BAG: Beitragspflichten zu den Sozialkassen des Baugewerbes – Wohnungswirtschaft - Verbändevereinbarung – Gewerbebegriff – Betriebsbegriff
BAG, Urteil vom 23.10.2024 – 10 AZR 267/23
ECLI:DE:BAG:2024:231024.U.10AZR267.23.0
Volltext: BB-Online BBL2025-435-2
Orientierungssätze
1. Der von § 1 Abs. 2 VTV verwendete Begriff des (Bau-)Gewerbes ist als unbestimmter Rechtsbegriff unabhängig vom Begriffsverständnis in anderen Rechtsgebieten nach Sinn und Zweck der Vorschrift zu bestimmen. Er unterliegt – bedingt durch Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertungsmaßstäbe – dem Wandel der Zeit. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht entscheidend an (Rn. 21 f.).
2. Betriebe der privaten Wohnungswirtschaft, die bauliche Tätigkeiten an Bestandsimmobilien innerhalb eines Konzerns erbringen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes, wenn die Ausübung der betrieblichen Tätigkeit einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordert. Dies gilt auch, wenn sich die durch den Betrieb erzielte Wertschöpfung in anderen konzernangehörigen Gesellschaften realisiert (Rn. 23 f.).
3. Zur Bestimmung der Merkmale eines Betriebs iSd. § 1 Abs. 2 VTV ist auf den allgemeinen Betriebsbegriff abzustellen, wie er insbesondere für das Betriebsverfassungsrecht entwickelt worden ist. Ausgehend vom Begriff der selbständigen Betriebsabteilung in § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV sind mit Blick auf die Selbständigkeit der Betriebsführung und die erforderliche Entscheidungsgewalt in personellen und sozialen Angelegenheiten höhere Anforderungen an das Vorliegen eines eigenständigen Betriebs zu stellen (Rn. 47 ff.).
4. Bei der „Vereinbarung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes und der Wohnungswirtschaft sowie der SOKA-Bau betreffend der Prüfung einer Beitragspflicht von Unternehmen der Wohnungswirtschaft zur SOKA-Bau“ vom 2. November 2020 (Verbändevereinbarung) handelt es sich nicht um einen Tarifvertrag, sondern um eine sonstige schuldrechtliche Vereinbarung. Diese wirkt sich auf die Allgemeinverbindlichkeit des VTV und die Geltung seiner Rechtsnormen für die von ihm erfassten Betriebe nicht aus (Rn. 61 ff.).
5. Eine auf die Verbändevereinbarung gestützte Vollzugspraxis der Einzugsstelle, die entgegen den Regelungen des allgemeinverbindlichen VTV bestimmte Unternehmen vom Beitragseinzug ausnimmt, lässt die Beitragspflicht der tarifunterworfenen Arbeitgeber unberührt. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung kann hierauf nicht gestützt werden (Rn. 76).
6. Das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe verstößt weder gegen Staatsstrukturbestimmungen noch gegen die Grundsätze des Sozial- und Abgabenrechts (Rn. 77 ff.).
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft zu entrichten.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet und verlangt von der Beklagten Beiträge für 1.235 gewerbliche Arbeitnehmer und 137 Angestellte in Höhe von insgesamt 7.123.946,43 Euro für die Monate Januar bis Dezember 2020. Seine Ansprüche stützt der Kläger auf den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 28. September 2018, der durch Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 7. Mai 2019 mit Wirkung vom 1. Januar 2019 für allgemeinverbindlich erklärt worden ist (BAnz. AT 17. Mai 2019 B1, im Folgenden AVE).
§ 1 VTV enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
„§ 1 Geltungsbereich
(1) Räumlicher Geltungsbereich
Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
(2) Betrieblicher Geltungsbereich
Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
…
Abschnitt II
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen und Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
…
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
…
15. Fliesen-, Platten- und Mosaik-Ansetz- und Verlegearbeiten;
…
23. Maurerarbeiten;
…
34. Stuck-, Putz-, Gips- und Rabitzarbeiten, einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;
…
37. Trocken- und Montagebauarbeiten (z. B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen, Montage von Baufertigteilen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;
…
42. Zimmerarbeiten und Holzbauarbeiten, die im Rahmen des Zimmergewerbes ausgeführt werden.
Abschnitt VI
Betriebe, soweit in ihnen die in den Abschnitten I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, fallen grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. Betrieb im Sinne dieses Tarifvertrags ist auch eine selbständige Betriebsabteilung. Als solche gilt auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die außerhalb der stationären Betriebsstätte eines nicht von den Abschnitten I bis IV erfassten Betriebs baugewerbliche Leistungen ausführt.
Werden in Betrieben des Baugewerbes in selbständigen Abteilungen andere Arbeiten ausgeführt, so werden diese Abteilungen dann nicht von diesem Tarifvertrag erfasst, wenn sie von einem spezielleren Tarifvertrag erfasst werden.
Abschnitt VII
Nicht erfasst werden Betriebe
…
2. des Dachdeckerhandwerks,
…
6. des Maler- und Lackiererhandwerks, soweit nicht Arbeiten der in Abschnitt IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden,
…
11. des Schreinerhandwerks sowie der holzbe- und -verarbeitenden Industrie, soweit nicht Fertigbau-, Dämm- (Isolier-), Trockenbau- und Montagebauarbeiten oder Zimmerarbeiten ausgeführt werden,
12. des Klempnerhandwerks, des Gas- und Wasserinstallationsgewerbes, des Elektroinstallationsgewerbes, des Zentralheizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbes sowie des Klimaanlagenbaus, soweit nicht Arbeiten der in Abschnitt IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden,
…“
Die nicht originär tarifgebundene Beklagte mit Sitz in B gehört zum Konzern der V SE, einer Unternehmensgruppe, die Wohnungen in Deutschland und in anderen europäischen Ländern vermietet. Die Beklagte erbringt seit Ende 2011 auf der Basis eines konzernintern zugewiesenen Budgets und vorgegebener konzerninterner Verrechnungspreise Dienstleistungen technisch-handwerklicher Art der Bestandspflege ausschließlich für Wohnimmobilien von Konzerngesellschaften der V SE in verschiedenen Städten sowie deren Umland. Neben den Instandhaltungs- und Modernisierungsarbeiten im Rahmen von Kleinreparaturen führte die Beklagte auch Projekte in den Wohnimmobilien durch und behob Versicherungsschäden. Die Beklagte meldete am 28. Mai 2018 bei der Stadt B ein Gewerbe an.
Im streitgegenständlichen Zeitraum waren bei der Beklagten im Bereich der Instandhaltung einschließlich Kleinreparaturen ua. Fachkräfte des Elektro-, Maler-, Tischler-, Dachdecker- sowie des Sanitärinstallateur- und Lüftungsbauerhandwerks tätig. Für die jeweiligen Bereiche beschäftigte die Beklagte technische Betriebsleiter, die über einen Meisterabschluss des betreffenden Gewerks verfügen, und bildete Auszubildende in den jeweiligen Gewerken aus.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V., der Zentralverband Deutsches Baugewerbe e. V., die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt sowie die SOKA-Bau und der Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft e. V. schlossen am 30. Oktober 2018 eine „Vereinbarung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes und der Wohnungswirtschaft sowie der SOKA-Bau betreffend der Prüfung einer Beitragspflicht von Unternehmen der Wohnungswirtschaft zur SOKA-Bau“ (Verbändevereinbarung), die ein Clearingstellen-Verfahren zur Erarbeitung von Abgrenzungskriterien vorsah. Darin war geregelt, dass die Tarifvertragsparteien nach zwölf Monaten die Ergebnisse des Clearingstellen-Verfahrens auswerten und daraus ggf. bis zum 30. Juni 2020 eine Einschränkungsklausel als Bestandteil des nächstfolgenden AVE-Antrags oder eine konkretere Verbändevereinbarung erarbeiten. Am 2. November 2020 schlossen dieselben Parteien sowie die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di unter identischer Überschrift eine weitere Verbändevereinbarung, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
„1. Werden baugewerbliche Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abschnitt I bis VI VTV von einem Mitgliedsunternehmen des Arbeitgeberverbandes der Deutschen Immobilienwirtschaft e. V. in einem Zeitraum erbracht, in dem die Tarifverträge des Verbandes kraft Mitgliedschaft Anwendung finden, so kann eine Beitragspflicht zur SOKA-BAU streitig sein.
Es besteht insoweit Konsens, dass Wohnungsgenossenschaften, Wohnungsunternehmen der öffentlichen Hand und kirchliche Wohnungsunternehmen sowie deren selbständige Betriebsabteilung nicht beitragspflichtig im Sinne des Sozialkassenverfahrens sind, wenn sie am 01.01.2020 durch Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft tarifgebunden sind und die baulichen Tätigkeiten sich auf Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen im eigenen Bestand beschränken. Das gilt auch für den Fall, dass Unternehmen der genannten Unternehmensformen die Tätigkeiten in eine 100%ige Tochtergesellschaft verlagert haben, die am 01.01.2020 durch Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft tarifgebunden ist und die baulichen Tätigkeiten sich auf Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen im eigenen Bestand der Muttergesellschaft beschränken.
…
In anderen Fällen gelten die allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Sozialkassenverfahren uneingeschränkt, es sei denn, dass es im Einzelfall Gründe für eine abweichende Beurteilung gibt, insbesondere die Gewerblichkeit der Tätigkeit unklar ist. …“
Unter Ziff. 3 vereinbarten die Unterzeichner, dass diese Vereinbarung von jeder Partei mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende gegenüber den anderen Beteiligten kündbar ist.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe im Jahr 2020 einen unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallenden Betrieb unterhalten, in dem zu weit mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit baugewerbliche Arbeiten erbracht worden seien, die in ihrer Gesamtheit der Instandhaltung und Instandsetzung von Gebäuden gedient hätten. Die Beklagte unterhalte keine einzelnen Betriebe, welche die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV erfüllten.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.123.946,43 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, sie übe keine gewerbliche Tätigkeit iSd. VTV aus. Es sei maßgeblich auf den traditionellen verwaltungsrechtlichen Gewerbebegriff abzustellen, der eine Gewinnerzielungsabsicht und ein Auftreten am Markt erfordere. Diese Kriterien erfülle sie nicht. Ihr stehe eine eigene Preisgestaltung nicht zu und sie handle ohne eigenes unternehmerisches Risiko und ohne eigene unternehmerische Chance. Ihre Arbeitnehmer unterlägen auch keinem baugewerbetypischen Risiko. Der traditionelle Gewerbebegriff liege ebenfalls § 13 Abs. 2 BUrlG sowie den Satzungen der Verbände des Baugewerbes zugrunde und komme darüber hinaus in den Verbändevereinbarungen zum Ausdruck. Eine davon abweichende Definition des Baugewerbes im Rahmen des § 1 VTV stelle eine unzulässige ergänzende Tarif- und Satzungsauslegung dar. Werde hierbei auf das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht verzichtet, sei ein Tarifvertrag mit einem Inhalt für allgemeinverbindlich erklärt, der den satzungsgemäßen Zuständigkeitsbereich der Tarifvertragsparteien überschreite. Auch die Tarifzuständigkeit der Innungen, die ihre Tarifmacht aus der Handwerksordnung bezögen, sei notwendig auf gewerbliche Betriebe im traditionellen Sinn ausgerichtet. Eine geänderte Auslegung des Gewerbebegriffs sei außerdem rückwirkend nicht möglich. Sie – die Beklagte – habe darauf vertrauen dürfen, keine Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes leisten zu müssen. Im Hinblick auf eine ältere Entscheidung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts erfordere die Aufgabe des traditionellen Gewerbebegriffs ggf. eine vorherige Anrufung des Großen Senats. Wegen der weitreichenden Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete komme auch eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes in Betracht.
Darüber hinaus sei die Einbeziehung von privatrechtlich organisierten Gesellschaften eines Konzerns der Wohnungswirtschaft, die bauliche Leistungen ausschließlich konzernintern erbringen, in den Geltungsbereich des VTV willkürlich und verstoße insbesondere vor dem Hintergrund der Verbändevereinbarung vom 2. November 2020 und der darauf beruhenden Vollzugspraxis des Klägers gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Diese Vereinbarung, die einen Änderungstarifvertrag darstelle und die bestimmte Unternehmen der Wohnungswirtschaft von der Beitragspflicht ausnehme, habe den betrieblichen Geltungsbereich des § 1 VTV geändert. Dadurch sei die demokratische Legitimation der AVE unterbrochen und die AVE habe ihre Wirksamkeit verloren. Zudem verstoße das Sozialkassenverfahren gegen Staatsstrukturbestimmungen des Art. 20 Abs. 2 und 3 GG und verletze die Beklagte in ihren Grundrechten.
Jedenfalls falle ihr Unternehmen nicht in seiner Gesamtheit unter den Geltungsbereich des VTV. Sie habe im Bereich Instandhaltung und Kleinreparaturen – neben weiteren Betrieben – 33 Handwerksbetriebe iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV eingerichtet. Hierbei handle es sich jeweils um selbständige Betriebe iSd. VTV, in denen für das jeweilige Gewerk spezifische Instandhaltungsarbeiten und Kleinreparaturen in Wohnimmobilien des V SE Konzerns erbracht worden seien. Diese verfügten jeweils über einen Betriebsleiter, welcher die wesentlichen Entscheidungsbefugnisse in personellen Angelegenheiten wahrnehme und befugt sei, über Einstellungen oder den Ausspruch von Abmahnungen oder Kündigungen zu entscheiden. Zwar habe sich dieser vor seiner Entscheidung in der Regel mit der Personalabteilung beraten und mit anderen Führungskräften abgestimmt, dies stehe aber einer personellen Letztentscheidung nicht entgegen. Innerhalb dieser Betriebe würden die Aufträge den Handwerkern durch einen Auftragsmanager dieses Betriebs zugewiesen. Die Handwerksbetriebe seien so organisiert, dass die Arbeiten durch die Arbeitnehmer mit einem ihnen individuell zugeordneten Servicefahrzeug unter Einsatz spezifischer Arbeitsmittel mobil, dezentral und digital unterstützt erbracht würden. Die Betriebsleiter verrichteten die ihnen obliegenden Tätigkeiten entweder in einem ihnen zur Verfügung gestellten Büro, am jeweiligen Auftragsort oder aus dem mobilen Office heraus.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Aus den Gründen
14 Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Die auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für das Jahr 2020 gerichtete Klage ist zulässig und begründet.
15 I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (zu den Anforderungen vgl. BAG 30. März 2022 – 10 AZR 194/20 – Rn. 12 ff. mwN). Der Kläger hat die Beitragsforderung für jeden Kalendermonat des streitgegenständlichen Zeitraums anhand der Zahl der in den einzelnen Monaten beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten errechnet.
16 II. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann von der Beklagten für das Kalenderjahr 2020 Sozialkassenbeiträge in Höhe von 7.123.946,43 Euro verlangen.
17 1. Die Pflicht der Beklagten, Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft zu leisten, folgt aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 15, 23, 34, 37 und 42, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2, § 15 Abs. 2 Satz 1, § 16 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a, § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV iVm. der AVE vom 7. Mai 2019.
18 a) Der in Nordrhein-Westfalen gelegene Betrieb der Beklagten unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich des VTV (§ 1 Abs. 1 VTV). Gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte werden vom persönlichen Geltungsbereich erfasst (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 VTV).
19 b) Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen wurde der Betrieb der Beklagten in seiner Gesamtheit im streitgegenständlichen Zeitraum auch vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst. Das Gesamtbild der betrieblichen Tätigkeit entsprach den allgemeinen Vorstellungen von einem planmäßigen (Bau-)Geschäftsbetrieb und damit einer gewerblichen Tätigkeit iSd. VTV. Ausgeführt wurden bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 15, 23, 34, 37 und 42 VTV, jedenfalls aber nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Bei den von der Beklagten im Bereich der Instandhaltung und Kleinreparaturen unterhaltenen Gewerken handelt es sich nicht um eigenständige Betriebe, die vom Anwendungsbereich des VTV nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV ausgenommen sind.
20 aa) Die Beklagte unterhielt im streitgegenständlichen Zeitraum einen gewerblichen Betrieb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 VTV.
21 (1) Die Gewerblichkeit des Betriebs ist ein allgemeines Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 2 VTV, das unabhängig von den Detailregelungen in den Abschnitten I bis V des § 1 Abs. 2 VTV erfüllt sein muss (ausführlich BAG 16. September 2020 – 10 AZR 56/19 – Rn. 21 f., BAGE 172, 197). Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes haben in § 1 Abs. 2 VTV den Gewerbebegriff des staatlichen Gewerberechts in Bezug genommen. Insoweit ist der Beklagten zuzugestehen, dass die Gewinnerzielungsabsicht im öffentlichen Wirtschaftsrecht grundsätzlich zu den allgemein anerkannten Voraussetzungen einer gewerbsmäßigen Tätigkeit zählt. Allerdings sind die Begriffe des Gewerbes und der Gewerbsmäßigkeit nicht definiert (BVerwG 7. Juli 2016 – 3 C 23.15 – Rn. 24, BVerwGE 155, 381). Auch die Gewerbeordnung enthält keine Legaldefinition des Gewerbebegriffs. Sie setzt ihn vielmehr als unbestimmten Rechtsbegriff voraus (BVerwG 27. Februar 2013 – 8 C 8.12 – Rn. 12). Als solcher ist dieser für eine Weiterentwicklung und eine am Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift orientierte Auslegung offen (BVerwG 7. Juli 2016 – 3 C 23.15 – aaO). Er ist für jedes Gesetz selbständig und unabhängig von dem Verständnis des Begriffs in anderen Rechtsgebieten zu bestimmen (BGH 28. Mai 2020 – III ZR 58/19 – Rn. 23 mwN, BGHZ 226, 39). Die Einordnung unter den Begriff „gewerblicher Betrieb“ ist infolge des Wechsels tatsächlicher Verhältnisse wie auch der Wertungsmaßstäbe der Wandlung unterworfen (BGH 7. Juli 1960 – VIII ZR 215/59 – zu II 2 der Gründe, BGHZ 33, 321).
22 Davon ist auch der Senat in der – von der Beklagten kritisierten – Entscheidung vom 16. September 2020 (- 10 AZR 56/19 – BAGE 172, 197) ausgegangen und hat für die (bauliche) Unterhaltung von Immobilien eine gewerbliche Nutzung und Verwaltung eigenen Immobilienvermögens angenommen, wenn das Gesamtbild der Betätigung den allgemeinen Vorstellungen von einem planmäßigen (Bau-)Geschäftsbetrieb entspricht. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Vermögensnutzung und -verwaltung in einem das Private übersteigenden Maß der Wertschöpfung dient, weil die damit verbundenen organisatorischen, personellen und wirtschaftlichen Vorgänge eine professionelle Führung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen verlangen. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es danach nicht entscheidend an (BAG 22. Juni 2022 – 10 AZR 388/19 – Rn. 26; 16. September 2020 – 10 AZR 56/19 – Rn. 30 ff., aaO).
23 (2) Diese Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht bei der Beurteilung der Gewerblichkeit der ausgeübten Tätigkeiten im Jahr 2020 zutreffend auf die Beklagte angewandt. Vorliegend wurde die Beklagte zwar nicht selbst als Nutzerin und Verwalterin von Immobilienvermögen tätig. Sie stellte mit ihren Arbeitnehmern jedoch die bauliche Unterhaltung der Immobilien und somit deren gewinnbringende Nutzung innerhalb des Konzerns sicher und bedurfte für die nachhaltige Ausübung der betrieblichen Tätigkeit eines betriebswirtschaftlich geführten Betriebs. Das Gesamtbild ihrer Tätigkeiten entsprach den allgemeinen Vorstellungen von einem planmäßigen Geschäftsbetrieb.
24 (a) Die Organisation der Beklagten, insbesondere die Koordination der baulichen Leistungen, der Einsatz und die Führung des erheblichen Personalbestands von über 1.200 Arbeitnehmern, die Lohnbuchhaltung und die Verwaltung des Finanzbudgets erforderten eine professionelle Führung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Als in das Handelsregister eingetragene GmbH hatte die Beklagte eine Vielzahl gesetzlicher Vorgaben und organisatorischer Maßnahmen zur Durchführung ihres Geschäftsbetriebs zu erfüllen, wie etwa das Erstellen einer Bilanz (§ 264 HGB). Sie erbrachte die beauftragten baulichen Leistungen – wenn auch zu vorgegebenen Verrechnungspreisen und anders als die Beklagte meint – entgeltlich. Die dadurch erzielte Wertschöpfung kam zwar nicht unmittelbar der Beklagten, sondern anderen Gesellschaften der V SE zugute, welche die Immobilien idR gewinnbringend nutzen konnten bzw. genutzt haben. Ihre Leistungen dienten damit aber der Gewinnerzielung innerhalb des Konzerns. Selbst wenn also – wovon die Beklagte ausgeht – auf das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht nicht verzichtet werden könnte, wäre es vorliegend erfüllt. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist auch gegeben, wenn die mit der betrieblichen Tätigkeit erzielte Wertschöpfung anderen zugutekommt (vgl. zur Gewinnerzielung zugunsten des Geschäftsführers BAG 3. Dezember 2003 – 10 AZR 107/03 – zu II 2 b bb der Gründe). Dementsprechend hat auch der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung die Erzielung eines mittelbaren wirtschaftlichen Vorteils für das Bestehen einer Gewinnerzielungsabsicht ausreichen lassen und eine gewerbsmäßige Überlassung von Arbeitnehmern nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF angenommen, wenn nicht dem Verleiher selbst, sondern dem konzerninternen Entleiher oder der Konzernmutter der wirtschaftliche Vorteil aus der Arbeitnehmerüberlassung zukommt. Dies gilt etwa dann, wenn ein konzernzugehöriges Unternehmen Arbeitnehmer einstellt, um sie an andere Konzernunternehmen zu Bedingungen zu überlassen, die für diese Unternehmen mit geringeren Kosten verbunden sind, als wenn sie die Arbeitnehmer selbst einstellten (BAG 18. Juli 2012 – 7 AZR 451/11 – Rn. 23; 9. Februar 2011 – 7 AZR 32/10 – Rn. 36 f.). Diese Grundsätze lassen sich auf die hier vorliegende Konstellation übertragen, in der sich die durch die gewerblichen Arbeitnehmer der Beklagten erzielte Wertschöpfung in anderen konzernangehörigen Gesellschaften realisiert. Denn in Unternehmenszusammenschlüssen und Konzernen kann aus unterschiedlichen Gründen die gezielte Zuweisung von Gewinnen und Verlusten an einzelne Unternehmen erfolgen, ohne dass deren gewerbliche Funktion innerhalb des Konzerns infrage steht (BAG 16. September 2020 – 10 AZR 56/19 – Rn. 27 mwN, BAGE 172, 197).
25 (b) Die Verbändevereinbarung vom 2. November 2020 lässt – entgegen der Ansicht der Beklagten – keine Rückschlüsse darauf zu, dass die Tarifvertragsparteien des VTV dem Begriff des Baugewerbes bei Abschluss des VTV eine andere Bedeutung beigemessen haben. Danach besteht Konsens zwischen den Unterzeichnern der Vereinbarung, dass Wohnungsgenossenschaften, Wohnungsunternehmen der öffentlichen Hand und kirchliche Wohnungsunternehmen sowie deren selbständige Betriebsabteilungen unter bestimmten Voraussetzungen nicht beitragspflichtig im Sinn des Sozialkassenverfahrens sein sollen. In anderen Fällen sollen die allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Sozialkassenverfahren uneingeschränkt gelten, es sei denn, dass es im Einzelfall Gründe für eine abweichende Beurteilung gibt, insbesondere die Gewerblichkeit der Tätigkeit unklar ist. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass die allgemeinverbindlichen VTV für private Wohnungsunternehmen und deren Instandhaltungsbetriebe auch aus Sicht der Tarifvertragsparteien gelten. Das Fehlen einer Gewerblichkeit haben die Tarifvertragsparteien für diese Unternehmen und Betriebe nicht verneint. Zu anderen Kriterien verhält sich die Vereinbarung nicht.
26 (c) Auf einen eigenen Marktauftritt kommt es nicht an (vgl. BAG 3. Dezember 2003 – 10 AZR 107/03 – zu II 2 b aa der Gründe). Im Übrigen konkurrierte die Beklagte als Auftragnehmerin konzernangehöriger Gesellschaften im streitgegenständlichen Zeitraum auch ohne eigenen Marktauftritt mit anderen technischen Dienstleistungsbetrieben, bei denen die immobilienhaltenden Gesellschaften der V SE die Leistungen hätten nachfragen müssen, wenn es die Beklagte nicht gegeben hätte.
27 (d) Darüber hinaus hat die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ein Gewerbe angemeldet und damit selbst deutlich gemacht, dass sie gewerblich tätig geworden ist.
28 (e) Soweit die Beklagte meint, nach der neueren Rechtsprechung des Senats (BAG 16. September 2020 – 10 AZR 56/19 – BAGE 172, 197) verblieben keine Betriebe, bei denen das Merkmal der Gewerblichkeit nicht gegeben wäre, sobald nur ein planmäßiger Geschäftsbetrieb vorliege, kann dem nicht gefolgt werden. Insbesondere Betätigungen aus ideellen Beweggründen – zB rein gemeinnützige, karitative Betätigungen – wären nicht erfasst (vgl. schon BAG 20. April 1988 – 4 AZR 646/87 – BAGE 58, 116; 9. Februar 2011 – 7 AZR 32/10 – Rn. 37).
29 (3) Die weiteren von der Beklagten vorgebrachten Einwendungen gegen das Vorliegen eines Gewerbes greifen nicht durch.
30 (a) Wie aufgezeigt, ist von einer Gewinnerzielungsabsicht – jedenfalls zugunsten verbundener Konzerngesellschaften – bei der Beklagten auszugehen (Rn. 24).
31 (b) Unabhängig davon wird der betriebliche Geltungsbereich des § 1 VTV durch den vom Landesarbeitsgericht auf der Grundlage der Senatsentscheidung vom 16. September 2020 (- 10 AZR 56/19 – BAGE 172, 197) verwendeten Gewerbebegriff nicht unzulässig erweitert. Die Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien wird hierdurch nicht überschritten. Ein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie liegt nicht vor.
32 (aa) Die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung richtet sich nach dem in ihrer Satzung festgelegten Organisationsbereich. Dessen autonome Festlegung ist Ausdruck der in Art. 9 Abs. 1 und 3 GG verfassungsrechtlich garantierten Vereins- und Koalitionsfreiheit (vgl. BAG 31. Januar 2018 – 10 AZR 695/16 (A) – Rn. 32; 22. Februar 2017 – 5 AZR 252/16 – Rn. 33, BAGE 158, 205; 21. Januar 2015 – 4 AZR 797/13 – Rn. 72, BAGE 150, 304).
33 (bb) Die Satzung des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes e. V., in welchem Verbände der einzelnen Fachbereiche der Bauwirtschaft zusammengeschlossen sind, verwendet in § 3 unter der Überschrift „Fachbereiche“ die Begriffe des Baugewerbes und der baugewerblichen Betriebe. Eine eigene Definition des Gewerbebegriffs enthält die Satzung nicht. Es wird demnach auch hier, wie im VTV, der unbestimmte Rechtsbegriff des Gewerbes zugrunde gelegt, der der Auslegung zugänglich und mit Änderung der Verkehrsanschauungen sowie der tatsächlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse dem Wandel bzw. Anpassungen unterworfen ist. Dabei gelten für die Auslegung einer Satzung – wie auch bei einem Tarifvertrag – die Grundsätze der Gesetzesauslegung. Maßgeblich ist der objektivierte Wille des Satzungsgebers (BAG 21. März 2018 – 10 ABR 62/16 – Rn. 80, BAGE 162, 166). Insofern gelten letztlich die gleichen Erwägungen wie bei der Auslegung des VTV (vgl. Rn. 21 f.). Die für die Normsetzung verantwortlichen Tarifvertragsparteien haben den tariflichen Anwendungsbereich des VTV erkennbar auf solche Arbeitgeber beschränkt, die sich „berufsmäßig“ dem Baugewerbe gewidmet haben und einem der beiden Mitgliedsverbände angehören können, die die Verfahrenstarifverträge auf Arbeitgeberseite abgeschlossen haben (BAG 16. September 2020 – 10 AZR 56/19 – Rn. 32 mwN, BAGE 172, 197). Entsprechend ist der Begriff des Baugewerbes, wie ihn die Verbände in ihren Satzungen verwenden, zu verstehen. Der Gewerbebegriff hat durch die Rechtsprechung des Senats auch keine Erweiterung gefunden, sondern ist nuanciert und den gegebenen Verhältnissen angepasst worden, ohne den Bereich der Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien zu verlassen. Das spiegelt sich letztlich auch darin wider, dass diese im Nachgang zu der genannten Entscheidung weder eine Klarstellung im VTV noch in ihren Satzungen vorgenommen haben. Das zeigt ihr mit der Auslegung des Gewerbebegriffs durch den Senat übereinstimmendes Verständnis, so dass – entgegen der Ansicht der Beklagten – keine „Unterbrechung der Legitimationskette“ mit Blick auf den VTV und dessen AVE vorliegt.
34 (cc) Soweit die Beklagte die Satzung des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie e. V. heranzieht und über den dort verwendeten Begriff der Industrie auf § 1 Abs. 1 IHKG verweist, ergibt sich nichts anderes. Danach haben die Industrie- und Handelskammern ua. die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen. Nach § 2 Abs. 1 IHKG gehören zur Industrie- und Handelskammer ua. juristische Personen des privaten Rechts, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind. Nach § 2 Abs. 2 GewStG gilt als Gewerbebetrieb ua. die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften. Hierunter fällt unbestreitbar die Beklagte als GmbH.
35 (dd) Auch der Blick auf die Innungen, die ihre gesetzliche Grundlage in der Handwerksordnung haben (vgl. §§ 52 ff. HwO), führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Es gilt der allgemeine verwaltungsrechtliche Gewerbebegriff, der wandelbar ist (vgl. BVerwG 7. Juli 2016 – 3 C 23.15 – Rn. 24, BVerwGE 155, 381). Der gewerbeaufsichtsrechtliche Gewerbebegriff, der in der Handwerksordnung eine besondere Ausprägung erfahren hat (BAG 20. April 1988 – 4 AZR 646/87 – BAGE 58, 116), dient der Erfassung gewerbe- bzw. handwerksrechtlich aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung anzeige- oder zulassungspflichtiger und damit überwachungsbedürftiger Tätigkeiten (BT-Drs. 15/1206 S. 22; vgl. BVerwG 9. April 2014 – 8 C 50.12 – Rn. 40, BVerwGE 149, 265; 26. Januar 1993 – 1 C 25.91 – zu 2 b der Gründe; Detterbeck Handwerksordnung 3. Aufl. Einl. Rn. 9; MüKoHGB/Karsten Schmidt 5. Aufl. § 1 Rn. 23). Die gewerberechtliche Einbindung einer Tätigkeit bezweckt den Schutz der Allgemeinheit oder Einzelner gegen Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen, die erfahrungsgemäß durch bestimmte wirtschaftliche Betätigungen herbeigeführt werden können (BVerwG 16. Februar 1995 – 1 B 205.93 – zu 4 a der Gründe). Mit der Gewinnerzielungsabsicht wird die Annahme einer erhöhten Gefährlichkeit verbunden, der der Gesetzgeber begegnen will (vgl. BVerwG 7. Juli 2016 – 3 C 23.15 – Rn. 21, aaO). Dem Gewerbebegriff nach der Handwerksordnung kommt damit eine andere Zielrichtung zu, die auch vorliegend greift. Denn die Beklagte wird in einem Umfang wirtschaftlich tätig, die zu einer erhöhten Gefährlichkeit führt, ohne dass es darauf ankommt, wo innerhalb des Konzerns die Gewinne im Ergebnis erzielt werden.
36 (c) Der Anwendung des VTV auf den Betrieb der Beklagten steht der vom Gesetzgeber in § 13 Abs. 2 BUrlG verwendete und nach Inhalt und Zweck der Norm zu bestimmende Begriff des Baugewerbes nicht entgegen.
37 (aa) § 13 Abs. 2 BUrlG definiert den Begriff des Baugewerbes nicht, sondern nimmt erkennbar Bezug auf das allgemeine Verständnis. Nach seinem Inhalt kann unter bestimmten Voraussetzungen von an sich unabdingbaren Regelungen des BUrlG durch Tarifvertrag abgewichen werden, „soweit dies zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs für alle Arbeitnehmer erforderlich ist“. Die Norm stellt erkennbar auf die besonderen Bedingungen in der Bauwirtschaft und die besondere Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer der Bauwirtschaft, nicht aber auf eine Absicht zur Erzielung von Überschüssen ab.
38 (bb) Die Beklagte kann nicht damit durchdringen, dass eine besondere Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer, die Instandhaltungsarbeiten an konzerneigenen Immobilien erbringen, nicht gegeben sei, da es an einer jahreszeitlichen Fluktuation der Aufträge fehle. Soweit es um die begriffliche Definition des Baugewerbes in § 13 Abs. 2 BurlG geht, kommt es auf die dort für andere Wirtschaftszweige genannten Voraussetzungen nicht an. Für das Baugewerbe wird die Fluktuation vermutet (BAG 15. Januar 2013 – 9 AZR 465/11 – Rn. 22; 25. Juni 2002 – 9 AZR 405/00 – zu A II 4 c der Gründe, BAGE 101, 357). Auch der VTV setzt nach seinem betrieblichen Geltungsbereich kein bestimmtes Maß an Fluktuation der Mitarbeiter voraus (BAG 17. Oktober 2012 – 10 AZR 629/11 – Rn. 17).
39 (d) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verankerte Rückwirkungsverbot bei der Fortentwicklung eines unbestimmten Rechtsbegriffs und dessen Anwendung auf einen Einzelfall nicht ersichtlich. Dagegen spricht bereits, dass selbst eine grundlegende Rechtsprechungsänderung als solche nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstößt. Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine vergleichbare Rechtsbindung (vgl. BVerfG 25. April 2015 – 1 BvR 2314/12 – Rn. 13; 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 – Rn. 85, BVerfGE 122, 248; BAG 23. März 2010 – 9 AZR 128/09 – Rn. 49, BAGE 134, 1). Im Übrigen handelt es sich hier nicht um die grundlegende Änderung einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung zum Gewerbebegriff des VTV, sondern um deren Fortentwicklung auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung und – was die Einordnung des Betriebs der Beklagten unter den fachlichen Geltungsbereich des VTV nach dem Gesamtbild ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit betrifft – um Rechtsanwendung im Einzelfall.
40 (e) Der Senat ist im Hinblick auf die von der Revision angeführte und zu § 1 VTV ergangene Entscheidung des Vierten Senats vom 20. April 1988 (- 4 AZR 646/87 – BAGE 58, 116) nicht verpflichtet, das Verfahren nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG einzuleiten und ggf. den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 2 ArbGG anzurufen. Für die Frage des Gewerbebegriffs nach § 1 VTV, der das Verhältnis zwischen einem Arbeitgeber der Bauwirtschaft und einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien betrifft, ist allein der hiesige Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständig (§ 45 Abs. 3 Satz 2 ArbGG). Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der in § 1 Abs. 2 VTV genannte betriebliche Geltungsbereich mit dem des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV) identisch ist und die Frage nach dessen Auslegung sich auch in einem Rechtsstreit über individualrechtliche Ansprüche eines Arbeitnehmers stellen kann. Eine divergierende Entscheidung eines anderen Senats zu § 1 BRTV liegt nicht vor. Eine Anrufung des Großen Senats wegen grundsätzlicher Bedeutung, die im Ermessen des zur Entscheidung berufenen Senats liegt (§ 45 Abs. 4 ArbGG), ist nicht angezeigt.
41 (f) Schließlich bedarf es auch keiner Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG. Da der von § 1 VTV verwendete Begriff des Baugewerbes unabhängig von dem Verständnis des Begriffs in anderen Rechtsgebieten zu bestimmen ist (vgl. Rn. 21), fehlt es bereits an der erforderlichen Divergenz zu höchstrichterlichen Entscheidungen anderer Gerichtszweige.
42 bb) Der Betrieb der Beklagten wurde in seiner Gesamtheit im streitgegenständlichen Zeitraum vom VTV erfasst. Entgegen der Ansicht der Beklagten unterhielt sie nicht 33 eigenständige (Handwerks-)Betriebe, die nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen waren.
43 (1) Damit ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst wird, ist – neben der (bau)gewerblichen Tätigkeit – erforderlich, dass im Kalenderjahr des Anspruchszeitraums in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt wurden, die unter § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V VTV fallen (vgl. zu den Voraussetzungen die st. Rspr., zB BAG 12. Oktober 2022 – 10 AZR 341/20 – Rn. 21 mwN).
44 (2) Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beinhalteten die von den gewerblichen Arbeitnehmern der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum zum Zweck der Sanierung, Modernisierung und Instandhaltung von Gebäuden erbrachten baulichen Leistungen nach § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV ua. Fliesenverlegearbeiten (Nr. 15), Maurerarbeiten (Nr. 23), Putzarbeiten (Nr. 34), Trocken- und Montagebauarbeiten (Nr. 37) sowie Zimmerarbeiten (Nr. 42). Darüber hinaus wurden Tätigkeiten erbracht, bei denen es sich jedenfalls um Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV handelte, die die Beklagte auch nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung – nämlich mit Werkstoffen, Arbeitsmitteln und -methoden des Baugewerbes – ausgeführt hat (vgl. zu diesen Merkmalen BAG 28. April 2021 – 10 AZR 34/19 – Rn. 13 f. mwN; 18. Dezember 2019 – 10 AZR 424/18 – Rn. 40 f.). Zu den von § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erfassten Instandsetzungs- oder Instandhaltungsarbeiten gehören nicht nur Sanierungsarbeiten im engeren Sinn, sondern auch kleinere Reparaturen an Gebäudeteilen, Elektroarbeiten, Maler- und Tapezierarbeiten, Klempner- und Reparaturarbeiten an Dächern sowie weitere Leistungen, die der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit eines Gebäudes dienen (vgl. BAG 16. September 2020 – 10 AZR 56/19 – Rn. 49, BAGE 172, 197; 27. März 2019 – 10 AZR 512/17 – Rn. 24 mwN).
45 (3) Der Betrieb der Beklagten wurde im streitgegenständlichen Zeitraum vollständig vom betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 VTV erfasst. Bei der Beurteilung der arbeitszeitlich überwiegend ausgeführten Tätigkeiten ist auf den Gesamtbetrieb und nicht auf einzelne Bereiche abzustellen. Die von der Beklagten zum Zweck der Instandhaltung und der Durchführung von Kleinreparaturen unterhaltenen einzelnen Gewerke stellen – entgegen ihrer Auffassung – keine eigenständigen Betriebe iSd. Ausnahmetatbestände nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV dar. Im maßgeblichen Zeitraum waren auch nicht einzelne selbständige Abteilungen des Gesamtbetriebs nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 2 VTV von dessen Geltungsbereich ausgenommen.
46 (a) Nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 1 VTV fallen Betriebe grundsätzlich als Ganzes unter die Tarifverträge, soweit die in den Abschnitten I bis V genannten Leistungen arbeitszeitlich überwiegend erbracht werden (BAG 12. Oktober 2022 – 10 AZR 341/20 – Rn. 22 mwN). Abweichend davon kann ausnahmsweise auf einzelne selbständige Betriebsabteilungen abzustellen sein. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 2 VTV regelt den Fall, dass in einem Betrieb der Bauwirtschaft in einer selbständigen Betriebsabteilung baufremde Leistungen erbracht werden. Werden dort „andere Arbeiten“ ausgeführt, fällt die Abteilung dann nicht in den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, wenn sie von einem spezielleren Tarifvertrag erfasst wird (BAG 22. Januar 2020 – 10 AZR 387/18 – Rn. 31, BAGE 169, 285; 30. Oktober 2019 – 10 AZR 177/18 – Rn. 34, BAGE 168, 290).
47 (b) Der VTV bestimmt nicht näher die Merkmale eines Betriebs iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 VTV. Maßgebend ist daher der allgemeine Betriebsbegriff, wie er insbesondere für das Betriebsverfassungsrecht entwickelt worden ist. Danach ist unter einem Betrieb iSd. § 1 Abs. 2 VTV die organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mithilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (BAG 14. Juli 2021 – 10 AZR 190/20 – Rn. 22, BAGE 175, 240; 30. Oktober 2019 – 10 AZR 177/18 – Rn. 35, BAGE 168, 290; zum betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff vgl. BAG 17. Mai 2017 – 7 ABR 21/15 – Rn. 17). Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden, der die wesentlichen Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten trifft (vgl. BAG 24. Februar 2010 – 10 AZR 759/08 – Rn. 18 mwN; siehe auch 17. Januar 2007 – 7 ABR 63/05 – Rn. 15, BAGE 121, 7).
48 (c) Nach der Systematik des VTV muss der Betriebsbegriff darüber hinaus eine Abgrenzung vom Begriff der selbständigen Betriebsabteilung in § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV ermöglichen und in den Anforderungen an die Leitungsmacht darüber hinausgehen.
49 (aa) Betriebsabteilung ist nach anerkannter Definition ein räumlich, personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb abgegrenzter Betriebsteil, der mit eigenen technischen Betriebsmitteln einen eigenen Betriebszweck verfolgt, der auch nur ein Hilfszweck sein kann. Das zusätzliche tarifliche Merkmal der Selbständigkeit erfordert eine auch für Außenstehende wahrnehmbare räumliche und organisatorische Abgrenzung sowie einen besonders ausgeprägten spezifischen arbeitstechnischen Zweck. Eine bloß betriebsinterne Spezialisierung in der Art, dass getrennte Arbeitsgruppen jeweils bestimmte Aufgaben erfüllen, genügt für die Annahme einer selbständigen Betriebsabteilung nicht (BAG 24. Februar 2010 – 10 AZR 759/08 – Rn. 14; 21. November 2007 – 10 AZR 782/06 – Rn. 30 mwN). Bei einem Betrieb mit mehreren Abteilungen kann eine selbständige Betriebsabteilung nur angenommen werden, wenn in den einzelnen Abteilungen – zusätzlich zu der räumlichen Abgrenzung – ein eigenständiger Leitungsapparat vorhanden ist, der die dort anstehenden arbeitstechnisch erforderlichen Maßnahmen plant und die der Betriebsabteilung zugeordneten Betriebsmittel zusammenfasst, ordnet und gezielt einsetzt (BAG 30. Oktober 2019 – 10 AZR 177/18 – Rn. 36, BAGE 168, 290; 24. Februar 2010 – 10 AZR 759/08 – aaO).
50 (bb) Ist die arbeitstechnische Leitung eines Bereichs unter Einsatz der diesem zugeordneten sächlichen und personellen Betriebsmitteln neben einer nach außen wahrnehmbaren Abgrenzung vom Restbetrieb bestimmend für das Vorliegen einer selbständigen Betriebsabteilung, müssen die Merkmale, die einen eigenständigen Betrieb begründen, darüber hinaus in einem höheren Maß an die Selbständigkeit der Betriebsführung und die Entscheidungsgewalt in personellen und sozialen Angelegenheiten anknüpfen. Dem entspricht auch die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil im Betriebsverfassungsrecht. Hierfür ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb iSv. § 1 BetrVG. Für das Vorliegen eines Betriebsteils iSv. § 4 Abs. 1 BetrVG genügt hingegen ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG 26. Mai 2021 – 7 ABR 17/20 – Rn. 33, BAGE 175, 104).
51 (d) Danach handelt es sich bei den im Unternehmen der Beklagten vorhandenen unterschiedlichen Gewerken nicht um eigenständige Betriebe. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auch in Ansehung der von der Revision aufgezeigten Begründungsmängel im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).
52 (aa) Der Betriebsbegriff ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der Beurteilung, ob eine Organisationseinheit ein Betrieb, ein selbständiger oder ein unselbständiger Betriebsteil ist, steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (st. Rspr., vgl. BAG 21. Juni 2023 – 7 ABR 19/22 – Rn. 34; 28. April 2021 – 7 ABR 10/20 – Rn. 27 mwN, BAGE 175, 1; 2. März 2017 – 2 AZR 427/16 – Rn. 16 mwN).
53 (bb) Es kann dahinstehen, ob die Würdigung des Landesarbeitsgerichts diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab in vollem Umfang standhält. Die Revision rügt insoweit zu Recht, dass das Landesarbeitsgericht bei der Subsumtion des vorgetragenen Sachverhalts unter den Betriebsbegriff des VTV auch wirtschaftliche Gesichtspunkte einbezogen hat, die sich auf das Unternehmen beziehen und für das Vorliegen eines eigenständigen Betriebs nicht erforderlich sind, wie zB das Berichtswesen über die Geschäftsentwicklung und die Budgetverwendung, eine strategische Planung im Einklang mit den Konzernzielen, die Festlegung von Zielen, Prioritäten und Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele oder eine eigenständige Finanzverwaltung. Im Ergebnis erweist sich die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts dennoch als zutreffend. Dies kann der Senat selbst entscheiden, da weitere tatsächliche Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind.
54 (aaa) Nach dem vom Landesarbeitsgericht berücksichtigten Vorbringen der Beklagten ist bereits zweifelhaft, ob eine hinreichende organisatorische Abgrenzung der angegebenen handwerklichen Einheiten von anderen Bereichen im Rahmen der Gesamtorganisation der Beklagten vorgelegen hat. Dagegen spricht, dass an den einzelnen Standorten mehrere Gewerke tätig waren, die sich lediglich in ihrer Funktion voneinander unterschieden, ohne dass darüber hinaus eine gemeinsame Verbindung von Betriebsmitteln und Personal für die jeweilige Einheit deutlich geworden ist. Eine lediglich funktionale Trennung ist jedoch nicht einmal für die Annahme einer selbständigen Betriebsabteilung ausreichend (vgl. Rn. 49).
55 (bbb) Im Ergebnis kann diese Frage jedoch dahinstehen. Der Annahme jeweils eigenständiger Betriebe iSd. Ausnahmetatbestände nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV steht jedenfalls entgegen, dass es den genannten Einheiten an einem einheitlichen Leitungsapparat mit Arbeitgeberfunktion, der über die Regelung organisatorischer und technischer Fragen durch die benannten Betriebsleiter hinausgeht, fehlt. Die von der Beklagten genannten Kompetenzen der jeweiligen Betriebsleiter reichen hierfür in der Gesamtschau nicht aus.
56 (aaaa) Dies betrifft zunächst die sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Von den im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Mitbestimmungstatbeständen hat die Beklagte nur zur Anordnung von Überstunden (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) und zur Aufstellung von Urlaubsplänen (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG) durch den Betriebsleiter vorgetragen. Diese beiden Tatbestände sind jedoch allein nicht wesensbestimmend für einen Betrieb. Die Anordnung von Überstunden kann auch einem Fachvorgesetzten übertragen werden. Der Abstimmung von Urlaubszeiten bedarf es vor allem unter denjenigen Arbeitnehmern, die gleichartige Arbeitsaufgaben erfüllen und sich gegenseitig vertreten können. Die Aufstellung eines Urlaubsplans kann abteilungsbezogen erfolgen und ist für die Annahme einer den Betrieb bestimmenden einheitlichen Leitungsmacht nicht prägend. Darüber hinaus ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die jeweiligen Betriebsleiter maßgebliche Entscheidungen über weitere für die Arbeitnehmer eines Betriebs wesentliche Arbeitsbedingungen iSv. § 87 Abs. 1 BetrVG im streitgegenständlichen Zeitraum getroffen haben bzw. treffen konnten.
57 (bbbb) Auch hinsichtlich der Leitung in personellen Angelegenheiten ergibt sich aus dem Vortrag nicht hinreichend konkret, welche Befugnisse die „Betriebsleiter“ hatten. So ist nicht dargestellt, wie die Personalplanung für die einzelnen Bereiche erfolgte (vgl. § 92 BetrVG), auf welcher Ebene hierüber entschieden wurde und welche Einflussmöglichkeiten die jeweiligen technischen Betriebsleiter vor Ort angesichts der bestehenden einheitlichen Personalabteilung hierauf hatten. Die Beklagte hat insbesondere nicht vorgetragen, in welcher Weise Einstellungen oder Entlassungen vorgenommen wurden, wie die Abstimmung mit der Personalabteilung oder „anderen Führungskräften“ erfolgte, ob lediglich über die Person des Bewerbers oder über die Einstellung als solche im Rahmen eines vorgegebenen Budgets durch den jeweiligen Betriebsleiter entschieden wurde bzw. entschieden werden konnte. Sie hat insoweit auch keine Beispiele benannt. Bei der – bestrittenen – Behauptung einer selbständigen Einstellungs- und Entlassungsbefugnis handelt es sich aber um eine Rechtstatsache, die sich aus festzustellenden Tatsachen, welche im Bestreitensfall vorzutragen sind, ableitet (zur Rechtstatsache vgl. BAG 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – zu II 2 der Gründe, BAGE 72, 176; siehe auch MüKoZPO/Fritsche 6. Aufl. § 138 Rn. 2). An einem solchen Tatsachenvortrag der Beklagten, insbesondere zur Einstellungs- und Entlassungsbefugnis der „Betriebsleiter“, fehlt es jedoch. Allein die Behauptung derselben genügt nicht.
58 (ccc) Die von der Beklagten insoweit erhobene Gehörsrüge greift nicht durch. Sie ist bereits unzulässig. Eine Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO muss die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Rüge stützen will. Dazu muss regelmäßig auch die Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Ergebnis des Berufungsurteils dargelegt werden (BAG 15. Juni 2021 – 9 AZR 413/19 – Rn. 55; 3. Dezember 2019 – 3 AZM 19/19 – Rn. 15 mwN; 24. Oktober 2019 – 8 AZN 589/19 – Rn. 23 mwN). Rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, ist näher darzulegen, dass für das Gericht eine Aufklärungspflicht bestanden hat, dass diese verletzt worden ist, was die Partei vorgetragen hätte, wenn das Gericht seiner Aufklärungspflicht genügt hätte, und dass die Entscheidung dann möglicherweise anders ausgefallen wäre (st. Rspr., zB BAG 16. Oktober 2013 – 10 AZR 9/13 – Rn. 46; 16. Dezember 2010 – 2 AZR 770/09 – Rn. 10; 31. Mai 2007 – 2 AZR 276/06 – Rn. 38, BAGE 123, 1). Die Revision wiederholt lediglich ihren bisherigen, vom Landesarbeitsgericht bereits berücksichtigten Sachvortrag. Ergänzenden oder weiterführenden Vortrag zu den Kompetenzen der (technischen) Betriebsleiter enthält das Revisionsvorbringen nicht. Hierzu bedurfte es auch keines weiteren Hinweises nach § 139 ZPO. Die Revision legt nicht dar, warum die Vorinstanz einem gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten in der konkreten Lage des Prozesses, nachdem der Kläger bereits in erster Instanz die Befugnis der Betriebsleiter zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern bestritten und den entsprechenden Vortrag der Beklagten als unsubstantiiert gerügt hatte, einen näheren Hinweis auf den unzureichenden diesbezüglichen Sachvortrag hätte erteilen müssen (zur Hinweispflicht vgl. BAG 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 – Rn. 39, BAGE 159, 380).
59 (e) Der Gesamtbetrieb der Beklagten ist nicht nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 2 (Dachdeckerhandwerk), Nr. 6 (Maler- und Lackiererhandwerk), Nr. 11 (Tischler- und Schreinerhandwerk) oder Nr. 12 (Heizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbe sowie Gas- und Wasserinstallationsgewerbe) aus dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen. Ein Betrieb wird nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV nur dann nicht vom Geltungsbereich des VTV erfasst, wenn in ihm arbeitszeitlich zu mehr als 50 % Tätigkeiten verrichtet werden, die als solche dem jeweiligen Handwerks- oder Gewerbezweig zuzuordnen sind, was hier nicht der Fall ist. Die unter verschiedene Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV fallenden Tätigkeiten können auch im Mischbetrieb nicht zusammengerechnet werden (st. Rspr., zB BAG 10. September 2014 – 10 AZR 959/13 – Rn. 37 mwN, BAGE 149, 84; 25. November 2009 – 10 AZR 737/08 – Rn. 14 ff., BAGE 132, 283).
60 (f) Es kann dahinstehen, ob es sich bei den genannten 33 Einheiten um selbständige Betriebsabteilungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 2 VTV gehandelt hat. Dies zugunsten der Beklagten unterstellt, wären diese als solche vom VTV erfasst. Eine Herausnahme dieser Einheiten aus dem betrieblichen Geltungsbereich setzt voraus, dass in der Abteilung „andere“, also baufremde Leistungen erbracht werden (BAG 30. Oktober 2019 – 10 AZR 177/18 – Rn. 34 mwN, BAGE 168, 290). Dies ist bei Leistungen, die der Instandhaltung und Instandsetzung von Gebäuden nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV dienen, nicht der Fall (vgl. BAG 10. September 2014 – 10 AZR 959/13 – Rn. 35, BAGE 149, 84; 25. November 2009 – 10 AZR 737/08 – Rn. 20 ff., BAGE 132, 283).
61 2. Aufgrund der AVE vom 7. Mai 2019 erstreckten sich die Rechtsnormen des VTV in seinem unveränderten Geltungsbereich im streitgegenständlichen Zeitraum auch auf den Betrieb der Beklagten (§ 5 Abs. 4 Satz 1 TVG). Entgegen der Auffassung der Revision ist die Allgemeinverbindlichkeit nicht aufgrund der Verbändevereinbarung vom 2. November 2020 beendet worden. Diese Vereinbarung stellt keinen Änderungstarifvertrag dar, welcher einen Ablauf des VTV und damit die Beendigung der AVE nach § 5 Abs. 5 Satz 3 TVG zur Folge hätte. Die darin getroffenen Regelungen haben auf die Wirksamkeit der AVE und deren Inhalt keinen Einfluss.
62 a) Die Allgemeinverbindlichkeit endet entweder mit der Aufhebung der AVE (§ 5 Abs. 5 Satz 1 TVG), mit Ablauf des Tarifvertrags (§ 5 Abs. 5 Satz 3 TVG) oder mit Ablauf ihrer Befristung. Mit dem Ablauf des Tarifvertrags ist jede Beendigung des Tarifvertrags gemeint, gleich wodurch sie eintritt (BAG 8. November 2006 – 4 AZR 590/05 – Rn. 19, BAGE 120, 84). Die AVE verliert daher auch mit der Ablösung des Tarifvertrags durch einen Nachfolgetarifvertrag ihre Wirksamkeit, denn sie ist akzessorisch zum Tarifvertrag (BAG 8. November 2006 – 4 AZR 590/05 – Rn. 27, aaO). Für die Nichttarifgebundenen hat dies zur Folge, dass die Rechtsnormen eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags für sie nicht mehr aufgrund der AVE gelten, sobald sie tariflich nicht mehr in Kraft sind (BAG 17. Januar 2006 – 9 AZR 41/05 – Rn. 18, 20, BAGE 116, 366; zur nachträglichen Änderung des Geltungsbereichs differenzierend Wiedemann/Bayreuther 9. Aufl. TVG § 5 Rn. 158 f.).
63 b) Durch die Verbändevereinbarung vom 2. November 2020 ist der VTV nicht in seinem Geltungsbereich geändert worden. Bei dieser Vereinbarung handelt es sich nicht um einen (Änderungs-)Tarifvertrag.
64 aa) Ob eine zwischen tariffähigen Parteien geschlossene Vereinbarung einen Tarifvertrag darstellt, hängt neben der Erfüllung des Schriftformerfordernisses (§ 1 Abs. 2 TVG iVm. §§ 126, 126a BGB) davon ab, ob darin der Wille der Tarifvertragsparteien zur Normsetzung für die Tarifunterworfenen hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt (BAG 6. Februar 2020 – 4 AZR 48/19 – Rn. 31 mwN, BAGE 170, 56). Auf eine Benennung als Tarifvertrag kommt es dabei nicht an (vgl. BAG 16. Mai 2012 – 4 AZR 366/10 – Rn. 24, BAGE 141, 288; 14. April 2004 – 4 AZR 232/03 – BAGE 110, 164). Zur Klärung der Frage, ob eine Vereinbarung die Rechtsqualität eines Tarifvertrags aufweist, sind die allgemeinen Regeln über das Zustandekommen und die Auslegung schuldrechtlicher Verträge gemäß §§ 133, 157 BGB heranzuziehen (BAG 26. September 2012 – 4 AZR 689/10 – Rn. 27; 15. April 2008 – 9 AZR 159/07 – Rn. 19).
65 bb) Danach handelt es sich bei der Verbändevereinbarung nicht um einen Tarifvertrag. Ein Wille der für den VTV allein tarifzuständigen Arbeitgeberverbände der Bauwirtschaft sowie der IG BAU zur Einschränkung des betrieblichen Geltungsbereichs des § 1 Abs. 2 VTV ist nicht hinreichend erkennbar. Dem stehen sowohl der Wortlaut der Vereinbarung, ihre Entstehungsgeschichte, die Mitwirkung nicht tarifzuständiger und in Gestalt der Sozialkassen nicht tariffähiger Parteien und die Einräumung eines Gestaltungsrechts zugunsten aller Beteiligten entgegen.
66 (1) Die hier maßgebliche Vereinbarung vom 2. November 2020 enthält zwar eine Regelung, mit der die Unterzeichner die Beitragspflicht für bestimmte Betriebe der Wohnungswirtschaft in Abweichung vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV definieren, indem sie diese ua. von einem nicht im VTV vorgesehenen Merkmal einer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband der Immobilienwirtschaft abhängig machen. So bestimmt Ziff. 1 Abs. 2 Satz 1 der Vereinbarung, es bestehe Konsens – der Unterzeichner – darüber, dass die dort genannten Wohnungsunternehmen sowie deren selbständige Betriebsabteilungen nicht beitragspflichtig iSd. Sozialkassenverfahrens seien, wenn sie am 1. Januar 2020 durch Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft tarifgebunden seien und sich die baulichen Tätigkeiten auf Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen im eigenen Bestand beschränkten. Dies soll nach Ziff. 1 Abs. 2 Satz 2 der Vereinbarung unter bestimmten Voraussetzungen auch für deren 100-prozentige Tochtergesellschaften gelten. Damit nimmt die Vereinbarung Betriebe, die bauliche Leistungen erbringen und der Wohnungswirtschaft angehören, unter bestimmten – eng gefassten – Voraussetzungen von der Beitragspflicht, die sich nach dem Geltungsbereich des VTV iVm. der AVE richtet, aus. Auf einen Regelungscharakter könnte auch die weitere Formulierung in Ziff. 1 Abs. 4 Satz 1 der Vereinbarung hindeuten, wonach die allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Sozialkassenverfahren in anderen Fällen „uneingeschränkt“ gelten sollen.
67 (2) Gegen einen Normsetzungswillen der an der Vereinbarung beteiligten Tarifvertragsparteien des Baugewerbes spricht jedoch zunächst die Überschrift der Vereinbarung. Danach handelt es sich um eine „Vereinbarung“ über die „Prüfung einer Beitragspflicht von Unternehmen der Wohnungswirtschaft“ im Sozialkassenverfahren. Auch die Einleitung in Ziff. 1 Abs. 2 der Vereinbarung, wonach „Konsens“ über die fehlende Beitragspflicht bestimmter Unternehmen besteht, gibt nur eine Auffassung der Unterzeichner über die Anwendung des bestehenden VTV auf diese Unternehmen wieder, ohne sich zu den tariflichen Voraussetzungen einer Beitragspflicht zu verhalten.
68 (3) Auf eine rein schuldrechtliche Vereinbarung ohne Rechtsnormcharakter deutet auch der Wortlaut der Vorgängerregelung vom 30. Oktober 2018 hin. Nach deren Ziff. 2 wollten die Tarifvertragsparteien Kriterien erarbeiten „zur Abgrenzung von beitragsfreien und beitragspflichtigen baugewerblichen Tätigkeiten“, die unmittelbar von den Wohnungsunternehmen bzw. deren 100-prozentigen Tochterunternehmen ausschließlich für diese selbst erbracht werden (Sanierung, Modernisierung). Unter der Überschrift „Clearingstellen-Verfahren“ haben die Unterzeichner unter Buchst. g vereinbart, dass die Tarifvertragsparteien aus der Auswertung der Ergebnisse des Clearingstellen-Verfahrens ggf. bis zum 30. Juni 2020 eine Einschränkungsklausel „oder eine konkretere Verbändevereinbarung“ erarbeiten wollen. Für diesen Fall sollte eine solche Bestandteil des nächstfolgenden AVE-Antrags der Sozialpartner des Baugewerbes werden. Die Tarifvertragsparteien haben in der Folge jedoch kein AVE-Verfahren über einen VTV mit eingeschränktem Geltungsbereich iSd. getroffenen Vereinbarung betrieben. Vielmehr ist es beim bisherigen Geltungsbereich des VTV geblieben und es ist lediglich die neue Verbändevereinbarung geschlossen worden.
69 (4) Entscheidend gegen einen Willen zur tariflichen Normsetzung spricht die Beteiligung nicht tarifzuständiger und nicht tariffähiger Parteien sowie das auch diesen zustehende eigenständige Kündigungsrecht.
70 (a) Die tarifliche Normsetzungsbefugnis von Tarifvertragsparteien kann nur so weit gehen, wie die Tarifzuständigkeit der Verbände reicht. Die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung richtet sich nach dem in ihrer Satzung festgelegten Organisationsbereich. Die äußerste Grenze der Tarifzuständigkeit in subjektiver Hinsicht ist gesetzlich durch § 3 Abs. 1 und 2 TVG beschrieben. Ein Verband kann einen Tarifvertrag daher nicht mit einem solchen betrieblichen Geltungsbereich abschließen, der über den Bereich hinausgeht, aus dem der Verband nach seiner Satzung Mitglieder aufnehmen kann (BAG 31. Januar 2018 – 10 AZR 695/16 (A) – Rn. 32 mwN). Die Tarifzuständigkeit muss bei Abschluss des Tarifvertrags vorliegen. Fehlt sie, ist der Tarifvertrag wegen Fehlens einer Wirksamkeitsvoraussetzung unwirksam (BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – Rn. 66, BAGE 179, 78; 14. Januar 2014 – 1 ABR 66/12 – Rn. 50 mwN, BAGE 147, 113).
71 (b) Vorliegend waren die Tarifvertragsparteien der Wohnungswirtschaft mangels Tarifzuständigkeit für den VTV nicht befugt, über die Beitragspflicht ihrer Mitgliedsunternehmen nach dem VTV zu entscheiden. Den ebenfalls an der Verbändevereinbarung beteiligten Sozialkassen des Baugewerbes fehlt es bereits an der Fähigkeit, Partei eines Tarifvertrags zu sein (§ 2 TVG).
72 (c) Auch die Einräumung eines Gestaltungsrechts zugunsten der nicht tarifzuständigen Verbände der Wohnungswirtschaft und der nicht tariffähigen Sozialkassen steht der Annahme einer tariflichen Normsetzung entgegen. Die Unterzeichner der Verbändevereinbarung haben in Ziff. 3 allen an der Vereinbarung beteiligten Parteien ein Kündigungsrecht eingeräumt. Die Bestimmung des betrieblichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags kann jedoch nicht unabhängig von den sonstigen Inhaltsnormen kündbar und somit dynamisch ausgestaltet sein. Darüber hinaus ist eine Änderung von Tarifnormen einem Gestaltungsrecht dritter Parteien nicht zugänglich. Von einer unschädlichen Mitunterzeichnung eines kollektiven Normenvertrags kann bei dieser Sachlage nicht mehr ausgegangen werden. Die von der Revision in diesem Zusammenhang angeführte Rechtsprechung, die sich mit dem Gebot der Rechtsquellenklarheit befasst (vgl. BAG 26. Februar 2020 – 4 AZR 48/19 – Rn. 18, BAGE 170, 56; vgl. auch BAG 15. April 2008 – 1 AZR 86/07 – Rn. 23 f., BAGE 126, 251), ist hier nicht einschlägig. Vorliegend geht es nicht um die Frage der Urheberschaft einzelner Regelungskomplexe, sondern um die Feststellung eines normsetzenden Willens der Tarifvertragsparteien zur Änderung eines bestehenden Tarifvertrags.
73 c) Als lediglich schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Tarifvertragsparteien des VTV, den Verbänden der Wohnungswirtschaft sowie den Sozialkassen des Baugewerbes hat sie auf die Fortwirkung der AVE keinen Einfluss.
74 aa) Das ergibt sich bereits daraus, dass die Tarifvertragsparteien selbst nicht die Allgemeinverbindlichkeit ihrer Rechtsnormen vereinbaren können, sondern dafür die Rechtsetzung durch das zuständige Ministerium unentbehrlich ist. Eine Einschränkung der AVE mit diesem Inhalt haben die Tarifvertragsparteien – wie die Entstehungsgeschichte der Verbändevereinbarungen zeigt – nicht beantragt; jedenfalls hat eine solche Einschränkung keinen Eingang in die Normen der AVE gefunden (vgl. Rn. 68).
75 bb) Soweit die Verbändevereinbarung darauf abzielt, die zwingende Wirkung des § 5 Abs. 4 TVG für bestimmte Unternehmen auszuschließen, ist sie unwirksam. Dabei bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die in der Verbändevereinbarung genannten Unternehmen im Einzelfall dem fachlichen Geltungsbereich des § 1 VTV unterfallen. Jedenfalls kann eine auf dem für allgemeinverbindlich erklärten VTV beruhende Beitragspflicht nicht durch eine schuldrechtliche Vereinbarung von einer Mitgliedschaft des Arbeitgebers in einem anderen Verband abhängig gemacht werden. Die Wirkung der AVE lässt sich nicht durch eine solche außertarifliche Vereinbarung beseitigen. Der in Ziff. 2 der Vereinbarung vom 2. November 2020 geregelte Inhalt, der die Beitragspflicht der dort genannten Unternehmen von der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband der Immobilienwirtschaft – noch dazu zu einem bestimmten Stichtag – abhängig macht, steht im Widerspruch zu den Regelungen des VTV. Eine nachträgliche Einschränkung der Wirkungen einer AVE durch schuldrechtliche Vereinbarung der Verbände außerhalb eines Tarifvertrags sieht das Tarifvertragsgesetz nicht vor. Aus diesem Grund hat die AVE auch nicht – wie die Revision meint – infolge „unterbrochener demokratischer Legitimationskette“ ihre Wirksamkeit verloren. Vielmehr berührt die nicht tariflich wirkende Verbändevereinbarung weder den Inhalt des für allgemeinverbindlich erklärten VTV noch die Fortdauer der AVE.
76 3. Dem Anspruch des Klägers auf die nach §§ 15, 16 und 18 VTV geschuldeten Beiträge steht auch kein etwaiger Gleichbehandlungsverstoß bei der Durchsetzung der Beitragspflicht im Hinblick auf die – insoweit unwirksame – Verbändevereinbarung vom 2. November 2020 entgegen. Ob die darin vorgenommene Differenzierung zwischen den privatrechtlich organisierten und an die Tarifverträge der Wohnungswirtschaft gebundenen Wohnungsunternehmen der öffentlichen Hand, der Kirche und der Wohnungsgenossenschaften auf der einen Seite und den Unternehmen der Immobilienwirtschaft auf der anderen Seite mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, kann dahinstehen. Die Beitragspflicht richtet sich ausschließlich nach dem allgemeinverbindlichen VTV, was entsprechend umzusetzen ist (vgl. BAG 15. November 2023 – 10 AZR 343/22 – Rn. 2). Anderenfalls würde der mit § 5 Abs. 1a TVG und der auf dieser Grundlage erlassenen AVE verfolgte Zweck, den gleichmäßigen Beitragseinzug zu sichern (BAG 17. Juni 2020 – 10 AZR 322/18 – Rn. 59), verfehlt. Sollte der Kläger vor dem Hintergrund der Verbändevereinbarung eine hiervon abweichende Vollzugspraxis begründet haben, lässt dies die Beitragspflicht der Beklagten unberührt. Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen „Verwaltungspraxis“. Insoweit gibt es keine „Gleichheit im Unrecht“ (BVerfG 28. Juni 1993 – 1 BvR 390/89 – zu II 1 der Gründe; BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 141/18 – Rn. 63; 8. Mai 2019 – 10 AZR 559/17 – Rn. 54 f.; siehe auch BVerwG 22. Juli 2015 – 8 C 7.14 – Rn. 28, BVerwGE 152, 313). Der allgemeinverbindliche VTV selbst bietet im Übrigen – anders als die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angedeutet hat – ausreichend Gewähr für die regel- und gleichmäßige Durchsetzbarkeit der finanziellen Lastengleichheit aller, die unter seinen Geltungsbereich fallen (zu der Problematik der „Gleichheit im Belastungserfolg“ vgl. BVerfG 27. Juni 1991 – 2 BvR 1493/89 – zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 84, 239). Die Verbändevereinbarung stellt demgegenüber – wie ausgeführt (Rn. 65 ff.) – keine tarifliche Normsetzung dar, die insoweit eine Ungleichbehandlung bewirkt.
77 4. Die von der Beklagten gegen das Rechtsinstitut der AVE bei der Erstreckung des VTV auf Tarifaußenseiter vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Sozialkassenverfahren gegen Staatsstrukturprinzipien, die Grundsätze des Sozial- und Abgabenrechts oder die Tarifautonomie verstößt.
78 a) Ein Verstoß des Sozialkassenverfahrens gegen Staatsstrukturbestimmungen nach Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ist nicht gegeben.
79 aa) Das Bundesverfassungsgericht hat das Rechtsinstitut der AVE von Tarifverträgen über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien nach § 5 TVG aF als unbedenklich angesehen und einen Verstoß gegen Grundrechte der Tarifaußenseiter verneint (BVerfG 15. Juli 1980 – 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 – zu B III der Gründe, BVerfGE 55, 7; vgl. auch BVerfG 10. September 1991 – 1 BvR 561/89 – zu II der Gründe). Dem hat sich der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (zB BAG 21. September 2016 – 10 ABR 33/15 – Rn. 95, BAGE 156, 213) und daran auch für § 5 Abs. 1a TVG festgehalten. Hierzu hat er ausgeführt, dass die Grundrechte der Außenseiter aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 oder Art. 2 Abs. 1 GG gewahrt werden, da deren Interessen in die erforderliche Gesamtbeurteilung eines öffentlichen Interesses durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einfließen müssen, die sie im AVE-Verfahren einbringen können. Die erforderliche demokratische Legitimation wird dadurch gewahrt, dass sich der zuständige Minister oder Staatssekretär hiermit zustimmend befasst (BAG 20. November 2018 – 10 ABR 12/18 – Rn. 64; 21. März 2018 – 10 ABR 62/16 – Rn. 110, 146, BAGE 162, 166; vgl. auch BAG 13. März 2024 – 10 AZR 117/23 – Rn. 42 f.). Gleiche Grundsätze gelten bei der Erstreckung der VTV durch das SokaSiG, dessen Verfassungsmäßigkeit geklärt ist (BVerfG 11. August 2020 – 1 BvR 2654/17 -; 11. August 2020 – 1 BvR 1115/18 -; BAG 28. August 2019 – 10 AZR 550/18 – Rn. 26; 8. Mai 2019 – 10 AZR 559/17 – Rn. 30 ff.; 20. November 2018 – 10 AZR 121/18 – Rn. 45 ff., BAGE 164, 201).
80 bb) Die Revision trägt keine Umstände vor, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten. Insbesondere bedürfen die Sozialkassen des Baugewerbes ihrerseits keiner demokratischen Legitimation. Die Errichtung gemeinsamer Einrichtungen der Tarifvertragsparteien ist in § 4 Abs. 2 TVG vorgesehen. Der Gesetzgeber hat deren Ausgestaltung den Tarifvertragsparteien überlassen. Es handelt sich bei den Sozialkassen nicht – wie die Revision meint – um Träger hoheitstypischer Befugnisse, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung iSv. § 1 Abs. 2 SGB X auf dem Gebiet der Sozialversicherung wahrnehmen. Sie können keine vollstreckbaren Verwaltungsakte erlassen und ihre Ansprüche nicht in einem Verwaltungsverfahren durchsetzen. Zur Durchsetzung streitiger Ansprüche müssen sie den Rechtsweg beschreiten. Die Beiträge zum Sozialkassenverfahren entsprechen auch weder Sozialversicherungsabgaben noch wird eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen. Es geht um die Aufbringung von Mitteln des Arbeitgebers für tarifliche Leistungen, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden. Die Zahlungspflicht des einzelnen Arbeitgebers zu den Sozialkassen steht in engem Zusammenhang mit den Lohnansprüchen, die er gegenüber den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern zu erfüllen hat (BVerfG 15. Juli 1980 – 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 – zu B II 4 a der Gründe, BVerfGE 55, 7; Wiedemann/Oetker 9. Aufl. TVG § 1 Rn. 815).
81 b) Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, die Regelung in § 5 Abs. 1a TVG verstoße gegen Art. 9 Abs. 3 GG, da die Norm eine Erstreckung des VTV auf nichtgewerbliche Tarifaußenseiter ohne Möglichkeit der Einflussnahme erlaube, vermengt sie die Auslegung des Geltungsbereichs des § 1 VTV und eine daraus resultierende Einordnung von Instandhaltungsbetrieben der Wohnungswirtschaft als baugewerbliche Betriebe mit dem Rechtsinstitut der AVE und dessen gesetzlicher und verfassungsrechtlicher Legitimation. Mit der Regelung in § 5 Abs. 1a TVG verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, den gleichmäßigen Beitragseinzug zu sichern (Rn. 76). Die Nichtorganisierten werden durch die Heranziehung zu Mitgliedsbeiträgen nicht stärker belastet als durch die Allgemeinverbindlicherklärung anderer Tarifnormen nach § 5 Abs. 1 TVG, die ihnen eine Leistungspflicht gegenüber ihren Arbeitnehmern auferlegen. Ihre Bedenken im Hinblick auf eine AVE können sie im Verfahren zum Erlass einer solchen einbringen (Rn. 79). Den vom Geltungsbereich des VTV und der AVE erfassten Baubetrieben, zu denen auch Instandhaltungsbetriebe wie die Beklagte gehören, ist es auch nicht verwehrt, eine entsprechende Mitgliedschaft im tarifzuständigen Arbeitgeberverband zu begründen und auf die tarifliche Willensbildung Einfluss zu nehmen. Der von den Satzungen der Arbeitgeberverbände verwendete Begriff des Baugewerbes steht dem nicht entgegen (vgl. Rn. 33 f.). Im Übrigen würde eine fehlerhafte Auslegung des betrieblichen Geltungsbereichs des VTV und eine daraus resultierende Heranziehung eines nicht unter den Geltungsbereich des VTV fallenden Betriebs lediglich einen Rechtsfehler begründen, der die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage nicht berührt. Im Einzelfall auftretende Zweifel über die Zugehörigkeit eines Arbeitgebers zum Geltungsbereich eines Tarifvertrags sind allein nicht geeignet, die mit der Tarifzuständigkeit verbundene Abgrenzung des Geltungsbereichs der Tarifnormen als willkürlich erscheinen zu lassen (vgl. hierzu BVerfG 15. Juli 1980 – 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 – zu B II 3 der Gründe, BVerfGE 55, 7).
82 5. Die Beitragsansprüche sind nicht verfallen. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VTV verfallen die Ansprüche der zuständigen Kasse gegen den Arbeitgeber, wenn sie nicht innerhalb von drei Jahren seit Fälligkeit geltend gemacht worden sind. Der älteste Beitragsanspruch aus Januar 2020 war nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV bis zum 20. Februar 2020 zu erfüllen. Mit der am 6. Juli 2021 beim Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangenen Klage hat der Kläger die tarifliche Verfallfrist gewahrt.
83 III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.