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Arbeitsrecht
25.05.2022
Arbeitsrecht
Sächsisches LAG: Beförderungsanspruch – Betriebsratsmitglied –Auswahl

Sächsisches LAG, Urteil vom 2.8.2021 – 1 Sa 321/20

Volltext: BB-Online BBL2022-1271-1

Amtlicher Leitsatz

Die für den fiktiven Beförderungsanspruch des freigestellten Betriebsratsmitglieds entwickelten Grundsätze (BAG, Urteil vom 20.1.2021, 7 AZR 52/20 zu II. 1 der Gründe) können auf Auswahlverfahren zur Stellenbesetzung nach betrieblicher Umstrukturierung entsprechend angewendet werden.

Sachverhalt

Der Kläger erhebt als freigestelltes Betriebsratsmitglied Anspruch auf Nutzung eines Dienstwagens zu privaten Zwecken, verlangt Schadensersatz wegen der Entziehung des Dienstwagens und verfolgt im Wege der Stufenklage einen Anspruch auf Entgeltanpassung.

Der Kläger war bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten seit 27.09.1996 als studentische Aushilfe tätig. Kraft Anstellungsvertrages mit der … GmbH & Co.KG vom 04.07.2000 setzte er seine Tätigkeit ab 01.09.2000 als „Verkaufsberater Filialbetrieb“ für …-Shops in … /Region Ost fort, wofür ein Bruttomonatsgehalt von 3.500,00 DM bezog. Am 01.10.2005 wurde er zum Filialleiter des …-Shop in … ernannt, wofür eine Bruttomonatsvergütung von 2.450,00 € vereinbart wurde. Nach einem Übergang des Bereichs „Shops“ auf die …-Shop GmbH schlossen diese und der Kläger einen am 07.03.2007/21.08.2007 unterzeichneten Arbeitsvertrag, nachdem dem Kläger als Filialleiter … ein Jahreszielgehalt von 36.633,03 € zustand, das sich aus einem fixem und einem variablen Teil zusammensetzte. Anspruch auf einen Dienstwagen und dessen Privatnutzung hatte der Kläger als Filialleiter nicht.

Im Wahljahr 2007 wurde der Kläger zum Betriebsrat gewählt. Ab 01.05.2011 wurde der Kläger von seinem Arbeitgeber, der inzwischen als …-Retail GmbH firmierte, für die Betriebsratstätigkeit unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt. Am 20.09.2011/11.10.2011 vereinbarten Kläger und die …-Retail-GmbH unter Bezugnahme auf den Arbeitsvertrag vom 07.03.2007, der Kläger solle ab 01.05.2011 als Springer in der Region Ost tätig sein. In der mit „Vertragsänderung“ überschriebenen Vereinbarung heißt es auszugsweise:

„1. Die Vertragsänderung gilt für die Dauer ihrer (teilweisen) Freistellung, gemäß § 38 BetrVG und endet mit deren Widerruf, spätestens jedoch mit Ende der regulären Amtszeit des Betriebsrats (vgl. § 21 BetrVG) oder mit dem Erlöschen Ihrer Mitgliedschaft im Betriebsrat (vgl. § 24 BetrVG).

Danach erfolgt Ihr Einsatz als Filialleiter im …-Shop … zu den Konditionen des Arbeitsvertrages vom 17.03.2007. Hinsichtlich des Gehalts berücksichtigen wir Ihre zwischenzeitliche Gehaltsentwicklung abzüglich 300,00 €.

[…]

2. Als Vergütung für Ihre Tätigkeit als Springer erhalten Sie ein Jahreszielgehalt in Höhe von € 46.319,28 brutto […]

3. Die Tätigkeit nehmen Sie von Ihrem Wohnsitz (Mobile Office) aus wahr.

Hierfür wird Ihnen ein Dienstfahrzeug entsprechend der jeweilig geltenden Richtlinien im Unternehmen auch zur angemessenen privaten Nutzung zur Verfügung gestellt [...]

4. Alle anderen Vertragsbestandteile bleiben unverändert und behalten ihre volle Gültigkeit.“

Daneben wurde ein „Zusatz zum Springervertrag vom 20.09.2011“ unterzeichnet, in dem es heißt:

„Bezug nehmend auf o. g. Springervertrag gelten folgende Vereinbarungen:

− nach Beendigung des Betriebsratsmandats erhalten Sie ein Schulungsprogramm zum Gebietsverkaufsleiter (Umsetzung Ergebnis GVL-AC), Laufzeit ca. 6 – 12 Monate. Während dieses Schulungsprogramms erfolgt der Einsatz in den … Filialen zur Auffrischung der Verkaufstätigkeit und der aktuellen Systeme. Im Anschluss an das Schulungsprogramm erfolgt ein erneutes GVL-AC. Bei Eignung nach dem AC (Beurteilung mindestens B nach heutigem Maßstab) erfolgt eine Umsetzung als GVL in der Region Ost bei der ersten freien Stelle. Sollten Sie eine Umsetzung nicht wünschen, erfolgt wieder der Einsatz als Filialleiter in der … Filiale. Sollte diese Filiale nicht mehr existieren, erfolgt der Einsatz als Filialleiter in einer anderen … Filiale mit aktueller Beschäftigung.

− Hierfür wird Ihnen ein Dienstfahrzeug entsprechend der jeweilig geltenden Richtlinien im Unternehmen auch zur angemessenen privaten Nutzung zur Verfügung gestellt.

(…)

− Folgender Gehaltsentwicklungsplan tritt in Kraft:

01.07.2011 Anpassung des MTL-Zieleinkommens um 400,00 €

01.01.2012 Anpassung des MTL-Zieleinkommens um 400,00 €

01.01.2013 Anpassung des MTL-Zieleinkommens um 400,00 €.

Dies findet unabhängig von den Regelerhöhungen statt. Ansonsten erfolgen die Anpassungen nach dem Durchschnitt der Anpassungen der Mitarbeiter in der Region zu den üblichen Terminen.“

Am 22.04.2014/07.07.2014 vereinbarten Kläger und …-Retail GmbH unter Bezug auf den Arbeitsvertrag vom 07.03.2007 nebst allen Änderungen, der Kläger solle als freigestellter Betriebsrat in der Region Ost eingesetzt werden. In der mit „Vertragsänderung“ überschriebenen Vereinbarung heißt es auszugsweise:

„1. Die Vertragsänderung gilt für die Dauer Ihrer Freistellung gemäß § 38 BetrVG und endet mit dem Widerruf, spätestens jedoch mit Ende der regulären Amtszeit des Betriebsrats (vgl. § 21 BetrVG) oder mit dem Erlöschen Ihrer Mitgliedschaft im Betriebsrat (vgl. § 24 BetrVG).

Danach gilt Ihr Einsatz als Filialleiter der Region Ost zu den Konditionen der zuletzt geltenden arbeitsvertraglichen Regelungen. Hinsichtlich des Gehalts berücksichtigen wir Ihre zwischenzeitliche Gehaltsentwicklung abzüglich 300,00 €. […]

2. Als Vergütung für Ihre Tätigkeit als Freigestellter Betriebsrat erhalten Sie ein Jahreszielgehalt in Höhe von € 62.509,44 brutto, welches nachträglich gezahlt wird. (…) Eine jährliche Gehaltsanpassung erfolgt in Höhe der jährlichen Gehaltserhöhung des Durchschnitts der Mitarbeiter der …-Retail GmbH jeweils zum 01.07. des Jahres.

3. Die Tätigkeit nehmen Sie von Ihrem Wohnsitz (Mobile Office) aus wahr. Hierfür wird Ihnen ein Dienstfahrzeug entsprechend der jeweiligen geltenden Richtlinien im Unternehmen auch zur angemessenen privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. […]

4. Alle anderen Vertragsbestandteile bleiben unverändert und behalten ihre volle Gültigkeit. […]“

In einer am 25.06.2014/07.07.2014 unterzeichneten „Vertragsergänzung“ heißt es zusätzlich u. a.:

„Nach Beendigung des Betriebsratsmandats erhalten Sie ein Schulungsprogramm zum Gebietsverkaufsleiter (Umsetzung Ergebnis GVLAC, Laufzeit 6 – 12 Monate).

Während dieses Schulungsprogramms erfolgt der Einsatz in den …Filialen zur Auffrischung der Verkaufstätigkeit und der aktuellen Systeme. Im Anschluss an das Schulungsprogramm erfolgt ein erneutes GVLAC. Bei Eignung nach dem AC (Beurteilung mindestens B nach heutigem Maßstab), erfolgt eine Umsetzung als GVL in der Region Ost bei der ersten freiwerdenden Stelle. Sollten Sie eine Umsetzung nicht wünschen, erfolgt Ihr Einsatz in einer unserer … Filialen.“

Nach Umfirmierung der …-Retail GmbH zur Beklagten kam es zwischen dieser und dem im Jahr 2018 gebildeten unternehmenseinheitlichen Betriebsrats der Beklagten, dem der Kläger als weiterhin freigestelltes Mitglied angehört, zum Abschluss einer „Betriebsvereinbarung zur Bereitstellung von Firmenwagen“. In deren Ziffer X wird denjenigen, die nach Ziffer II einen Anspruch auf einen Firmenwagen haben, gestattet, den Firmenwagen auch privat zu nutzen, was eine Nutzung durch Familienangehörige und Lebensgefährten/in einschließt. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 4 vorgelegte „Betriebsvereinbarung zur Bereitstellung von Firmenwagen“ Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 12.04.2019 (Anlage K 5) teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Dienstwagen sei bis spätestens 30.04.2019 zurückzugeben. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

„Vor Deiner vollständigen Freistellung zur Betriebsratsarbeit warst Du als Filialleiter tätig. Erst im Rahmen Deiner Betriebsratstätigkeit und für deren Dauer als freigestelltes Betriebsratsmitglied erfolgte eine Eingruppierung als Springer. Teil der damit verbundenen Konditionen war die Gewährung eines Dienstwagens mit privater Nutzungsmöglichkeit, die Tätigkeit im Mobile Office sowie eine höhere Vergütung. Dies steht im Widerspruch zum Begünstigungsverbot nach § 78 Satz 2 Alternative 2 BetrVG (so z. B. BAG vom 29.08.2018 – 7 AZR 206/17 – zur Vergütung), welches jegliche Besserstellung wegen der Betriebsratstätigkeit untersagt. Die gegen das Begünstigungsverbot verstoßenden vertraglichen Vereinbarungen sind rechtlich nichtig.“

Der Kläger gab daraufhin den zuletzt am 07.07.2017 in ein neueres Model getauschten Dienstwagen am 29.04.2019 zurück. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass bei der …-Retail GmbH 420 – 450 Filialleiter tätig waren. Bei der Beklagten gibt es bundesweit 16 Regional Sales Manager (RSM).

Der Kläger hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, er sei 2011 als „Springer“ eingruppiert worden, weil er als freigestelltes Betriebsratsmitglied in allen Filialen des Flächenfilialbetriebs der Rechtsvorgängerin der Beklagten tätig werden musste. Ihm sei vertraglich dauerhaft und vorbehaltslos und ohne zulässiges Widerrufsrecht ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt worden. Wegen der vertraglichen Regelungen sei der Entzug des Dienstwagens zur Privatnutzung nur über eine Änderungskündigung möglich. Wegen des unrechtmäßigen Entzugs des Dienstwagens stehe ihm Schadensersatz zu. Der Dienstwagen stehe jedem Springer auch nach der „Betriebsvereinbarung zur Bereitstellung von Firmenwagen“ zu. Aufgrund seiner im Jahr 2011 ausgeübten Tätigkeit als Filialleiter wäre er spätestens 2017 zum Regional Sales Manager (RSM) befördert worden, was sich aus dem Zusatz vom Springervertrag vom 20.09.2011 ergebe. Die darin angesprochene Funktion des Gebietsverkaufsleiters (GVL) entspreche der heutigen Funktion des Regional Sales Manager (RSM). Die Beförderung des Klägers zum Regional Sales Manager (RSM) ergebe sich aus der Entwicklung vergleichbarer Mitarbeiter. So sei Herr … … vom Filialleiter zum RSM Region Nordost aufgestiegen, ebenso Herr … …; … … sei bis 2015 GVL Region Ost gewesen, inzwischen allerdings ausgeschieden.

Erstinstanzlich ist in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer des Arbeitsgerichts vom 19.02.2020 ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen. Gegen das ihm am 05.03.2020 zugestellte Versäumnisurteil hat der Kläger am 11.03.2020 Einspruch eingelegt und klageerweiternd vor dem Arbeitsgericht beantragt:

1. Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 19.02.2020 zu Az.: 4 Ca 1805/19 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.400,00 € brutto zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 300,00 € brutto seit dem 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11.,01.12.2019 und 01.01.2020 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Dienstwagen, auch zur uneingeschränkten privaten Nutzung, gemäß den Regelungen des Änderungsvertrages vom 22.04.2014 i. V. m. dem Dienstwagennutzungsvertrag vom 01.09.2014 i. V. m. der Betriebsvereinbarung zur Bereitstellung von Firmenwagen zur Verfügung zu stellen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihm nach dem 31.05.2019 aufgrund der Entziehung des Dienstwagens entstehen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft über die einzelnen Gehaltssteigerungen anlässlich der in den Jahren seit 2007 zum RSM-Manager beförderten Mitarbeiter zu erteilen; 6. die Beklagte wird verurteilt, die aus der Auskunft gem. Ziffer 5 sich ergebende durchschnittliche Gehaltssteigerung der zum RSM-Manager beförderten Mitarbeiter im Zeitraum vom 01.01.2017 bis 31.12.2019 zu dem bisher gezahlten Gehalt des Klägers ab dem 01.01.2017 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil vom 19.02.2020 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei zu Unrecht mit Wirkung vom 01.05.2011 aus Anlass seiner Freistellung als Betriebsrat als „Springer“ eingruppiert und ihm ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt worden. Die entsprechende arbeitsvertragliche Regelung vom 20.09.2011 sei wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot ebenso wie alle Folgeregelungen nichtig. Der Kläger könne Dienstreisen als Betriebsrat nach der bei der Beklagten geltenden „Reisekostenrichtlinie Dienstreise“ entweder mit einem Firmenwagen aus dem Pool oder einem Mietwagen absolvieren. Der Kläger hätte sich beruflich auch nicht vom Filialleiter zum RSM entwickelt. 2011 habe es bundesweit bei der …-Gruppe 450 Filialleiter gegeben. Bei Übernahme der …-Gruppe durch die Beklagte im Jahr 2014 seien es noch 300 Filialleiter und 36 Gebietsverkaufsleiter gewesen. Letztere seien zum Teil aus internen, zum Teil aus externen Bewerbern rekrutiert worden. Voraussetzung zur Beförderung zum Gebietsverkaufsleiter sei das erfolgreiche Absolvieren eines ersten Auswahlprozesses, eines zusätzlichen mehrmonatigen Schulungsprogramms bzw. die kommissarische Übernahme der Funktion und ein abschließendes Assessmentcenter zur Überprüfung der Eignung gewesen. Der Kläger sei lediglich in die erste Auswahlrunde gekommen. Nur 12 % der Filialleiter seien Gebietsverkaufsleiter geworden. Die Funktion des Gebietsverkaufsleiters sei nach Übernahme der …-GmbH durch die Beklagte dann abgeschafft worden. Die Vertriebsstruktur der Beklagten sei in zwei Wellen umgebaut worden. In der ersten Welle sei ein Auswahlverfahren zwischen insgesamt 60 Gebietsleitern (E-Plus), die für die Mitarbeiterführung der Mitarbeiter in den Filialen zuständig gewesen seien und ASM (…), die zusätzlich auch für die Führung von Führungskräften zuständig gewesen sein, durchgeführt worden. Aus diesen insgesamt 60 Personen seien 36 ASM der Beklagten ausgewählt worden. In einer zweiten Welle im Jahr 2016 sei die Führungsebene ASM bei der Beklagten abgeschafft und durch die Funktion RSM RET ersetzt worden. Hierfür hätten sich die 36 ASM und deren 12 Führungskräfte bewerben können. Aus diesen beiden Gruppen seien in einem Auswahlverfahren die besten 12 Mitarbeiter ausgewählt worden und zum RSM RET befördert worden. Diejenigen, die nicht zum RSM RET befördert wurden, seien ausgeschieden oder als Shop-Manager tätig geworden.

Diese Funktion entspreche der früheren Filialleitertätigkeit bei … zzgl. der Befugnis disziplinarischer Führung der Mitarbeiter des Shops und sei nicht dienstwagenberechtigt.

Der vom Kläger genannte … … sei 2011 Filialleiter gewesen. 2013/2014 habe er die Position eines regionalen Trainers innegehabt, danach sei er wieder Filialleiter geworden. 2015 habe er sich erfolgreich für die Position des ASM beworben. 2016 habe er sich als RSM RET beworben, sich im Auswahlprozess aber nicht durchsetzen können. Er sei dann Jobmanager gewesen und habe als solcher keinen Anspruch auf einen Dienstwagen mit Privatnutzung gehabt. Aufgrund des Weggangs eines RSM im Februar 2021 sei Herr … allerdings kommissarisch auf dessen Position eingesetzt worden und habe dort so überzeugt, dass er ab August 2021 zum RSM befördert worden sein.

… … sei einer der wenigen Filialleiter gewesen, der sich zum ASM und von dort zum RSM entwickelt hätten. Er sei jedoch nicht mehr für die Beklagte tätig. … … sei nie zum RSM befördert worden. Dies alles zeige, dass der Kläger ohne Betriebsratstätigkeit nicht zum RSM aufgestiegen wäre.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 12.08.2020 das klageabweisende Versäumnisurteil vom 19.02.2020 aufrechterhalten und die weitergehende Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Abrede dem Kläger einen Dienstwagen zur Privatnutzung zur Verfügung zu stellen sei wegen Verstoßes gegen das Verbot, Betriebsräte wegen dieses Amtes zu begünstigen, nichtig. Der Kläger hätte die Entwicklung vom Filialleiter zum RSM hypothetisch und firmentypisch nicht durchlaufen. Ein Auskunftsanspruch über die Gehaltsentwicklung aller Mitarbeiter, die seit 2007 zum RSM befördert wurden, stehe ihm daher nicht zu.

Gegen das am 14.08.2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 11.09.2020 Berufung eingelegt, die er mittels eines am 14.10.2020 eingegangenen Schriftsatzes begründet hat.

Der Kläger verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge mit Rechtsauführungen weiter. Die Beklagte habe die Aufgaben des Betriebsrats im Flächenbetrieb der betrieblichen Struktur folgend mit der eines Springers gleichgestellt und damit Betriebsratsmitglieder auch wirtschaftlich den Springern gleichgestellt. Der Anspruch auf den Dienstwagen folge auch aus § 37 Abs. 4 BetrVG, weil der Kläger aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit funktional „Springer-Tätigkeit“ ausführen musste. Der Kläger wäre spätestens 2017 zum RSM befördert worden, was sich aus dem Zusatz zum Springervertrag vom 20.09.2011 ergebe, ferner aus der Entwicklung von … …, … … und … …. Der Kläger behauptet, die Begriffe GVL (Gebietsvertriebsleiter) und RSM (Regional Sales Manager) bezeichneten sinngemäß dieselbe Hierarchie-Ebene; geringfügige Unterschiede bei den Kompetenzen resultierten aus der Überleitung der …-Gruppe zur Beklagten. Da der Kläger die Entwicklung zum RSM vollzogen hätte, habe er auch Anspruch auf die begehrte Auskunft.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte wird unter dahingehender Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Leipzig vom 12.08.2020 und Aufhebung des Versäumnisurteils vom 19.02.2020 zu Az.: 4 Ca 1805/19 verurteilt, an den Kläger 2.400,00 € brutto zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 300,00 € brutto seit dem 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2019 und 01.01.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird unter dahingehender Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Leipzig vom 12.08.2020 und Aufhebung des Versäumnisurteils vom 19.02.2020 zu Az.: 4 Ca 1805/19 verurteilt, dem Kläger einen Dienstwagen, auch zur uneingeschränkten privaten Nutzung, gemäß den Regelungen des Änderungsvertrags vom 22.04.2014 i. V. m. dem Dienstwagennutzungsvertrag vom 01.09.2014 i. V. m. der Betriebsvereinbarung zur Bereitstellung von Firmenwagen zur Verfügung zu stellen.

3. Es wird unter dahingehender Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Leipzig vom 12.08.2020 und Aufhebung des Versäumnisurteils vom 19.02.2020 zu Az.: 4 Ca 1805/19 festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihm nach dem 31.05.2019 auf Grund der Entziehung des Dienstwagens entstehen.

4. Die Beklagte wird unter dahingehender Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Leipzig vom 12.08.2020 und Aufhebung des Versäumnisurteils vom 19.02.2020 zu Az.: 4 Ca 1805/19 verurteilt, Auskunft über die einzelnen Gehaltssteigerungen anlässlich der in den Jahren seit 2007 zum RSM - Manager beförderten Mitarbeiter zu erteilen.

5. Die Beklagte wird unter dahingehender Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Leipzig vom 12.08.2020 und Aufhebung des Versäumnisurteils vom 19.02.2020 zu Az.: 4 Ca 1805/19 verurteilt, die aus der Auskunft gem. Ziff. 4 sich ergebende durchschnittliche Gehaltssteigerung der zum RSM- Manager beförderten Mitarbeiter im Zeitraum vom 01.01.2017–31.12.2019 zu dem bisher ausgezahlten Gehalt des Klägers ab dem 01.01.2017 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist darauf, dass der Kläger als Filialleiter bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht dienstwagenberechtigt war. Er sei aus Anlass seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied ab 01.05.2011 als Springer eingruppiert worden, wobei ihm ein Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen wurde. Der Grund sei die Annahme der Rechtsvorgängerin der Beklagten gewesen, dass der Kläger als freigestelltes Betriebsratsmitglied vermehrt reisen müsse, um Betriebsratsaufgaben zu erledigen. Springer sei ein Vertriebsmitarbeiter, die innerhalb einer Region an verschiedenen Stellen eingesetzt werden. Dem sei der Kläger als Betriebsrat „gleichgestellt“ worden. Er sei aber nie tatsächlich als Springer tätig gewesen. Filialleiter hätten sich auch nicht betriebsüblich zum Springer entwickelt. Die Überlassung des Dienstwagens zur privaten Nutzung stelle eine unzulässige Begünstigung wegen der Tätigkeit als Betriebsrat dar. Im Übrigen trage der Kläger zu seiner hypothetischen beruflichen Entwicklung ins Blaue hinein vor.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Schriftwechsel der Parteien in beiden Instanzen, die dazu vorgelegten Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2021 Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die zulässige, insbesondere fristgereicht eingelegte und begründete Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 12.08.2020 ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht Leipzig hat das Versäumnisurteil vom 19.02.2020 auf den Einspruch des Klägers hin im angefochtenen Urteil zu Recht aufrechterhalten und die weitergehende Klage abgewiesen.

I.

Der nach § 59 ArbGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Leipzig versetzte das Verfahren nach § 46 Abs.2 ArbGG, 342 ZPO in die Lage zurück, in der es sich vor Eintritt der Säumnis befand.

II.

Die gem. § 46 Abs.2 ArbGG, 264 Nr.2 ZPO in der Einspruchsschrift statthaft erweiterte Klage ist zulässig.

Insbesondere besteht für Antrag 3 der Klage das von § 256 Abs.1 ZPO geforderte besondere rechtlichen Interesse an der begehrten Feststellung einer Verpflichtung zum Schadensersatz. Die in Klageantrag 1 erfolgte Bezifferung des Schadens, den der Kläger wegen des Entzugs des Dienstwagens für den Zeitraum Mai 2019 bis Dezember 2019 geltend macht, steht der Annahme des Feststellungsinteresses für Klageantrag 3 dabei nicht entgegen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Feststellungsklage auch dann zulässig ist, wenn ein Teil des entstandenen Schadens schon bezifferbar ist (BGH, Urteil vom 19.04.2016, VI ZR 506/14). Eine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage zur Leistungsklage gibt es nicht und kann auch nicht aus der besseren Durchsetzbarkeit des Leistungsurteils in der Zwangsvollstreckung abgeleitet werden. Die Durchführung des Feststellungsverfahrens kann aus dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung des Streits führen. Das ist stets der Fall, wenn die Schadensentwicklung –wie hier- noch nicht abgeschlossen ist und die Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach für zeitlich später entstehende Schadensersatzansprüche prozesswirtschaftlich ist.

Antrag 4 der Klage ist sprachlich unklar formuliert, aber gleichwohl noch hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO. Es ist hinreichend deutlich erkennbar, dass es dem Kläger um die Auskunft geht, welche Gehaltssteigerungen die zum RSMManager aufgerückten Mitarbeiter sein dem Jahr 2007 erzielt haben.

Mit Antrag 5 der Klage verfolgt der Kläger einen unbestimmten Leistungsantrag.

Gleichwohl steht § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen, weil der Kläger den in Antrag 4 der Klage gestellten Auskunftsantrag in Form einer Stufenklage mit dem unbestimmten Leistungsantrag zu 5 verbunden hat. Als Sonderfall der Klagehäufung (§ 260 ZPO) können bei Stufenklagen Auskunfts- und Leistungsanträge miteinander verbunden werden. § 254 ZPO erlaubt es, die Bezifferung des Leistungsantrages in solchen Fällen bis zur Erteilung der Auskunft in zulässiger Weise zurückzustellen.

III.

Die Klage ist in allen Anträgen unbegründet, weshalb sie ohne Erfolg bleibt. Dies hat das Arbeitsgericht richtig erkannt. Die Berufung des Klägers führt zu keinem anderen Ergebnis.

1. Mit dem Antrag zu 1 und dem Feststellungsantrag zu 3 der Klage verfolgt der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz, weil ihm die Privatnutzung des Dienstwagens entzogen wurde. Für diesen Schadensersatzanspruch gibt es jedoch keine vertragliche oder kollektivrechtliche Anspruchsgrundlage.

a) Ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung (§§ 611a Abs.2; 280 Abs.1, Abs.3; 283 Abs.1 Satz1; 275 Abs.1 BGB) steht dem Kläger nicht zu. Die Beklagte hat keine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt, als sie dem Kläger den zur Privatnutzung zur Verfügung stehenden Dienstwagen entzog.

aa) Der Kläger hat keinen auf individueller Vereinbarung beruhenden Anspruch auf die Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung. Zwar haben Kläger und die …-Retail-GmbH als Rechtsvorgängerin der Beklagten in Nr. 3 der am 20.09.2011/11.10.2011 unterzeichneten Vertragsänderung festgehalten, dem Kläger werde ein Dienstfahrzeug auch zur angemessenen privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Diese Abrede ist freilich -wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hatnach den §§ 134 BGB i.V.m. § 78 Satz 2 BetrVG wegen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Begünstigungsverbot nichtig.

Nach § 78 Satz 2 BetrVG darf ein Mitglied des Betriebsrats wegen seiner Tätigkeit u.a. nicht begünstigt werden. Dies zielt darauf ab, die innere und äußere Unabhängigkeit von Betriebsratsmitgliedern zu wahren (BAG, Beschluss vom 29.08.2018, 7 AZR 206/17, RN 33, Juris). Eine nach § 78 Satz 2 BetrVG untersagte Begünstigung ist jede Besserstellung m Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht (BAG, a.a.O. m.w.N.).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger als Filialleiter keinen Anspruch auf Nutzung eines Dienstwagens zu privaten Zwecken hatte. Die Vertragsänderung vom 20.09.2011/11.10.2011 wurde ihrem Wortlaut nach gerade wegen der Freistellung des Klägers für die Betriebsratstätigkeit ab 1.5.2011 vereinbart. Zweifel daran, dass allein die Freistellung Anlass der Vertragsänderung war, hat die Kammer nicht.

Die Vertragsänderung war nämlich nach dem klaren Wortlaut ihrer Nr. 1 in zeitlicher Hinsicht an die Dauer der Freistellung, die Amtszeit und die Stellung des Klägers als Betriebsrat gebunden. „Danach“ sollte der Kläger wieder als Filialleiter des …-Shops Leipzig tätig werden. Der Kläger hat die Vergünstigung einer Privatnutzung des Dienstwagens im Gegensatz zu anderen Filialleitern mithin gerade wegen der Betriebsratstätigkeit erhalten. Dies verstößt gegen das gesetzliche Begünstigungsgebot aus § 78 Satz 2 BetrVG. Rechtsfolge ist nach § 134 BGB die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, die bei in Vollzug gesetzten Arbeitsverträgen ex nunc eintritt. Die sich daran anschließende und nach dem Maßstab des § 139 BGB zu beantwortende Frage, ob allein die Zusage der Privatnutzung des Dienstwagens oder die gesamte Vertragsänderung vom 20.09.2011/11.10.2011 nichtig ist, konnte die Kammer offen lassen.

Für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch, der nur an die Entziehung des Dienstwagens zur Privatnutzung knüpft, ist diese weitergehende Frage nicht von Bedeutung.

Für die zeitlich spätere Vertragsänderung vom 22.04.2014/07.07.2014 gilt nichts Anderes. Auch in deren Nr. 3 wird dem Kläger ein Dienstfahrzeug zur privaten Nutzung zugesagt, während die Vertragsänderung nach dem Wortlaut ihrer Nr. 1 zeitlich an den Widerruf der Freistellung, das Ende der regulären Amtszeit des Betriebsrats oder das Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat geknüpft ist und der Kläger „danach“ in die Tätigkeit eines Filialleiters der Region Ost zurückfallen soll.

bb) Der Kläger hat auch unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Laufbahnnachzeichnung (§§ 611a Abs.2 BGB, § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) keinen vertraglichen Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung.

(1) Die Privatnutzung eines Dienstwagens stellt einen geldwerten Vorteil dar, der als Bestandteil des Arbeitsentgelts anzusehen ist. Nach § 37 Abs.4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden, als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass Mitglieder des Betriebsrates weder in wirtschaftlicher, noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden. Es kommt darauf an, ob die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der Dauer seiner Amtszeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben ist (BAG, Urteil vom 14.10.2020, 7 AZR 286/18, RdNr. 20, Juris).

Maßgeblicher Zeitpunkt für den anzustellenden Vergleich ist nach richtiger Ansicht der Zeitpunkt der Wahl des Betriebsratsmitglieds (Fitting, Handkommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 30. Aufl. 2020, § 37 Rd.Nr. 119). Es kommt auf die zu diesem Zeitpunkt nach Qualifikation und Persönlichkeit vergleichbaren Arbeitnehmer an, die gleichqualifizierte Arbeit verrichten (Fitting a.a.O.). Die betriebsübliche berufliche Entwicklung i.S.d. § 37 Abs. 4 BetrVG ist unter Berücksichtigung der beruflichen Fortbildung festzustellen, auch wenn es dem Betriebsratsmitglied wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht möglich war, an entsprechenden Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen (Fitting, a.a.O., RdNr. 121). Beförderungen zählen dann zur betriebsüblichen beruflichen Entwicklung, wenn die überwiegende Mehrheit der vergleichbaren Arbeitnehmer in eine entsprechende Beförderungsstelle einrückt, mithin eine betriebliche Beförderungspraxis vergleichbare Arbeitnehmer mehrheitlich begünstigt. Im Prozess hat der Betriebsrat insoweit nicht nur darzulegen, mit welchen Mitarbeitern er vergleichbar ist, sondern auch, aus welchen Umständen auf die hinreichende Wahrscheinlichkeit zu schließen ist, dass die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer die behauptete berufliche Entwicklung genommen hat (vgl. BAG, Urteil vom 04.11.2015, 7 AZR 972/13, RdNr. 22 und 24, Juris). Die betriebsübliche Entwicklung kann auch dann festgestellt werden, wenn sich der berufliche Aufstieg vergleichbarer Arbeitnehmer im Rahmen betrieblicher Umorganisationen vollzieht (vgl. Fitting, a.a.O. RdNr. 123).

(2) Nach diesen Maßstäben hat der Kläger nach dem Maßstab einer Laufbahnnachzeichnung keinen vertraglichen Anspruch auf die Privatnutzung eines Dienstwagens.

Als dem Kläger vergleichbare Arbeitnehmer sind die bei der …-Shop GmbH im Jahr 2007 tätigen Filialleiter anzusehen. Nach unstreitigem Vortrag der Parteien gab es bei der …-Shop GmbH zwischen 420 und 450 Filialleiter. Diesen stand ein Anspruch auf Privatnutzung eines Dienstwagens nicht zu. Dass sich deren Mehrzahl betriebsüblich in eine Position entwickelt hat, die bei der Beklagten oder deren Rechtsvorgängerinnen mit einem Anspruch auf Privatnutzung eines Dienstwagens verbunden war, behauptet der Kläger nicht.

Soweit er die Arbeitnehmer … …, … … und … … als Beispiele „beförderter“ Mitarbeiter benennt, die sich vom Filialleiter zum dienstwagenberechtigten „RSM“ entwickelt hätten, ist damit eine betriebsübliche Entwicklung, die der Kläger ohne Freistellung in gleicher Weise genommen hätte, nicht dargetan. Es ist nach dem Vortrag des Klägers nämlich nicht ersichtlich, dass die genannten Mitarbeiter eine betriebsübliche Entwicklung durchlaufen haben. Die Nennung von nur drei Personen aus einer über 400 Personen starken Vergleichsgruppe vermag die betriebsübliche berufliche Entwicklung der Mitglieder dieser Gruppe gerade nicht schlüssig darzulegen. Auf einen typischen Geschehensablauf deutet dieses Zahlenverhältnis gerade nicht hin.

Selbst wenn man unterstellen wollte, der Kläger könne mangels Erkenntnismöglichkeit nicht näher zur üblichen Entwicklung von Filialleitern vortragen, weshalb er seiner Darlegungslast mit der Benennung der ihm bekannten drei Personen genügt habe, die sich zum dienstwagenberechtigten „RSM“ entwickelt haben, kann nicht von einer der Üblichkeit entsprechenden, gleichlaufenden Entwicklung des Klägers ausgegangen werden. Die Beklagte hat nämlich im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast substantiiert dargetan, dass es im vorliegenden Fall nicht um einen Karriereweg geht, der in einer feststehenden betrieblichen Struktur durch regelmäßige Beförderungen gekennzeichnet ist, sondern um tiefgreifende Umstrukturierungen auf Unternehmensebene, die bei den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten begannen und mit der Übernahme und Eingliederung der …Gruppe in die bereits bestehende Vertriebsorganisation der Beklagten beendet wurden. Die Beklage hat ausgeführt, dass im Rahmen dieser Umstrukturierungen Hierarchieebenen abgeschafft und zusammengefasst wurden. Dies führte zu mehreren Auswahlrunden, die Filialleiter der …-Gruppe auf dem Weg zum „RSM“ zu durchlaufen hatten. Dies hat der Kläger nicht mehr substantiiert bestritten.

b) Auch aus dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot aus § 78 Satz 2 BetrVG folgt kein Anspruch des Klägers auf die Privatnutzung eines Dienstwagens.

aa) Betriebsratsmitglieder dürfen wegen ihrer Amtstätigkeit nach § 78 Satz 2 BetrVG weder begünstigt, noch benachteiligt werden. Aus § 78 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 611a Abs.2 BGB kann sich ein unmittelbarer Vergütungsanspruch eines Betriebsratsmitglieds gegen seinen Arbeitgeber ergeben, wenn sich die Nichtleistung der Vergütung als Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds darstellt. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsratsmitglied eine berufliche Entwicklung gewährleisten, die derjenigen entspricht, die das Betriebsratsmitglied ohne Amtstätigkeit durchlaufen hätte. Vom Benachteiligungsverbot wird nicht nur die berufliche Tätigkeit, sondern auch das sich daraus ergebende Entgelt erfasst. Ein Betriebsratsmitglied, das nur infolge seiner Amtsübernahme nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, kann den Arbeitgeber deshalb unmittelbar auf Zahlung der höheren Vergütung in Anspruch nehmen (BAG, Urteil vom 20.1.2021, 7 AZR 52/20, RdNr.23, Juris).

Die Darlegungs- und Beweislast für eine unzulässige Benachteiligung wegen des Betriebsratsamtes trägt das Betriebsratsmitglied. Hat sich der Amtsträger an Bewerbungsverfahren wegen seiner Freistellung nicht beteiligt, muss er zur Begründung eines fiktiven Beförderungsanspruchs darlegen, dass eine wegen der Freistellung unterlassene Bewerbung ohne die Freistellung erfolgreich gewesen wäre. Sollten wegen der Freistellung des Amtsträgers fehlende Fachkenntnisse Grund für das Unterlassen einer Bewerbung gewesen sein, kann ein fiktiver Beförderungsanspruch des Amtsträgers in Betracht kommen (BAG, a.a.O. RdNr.24).

Diese Grundsätze können nach Ansicht der Kammer auch angewendet werden, wenn es nicht um die Auswahlentscheidung im Rahmen einer Beförderung geht, sondern -wie im vorliegenden Fall- um die individuelle berufliche Entwicklung eines Betriebsratsmitglieds im Rahmen von Auswahlverfahren, denen unternehmensweite Umstrukturierungen zugrunde liegen, die mit der Veränderung von Hierarchieebenen verbunden sind.

bb) Erforderliches Beweismaß für das Bestehen eines „fiktiven“ Beförderungsanspruchs des Amtsträgers ist die volle richterliche Überzeugung, § 286 Abs.1 ZPO (BAG, a.a.O. RdNr. 28). Nach allgemeiner Auffassung ist es für die Bildung der vollen richterlichen Überzeugung ausreichend, wenn ein für das praktische Leben ausreichender Grad an Gewissheit erreicht ist, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (BAG, a.a.O. m.w.N.).

Nach Würdigung der vom Kläger beigebrachten Tatsachen und Hilfstatsachen konnte sich die Kammer allerdings nicht davon überzeugen, dass der Kläger ohne Freistellung für das Betriebsratsamt zum dienstwagenberechtigten „RSM“ aufgestiegen wäre.

(1) Zwar geht aus dem zwischen Kläger und …-Retail GmbH vereinbarten „Zusatz zum Springervertrag vom 20.09.2011“ hervor, dass der Kläger nach „Beendigung des Betriebsratsmandats ein Schulungsprogramm zum Gebietsverkaufsleiter (Umsetzung Ergebnis GVL-AC), Laufzeit ca. 6 – 12 Monate“ erhalten sollte, während dessen er in einer Filiale tätig sein sollte. Im Anschluss sollte ein „erneutes GVL-AC“ absolviert werden. Der von denselben Beteiligten am 25.06.2014/07.07.2014 unterzeichneten „Vertragsergänzung“ ist ebenfalls zu entnehmen, dass der Kläger nach „Beendigung des Betriebsratsmandats“ ein Schulungsprogramm zum Gebietsverkaufsleiter von 6 – 12 Monaten Dauer erhalten sollte, an das sich ein erneutes GVL-AC anschließen sollte. Eine solche vertragliche Gestaltung deutet darauf hin, dass grundsätzlich in Betracht kommende Schulungsmaßnahmen bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten gerade wegen der Freistellung des Amtsträgers bis zu deren Beendigung zurückgestellt wurden.

Das Durchlaufen von Schulungsprogramm und GVL-AC allein hätte aber noch nicht zum Aufrücken des Klägers zum dienstwagenberechtigten GVL geführt. Vielmehr hätte das GVL-AC nach der genannten Zusatzvereinbarung und Vertragsergänzung mit einem bestimmten Ergebnis („mindestens B“) abgeschlossen werden müssen, um für in die Stellung eines GVL in Betracht zu kommen. Ob diese bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten geltende Voraussetzung für das Aufrücken zum GVL eingetreten wäre, bleibt offen. Anhaltspunkte dafür, dass das Erreichen der genannten Note verzichtbar gewesen sein könnte, sind nicht dargetan.

(2) Ebenso bleibt nach dem Sachvortrag des Klägers offen, ob er sich ohne Betriebsratsamt im Zuge der Umstrukturierungen nach Übernahme der E-Plus-Gruppe durch die Beklagte zum dienstwagenberechtigten „RSM“ weiterentwickelt hätte. Zu dem von der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast detailliert geschilderten Verlauf der Umstrukturierungsmaßnahmen hat der Kläger nicht mehr Stellung genommen. Allein mit dem Verweis auf die Namen …, … und …. hat der Kläger auch keine die richterliche Überzeugung tragenden Hilfstatsachen dargetan. Im Rahmen der abgestuften Darlegungslast hat die Beklagte nämlich ausgeführt, … … habe 2013/2014 die Position eines regionalen Trainers innegehabt, danach sei er wieder Filialleiter geworden. 2015 habe er sich erfolgreich für die Position des ASM beworben. 2016 habe er sich als RSM RET beworben, sich im Auswahlprozess aber nicht durchsetzen können. Er sei dann Jobmanager gewesen und habe als solcher keinen Anspruch auf einen Dienstwagen mit Privatnutzung gehabt. Aufgrund des Weggangs eines RSM im Februar 2021 sei Herr … allerdings kommissarisch auf dessen Position eingesetzt worden und habe dort so überzeugt, dass er ab August 2021 zum RSM befördert worden sein. … … sei einer der wenigen Filialleiter gewesen, dies sich zum ASM und von dort zum RSM entwickelt hätte, sei aber nicht mehr für die Beklagte tätig. … … sei nie zum RSM befördert worden. Angesichts dieser Ausführungen spricht nichts dafür, dass sich der Kläger gerade wegen seiner Betriebsratstätigkeit beruflich nicht so entwickelt hat, wie die Herren … und ….

(3) Die Kammer hat bei ihrer Überzeugungsbildung auch die Entwicklung des Einkommens des Klägers in den Blick genommen. Die Bezüge des Klägers haben sich bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten von einem Jahresgehalt von 36.633,03 € nach dem Arbeitsvertrag vom 21.08.2007 über Jahresgehalt von 46.319,28 € nach der Vertragsänderung vom 20.09.2011/11.10.2011 zu einem „Jahreszielgehalt für die Tätigkeit als freigestellter Betriebsrat“ in Höhe von 62.509,44 € nach der Vertragsänderung vom 22.4.2014/17.07.2014 entwickelt. Bei der Beklagten erzielte der Kläger nach den als Anlag K 2 vorgelegten Entgeltabrechnungen einschließlich eines geldwerten Vorteils für die PKW-Nutzung von 272,00 € monatlich im Februar 2019 einen Bruttolohn von 6.409,05 €, im März 2019 einen Bruttolohn von 13.625,87 €. Anhaltspunkte für die Annahme, dass diese Gehaltssteigerungen ein Aufrücken des für das Betriebsratsamt freigestellten Klägers in eine dienstwagenberechtigte Position wiederspiegeln, sind jedoch weder dargetan, noch sonst ersichtlich.

c) Schließlich tragen auch kollektivrechtliche Regelungen keinen Anspruch des Klägers auf die Privatnutzung eines Dienstwagens. Zu den Dienstwagenrichtlinien der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten trägt der Kläger bereits nichts vor. Die bei der Beklagten zeitlich später abgeschlossene, ab 1.1.2018 geltende „Betriebsvereinbarung zur Bereitstellung von Firmenwagen“ (Anlage K 4) sieht in ihrer Ziffer X zwar vor, dass ein Firmenwagen auch privat genutzt werden darf. Sie lässt aber nicht erkennen, dass der Kläger zum Kreis derjenigen zählt, die Anspruch auf einen Firmenwagen haben.

Anspruchsberechtigt sind nach Ziff. II der Betriebsvereinbarung bestimmte Führungskräfte, bestimmte Vertriebsmitarbeiter, Springer, Trainer und Sales Specialists sowie sonstige Vielfahrer, die nach Einschätzung ihrer Vorgesetzten in den kommenden drei Jahren mehr als 90.000 km dienstlich unterwegs sind.

Der Kläger zählt als freigestellter Betriebsrat nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten. Die Betriebsvereinbarung will die Anspruchsberechtigung freigestellter Betriebsratsmitglieder erkennbar nicht regeln. Schon der Wortlaut gibt das nicht her, denn ein freigestellter Betriebsrat ist kein Vertriebsmitarbeiter, Springer, Trainer oder Sales Specialist i.S.d. Ziff. 2 Nr. 2 der Betriebsvereinbarung. Es kommt deshalb nicht darauf an, wie der Kläger seine Tätigkeit als freigestellter Betriebsrat ausgestaltet. Er hat es insbesondere nicht in der Hand, durch verringerte Anwesenheitszeiten im Betrieb die für Vertriebsmitarbeiter nach Ziff. II Nr.2 a) erster Punkt der Dienstvereinbarung geltenden Voraussetzungen einer Anspruchsberechtigung herbeizuführen.

Der mit den Klageanträgen 1 und 3 verfolgte Schadensersatzanspruch steht dem Kläger mithin nach keiner der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu.

2. Auch der Klageantrag zu 2 ist unbegründet.

Der Kläger fordert in Form der Leistungsklage die Stellung eines Dienstwagens auch zur Privatnutzung. An einem Anspruch hierauf fehlt es. Auf die Begründung zur Abweisung der Klageanträge zu 1 und zu 3 wird Bezug genommen.

3. Der mit dem Klageantrag zu 4 verfolgte Auskunftsanspruch bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Für die begehrte Auskunft über das Einkommen Dritter gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Weder § 37 Abs. 4 BetrVG noch § 78 Satz 2 BetrVG sehen eine Auskunftspflicht des Arbeitgebers vor. Es gibt auch keine allgemeine Pflicht zur Auskunftserteilung im Arbeitsverhältnis. Prozessrechtliche Vorschriften zwingen die nicht darlegungs- und beweisbelastete Partei eines Rechtsstreits ebenfalls nicht dazu, dem Gegner Material für dessen Obsiegen im Prozess zu verschaffen.

Gewohnheitsrechtlich ist allerdings anerkannt, dass nach § 242 BGB aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ein Auskunftsanspruch erwachsen kann, wenn dies zum Ausgleich gestörter Vertragsparität, insbesondere bei erheblichem Informationsgefälle im Zuge der Durchführung von Dauerschuldverhältnissen, erforderlich ist. Gerade die spezifischen Pflichten zur Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis (§ 241 Abs.2 BGB) können ein billigenswertes Interesse an der begehrten Auskunft nahelegen.

Dabei darf allerdings die prozessuale Darlegungs- und Beweislast durch die Gewährung materiellrechtlicher Auskunftsansprüche nicht unzulässig verändert werden.

Nach den §§ 611a, 242 BGB i.V.m. § 37 Abs.4 BetrVG kann deshalb ein Auskunftsanspruch in Betracht kommen, wenn das Betriebsratsmitglied -wie hier- eine betriebsübliche Steigerung der Vergütung mit ihm vergleichbarer Arbeitnehmer geltend machen will und darüber hinaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des Anspruchs aus § 37 Abs.4 BetrVG gegeben ist. (BAG, Urteil vom 4.11.2015, a.a.O., RdNr.19).

Nach diesen Maßstäben steht dem Kläger die begehrte Auskunft über die Gehaltssteigerungen der in den Jahren seit 2007 zum RSM - Manager beförderten Mitarbeiter nicht zu. Der Anspruch auf Auskunft setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass der Kläger seit 2007 im Wege der Laufbahnnachzeichnung aufgrund § 37 Abs.4 BetrVG in die Position eines RSM gelangt wäre. Die ist nach den Ausführungen zu III.1.a) bb), auf die Bezug genommen wird, nicht der Fall. Auf die Frage, ob die bei der Beklagten als „RSM“ bezeichnete Position bei den Rechtsvorgängern der Beklagten schon existierte oder ob die bei den Rechtsvorgängern der Beklagten „Gebietsverkaufsleiter“ genannte Position dem „RSM“ der Beklagten entspricht, brauchte die Kammer nicht mehr einzugehen.

4. Damit besteht auch der mit Antrag 5 der Klage verfolgte Zahlungsanspruch nicht.

Dem Antrag fehlt die materiellrechtliche Grundlage, sodass die aus den Anträgen zu 4 und zu 5 zusammengesetzte Stufenklage insgesamt durch Endurteil abzuweisen war.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Kosten der ohne Erfolg eingelegten Berufung treffen den Kläger.

V.

Einer Zulassung der Revision bedurfte es nicht, weil die hierfür in § 72 Abs.2 ArbGG genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Das Gericht hat über einen Einzelfall auf Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden. Gegen das Urteil ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben.

 

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