006 erfasste Wertaufholung in Höhe von 186.140 € zur Vermeidung einer Doppelerfassung stornierte und die Gewerbesteuerrückstellung entsprechend anpasste (- 39.240 €). Statt des von der Klägerin deklarierten Verlustes in Höhe von 175.013 € ergab sich nunmehr ein Gewinn von 174.607 €.

Dies führte im Körperschaftsteuerbescheid 2007 vom 19. November 2009 zur Festsetzung einer Körperschaftsteuer von 43.704 €. Auf der Basis der gleichen Besteuerungsgrundlagen - zuzüglich gewerbesteuerlicher Besonderheiten - erging unter dem 14. Januar 2010 der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid für 2007, mit dem der Gewerbesteuermessbetrag auf 8.865 € festgesetzt wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Steuerbescheide verwiesen.

Dagegen wandte sich die Klägerin mit fristgerecht erhobenen Einsprüchen. Zur Begründung verwies sie auf das Schreiben vom 13. Juli 2009 und ihre Einwendungen im Schriftsatz vom 15. Juli 2009 gegen die Auffassung des Beklagten, werterhellende Informationen, die nach Ablauf der gesetzlichen Frist zur Aufstellung der Bilanz bekannt würden, könnten nicht berücksichtigt werden.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens legte die Klägerin ein Schreiben der Auftraggeberin vom 5. August 2010 vor, mit dem diese unter Bezugnahme auf die am 4. Februar erklärte und am 9. Februar 2010 zugegangene Anfechtung der im Juli 2007 getroffenen Vereinbarungen weitere Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 878.442,26 € geltend machte, die teilweise auch andere Streitpunkte betreffen (Anteil Skontoproblematik: 569.764,27 €). Die Schadensersatzansprüche wies die Klägerin mit Schreiben vom 14. Oktober 2010 als unbegründet zurück und machte ihrerseits weitere vertragliche Ansprüche gegen die Auftraggeberin geltend.

Der Beklagte wies die Einsprüche mit verbundener Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2010 als unbegründet zurück. Ausgehend von dem zwischen den Beteiligten unstreitigen äußeren Lebenssachverhalt vertrat er die Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine 61.000 € übersteigende Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit den Schadensersatzansprüchen der Auftraggeberin in der Bilanz zum 31. Dezember 2007 nicht festgestellt werden könnten.

Unter Bezugnahme auf die allgemeinen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (§§ 247, 266 des Handelsgesetzbuches - HGB -, § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) zitierte der Beklagte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - die abstrakten Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen wegen drohender Schadensersatzansprüche. Dabei seien für die Beantwortung der Frage, ob die Inanspruchnahme der Klägerin hinreichend wahrscheinlich gewesen sei, gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB auch wertaufhellende Erkenntnisse bis zur Bilanzaufstellung zu berücksichtigen. Insoweit kam der Beklagte zunächst unter Auswertung des Lebenssachverhaltes zu der Überzeugung, dass vor der Anfechtung des Vergleichs im Jahr 2010 mit einer Inanspruchnahme der Klägerin nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu rechnen gewesen sei.

Unabhängig davon stützte der Beklagte seine ablehnende Entscheidung auch auf den Gedanken, dass wertaufhellende Umstände, die erst nach Ablauf eines Jahres nach Ablauf des Geschäftsjahres realisiert worden seien, für das die Bilanz aufzustellen gewesen sei, nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Wegen der weiteren Einzelheiten und der in Bezug genommenen Rechtsprechung des BFH wird auf die Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2010 verwiesen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage. Mit ihr verfolgt sie in Übereinstimmung mit dem außergerichtlichen Vorbringen weiterhin das Ziel der Berücksichtigung der Rückstellung in der Bilanz auf den 31. Dezember 2007.

Unter Bezugnahme auf den oben dargestellten Lebenssachverhalt vertritt sie weiterhin die Auffassung, dass die bis zur Bilanzaufstellung bekannt gewordenen Tatsachen die Bildung der streitbefangenen Rückstellung mit 575.000 € zwingend erforderlich machten. Insoweit verweist sie unter Beifügung der entsprechenden Darlegungen und Beweismittel aus dem außergerichtlichen Verfahren auf ihr Vorbringen im Betriebsprüfungs- und Einspruchsverfahren.

Ausgehend von der Überzeugung, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten grundsätzlich weder hinsichtlich der Voraussetzungen noch hinsichtlich der Höhe der Rückstellung Differenzen bestehen, sondern lediglich hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem die Rückstellung zu bilden ist, konstatiert die Klägerin zunächst, dass der Schadensersatzanspruch wirtschaftlich zum Streitjahr 2007 gehöre. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei trotz der etwas verspäteten Bilanzaufstellung der bis zur Bilanzaufstellung am 20. Mai 2009 bekannt gewordene Lebenssachverhalt insgesamt als wertaufhellend im Sinne des § 252 HGB zu berücksichtigen.

Im Übrigen sei zu beachten, dass die Vertreter der Auftraggeberin mit höchster Wahrscheinlichkeit bereits vor dem Bilanzstichtag 2008 Kenntnis von den Vorwürfen gegenüber der Klägerin gehabt hätten. Dies könne aus der Durchsuchung bereits am 18. Februar 2009 geschlossen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klage- und Klagebegründungsschrift mit allen Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Körperschaftsteuerbescheid 2007 vom 19. November 2009 und den Gewerbesteuermessbescheid 2007 vom 14. Januar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2010 dergestalt zu ändern, dass die Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuermessbetrag auf null € herabgesetzt werden,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vertritt der Beklagte weiterhin die Auffassung, dass bereits aus dem Grund der verspäteten Bilanzaufstellung eine Rückstellung in der Bilanz zum 31. Dezember 2007 nicht zulässig sei. Auf die Tatsache, dass die Klägerin ihre Bilanzen regelmäßig zu spät aufgestellt habe, komme es insoweit nicht an.

Im Übrigen verweist er darauf, dass es seines Erachtens für die Bildung der Rückstellung nicht nur auf die Kenntnisnahme der Auftraggeberin ankomme, sondern darauf, dass die Klägerin ernsthaft mit der Inanspruchnahme auf Schadensersatz rechnen musste. Dem stehe entgegen, dass der Vergleich aus dem Juli 2007 erst im Jahr 2010 angefochten worden sei. Auch die Klägerin selbst gehe im Rahmen der zivilrechtlichen Auseinandersetzungen davon aus, dass der Vergleich nicht hinfällig sei. Er halte daher an der bereits in der Einspruchsentscheidung dargelegten Doppelbegründung fest.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Beklagte ist hinsichtlich der einzigen bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer (§§ 7, 8 KStG) und der Gewerbesteuer (§§ 7 ff. GewStG) zwischen den Beteiligten umstrittenen Bilanzposition, der Rückstellung für drohende Inanspruchnahme durch die Auftraggeberin, zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin in der Bilanz zum 31. Dezember 2007 eine derartige - 61.000 € übersteigende - Rückstellung nicht bilden durfte.

Nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB in Verbindung mit § 5 Abs. 1 S. 1 EStG können Rückstellungen für dem Grund und/oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten u. a. nur unter der Voraussetzung gebildet werden, dass der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss. Die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht für die Rückstellungsbildung nicht aus (vgl. z.B. Hoyos/Ring in Beck'scher Bilanzkommentar, § 249 HGB Rdnr. 16; Weber-Grellet in Schmidt, EStG § 5 Rdnr. 377 jeweils m.w.N.).

An der Voraussetzung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme fehlt es zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2007. Der Inanspruchnahme der Klägerin über den Betrag von 61.000 € hinaus stand die Vereinbarung vom 4. Juli 2007 entgegen. Mit ihr hatte die Auftraggeberin auf eine 61.000 € übersteigende Erstattung von Skonti sowie auf die Zahlung schuldhaft nicht gezogener Skonti ausdrücklich verzichtet.

Die Beteiligten hatten einen Vergleich im Sinne des § 779 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - abgeschlossen, der einer die Vergleichssumme übersteigenden Inanspruchnahme der Klägerin entgegenstand (vgl. zu den Wirkungen eines Vergleichs Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., 2011, § 779 Rdnr. 11/12 m.w.N.). Nach Vertrag vom 4. Juli 2007 und der nachfolgenden Ratenzahlungsvereinbarung hatte die Klägerin bis zum Ende des Jahres 2008 61.000 € in Raten an die Auftraggeberin zu zahlen. Damit sollten die Streitigkeiten über die Behandlung der Skonti bereinigt sein. Damit konnte die Auftraggeberin weitergehende Ansprüche aus dem Vorgang nicht mehr geltend machen.

Nach Lage der Akten ist der Vergleich auch nicht unwirksam. Nach § 779 BGB ist ein Vergleich unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Dabei ist nicht als feststehend zu Grunde gelegt derjenige Sachverhalt, der vor dem Vergleich als streitig oder ungewiss angesehen wurde und Gegenstand der Streitbeilegung ist (vgl. Palandt/Sprau, BGB, § 779 Rdnr. 15 m.w.N.; Bundesgerichtshof - BGH - Urteil vom 8. Juli 2003 VI ZR 274/02, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 2003, 3193, 3195).

Danach ist eine Unwirksamkeit des Vergleichs nach den hier vorliegenden Unterlagen nicht gegeben. Wie sich aus dem Schreiben der Auftraggeberin vom 2. Juli 2007 ergibt, wollten die Vertragsparteien in Ansehung des Prozessrisikos bei Durchsetzung der kontroversen Standpunkte zur Eigenschaft von Skonti als Rabatte im Sinne des Vertrages aus dem Jahr 2000 und zur Vermeidung einer aufwändigen Ermittlung der tatsächlich von der Klägerin gezogenen Skonti eine vergleichsweise Beendigung der Streitigkeiten herbeiführen. Mit dem Vergleich vom 4. Juli 2007 haben die Beteiligten dann als weitere zu berücksichtigende Größe die von der Klägerin erbrachten Rückerstattungen an die Auftraggeberin mit in die Berechnung einbezogen. Dabei gibt sich aus dem Text, dass sowohl die tatsächlich von der Klägerin gezogenen Skonti als auch die von ihr erbrachten Erstattungen nicht genau ermittelt wurden, sondern mit geschätzten Beträgen angesetzt wurden.

Es gab daher keinen als feststehend zu Grunde gelegten Sachverhalt. Sämtliche maßgeblichen Beträge wurden geschätzt und auch die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage und das daraus resultierende Prozessrisiko bestand nach andauernder Überzeugung der Beteiligten fort. Insbesondere der Streit über die Qualifizierung der Skonti als Rabatte im Sinne des Vertrages hätte auch bei genauer Aufklärung der tatsächlichen Beträge fortbestanden.

Der Senat sieht sich mit dieser Wertung auch in Übereinstimmung mit den Vertragsbeteiligten. Nach den vorliegenden Unterlagen hat die Auftraggeberin sich nicht auf eine Unwirksamkeit des Vergleichs berufen, sondern diesen vielmehr im Jahr 2010 angefochten.

Nach Abschluss des Vergleichs, der einer Inanspruchnahme der Klägerin über den Vergleichsbetrag von 61.000 € hinaus entgegenstand, war mit einer weitergehenden Inanspruchnahme bereits aus Rechtsgründen nicht ernstlich zu rechnen. Diese Situation bestand, wie sich aus dem Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung im Jahr 2008 und deren Erfüllung bis zum Ende dieses Jahres ergibt, bis zum Ablauf des Jahres 2008 fort. Sie hat sich auch bis zum Tag der Aufstellung der Bilanz nicht geändert, da der wirksame Vergleich einer über die erbrachten Ratenzahlungen hinausgehenden Inanspruchnahme der Klägerin weiterhin entgegenstand.

Daran ändert die zwischenzeitliche Durchsuchung im Februar 2009 bei der Klägerin bzw. dem Geschäftsführer der Klägerin nichts. Auch unter Berücksichtigung der Durchsuchung vor Aufstellung der Bilanz auf den Bilanzstichtag 31. Dezember 2007 sprachen bei Aufstellung der Bilanz nicht mehr Gründe für eine weitergehende Inanspruchnahme der Klägerin als dagegen. Dies wäre aber Voraussetzung für die Bilanzierung einer entsprechenden Rückstellung gewesen (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, BStBl II 2006, 371; BFH-Urteil vom 25. November 2009 X R 28/05, juris, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Zwar sind grundsätzlich für betriebliche Schadensersatzverpflichtungen aus strafbaren Handlungen Rückstellungen zu bilden, wenn mit einiger Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass der Steuerpflichtige in Anspruch genommen wird. Dabei ist diese Wahrscheinlichkeit gegeben, wenn bis zum Tag der Bilanzaufstellung die den Anspruch begründenden Tatsachen durch Aufdeckung der Tat bekannt geworden sind (vgl. BFH-Urteile vom 2. Oktober 1992 III R 54/91, BStBl II 1993, 153 m.w.N.).

Daran fehlt es im Streitfall. Es kann zunächst nicht festgestellt werden, dass überhaupt eine Straftat vorliegt und selbst wenn dieses bejaht werden sollte, dass die Straftat die Auftraggeberin berechtigte den wirksamen Vergleich anzufechten. Der Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachts der Bestechung basierte im Übrigen auch auf einer anonymen Anzeige. Daher ist davon auszugehen, dass das entsprechende Strafverfahren nicht auf einer Anzeige der Auftraggeberin beruht.

Es war zwischen der Klägerin und der Auftraggeberin unstreitig, dass die Klägerin in den Jahren 2000 bis 2006 in erheblichem Umfang Skonti (ursprüngliche Annahme der Auftraggeberin: 1,125 Millionen €) gezogen und diese nicht an die Auftraggeberin weitergeleitet hatte. Der Vorwurf dieses Sachverhaltes war daher nicht geeignet, eine Anfechtung des Vergleiches vorzunehmen.

Die Frage, ob die entsprechenden Skonti der Auftraggeberin oder der Klägerin zustanden, war Gegenstand der rechtlichen Auseinandersetzungen, die mit dem Vergleich beendet werden sollten. Die Klägerin und die Auftraggeberin haben daher auf die Klärung dieser Rechtsfrage einvernehmlich verzichtet.

Der Durchsuchungsbeschluss basiert demgegenüber auf einer - in ihrer rechtlichen Bedeutsamkeit überholten - zivilrechtlichen Bewertung der vertraglichen Absprachen zwischen der Klägerin und der Auftraggeberin aus dem Jahr 2000. Zur Vermeidung der Prozessrisiken bei der Klärung der unterschiedlichen Rechtspositionen bezüglich der Verpflichtung der Klägerin zur Weiterleitung der Skonti hatten die Beteiligten den Vergleich geschlossen.

Der erkennende Senat vermag daher auch bei Berücksichtigung der vor der Bilanzaufstellung im Mai 2009 erfolgten Durchsuchung zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2007 keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine drohende Inanspruchnahme der Klägerin über den Vergleichsbetrag von 61.000 € hinaus zu erkennen. Es bestand zu diesem Zeitpunkt keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Anfechtung des - weitergehende Ansprüche der Auftraggeberin verhindernden - Vergleiches. Die Auftraggeberin hat auch tatsächlich erst viel später - in 2010 - wahrscheinlich auf der Basis weiterer Erkenntnisse die Anfechtung erklärt.

Unabhängig von dieser die Klageabweisung allein tragenden Begründung teilt der erkennende Senat die Überzeugung des Beklagten, dass wertaufhellende Lebenssachverhalte bei der Bilanzierung von Rückstellungen nicht zeitlich unbegrenzt bis zur tatsächlichen Aufstellung, sondern nur bis zu dem Zeitpunkt des Ablaufs der Aufstellungsfrist für die Bilanz nach dem HGB berücksichtigt werden können. Deshalb ist auch aus diesem Grunde die Klage abzuweisen, weil bis zum danach maßgeblichen Zeitpunkt nicht ernstlich mit einer Inanspruchnahme der Klägerin durch die Auftraggeberin zu rechnen war.

Nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Dabei sind die allgemeinen Bewertungsgrundsätze des § 252 HGB zu berücksichtigen. Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB ist vorsichtig zu bewerten. Namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind.

Nach § 264 HGB besteht für Kapitalgesellschaften die Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahrs für das vergangene Geschäftsjahr. Dabei dürfen kleine Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB den Jahresabschluss und den Lagebericht auch später aufstellen, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht. Diese Unterlagen sind jedoch innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres aufzustellen.

Der BFH und ihm folgend mehrere Finanzgerichte haben mehrfach entschieden, dass wertaufhellende Tatsachen nicht mehr berücksichtigt werden können, wenn sie erst nach dem Zeitpunkt bekannt werden, an dem der Steuerpflichtige die Bilanz spätestens hätte aufstellen müssen. Die Frist zur ordnungsgemäßen Bilanzerstellung stelle eine zeitliche Grenze für die Berücksichtigung wertaufhellender Umstände dar. Dabei ist insbesondere entschieden worden, dass bei Einzelkaufleuten eine Berücksichtigung nicht mehr erfolgen könne, wenn die Bilanzaufstellung nicht innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Geschäftsjahres erfolgt ist, da in diesen Fällen nicht mehr von einer innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs erstellten Bilanz gesprochen werden könne (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 3. Juli 1991 X R 163-164/87, BStBl II 1991, 802 m.w.N.; ebenso Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 9. November 1999 13 K 6611/96 E, G, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2000, 304 und Urteil vom 20. Oktober 1976 VIII (VII) 24/71 E, EFG 1979, 255; Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 27. Mai 1992 I 45/89, EFG 1993, 85).

Der erkennende Senat schließt sich insoweit der zitierten Rechtsprechung an, die auch in der Literatur wesentliche Unterstützung erfährt (vgl. z. B. Kleinle in Herrmann/ Heuer/ Raupach, EStG, § 15 Anm. 210; Buciek in Blümich, EStG, § 15 Rdnr. 280 m. w. N. auch zur Gegenmeinung).

Da der Gesetzgeber in § 243 Abs. 3 HGB die Verpflichtung zur Aufstellung des Jahresabschlusses innerhalb einer dem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechenden Zeit geregelt hat, kann nach Überzeugung des Senats nicht davon ausgegangen werden, dass diese Verpflichtung im Rahmen der Anwendung des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB unbeachtlich sein soll. Vielmehr stellt sie äußerste Grenze für die Berücksichtigung wertaufhellender Tatsachen dar. Die Regelung in § 264 Abs. 1 HGB konkretisiert die Frist zur Aufstellung der Bilanz für bestimmte Steuerpflichtige. Danach konnten im Streitfall bei der Klägerin als kleiner Kapitalgesellschaft i. S. d. § 267 HGB wertaufhellende Umstände nur bis zum Ablauf des 30. Juni 2008 berücksichtigt werden, da handelsrechtlich die Bilanz der Klägerin spätestens bis zu diesem Zeitpunkt aufzustellen war.

Im Streitfall ist der aus Sicht der Klägerin wertaufhellende Umstand, die Einleitung des Strafverfahrens und der Durchsuchungsbeschluss, nach Ablauf dieser äußersten Frist für die Bilanzerstellung und im Übrigen auch nach Ablauf der von der bisherigen Rechtsprechung für Einzelkaufleute als maßgeblich angesehenen Frist bis zu einem Jahr nach dem Bilanzstichtag (hier bis zum 31. Dezember 2008) eingetreten und bekannt geworden und kann deshalb nicht berücksichtigt werden.

Nach Lage der Akten ist der Vorgang bei der Staatsanwaltschaft erst im Jahr 2009 eingeleitet worden. Dafür sprechen die Aktenzeichen, die alle auf das Jahr 2009 verweisen.

Bis zum Ablauf der für die Aufstellung der Bilanz geltenden Frist sind keinerlei Umstände bekannt geworden, die eine mögliche Unwirksamkeit des Vergleiches indizieren könnten. Vielmehr sind die Beteiligten - wie sich aus der Anfrage zur Ratenzahlung vom 22. Juli 2008 klar ergibt - zu diesem Zeitpunkt übereinstimmend von einer Wirksamkeit des Vergleiches ausgegangen. Die Zahlung der einzelnen Raten indiziert weiterhin, dass die Beteiligten auch bis zum Ende des Jahres 2008 von der Wirksamkeit des Vergleiches und der Notwendigkeit der vertragsgerechten Zahlung ausgegangen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war im Streitfall nicht zuzulassen, da die Feststellung, dass zum Bilanzstichtag auch unter Berücksichtigung evtl. wertaufhellender Erkenntnisse bis zur Bilanzaufstellung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden musste, dass die Klägerin von der Auftraggeberin auf weiteren Schadensersatz in Anspruch genommen werden könne und werde, auf der Auswertung der im konkreten Einzelfall gegebenen Fakten und der Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze beruht.

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