BAG: Außerordentliche Kündigung nach heimlicher Videoüberwachung
BAG , Urteil vom 16.12.2010 - Aktenzeichen 2 AZR 485/08 (Vorinstanz: LAG Sachsen-Anhalt vom 15.04.2008 - Aktenzeichen 11 Sa 522/07; ) (Vorinstanz: ArbG Halberstadt vom 29.08.2007 - Aktenzeichen 3 Ca 431/07; ) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Leitsätze: Orientierungssätze: 1. Begeht der Arbeitnehmer anlässlich eines privaten Einkaufs außerhalb der Arbeitszeit eine strafbare Handlung zulasten des Vermögens seines Arbeitgebers oder schädigt er ihn in ähnlich schwerwiegender Weise vorsätzlich, kann dies eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen. 2. Ob es einer Abmahnung bedurfte, ist eine Frage des Einzelfalls. War für den Arbeitnehmer die Schwere der Pflichtverletzung ohne Weiteres erkennbar und hat er zur Tatbegehung bewusst geringe Überwachungsmöglichkeiten des Arbeitgebers ausgenutzt, kann dies für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung sprechen. 3. Gerichte sind bei der Urteilsfindung grundsätzlich an das Nichtbestreiten einer Partei gebunden. Sie dürfen für unbestrittene Tatsachen keinen Beweis erheben oder verlangen. Die Bindung der Gerichte an die Grundrechte zieht jedoch die Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung nach sich. Sowohl aus dem Rechtsstaatsprinzip als auch aus dem im Privatrechtsverkehr zu beachtenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Prozessparteien folgen Anforderungen an das gerichtliche Verfahren und an die Grundlagen richterlicher Entscheidungsfindung. 4. Dem widerspräche es, unbestrittenen Sachvortrag, selbst wenn er unter Verletzung von Grundrechten gewonnen wurde, stets und uneingeschränkt prozessual zu verwerten. Der gebotene Schutz des Arbeitnehmers vor einer unzulässigen Informationsgewinnung durch heimliche Videoüberwachung kann es erfordern, aus der Überwachung gewonnene Erkenntnisse bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt zu lassen, wenn durch die gerichtliche Entscheidung der Verstoß perpetuiert würde. Der Arbeitnehmer ist nicht gezwungen, die betreffenden Tatsachen - ggf. bewusst wahrheitswidrig - zu bestreiten. 5. Der Schutz des Arbeitnehmers vor einer rechtswidrigen Videoüberwachung verlangt nicht in jedem Fall, auch solche unstreitigen Tatsachen außer Acht zu lassen, die dem Arbeitgeber nicht unmittelbar durch die Videoaufzeichnung, sondern durch Auswertung einer ihm unabhängig hiervon zur Verfügung stehenden, ohne Rechtsverstoß gewonnenen Informationsquelle zur Verfügung stehen. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: BGB § 626; ZPO § 138;
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