LAG Berlin-Brandenburg:: Ausschreibung als „Volljurist“ keine Diskriminierung
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.4.2016 – 7 Sa 2315/15
Volltext: BB-ONLINE BBL2016-1780-5
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Amtlicher Leitsatz
Das in einer Stellenbeschreibung geforderte Anforderungsprofil "Volljurist" stellt keine unzulässige Benachteiligung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung, den dieser damit begründet, er sei bei seiner Bewerbung auf die für einen Volljuristen/ eine Volljuristin ausgeschriebene Stelle bei der Beklagen im Grundsatz wegen seiner Staatsangehörigkeit benachteiligt worden. Beklagte ist das Bundesministerium für A. und S..
Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger. Er schloss den binationalen rechtswissenschaftlichen Studiengang „European and Comparative Law“ an den Universitäten Groningen, Bremen und Oldenburg mit einem Bachelor- sowie Masterabschluss mit der Qualifikation „met civiel effect“ ab und promovierte später an der Universität Göttingen (Prof. Dr. D.) zu dem Thema „Der Einfluss der Rechtsordnung auf die Tarifbindung der Arbeitgeberseite“.
Er bewarb sich verschiedentlich auf bei der Beklagten ausgeschriebene Stellen für Absolventen mit einem juristischen Masterabschluss und wurde auch zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, letztlich aber nicht eingestellt.
Mit Schreiben vom 21.02.2015 (Bl. 26 ff. d.A.) bewarb sich der Kläger auf eine bei der Beklagten für eine Volljuristin/ einen Volljuristen mit 2 Staatsexamina ausgeschriebenen Stelle (Ausschreibung Bl. 4 d.A.). Zu einem Vorstellungsgespräch wurde er nicht eingeladen. Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Datum vom 09.03.2015 eine Zwischennachricht. Mit Schreiben vom 15.06.2015 (Bl. 35 d.A.) machte der Kläger daraufhin vorsorglich Ansprüche auf Entschädigung geltend. Mit Schreiben vom 17.06.2015 (Bl. 38 d.A.) begründete die Beklagte daraufhin näher die von ihr in der Ausschreibung geforderten Abschlüsse mit 2 Staatsexamina. Es heißt dort u.a., bei einer Einstellung in eine Beamtenlaufbahn sei es dem Dienstherrn unbenommen, über die allgemeinen Laufbahnvoraussetzungen hinaus zusätzliche zwingende Merkmale aufzuführen, z.B. Volljurist, solange diese einer Überprüfung am Maßstab der Bestenauslese standhielten. Für die vorgesehenen Aufgaben böten die im 1. Juristischen Staatsexamen, im Referendariat und im 2. Juristischen Staatsexamen erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen die optimale Grundlage für eine hohe Verwendungsmöglichkeit und – breite.
Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht am 15.09.2015 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung einer angemessenen Entschädigung, die er mit mindestens 3 Bruttomonatsverdiensten, also 10.486,86 € veranschlagt. Er begründet seinen Anspruch im Wesentlichen damit, er sei bei seiner Bewerbung wegen seiner Staatsangehörigkeit mittelbar benachteiligt worden. Es sei davon auszugehen, dass Staatsangehörige anderer EU-Staaten seltener über den geforderten Abschluss eines Volljuristen verfügen würden als Inländer.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.11.2015 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Entschädigung, weil er nicht wegen seiner Herkunft, sondern wegen der Wahl seines Studienabschlusses anders behandelt worden sei. Außerdem finde Art. 45 AEUV gemäß Abs. 4 der Vorschrift keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung. Eine etwaige mittelbare Diskriminierung sei zudem durch die sachgemäße Ausübung des Beurteilungsspielraums der Beklagten bei der Wahl der für die Stelle geforderten Qualifikation gerechtfertigt. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Anforderungsprofil sachfremde Erwägungen zugrunde liegen würden.
Gegen dieses dem Kläger am 04.12.2015 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 30.12.2015 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 04.03.2016 - am 04.03.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Der Kläger und Berufungskläger vertritt auch in der Berufungsinstanz die Auffassung, die Ausschreibung der Stelle für Volljuristen mit 2 Staatsexamina beschränke mittelbar den Zugang zur Beschäftigung für Staatsangehörige anderer EU-Staaten. Sein Abschluss berechtige ihn zu einer juristischen Berufsausübung in den Niederlande, er sei daher mit dem Volljuristen vergleichbar. Um einen reglementierten Beruf im Sinne von Art. 45 Abs. 3, 4 AEUV handle es sich nicht. Auch sei es keine Stelle in der öffentlichen Verwaltung im Sinne von Art. 45 Abs. 4 AEUV, weil die Beklagte selbst eingeräumt habe, sie hätte Ausländer mit Staatsexamen in gleicher Weise berücksichtigt wie Inländer. Da die Stelle bereits besetzt sei, könne er nur Entschädigung verlangen. Die Frist nach § 15 AGG habe er gewahrt.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.11.2015 zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen mit Rechtsausführungen. Der Kläger sei nicht wegen seiner Staatsangehörigkeit benachteiligt worden. Die Ausschreibung einer Stelle für Volljuristen benachteilige vielmehr inländische Masterstudenten in gleicher Weise wie ausländische Masterstudenten. Der Beklagten sei es in der Sache nicht verwehrt gewesen, als konstitutives Element für die Stellenbesetzung die Befähigung zum Richteramt zu verlangen. Die Freizügigkeit innerhalb der Union sei nicht beeinträchtigt. Zudem handele es sich um eine Stelle nach Art. 45 Abs. 4 AEUV, wonach die Vorschriften der voranstehenden Absätzen nicht zur Anwendung gelangten. Einem Entschädigungsanspruch stehe der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Der Kläger habe seinen Bewerberverfahrensanspruch nicht im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens durchgesetzt. Jedenfalls aber habe er die Frist nach § 15 Abs. 2 AGG nicht gewahrt. Sein Schreiben vom 15.06.2015 sei vor Fristbeginn abgesandt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 3.3.2016 (Bl. 86 ff) sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 11.4.2016(Bl. 96) Bezug genommen.
Aus den Gründen
1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist von ihm fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG).
Die Berufung des Klägers ist daher zulässig.
2. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger stehen keine Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 AGG iVm Art. 45 AEUV zu. Die Beklagte hat ihn nicht wegen seiner Staatsangehörigkeit bei seiner Bewerbung auf die ausgeschriebene Stelle als „Volljuristin/Volljurist“ benachteiligt.
2.1 Nach Art. 45 AEUV ist innerhalb der Union die Freizügigkeit gewährleistet. Jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern der Mitgliedsstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen ist verboten.
Die Vorschrift bezieht sich u.a. auch auf den Zugang zu Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen; diesbezügliche Diskriminierungen sind unzulässig. Unionsbürger haben grundsätzlich das Recht zum gleichen Zugang zu Beschäftigungen wie inländische Bewerber, dies wird konkretisiert in der VO 492/2001 (ErfK/ Wißmann, AEUV Art. 45 Rdz. 35 ff). So verbietet etwa Art. 6 der VO, bei Angehörigen anderer Mitgliedsstaaten einen anderen Maßstab für die gesundheitliche und berufliche Qualifikation für eine bestimmte Tätigkeit anzulegen als bei eigenen Staatsangehörigen. Es handelt sich der Sache nach um eine Ausprägung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.
Als Sanktion einer Nichteinstellung unter Verstoß gegen Art. 45 AEUV soll wegen der strukturellen Übereinstimmung mit den unionsrechtlich begründeten, auf den Zugang zur Beschäftigung bezogenen Diskriminierungsverbote des § 7 iVm § 1, § 2 Nr. 1 AGG der Entschädigungsanspruchs nach § 15 AGG entsprechend anzuwenden sein. Diese Analogie wird auf die sich aus Art. 45 Abs. 1 AEUV ergebende Gewährleistungspflicht iVm den in Art. 4 Abs. 3 EUV normierten Erfüllungs- und Unterstützungspflichten gestützt (vgl. ErfK/ Wißmann AEUV Art. 45 Rdz. 53).
2.2 Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen solchen Entschädigungsanspruch. Dessen Voraussetzungen lagen im Streitfalle nicht vor.
2.2.1 Der Anwendungsbereich von Art. 45 AEUV ist allerdings eröffnet. Da der Kläger die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und sich mit einem länderübergreifenden Masterabschluss auf die hier streitgegenständliche Stelle beworben hat, weist der Sachverhalt den nach der Rechtsprechung des EuGH prinzipiell erforderlichen grenzüberschreitenden Bezug auf (vgl. EuGH vom 01.04.2008 –C-212/06 – SozR 4-6035 Art 39 Nr 3; vom 26.01.1999 – C-18/95 [Terhoeve] - Slg. 1999, I-345-397, Ziff. 27; vom 05.06.1997 –C-64/96 und C-65/96 [Uecker und Jacquet] - Slg.1997, I-3171, Rnr. 16 und vom 02.07.1998 – C-225/95 bis C-227/95 [Kapasakalis u. a.] Slg.1998, I-0000, Rnr. 22).
2.2.2 Art. 45 Abs. 4 AEUV steht der Eröffnung des Anwendungsbereichs nicht entgegen. Danach findet Art. 45 AEUV keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung. Art. 45 Abs. 4 AEUV trägt dem berechtigten Interesse der Mitgliedstaaten Rechnung, ihren eigenen Staatsangehörigen diejenigen Stellen vorzubehalten, die einen Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und der Wahrnehmung allgemeiner Belange aufweisen. Im Hinblick auf diesen Zweck betrifft er nur den Zugang Staatsangehöriger anderer Mitgliedstaaten zu bestimmten Tätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung (EuGH Urteil vom 06.10.2015 – C-298/14 – Brouillard , Rz. 31, 32 - BeckRS 2015, 81259). Um eine solche Stelle handelt es sich hier nicht. Die Beklagte hat die Stelle nicht staatsangehörigkeitsbezogen, sondern qualifikationsbezogen ausgeschrieben.
2.2.3 Die Beklagte war nicht aus Art. 45 AEUV verpflichtet, den Kläger in das Bewerberverfahren einzubeziehen. Denn der Kläger erfüllt unstreitig nicht die in der Stellenausschreibung geforderten Voraussetzungen, nämlich die Absolvierung des ersten und zweiten juristischen Staatsexamens.
2.2.3.1 Die Beklagte durfte von den Stellenbewerbern das in der Ausschreibung genannte Anforderungsprofil verlangen.
Es ist im Grundsatz davon auszugehen, dass der öffentliche Arbeitgeber im Anforderungsprofil die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen zu beschreiben hat, die eine Bewerberin oder ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt und die dementsprechend der leistungsbezogenen Auswahl zugrunde zu legen sind. Das Anforderungsprofil muss diskriminierungsfrei und der zu besetzenden Stelle angemessen sein sowie eine an dem Prinzip der Bestenauslese entsprechende Auswahl- und Besetzungsentscheidung gewährleisten. Bei einem rechtmäßigen Anforderungsprofil werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerberinnen und Bewerber an den aufgestellten Kriterien gemessen, um dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben gerecht zu werden (LAG Berlin-Brandenburg vom 19.2.2015 – 26 Sa 1990/14- NZA-RR 2015, 560).
Bei der streitgegenständlichen Stelle handelt es sich um eine solche, die nach der Entgeltgruppe 13 TVÖD vergütet wird. Sie beinhaltet Aufgaben, die für den höheren Dienst im Bundesministerium für Arbeit und Soziales kennzeichnend sind. Von einem Bewerber auf eine solche Stelle kann der öffentliche Arbeitgeber - auch redlicherweise ( BAG vom 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 -, Rn. 30, NJW 2014, 1130-1134) – die Absolvierung des ersten und zweiten Staatsexamen, nach heutigem Verständnis auch durchaus mit überdurchschnittlichen Ergebnissen, erwarten.
Überzogene Anforderungen sind nicht erkennbar. Vielmehr ergibt sich aus einer Reihe von Rechtsvorschriften, dass Absolventen beider Staatsexamen („Befähigung zum Richteramt“) in einer besonderen Breite eingesetzt werden können. Dies gilt beispielsweise auch für die Vertretung der Behörde vor Gericht. Dem öffentlichen Arbeitgeber steht diesbezüglich ein Ermessen zur Seite, das Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle mit entsprechenden sachgerechten und diskriminierungsfreien konstitutiven Elementen auszufüllen.
2.2.3.2 Dem in der Stellenausschreibung geforderten Merkmal des „Volljuristen“, also mithin die Absolvierung beider juristischer Staatsexamen, stehen auch unionsrechtliche Gesichtspunkte nicht entgegen.
2.2.3.2.1 Eine unmittelbare Diskriminierung ausländischer Bewerber ist nicht gegeben. Dazu ist festzustellen, dass die Absolvierung beider juristischer Staatsexamen nicht an eine bestimmte Staatsangehörigkeit gebunden ist. Dies wird auch in der Stellenausschreibung verdeutlicht, die die Bewerbung von „Menschen aller Nationalitäten“ ausdrücklich eröffnet.
2.2.3.2.2 Um eine mittelbare Diskriminierung von Bewerben aus der Union handelt es sich, wenn auf andere Unterscheidungsmerkmale als die Staatsangehörigkeit abgestellt wird, dies aber zur tatsächlichen Benachteiligung von Ausländern führt (ErfK-Wißmann, AEUV, § 45 Rdz. 45 unter Hinweis auf EuGH vom 25.10.2012 – Rs C-367711 – ZESAR 2013, 182; neuerdings EuGH vom 5.12.2013 – Rs C-514/12 – Zentralbetriebsrat Salzburger Landeskliniken – NZA 2014, 204). Dies würde beispielsweise der Fall sein können, wenn für den Stellenzugang - positive - Voraussetzungen aufgestellt würden, die von Inländern leichter erfüllt würden als von Wanderarbeitern, oder umgekehrt, die, wenn negativ, auf Inländer weniger leicht zutreffen als auf Wanderarbeiter. Eine solche Konstellation könnte auch gegeben sein, wenn sich bestimmte Voraussetzungen besonders zum Nachteil von Wanderarbeitern auswirken können (EuGH vom 22.6.2011 – Rs C-399/09 – Landtova - EuGRZ 2012, 643). In seiner Entscheidung vom 5.12.2013 (Rs C-514/12 – Zentralbetriebsrat Salzburger Landeskliniken) hat der Gerichtshof weitergehend formuliert, dass nationale Bestimmungen, die einen Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, Beeinträchtigungen dieser Freiheit darstellten, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Arbeitnehmer angewandt würden .
2.2.3.2.3 Allerdings sind mittelbare Diskriminierungen zulässig, wenn sie den sachlichen Unterschieden des zu regelnden Sachverhaltes Rechnung tragen (ErfK-Wißmann, AEUV, § 45 Rdz. 50 unter Verweis auf EuGH vom 12.2.1974 - Rs C-152/73 Sotgiu). Sie müssen auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit unabhängigen Gründen beruhen und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen (ErfK-Wißmann, AEUV, § 45 Rdz. 50 unter Verweis auf EuGH 18.1.2007 – Rs C - 332/05 Celozzi). Sie dürfen nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. In seiner Entscheidung vom 5.12.2013 (Rs C-514/12– Zentralbetriebsrat Salzburger Landeskliniken) erklärt der Gerichtshof, dass eine mittelbar diskriminierende Maßnahme nur dann zulässig sein könne, wenn mit ihr eines der im Vertrag genannten legitimen Ziele verfolgt wird oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Darüber hinaus muss in einem derartigen Fall ihre Anwendung geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Zieles zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist. Ziele etwa der „Verwaltungsvereinfachung“ oder „Transparenz“ hat der Gerichtshof in dieser Entscheidung nicht gelten lassen.
2.2.3.2.4 Auch dann, wenn man die Aufstellung der Voraussetzung „Volljurist“, also erstes und zweites juristisches Staatsexamen, als mittelbar diskriminierend deswegen einstufen würde, weil in der Praxis weitgehend überwiegend Inländer diese Voraussetzung erfüllten, wäre sie in Ansehung der genannten Grundsätze gerechtfertigt.
Die hier in Rede stehende Stelle ist eine solche, die in die Organisation des beklagten Bundesministeriums eingefügt ist. Sie ist Teil der Verwaltungsorganisation des Bundes und mithin Teil der Ausübung hoheitlicher Tätigkeit, mit der der Bund die ihm verfassungsrechtlich zugewiesenen Staatsaufgaben erfüllt. Die entsprechenden Stellenpläne sind haushaltsrechtlich – also durch den Gesetzgeber – abgestimmt.. Die konkrete Stelle ist von ihrem Aufgabenzuschnitt darauf abgestellt, eine bestimmte Funktion innerhalb dieser Bundesbehörde zu erfüllen. Daran knüpfen sich – wie gezeigt – zulässigerweise die in der Stellenausschreibung genannten fachlichen und formellen Voraussetzungen. All dies beruht auf der – zulässigen - Beurteilung des zuständigen Stellen, insbesondere auch des Haushaltsgesetzgebers.
Die Erfüllung der Aufgaben eines Bundesministeriums ist im – erheblichen – Allgemeininteresse. Die Voraussetzung „Volljurist“ deckt sich mit den Anforderungen der Stelle. Sie stellt – wie gezeigt – nicht eine sachlich nicht gerechtfertigte „überzogene“ Anforderung auf. Will das Bundesministerium in nachvollziehbarer Weise derartige Stellen mit Personen besetzen, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, ist die Voraussetzung „Volljurist“ sogar zwingend.
Die Rechtfertigung einer etwa gegebenen mittelbaren Diskriminierung von Wanderarbeitern ist daher gegeben.
2.2.3.3 Die Beklagte war auch nicht gehalten, die beim Kläger vorhandenen Qualifikationen in einer Weise zu werten, dass sie der Ablegung beider juristischer Staatsexamen gleichstünden.
Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass die Mitgliedstaaten, solange es an einer Harmonisierung der Voraussetzungen für den Zugang zu einem Beruf fehlt, festlegen dürfen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten zu dessen Ausübung notwendig sind, und die Vorlage eines Diploms verlangen dürfen, mit dem diese Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigt werden (EuGH vom 6.10.2015 – Rs C-298/14 – Brouillard – ZAR 2015, 405).
Mangels Harmonisierung steht im vorliegenden Fall das Unionsrecht folglich dem nicht entgegen, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Zugang zu der hier in Rede stehenden Stelle vom Besitz der für notwendig erachteten Kenntnisse und Fähigkeiten abhängig gemacht hat.
Allerdings müssen die Behörden eines Mitgliedstaats, die mit einem Antrag eines Unionsbürgers auf Zulassung zu einem Beruf befasst sind, dessen Aufnahme nach nationalem Recht vom Besitz eines Diploms oder einer beruflichen Qualifikation oder von Zeiten praktischer Erfahrung abhängt, sämtliche Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise sowie die einschlägige Erfahrung des Betroffenen in der Weise berücksichtigen, dass sie die durch diese Nachweise und diese Erfahrung belegten Fachkenntnisse mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten vergleichen. Dieses Prüfungsverfahren muss es den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen, objektiv festzustellen, ob ein ausländisches Diplom seinem Inhaber die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten wie das innerstaatliche Diplom oder diesen zumindest gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigt. Diese Beurteilung der Gleichwertigkeit eines ausländischen Diploms muss ausschließlich danach erfolgen, welches Maß an Kenntnissen und Fähigkeiten dieses Diplom unter Berücksichtigung von Art und Dauer des Studiums und einer entsprechenden praktischen Ausbildung bei seinem Besitzer vermuten lässt. Im Rahmen dieser Prüfung kann ein Mitgliedstaat jedoch objektiven Unterschieden Rechnung tragen, die sowohl hinsichtlich des im Herkunftsmitgliedstaat für den fraglichen Beruf bestehenden rechtlichen Rahmens als auch hinsichtlich des Tätigkeitsbereichs dieses Berufs vorhanden sind (EuGH vom 6.10.2015 – Rs C-298/14 – Brouillard - ZAR 2015, 405).
Diese Grundsätze sind bei der Besetzung der hier in Rede stehenden Stelle entsprechend anzuwenden.
Die vom Kläger vorgelegten niederländischen Abschlüsse des Bachelors und Master, auch im länderübergreifenden Sinne, stehen der Absolvierung der beiden juristischen Staatsexamen nicht gleich und müssen auch nicht gleich behandelt werden. Das ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Masterabschluss ein Universitätsabschluss ist, nicht aber ein Staatsexamen. Er ist – vereinfacht gesagt – dem ersten juristischen Staatsexamen in gewisser Weise gleichgestellt, vereinigt aber nicht beide juristischen Staatsexamen in sich.
Auch der Umstand, dass der Abschluss möglicherweise in den Niederlanden den Zugang zu vergleichbaren Stellen ermöglichen würde, gebietet nicht die Annahme einer „Gleichwertigkeit“. Es ist den Mitgliedsstaaten unbenommen, Stellen in der jeweiligen öffentlichen Verwaltung nach eigenen Maßstäben zu besetzen. Hieraus entsteht kein unionsrechtlich relevanter Sachverhalt. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Masterabschluss – anders als das zweite Staatsexamen – den Kläger auch in den Niederlanden weder ermöglicht, ohne weitere Ausbildungszeit selbständig als Anwalt tätig zu werden, noch unmittelbar die Befähigung zum Richteramt verleiht (vgl.www.europaeische-juristenausbildung.de zu den Niederlanden).
Auch etwaige weitere Kenntnisse und praktischen Erfahrungen des Klägers, etwa in der Liechtensteiner Verwaltung, führen nicht zur Gleichwertigkeitsfeststellung mit den – zu Recht – in der hiesigen Stellenausschreibung geforderten Qualifikationen. Dies gilt auch für die universitäre Tätigkeit des Klägers, die – bekanntlich – ebenfalls nicht das zweite Staatsexamen ersetzt oder überflüssig macht.
2.3 Eine unzulässige Diskriminierung des Klägers bei der Stellenbesetzung liegt daher nicht vor. Auf die Frage der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Ansprüche oder des Primats der Durchsetzung des Bewerberanspruchs im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes kam es daher nicht an.
3. Die Berufung des Klägers war mit der Folge zurückzuweisen, dass er die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat.
4. Die Zulassung der Revision erfolgte gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG