LAG Baden-Württemberg: Auslegung einer Versetzungsklausel - Gleichbehandlungsgrundsatz – Entgeltgleichbehandlung nach dem EntgTranspG
LAG Baden-Württemberg, Teilurteil vom 19.6.2024 – 4 Sa 26/23
ECLI:DE:LAGBW:2024:0619.4SA26.23.00
Volltext://BB-ONLINE BBL2024-2486-1
Leitsatz
Steht fest, dass ein Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin im Hinblick auf einen oder mehrere Vergütungsbestandteile niedriger vergütet wurde als diejenige Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts, die eine gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, muss die Arbeitgeberin darlegen und beweisen, dass ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin geführt haben. Beruft sich die Arbeitgeberin darauf, dass die Personen aus der Vergleichsgruppe eine größere Berufserfahrung, eine längere Betriebszugehörigkeit und/oder eine höhere Arbeitsqualität aufwiesen, muss sie darlegen, wie sie diese Kriterien im Einzelnen bewertet und zueinander gewichtet hat. Gelingen ihr die entsprechende Darlegung und gegebenenfalls der entsprechende Beweis nicht, steht dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin eine höhere Vergütung nach Maßgabe des Entgeltgleichheitsgesetzes zu.
Sachverhalt
Die Parteien streiten zweitinstanzlich über eine vertragsgerechte Beschäftigung der Klägerin als Leiterin des „Bereichs Projekt- und Prozessmanagement“, über die Zuteilung (weiterer) Phantom Shares für die Jahre 2021 und 2022, über Schadenersatz wegen einer zu geringen Zuteilung von Phantom Shares im Jahr 2018 sowie über Ansprüche auf Entgeltgleichbehandlung für das Jahr 2021.
Wegen des erstinstanzlich unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 20. April 2023 verurteilt, der Klägerin für 2021 weitere Phantom Shares im Wert von 19.000,00 Euro und für 2022 im Wert von 13.500,00 Euro zuzuteilen. Außerdem wurde der Klägerin eine Vergütungsdifferenz iHv. 21.591,00 Euro für das Jahr 2021 zugesprochen aus dem Gesichtspunkt der Entgeltgleichbehandlung nach dem Entgelttransparenzgesetz. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.
Den erstinstanzlich noch gestellten Antrag auf Beschäftigung in einer Funktion, die der Leitungsebene 3 zugeordnet ist, hielt das Arbeitsgericht für unbegründet, da dieser Anspruch mit der Zuweisung der Tätigkeit als Business Information Security Officer (BISO), ergänzt durch Aufgaben des Projekts Shadow IT, von der Beklagten bereits erfüllt werde.
Der Anspruch auf (weitere) Phantom Shares-Zuteilungen für 2021 und 2022 ergebe sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe nicht darzulegen vermocht, aus welchem Grund die Zuteilung an die Klägerin den durchschnittlichen Zuteilungswert entsprechend dem selbstbindend zugrunde gelegten Zuteilungsband unterschreite.
Der Schadensersatzanspruch der Klägerin für das Jahr 2018 sei jedoch verfallen. Der Arbeitsvertrag verweise nämlich auf die Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) Arbeitsordnung, welche wiederum auf die Ausschlussfristen des Manteltarifvertrags für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg (MTV) verweise. Die Klägerin wäre gehalten gewesen, den Zuteilungsanspruch innerhalb des Performancezeitraums geltend zu machen. Da dies nicht geschehen ist, sei auch der Sekundäranspruch verfallen.
Der Klägerin stünden jedoch Entgeltdifferenzansprüche nach dem Entgelttransparenzgesetz zu für das Jahr 2021. Die von der Klägerin herangezogene Vergleichsgruppe entspreche der von der Beklagten selbst gebildeten und in das Entgelttransparenzdashboard eingestellten Vergleichsgruppe. Die Klägerin sei ihrer Darlegungslast für eine Kausalvermutung nach § 22 AGBG nachgekommen. Sie verdiene nämlich weniger als die von der Beklagten zum Vergleich herangezogenen Männer. Diesen ersten Anschein einer auf dem Geschlecht beruhenden Ungleichbehandlung habe die Beklagte nicht zu widerlegen vermocht.
Dieses Urteil wurde der Klägerin am 1. Juni 2023 und der Beklagten am 12. Juni 2023 zugestellt. Beide Seiten greifen das Urteil mit der Berufung an. Die Berufung der Klägerin ging am 23. Juni 2023 beim Landesarbeitsgericht ein und wurde am 31. Juli 2023 begründet. Die Berufung der Beklagten ging am 13. Juni 2023 beim Landesarbeitsgericht ein und wurde innerhalb der bis 12. September 2023 verlängerten Begründungsfrist am 17. August 2023 begründet.
Die Klägerin hält das Urteil, soweit sie unterlegen ist, für fehlerhaft.
Im Laufe des Berufungsverfahrens stellte die Klägerin den Beschäftigungsantrag um. Sie begehrt nunmehr primär eine Beschäftigung entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 10. November 2015 als Leiterin des Bereichs „Projekt- und Prozessmanagement“, wie sie vor der streitigen Versetzung aus dem Jahr 2018 (einschließlich der Ergänzung aus dem Jahr 2021) bestanden hat. Sie meint, die vertragliche Versetzungsklausel sei unwirksam, da sich aus dieser nicht ergebe, dass die Zuweisung einer anderen Stelle mindestens gleichwertig sein müsse. Sie meint im Übrigen auch weiterhin, dass die ihr ab 2018 zugewiesenen Tätigkeiten nicht gleichwertig seien, insbesondere nicht einer Wertigkeit der Leitungsebene E3 entsprechen. Sie führt hierzu ergänzend aus.
Die Klägerin meint, ihr stehe auch ein Schadensersatzanspruch zu wegen einer zu geringen Zuweisung von Phantom Shares im Jahr 2018. Die Ausschlussfristenklausel sei als AGB schon deshalb unwirksam, weil Ansprüche auf den Mindestlohn von dieser nicht ausgenommen seien. Die Verweisung auf die Arbeitsordnung trete hinter die speziellere (unwirksame) Ausschlussfristenregelung des Arbeitsvertrages zurück. Außerdem sei die Ausschlussfristenregelung in der GBV Arbeitsordnung bereits wegen eines Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam, im Übrigen intransparent. Die Klägerin verweist ergänzend darauf, dass die Ausschlussfrist erst ab Kenntnis des Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu laufen beginnen könne. Innerhalb des Performancezeitraums hätte sie von der Ungleichbehandlung noch keine Kenntnis gehabt. Sie hätte hiervon erst mit der Zahlung Kenntnis erhalten.
Die Klägerin nahm ihre ursprüngliche Klage gemäß erstinstanzlichem Klageantrag zu 5 (entspricht Nr. 3 des Tenors des arbeitsgerichtlichen Urteils) iHv. 886,68 Euro zurück. Sie begehrt insoweit nur noch die Zahlung von 20.704,32 Euro bei zu verzinsenden Monatsbeträgen von jeweils 1.725,36 Euro.
Die Klägerin beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 20. April 2023 (6 Ca 4384/22) wird in den Ziffern 4 und 5 des Tenors abgeändert.
2. Die Beklagte wird über das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart hinaus verurteilt, die Klägerin als Leiterin des Bereichs „Projekt- und Prozessmanagement“ zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags zwischen den Parteien vom 10.11.2015 zu beschäftigen, wobei die Klägerin dem Leiter „Vertrieb ... Operations“ berichtet.
Hilfsweise:
die Klägerin in einer Funktion, die der Leitungsebene 3 zugeordnet ist, zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags zwischen den Parteien vom 10.11.2015, zu beschäftigen.
Hilfs-Hilfsweise:
die Klägerin in einer Funktion, die der Leitungsebene 3 zugeordnet ist, zu beschäftigen, die mindestens folgende Kriterien aufweist:
- Disziplinarische Führungsverantwortung für mindestens 3 E4-Teamleiter und mindestens 29 Sachbearbeiter/innen
- Budgetverantwortung im Umfang von mindestens EUR 30 Mio.
- Berichtsebene an eine E2-Führungskraft
Hilfs-Hilfs-Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass die Versetzung der Klägerin auf die Stelle „Projekt Business Information Security Officer“ („BISO“) und auf die Stelle „Projekt BISO mit Shadow IT“ und auf die Stelle „Linienfunktion Business Information Security Officer („BISO“) unwirksam ist.
Hilfs-Hilfs-Hilfs-Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass die Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich ihrer Arbeitsleistung hat, solange die Beklagte die Klägerin nicht als Leiterin des Bereichs „Projekt- und Prozessmanagement“ zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags zwischen den Parteien vom 10.11.2015 beschäftigt und die Klägerin dem Leiter „Vertrieb ... Operations“ berichtet.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt im Rahmen ihrer eigenen Berufung,
Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 20.04.2023, 6 Ca 4384/22, wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angegriffene Urteil im Rahmen ihres Unterliegens ebenfalls für fehlerhaft.
Die Beklagte meint in Bezug auf die Phantom Shares, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz schon keine Anwendung fände, da die Zuteilungen individuell und unabhängig von abstrakten Merkmalen erfolgen würden. Aus den OPC-Empfehlungen ergebe sich, dass die Klägerin den Anforderungen an eine E3-Führungskraft nicht gewachsen gewesen sei. Im Übrigen sei eine Orientierung an den Durchschnittswerten rechtsfehlerhaft. Es seien mit den Zuteilungsbändern lediglich Budgetvorgaben gemacht worden, die aber nicht voll haben ausgeschöpft werden müssen.
Sie behauptet weiterhin, die unterschiedliche Bezahlung der vergleichbaren männlichen Kollegen der Ebene 3 sei lediglich bedingt durch deren Lebensalter und deren längere Berufserfahrung. Außerdem sei maßgeblich, dass die Wertbeiträge der Klägerin erheblich hinter denjenigen der Kollegen ihrer Vergleichsgruppe, gleich welchen Geschlechts gelegen haben. Die Ansprüche seien im Übrigen verfallen. Die Klägerin habe schließlich aus den Dashboardauszügen erkennen können, dass sie schon in den Vorjahren zu gering vergütet worden sei. Im Übrigen habe die Klägerin Differenzvergütungsansprüche mit E-Mail vom 29. April 2022 nur für den Zeitraum Oktober 2021 bis März 2022 geltend gemacht. Der Zeitraum Januar 2021 bis September 2021 sei erstmalig mit der Klage, somit verspätet geltend gemacht worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Aus den Gründen
Die Berufungen beider Seiten sind zulässig. Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Berufung der Beklagten ist, soweit über sie entschieden wurde, unbegründet. Über die Berufung der Beklagten gegen Nr. 1 des angegriffenen Urteils sowie über die Berufung gegen Nr. 3 des angegriffenen Urteils in Höhe von 11.409,84 Euro (Entgeltbenachteiligung hinsichtlich des Entgeltbestandteils „Company Bonus für 2021), wurde mit diesem Teilurteil noch nicht entschieden.
I.
Die Berufung der Klägerin gemäß dem Berufungshauptantrag zu 2 ist weitgehend begründet.
I.a
Der geänderte Beschäftigungsantrag ist zulässig.
1. Die Klageänderung ist zulässig.
a) Die Umstellung des Antrags von einer Beschäftigung in einer Funktion, die der Leitungsebene 3 zugeordnet ist, in einen konkreten Antrag auf Beschäftigung als Leiterin des Bereichs „Projekt- und Prozessmanagement“ stellt einen Austausch des Streitgegenstands dar. Es handelt sich demnach um eine Klageänderung.
b) Die Beklagte hat in die Klageänderung nicht gemäß § 533 Nr. 1 ZPO eingewilligt.
c) Die Klageänderung ist jedoch gemäß § 533 Nr. 1 ZPO sachdienlich.
aa) Maßgeblich für die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Sachdienlichkeit ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, für den es entscheidend darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet und einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (BAG 14. Juni 2017 - 10 AZR 308 / 15 -).
bb) Angesichts dessen, dass der mit den Versetzungen verbundene Entzug der vormaligen Stelle zwischen den Parteien durchgehend Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits war, kann eine Sachdienlichkeit nicht abgesprochen werden.
d) Daraus ergibt sich auch zwangsläufig, dass der geänderte Antrag auch auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrundezulegen gehabt hätte, § 533 Nr. 2 ZPO.
2. Anders als der vormalige Antrag ist der neue Antrag unzweifelhaft hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er bezeichnet konkret die gewünschte Tätigkeit.
II.b
Der Antrag ist in Bezug auf das Beschäftigungsbegehren begründet. Soweit die Beklagte darüber hinaus die Berichtslinie festgeschrieben wissen möchte, ist der Antrag jedoch unbegründet.
1. Der Arbeitnehmer hat im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße tatsächliche Beschäftigung. Rechtsgrundlage des durch die Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers sind §§ 611a, 613 BGB iVm. der Generalklausel des § 242 BGB, die durch die Wertentscheidungen der Art. 1 und Art. 2 GG zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausgefüllt wird. Der Arbeitnehmer soll - als Ausdruck und in Achtung seiner Persönlichkeit und seines Entfaltungsrechts - tatsächlich arbeiten können. Korrespondierend mit dem Beschäftigungsanspruch ist der Arbeitgeber zur vertragsgemäßen Beschäftigung verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer diese verlangt (BAG 15. Juni 2021 - 9 AZR 217/20 -).
Bei einem Streit über die Berechtigung einer Versetzung oder einer anderen Ausübung des Weisungsrechts bestehen für den Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten: Er kann zum einen deren Berechtigung im Rahmen einer Feststellungsklage klären lassen. Zum anderen hat er die Möglichkeit, den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer Klage auf künftige Leistung gem. § 259 ZPO durchzusetzen. Bei der Prüfung des Beschäftigungsanspruchs ist die Wirksamkeit der Ausübung des Weisungsrechts als Vorfrage zu beurteilen (BAG 18. Oktober 2017 - 10 AZR 47/17 -). Im Falle einer unwirksamen Weisung des Arbeitgebers richtet sich der Beschäftigungsanspruch auf die zuletzt zugewiesene Tätigkeit (BAG 18. Oktober 2017 - 10 AZR 47/17 -; BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 -).
2. Ausweislich des Arbeitsvertrags vom 10. November 2015 wurde die Klägerin mit Wirkung ab 1. Dezember 2015 als Leiterin des Bereichs „Projekt- und Prozessmanagement“ eingestellt. In dieser Funktion war sie ab diesem Zeitpunkt auch tatsächlich tätig. Diese Position war unstreitig auf der Leitungsebene E3 angesiedelt.
3. Die Versetzung der Klägerin vom 7. Februar 2018 von dieser Tätigkeit als Leiterin des Bereichs „Projekt- und Prozessmanagement“ auf eine Stelle mit der Aufgabe Leitung des „Projekts Business Information Security Officer MS“ war nicht vom Arbeitsvertrag, insbesondere nicht von einer wirksamen Versetzungsklausel gedeckt.
a) Gemäß § 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzlichen Vorschriften festgelegt ist. Welche Grenzen der Arbeitsvertrag im Einzelfall zieht, ist durch Auslegung zu ermitteln. Beruht die Versetzungsmöglichkeit auf einer Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
In einem ersten Schritt ist durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist insbesondere festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat. In Betracht kommt, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der vertraglich geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeiten oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind. Ungewöhnliche, insbesondere überraschende Klauseln iSv. § 305c Abs. 1 BGB(zB „versteckte“ Versetzungsvorbehalte) werden allerdings nicht Vertragsbestandteil (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 -).
Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 -).
Enthält der Arbeitsvertrag neben einer Festlegung von Art und/oder Ort der Tätigkeit einen sog. Versetzungsvorbehalt, so ist zu differenzieren:
Ergibt die Vertragsauslegung, dass der Versetzungsvorbehalt materiell (nur) dem Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO entspricht oder zugunsten des Arbeitnehmers davon abweicht, unterliegt diese Klausel keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern allein einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Arbeitgeber, der sich lediglich die Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, nicht aber eine Änderung des Vertragsinhalts vorbehält, weicht nicht zulasten des Arbeitnehmers von Rechtsvorschriften ab (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB).
Die Vertragsklausel muss dabei die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der oben dargestellten Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. Insbesondere muss sich aus dem Inhalt der Klausel oder aus dem Zusammenhang der Regelung deutlich ergeben, dass sich der Arbeitgeber nicht die Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten - ggf. noch unter Verringerung der Vergütung - vorbehält. Dagegen erfordert auch die Verpflichtung zur transparenten Vertragsgestaltung gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, dass die Klausel Hinweise auf den Anlass der Ausübung des Weisungsrechts enthält.
Ergibt die Vertragsauslegung, dass sich der Arbeitgeber mit dem Versetzungsvorbehalt über § 106 GewO hinaus ein Recht zur Vertragsänderung vorbehält, so unterliegt die Regelung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 angemessen zu berücksichtigen.
Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringerwertiger Tätigkeiten zulasten des Arbeitnehmers ändern zu können (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 -; ebenso zur Unangemessenheit: BAG 9. Mai 2006 - 9 AZR 425/05 -; LAG Rheinland-Pfalz 5. Juni 2014 - 2 Sa 394/13 -).
Führt die Angemessenheitskontrolle zur Unwirksamkeit eines Versetzungsvorbehalts, so richtet sich der Inhalt des Vertrags gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Eine geltungserhaltende Reduktion auf das angemessene Maß findet nicht statt. Maßgeblich ist in diesem Fall § 106 GewO. Diese Vorschrift überlässt dem Arbeitgeber das Weisungsrecht aber nur insoweit, als nicht durch den Arbeitsvertrag der Leistungsinhalt festgelegt ist. Ergibt die Auslegung des Vertrags, dass ein bestimmter Leistungsinhalt vereinbart wurde, so ist der Arbeitgeber an diesen gebunden, wenn ein zusätzlich vereinbarter Versetzungsvorbehalt der Angemessenheitskontrolle nicht standhält (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 -).
b) In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich Folgendes:
aa) Die Regelungen der Klauselkontrolle sind zumindest über § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB anwendbar.
bb) Die Art der vertraglich geschuldeten Tätigkeit ist eindeutig bezeichnet mit „Leiterin des Bereichs Projekt- und Prozessmanagement“ und gerade nicht bloß abstrakt mit z.B. „Führungsaufgabe auf der Leitungsebene E3“. Gerade weil es sich um eine Führungsaufgabe handelt, ist diese auch nicht ohne Weiteres austauschbar. Die Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag stellt demnach nicht bloß eine Erstzuweisung einer Beschäftigung im Rahmen eines breiteren vertraglichen Tätigkeitsspektrums dar. Die Aufgabe ist eine einmalige und soll den vertraglichen Inhalt prägen.
cc) Dennoch haben die Parteien im Folgesatz einen Versetzungsvorbehalt aufgenommen, wonach die Beklagte berechtigt sein soll, der Klägerin „andere, ihren Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende Aufgaben zu übertragen oder sie an einen anderen zumutbaren Arbeitsplatz oder Tätigkeitsort zu versetzen“.
(1) Hierbei handelt es sich jedenfalls bezogen auf die geschuldete Tätigkeit um keine Regelung, die materiell nur dem Inhalt des § 106 GewO entspricht und bloß das Bestehen eines Direktionsrechts wiederholt. Denn Anknüpfungspunkt des Versetzungsvorbehalts ist nicht die vertraglich beschriebene Aufgabe der Leitung des Bereichs Projekt- und Prozessmanagement. Angeknüpft wird vielmehr an die Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin.
(2) Betreffend die Wertigkeit der durch Versetzung zuweisbaren Aufgaben wird auf eine bloße „Zumutbarkeit“ Bezug genommen. Es fehlt an einer Darstellung, dass nur gleichwertige Arbeitsaufgaben als versetzungstauglich in Betracht kommen dürfen. Die Klausel ist demnach unangemessen benachteiligend und unwirksam.
dd) Folge der Unwirksamkeit der Klausel ist zwar nicht, dass das Direktionsrecht der Beklagten gemäß § 106 GewO entfiele. Die arbeitsvertragliche Aufgabenbeschreibung setzt jedoch einer Versetzung Grenzen. Möchte die Beklagte der Klägerin andere Aufgaben zuweisen, müssen sich diese Aufgaben am Tätigkeitsprofil einer Leiterin des Projekt- und Prozessmanagement orientieren. Die Tätigkeit als BISO ist aber keine Tätigkeit, die bei einer Leiterin des Bereichs Projekt- und Prozessmanagement anfiele oder als wesentliche Teilaufgabe diese Aufgabenbeschreibung prägen würde.
c) Selbst wenn man aber abweichend hiervon zugunsten der Beklagten annehmen wollte, dass die Versetzung von der Versetzungsklausel grundsätzlich gedeckt wäre, ergäbe sich nichts anderes. Die für die ordnungsgemäße Ausübung des Direktionsrechts darlegungs- und beweisbelastete Beklagte vermochte die Angemessenheit der neuen Aufgabenzuweisung und deren Gleichwertigkeit nicht darzustellen.
aa) Es sprechen bereits folgende Anhaltspunkte gegen eine Gleichwertigkeit der zugewiesenen neuen Stelle mit der vormaligen Stelle.
(1) Schon in der internen „Prüfung organisatorische Anforderungen“ heißt es zur Wertigkeit, dass die Stelle L3 „Projekt Business Information Security Officer MS“ lediglich in der Projektphase E3-berechtigt sei. In der Linie hätte die Stelle nur noch F4-Wertigkeit. Die Einrichtung sei nur befristet für zwei bis drei Jahre auf E3-Niveau zu empfehlen. Das E3-Niveau sei nur wegen des Projektaufbaus und des personellen Handlungsbedarf vertretbar.
(2) Diese eigene Argumentation der Beklagten setzt sich fort in dem X.-Internal „Weiterentwicklung der Führungsorganisation MS/S-Projektstelle Business Information Security Officer MS“ vom 15. Januar 2018. In der darin enthaltenen „SOLL- Struktur MS/SC“ (Stand 1. Februar 2018) heißt es bezogen auf die Stelle der Klägerin, dass diese als E3-Stelle für zwei Jahre befristet sei mit einer einjährigen Verlängerungsmöglichkeit. Danach könne die Stelle maximal als F4-Stelle fortgeführt werden.
(3) Auch in der OPC-Konferenz-Empfehlung vom 9. Februar 2021 wurde die bisherige Einschätzung bestätigt. Darin heißt es, dass die „bisherige befristete Stelle stark Admin-lastig (sei) und inhaltlich nicht als E3-Stelle argumentierbar (sei)“.
(4) Daran änderte auch die Zuweisung der Projektaufgabe Shadow IT nach Übergang von der Projektphase in die Linie nichts. Der Vorgesetzter Herr B. bestätigte noch mit E-Mail vom 27. Februar 2024, dass Grundlage der Stelle der Klägerin nach wie vor „der BISO-Projektsteckbrief aus dem Jahr 2018“ sei, in welchem aber die Wertigkeit der Stelle nach Ablauf des Befristungszeitraums mit F4 angegeben wurde.
bb) Unabhängig davon, dass die von der Beklagten selbst gesetzten Anhaltspunkte schon gegen eine Gleichwertigkeit sprechen, vermochte die Beklagte eine solche auch nicht darzutun.
Auch wenn die Beklagte (genauso wie die Klägerin, nur gegensätzlich) wortreich darzustellen versucht, wie bedeutsam und wichtig die neu zugewiesene Arbeitsaufgabe sei, fehlt es an jeglicher Darlegung, welche Anforderungen überhaupt erfüllt sein müssen, damit eine Stelle bei der Beklagten der Wertigkeit E3 entspricht. Ohne Darstellung der „Eingruppierungsmerkmale“, die für eine Einordnung der Stelle in die Leitungsebene E3 erforderlich sind, ist eine Subsumtion nicht möglich. Auch wenn aus dem neuen Berufungsvorbringen der Klägerin ansatzweise erkennbar ist, dass bei der Beklagten die Einordnungen nach einem Stellenbewertungsschema IPE der Firma M. erfolgen unter Berücksichtigung der Kriterien „Auswirkung und Einfluss“, „erforderliche Kenntnis“, „Innovation“ und „Kommunikation“, ist nicht dargestellt, welche Ausprägung diese Kriterien im einzelnen haben müssen, um die Leitungsebene E3 erreichen zu können, und wie die Kriterien zueinander zu gewichten sind. Darauf wurden die Parteien in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen.
4. Die Klägerin hat aber keinen Anspruch darauf, dass im Urteil eine bestimmte Berichtslinie vorgeschrieben wird und sie nur gegenüber dem Leiter „Vertrieb ... Operations“ berichten darf. Eine solche Titulierung wäre eine unzulässige Einschränkung des Direktionsrechts der Beklagten.
II.
Über den Anspruch der Klägerin auf eine (vorläufige) Zuteilung weiterer Phantom Shares im Wert von 19.000,00 Euro nach dem PPSP 2021 kann noch nicht entschieden werden. Der dreijährige Performancezeitraum gemäß § 1 Abs. 4 PPSP 2021 (1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2023) ist nämlich mittlerweile abgelaufen. Das mit der vorläufigen Zuteilung beabsichtigte Long Term Incentive-Ziel ist nicht mehr erreichbar und somit unmöglich geworden (LAG Baden-Württemberg 22. Oktober 2021 - 7 Sa 26/21 -). Die Klägerin wird insoweit ihren Antrag auf einen Schadensersatzanspruch umstellen müssen. Hierauf wurde jedoch noch nicht gemäß § 139 ZPO hingewiesen.
III.
Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte zu auf eine weitere (vorläufige) Zuteilung von Phantom Shares im Wert von 13.500,00 Euro auf der Grundlage des PPSP 2022.
1. Das LAG Baden-Württemberg führte in seinem Urteil vom 22. Oktober 2021 (7 Sa 26/21) in einem Parallelverfahren betreffend die Zuteilung von Phantom Shares aus dem PPSP 2019 wie folgt aus:
„Aus dem Arbeitsvertrag der Parteien vom (…) ergibt sich ein solcher Anspruch nicht.
(….)
Nach dem Arbeitsvertrag steht dem Kläger neben einem (fixen) Jahresgehalt auch eine variable Vergütung für das abgelaufene Jahr zu. Gemäß der im Arbeitsvertrag unter „Weitere Bestimmungen“ in Bezug genommenen „sonstigen Richtlinien“, wozu die konzernweit geltende Globale Vergütungsrichtlinie (GVR) B. 78.1 durchaus rechtstechnisch gehören mag, unterfallen unter den hausinternen Begriff „Variable Vergütung“ auch ein aktienorientierter Vergütungsbestandteil in Form der vom Kläger beanspruchten Phantom Shares. Dieser Beurteilung steht jedoch das von den Vertragsparteien verwendete Begriffsverständnis „variable Vergütung“ im Sinne des Arbeitsvertrages entgegen. Die darin bestimmte Vergütung bezieht sich auf das abgelaufene Geschäftsjahr und beinhaltet weitere Regelungen, die ersichtlich nicht mit den vom Kläger beanspruchten Phantom Shares übereinstimmen. Es handelt sich bei der dort verorteten „variablen Vergütung“ ausschließlich um den sogenannten X. Executive Bonus (abgelöst durch den sogenannten X. Company Bonus), einem erfolgsabhängigen Anteil an der Barvergütung des Klägers.
Ein betriebsvereinbarter Anspruch des Klägers folgt auch nicht aus der Gesamtbetriebsvereinbarung über die Vergütungsgrundsätze Leitender Führungskräfte außerhalb des Anwendungsbereichs des § 5 Abs. 3 BetrVG vom 28.02.2012 (fortan: GBV Vergütungsgrundsätze).
Dem steht nicht entgegen, dass diese Vereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat der X. AG vereinbart wurde. Insoweit wird auf die Ausführungen unter I. 2. a) Bezug genommen und verwiesen, wonach ein identitätswahrender Betriebsübergang auf die Beklagte stattgefunden hat mit der Rechtsfolge, dass diese Vereinbarung betriebsverfassungsrechtlich fortgilt. Jedoch ist darin kein Individualanspruch des Klägers, der kein leitender Angestellter, sondern unstreitig Führungskraft im Sinne des persönlichen Anwendungsbereichs der GBV Vergütungsgrundsätze ist, sachlich geregelt. Regelungsinhalt ist, dass unter anderem der sogenannte Performance Phantom Share Plan (PPSP) in seiner jeweiligen durch eine Anlage in Bezug genommen Ausgestaltung ein Vergütungsbestandteil ist, ohne dass hierauf ein Rechtsanspruch besteht (zB § 12 Abs. 1 Satz 1 PPSP 2020 Planbedingungen).
Der Anspruch des Klägers ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung begründet.
Das belegt bereits die Nr. 1 der GBV Vergütungsgrundsätze. Darin heißt es:
„Bei der Gewährung dieser Vergütungsbausteine werden damit, was Umfang, Volumen, Berechnung oder Konditionen betrifft, die Leitenden Führungskräfte, unabhängig davon, ob sie leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sind oder nicht, gleichbehandelt.“
Der Begriff Vergütungsbaustein im Sinne der Nr. 1 Satz 1 GBV Vergütungsgrundsätze erfasst unter anderem den Performance Phantom Share Plan.
Nach dem auch von den Betriebsparteien zutreffend erkannten arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gilt insbesondere im Bereich der Vergütung Folgendes:
„Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Im Bereich der Arbeitsvergütung ist er trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt. Ist dies der Fall, darf er einzelne Arbeitnehmer von der Leistung nur ausnehmen, wenn die Ausnahme sachlichen Kriterien entspricht. Arbeitnehmer werden dann nicht sachfremd benachteiligt, wenn sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, diesen Arbeitnehmern die den anderen Arbeitnehmern gewährte Leistung vorzuenthalten. Ist die unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt, kann der benachteiligte Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmer behandelt zu werden. Allerdings erlaubt die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer noch nicht den Schluss, diese bildeten eine Gruppe. Eine Gruppenbildung liegt erst dann vor, wenn die Besserstellung nach bestimmten Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen. Keine Anwendung findet der Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn die Besserstellung einzelner Arbeitnehmer unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen erfolgt. In einem solchen Fall fehlt der notwendige kollektive Bezug. Diese Grundsätze finden auch Anwendung, wenn der Arbeitgeber im Rahmen eines Aktienoptionsprogramms Arbeitnehmern Bezugsrechte einräumt. Bei dem erzielten Ausübungsgewinn handelt es sich um Arbeitsentgelt“ (BAG 29. Oktober 2009 - 10 AZR 664/08 - AP Nr. 210 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu B. III. 1. der Gründe = Rn. 24).“
Daran gemessen gewährt die Beklagte den Leitenden Führungskräften der Ebenen 2 und 3, wozu der Kläger unstreitig gehört und somit eine Vergleichbarkeit in Bezug auf den begünstigten Personenkreis besteht, nach einem bestimmten, in der GBV Vergütungsgrundsätze in Verbindung mit den jeweiligen jahresbezogenen Planbedingungen für Performance Phantom Shares verschriftlichen erkennbaren und generalisierenden Prinzip virtuelle Aktien. Der Kläger ist danach als Führungskraft Planteilnehmer (vgl. § 1 Abs. 1 PPSP 2020 iVm. Nr. 1 GBV Vergütungsgrundsätze). Die Beklagte schuldet dem Kläger gleiche Teilhabe an diesem Vergütungsbestandteil. Richtig ist, dass die Beklagte jedes Jahr neu entscheidet, ob ein PPSP aufgelegt wird. Weiter ist zutreffend, dass die Ausgestaltung des PPSP für 2019 (B 11 = Blatt 163 ff. der ArbG-Akte) und 2020 (K 4 = Blatt 41 ff. der ArbG-Akte) nach ihrem § 12 eine freiwillige Vergütungsleistung darstellt. Gleichwohl erfolgt die Zuteilung der Phantom Shares nicht im rechtsfreien Raum. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist zugleich Lenkrad und Korrektiv anreizmotivierter Vergütungssteuerung.
(…..)
Der dem Kläger auf der Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zustehende Anspruch auf Zuteilung vorläufiger Phantom Shares für 2019 und 2020 ist auch der Höhe nach begründet. Der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz hat zur Folge, dass der Kläger so gestellt werden muss wie vergleichbare Arbeitnehmer der Führungsebene 3 (vgl. auch BAG 29.10.2009 – 10 AZR 664/08 - aaO, zu B. III. 3. der Gründe = Rn. 35). Soweit der Kläger hinsichtlich des Zuteilungsvolumens der vorläufig zu gewährenden Phantom Shares auf das von der Beklagten selbstbindend zu Grunde gelegte Zuteilungsband abstellt, entspricht das der von ihr selbst gewählten Zuteilungsrange, deren Spreizung nach dem Kriterium des Gewichts des sogenannten Business-Impact“ der einzelnen Führungskraft ausgestaltet ist. Die auf dieser Grundlage zu erfolgende Zuteilungsentscheidung hat nach Maßgabe der Gleichbehandlung als Kriterium des billigen Ermessens zu erfolgen. Dementsprechend ist es mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht zu beanstanden, dass der Kläger seinen Begehren jeweils den durchschnittlichen Zuteilungswert in der vom Arbeitsgericht festgestellten und von der Beklagten nicht angegriffenen und damit bindenden Höhe für 2019 von (…) und für 2020 von (….) zu Grunde gelegt hat.“
Diese Ausführungen treffen auch auf den vorliegenden Fall der Klägerin in Anwendung des PPSP 2022 zu. Die Kammer machte die vorstehenden Ausführungen der 7. Kammer deshalb vollständig zu eigen.
2. In Auseinandersetzung mit der Berufungsbegründung der Beklagten sind jedoch noch folgende ergänzende Anmerkungen angezeigt.
a) Die Beklagte kann sich nicht auf eine bloße „Freiwilligkeit“ der Zusage rufen.
aa) Gemäß § 1 Abs. 1 PPSP 2022 erfolgt eine Zuteilungszusage an alle „berechtigten Führungskräfte“. Wer „berechtigte Führungskraft“ ist, lässt sich zumindest aus der Broschüre zum Performance Phantom Share Plan (Anl. B3) ermitteln, welche unter der Überschrift „Teilnahmeberechtigung“ definiert, dass teilnahmeberechtigt die Mitglieder des Vorstands seien sowie die Führungskräfte der Führungsebenen EVP, 1, 2 und 3.
Unstreitig wurde die Klägerin bei der Beklagten als Führungskraft der Leitungsebene E3 geführt, unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob die Klägerin auch entsprechend dieser Wertigkeit vertragskonform beschäftigt wird.
bb) Unstreitig wurde der Klägerin für 2022 auch eine Teilnahmeberechtigung eingeräumt. Eine sogenannte „Nullzuteilung“ erfolgte gerade nicht.
cc) Mit der „Freiwilligkeitsklausel“ des § 12 PPSP 2022 sollte somit lediglich die Begründung einer betrieblichen Übung ausgeschlossen werden.
b) Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass keine Leistungsgewährung nach generalisierenden Prinzipien erfolgte, weshalb eine Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausscheide.
Es ist zwar richtig, dass das individuelle Zuteilungsvolumen auf einer Gesamteinschätzung der Führungskräfte basieren soll und von der Leitung der betreffenden übergeordneten organisatorischen Einheit in Abstimmung mit den Vorgesetzten erfolgen soll. Jedoch kann diese Festsetzung nicht willkürlich oder befreit von abstrakten Bewertungskriterien erfolgen. Vielmehr ergibt sich aus § 12 Abs. 1 PPSP 2022, dass maßgeblich für die Zuteilung die zukünftig erwarteten Leistungen des Planteilnehmers sein sollen. Was sich die Beklagte hierunter vorstellte, ist aus der Broschüre Performance Phantom Share Plan (Anl. B3) erkennbar. Unter der Überschrift „Individuelles Zuteilungsvolumen“ wird ausgeführt, dass die „zukünftig erwartete Performance“, welche dem erwarteten Beitrag der Führungskraft zum Wertzuwachs des Unternehmens entspreche, maßgeblich für die Incentivierung sein soll. Dieser Beitrag zum Wertzuwachs drücke sich aus in der „unternehmerischen Gesamtverantwortung“, dem „unternehmerischen Erfolg im Verantwortungsbereich“ sowie in der „unternehmerischen Weitsicht“. Dies sind jedoch abstrakte Kriterien, die grundsätzlich einer einheitlichen Bewertung oder Beurteilung zugänglich sind.
c) Die Heranziehung der Zuteilungsbänder für die Ermittlung der Zuteilungshöhe ist nicht zu beanstanden.
aa) Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte das (vorläufige) Zuteilungsvolumen im Wert von nur 8.500,00 Euro ermittelt hat.
(1) Obwohl die Beklagte die oben genannten abstrakten Kriterien hätte anwenden müssen, hat sie nicht näher erläutert, wie sie zu ihrer Bewertung gelangt ist, obwohl sie zumindest in der sekundären Darlegungslast verpflichtet gewesen wäre, die Gründe für die unterschiedliche Verteilung offenzulegen (BAG 20. September 2017 - 10 AZR 610/15 -). Die bloße Behauptung einer Minderperformance ist mangels Überprüfbarkeit unzureichend.
(2) Angesichts des unzureichenden Sachvortrag der Beklagten kann nicht beanstandet werden, wenn die Klägerin eine durchschnittliche Zuteilung begehrt. Diese kann den Zuteilungsbändern entnommen werden. Auch wenn es sich nur um ein Zuteilungsbudget handelte, gab die Beklagte mit der Festlegung der Bänder zum Ausdruck, was sie als Durchschnittszuteilung für eine Durchschnittsperformance vorsehen wollte.
3. Der Anspruch der Klägerin ist nicht verfallen.
a) Die arbeitsvertraglich unter der Überschrift „Ausschlussfrist“ geregelte Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit ist unwirksam.
Unabhängig davon, ob der Arbeitsvertrag eine AGB darstellt, unterfällt dieser über § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB der Inhaltskontrolle des § 307 BGB. Da die Ausschlussfristenklausel Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz nicht ausnimmt, obwohl deren Verfall nach § 3 Satz 1 MiLoG ausgeschlossen ist, ist sie irreführend und deshalb wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam (BAG 18. September 2018 - 9 AZR 162/18 -).
b) Ein Anspruchsverfall ergibt sich auch nicht aus Nr. IV der GBV Arbeitsordnung iVm. § 46 MTV. Die Regelung der Nr. IV der GBV Arbeitsordnung verstößt nämlich gegen § 77 Abs. 3 BetrVG.
aa) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen liegt vor, wenn diese in einem nach seinem räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich einschlägigen Tarifvertrag enthalten ist und der Betrieb in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt. Auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers kommt es nicht an. Ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG liegt nicht erst dann vor, wenn ein Tarifvertrag insgesamt zum Inhalt einer Betriebsvereinbarung gemacht wird. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG soll vielmehr verhindern, dass auch einzelne Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien angenommen haben, konkurrierend - und sei es inhaltsgleich - in Betriebsvereinbarungen geregelt werden. Die Vorschrift soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisten. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang bei der Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Ein Verstoß gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG führt zur Unwirksamkeit der entsprechenden Regelung in der Betriebsvereinbarung. Die Tarifwidrigkeit einzelner Regelungen einer Betriebsvereinbarung führt nicht notwendig zur Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB ist eine Betriebsvereinbarung nur teilunwirksam, wenn der verbleibende Teil auch ohne die unwirksame Bestimmung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält. Das folgt aus dem Normcharakter der Betriebsvereinbarung, der es gebietet, im Interesse der Kontinuität eine einmal gesetzte Ordnung aufrechtzuerhalten, soweit sie ihre Funktion auch ohne den unwirksamen Teil noch entfalten kann (BAG 18. März 2020 - 5 AZR 36/19 -; BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 481/13 -).
bb) Ausschlussfristen sind vorliegend im einschlägigen MTV geregelt. Den Betriebsparteien stand somit keine Regelungsbefugnis in Bezug auf Ausschlussfristen zu.
c) Auch aus einer direkten Anwendung von § 46 MTV ergibt sich kein Anspruchsverfall.
aa) Die Klägerin ist nämlich mangels Gewerkschaftszugehörigkeit nicht tarifgebunden iSv. § 3 Abs. 1 TVG, weshalb der Tarifvertrag für sie nicht gemäß § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend gilt.
bb) Eine arbeitsvertragliche Inbezugnahme des MTV besteht ebenso nicht.
4. In der Tenorierung wurde lediglich zur Verdeutlichung im Einklang mit der Terminologie des PPSP 2018 aufgenommen, dass es sich bei dem zugesprochenen Zuteilungsanspruch um den „vorläufigen“ Zuteilungsanspruch handelt. Das bedeutet nicht, dass der Anspruch vorläufig wäre. Die Anzahl der zuzuteilenden Phantom Shares ermittelt sich aus der Division des zugesprochenen Gesamtwerts von 13.500,00 Euro mit dem Ausgangswert für einen Anteil (Kurs der X.-Aktie bei Planbeginn). Diese „vorläufigen“ Zuteilungen nehmen sodann an der Entwicklung entsprechend der Entwicklung der Erfolgsziele während des Performancezeitraums teil.
IV.
Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch zu wegen zu geringer (vorläufiger) Zuteilung von Phantom Shares aus dem PPSP 2018.
1. Es ist zwar zutreffend, dass der Klägerin ein höherer (vorläufiger) Zuteilungsanspruch zugestanden hätte. Insoweit wird auf obige Ausführungen verwiesen, die auch für 2018 Gültigkeit beanspruchen. Es ist zudem zutreffend, dass sich der Zuteilungsanspruch nach Ablauf des Performancezeitraums wegen Unmöglichkeit in einen Schadensersatzanspruch gewandelt haben kann (vergleiche hierzu: LAG Baden-Württemberg 22. Oktober 2021 - 7 Sa 26/21 -).
2. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin ist jedoch verjährt.
a) Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
b) Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre.
c) Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (Nr. 2). Dies war vorliegend der 31. Dezember 2018, weshalb der Anspruch der Klägerin nach Ablauf des 31. Dezember 2021 verjährt war, wie nachfolgend dargestellt wird.
aa) Der Anspruch ist bereits im Jahr 2018 entstanden.
(1) Wird ein Sekundäranspruch geltend gemacht, ist für die Frage der Verjährung darauf abzustellen, wann der Primäranspruch verjährt ist. Denn die Verjährung des Primäranspruchs steht auch einer Durchsetzung des Sekundäranspruchs entgegen (BGH 31. März 2021 - XII ZR 42/20 -).
(2) Vorliegend ist zu unterscheiden. Gemäß § 1 Abs. 3 PPSP 2018 stand den Planberechtigten ein Anspruch auf eine (vorläufige) Zuteilung von Phantom Shares zu. Dies ist der eigentliche Grundanspruch. Die Werthaltigkeit dieser Phantom Shares konnte sich während der dreijährigen Performancefrist ändern. Denn erst nach Ablauf dieser Frist hatte eine endgültige Berechnung der Anzahl der Phantom Shares zu erfolgen, welche gemäß § 1 Abs. 4 PPSP 2018 abhängig war von der Erreichung oder Verfehlung der für den PPSP 2018 definierten Erfolgsziele. Zu ermitteln war die endgültige Anzahl der Phantom Shares aus einer Multiplikation der vorläufigen Anzahl der Phantom Shares mit dem sogenannten Gesamterfolgsfaktor. Eine solche endgültige Anzahl an Phantom Shares kann aber gar nicht zum Entstehen kommen, wenn dem Mitarbeiter zuvor schon keine vorläufigen Phantom Shares zugeteilt wurden. Eine Auszahlung kann erst erfolgen nach Ablauf der Performancefrist nebst Festlegung der endgültigen Anzahl der Phantom Shares und einem weiteren Ablauf einer einjährigen Haltefrist gemäß § 2 PPSP 2018.
Ist aber der für die Werthaltigkeit und den späteren Auszahlungsanspruch maßgebliche Akt der Vergütungszahlung die (vorläufige) Zuteilung der Phantom Shares, so muss bei der Verjährung bereits an diesem Akt angeknüpft werden. Denn ohne diese Zuteilung hätte die Klägerin auch mit verschobener Fälligkeit gar keinen Anspruch gehabt. Es ist bei den Phantom Shares gleichermaßen zu verfahren, wie wenn der Klägerin richtige Aktienanteile mit Haltefrist zugesagt worden wären. Der eigentliche Vergütungsakt erfolgt in diesen Fällen ebenfalls zum Zeitpunkt der Zuteilung der Aktien.
Es ist deshalb auf das Entstehen des Zuteilungsanspruchs abzustellen und nicht auf das Entstehen des Zahlungsanspruchs nach Ablauf der Haltefrist und erst recht nicht auf das Entstehen des Schadenersatzanspruchs.
bb) Die Klägerin hatte bereits im Jahr 2018 Kenntnis von ihrem Zuteilungsanspruch. Sie war bezogen auf die vorliegend geltend gemachte Gleichbehandlung zumindest in grob fahrlässiger Unkenntnis.
(1) Die Klägerin wurde nämlich bereits mit Schreiben des Vorstands vom April 2018 über die Zuteilung unterrichtet, die diese im AOP-Online-Tool hat abrufen können.
(2) Die Klägerin hätte sich ab diesem Zeitpunkt ohne Weiteres kundig machen können, z.B. bei Kollegen, wenn sie der Meinung war, lediglich eine unterdurchschnittliche Zuweisung erhalten zu haben. Auch die Zuteilungsbänder, auf die die Klägerin ihre Durchschnittsberechnung stützt, waren im Zuteilungszeitpunkt ja kein Geheimnis.
(3) Soweit die Klägerin meint, der Verjährungsbeginn habe deshalb nicht zu laufen begonnen, weil es sich um einen Diskriminierungsdauertatbestand gehandelt habe, kann sie damit nicht durchdringen. Allein durch die (teilweise) Nichterfüllung des Zuteilungsanspruchs wird dieser zu keinem Dauertatbestand, auch wenn der Anspruch aus Sicht der Klägerin bis heute „dauerhaft“ noch nicht erfüllt wurde.
(4) Über diese Klippe helfen auch nicht die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des BAG vom 18. Mai 2017 (8 AZR 74/16) und des LAG Rheinland-Pfalz vom 9. August 2018 (5 Sa 488/17). Die Klägerin übersieht, dass sie keinen Schadenersatz- oder Entschädigungsanspruch nach dem AGG wegen Diskriminierung geltend macht, sondern einem bloßen (von Diskriminierungsmerkmalen unabhängigen) allgemeinen Gleichbehandlungsanspruch.
(5) Aus demselben Grund ist es auch unerheblich, ob die Beklagte insbesondere im Jahr 2018, aber auch in den Folgejahren, ihren Verpflichtungen aus §§ 21 und 22 EntgTranspG ordnungsgemäß nachgekommen ist. Die Klägerin macht vorliegend keinen Anspruch auf Entgeltgleichbehandlung von Männern und Frauen geltend, sondern einen allgemeinen Gleichbehandlungsanspruch. Sie rekurriert auch nicht auf ein Vergleichsentgelt ihrer männlichen Kollegen, sondern auf ein Durchschnittsentgelt, welches ihr bei einer Durchschnittsperformance ausweislich der Zuteilungsbänder zugestanden hätte.
V.
Die Klägerin hat zudem einen Anspruch gegen die Beklagte auf Entgeltgleichbehandlung aus Art. 157 Abs. 1 AEUV , §§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 1 EntgTranspG für den Zeitraum Januar bis Dezember 2021 bezogen auf das Monatsgehalt (Base) iHv. 8.362,40 Euro und die Dividendenäquivalente iHv. 931,08 Euro. Über die geltend gemachte Entgeltgleichbehandlung bezogen auf den Vergütungsbestandteil „Company Bonus“ iHv. 11.409,84 Euro wurde noch nicht entschieden.
1. Als Anspruchsgrundlage für gleiches Entgelt für gleiche sowie gleichwertige Arbeit ohne Diskriminierung wegen des Geschlechts kommen sowohl der direkt anwendbare Art. 157 AEUV als auch - für die Zeit ab dem Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzes - § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG in Betracht.
Nach Art. 157 Abs. 1 AEUV, der zwingenden Charakter hat und von den nationalen Gerichten direkt anwendbar ist, gilt bei Beschäftigungsverhältnissen der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Art. 157 Abs. 1 AEUV verlangt, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit das gleiche Entgelt erhalten. Die entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt, darunter insbesondere deren Art. 2 Abs. 1 Buchst. e und Art. 4, werden von der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 157 AEUV miterfasst .
Nach § 3 Abs. 1 EntgTranspG ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten. Zudem ist dieses Verbot in § 7 EntgTranspG niedergelegt, wonach für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG sind auf die Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt und zur entgeltbezogenen Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer bei gleicher oder als gleichwertig anerkannter Arbeit in das nationale Recht in Deutschland gerichtet (BAG 16. Februar 2023 - 8 AZR 450/21 -; BAG 21. Januar 2021 - 8 AZR 488/19 -).
Ob die betreffenden Arbeitnehmer die „gleiche Arbeit“ oder „gleichwertige Arbeit“ iSv. Art. 157 AEUV verrichten, ist eine Frage der Tatsachenwürdigung durch das Gericht. Dabei ist es Sache der nationalen Gerichte, die allein für die Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts zuständig sind, zu entscheiden, ob die Tätigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer angesichts ihrer konkreten Natur als gleich zu bewerten sind bzw. als gleichwertig anerkannt werden können.
Nach § 4 Abs. 1 EntgTranspG üben weibliche und männliche Beschäftigte eine gleiche Arbeit aus, wenn sie an verschiedenen Arbeitsplätzen oder nacheinander an demselben Arbeitsplatz eine identische oder gleichartige Tätigkeit ausführen.
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG üben weibliche und männliche Beschäftigte eine gleichwertige Arbeit iSd. EntgTranspG aus, wenn sie unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Zu den zu berücksichtigenden Faktoren gehören unter anderem die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsbedingungen, § 4 Abs. 2 Satz 2 EntgTranspG. Es ist von den tatsächlichen, für die jeweilige Tätigkeit wesentlichen Anforderungen auszugehen, die von den ausübenden Beschäftigten und deren Leistungen unabhängig sind, § 4 Abs. 2 Satz 3 EntgTranspG.
Mit dem Begriff der „gleichwertigen Arbeit“ werden verschiedenartige Arbeiten unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren daraufhin verglichen, ob sie von gleichem Wert sind. Dies kann insbesondere mit den Methoden der Arbeitsbewertung erfolgen, soweit diese selbst diskriminierungsfrei sind. Das Entgeltgleichheitsgebot bei gleichwertiger Arbeit ermöglicht für das Grundentgelt den Vergleich sehr unterschiedlicher Tätigkeiten bezogen auf deren etwaige Gleichwertigkeit und einen etwaigen Anspruch auf gleiches Entgelt.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist nicht nur zur Feststellung, ob die Arbeitnehmer eine „gleichwertige Arbeit“ iSv. Art. 157 AEUV, sondern auch zur Feststellung, ob Arbeitnehmer „gleiche Arbeit“ iSv. Art. 157 AEUV verrichten, zu prüfen, ob diese Arbeitnehmer unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren, wie der Art der Arbeit, der Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen, als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können (BAG 16. Februar 2023 - 8 AZR 450/21 -; BAG 21. Januar 2021 - 8 AZR 488/19 -; EuGH 26. Juni 2001 - C-381/99, Brunnhofer).
Im Hinblick auf die Methode, mit der anhand eines Vergleichs der den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gewährten Vergütungen zu prüfen ist, ob der Grundsatz des gleichen Entgelts beachtet wurde, ergibt sich zudem aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass eine echte Transparenz, die eine wirksame Kontrolle erlaubt, nur gewährleistet ist, wenn dieser Grundsatz für jeden einzelnen Bestandteil des den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gezahlten Entgelts gilt und nicht nur im Wege einer Gesamtbewertung der diesen gewährten Vergütungen angewandt wird (BAG 16. Februar 2023 - 8 AZR 450/21 -; BAG 21. Januar 2021 - 8 AZR 488/19 -; EuGH 26. Juni 2001 - C-381/99, Brunnhofer).
§ 22 AGG, der auch im Rechtsstreit um gleiches Entgelt für gleiche sowie gleichwertige Arbeit unabhängig vom Geschlecht maßgebend ist, sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, hier des Geschlechts vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
§ 22 AGG ist auch im Rechtsstreit um gleiches Entgelt für gleiche sowie gleichwertige Arbeit nach den speziellen Regelungen in § 3 Abs. 1 bzw. § 7 EntgTranspG maßgebend, mit denen die zuvor im AGG unterbliebene, zwingend erforderliche Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. e sowie von Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG in das innerstaatliche Recht in Deutschland erfolgte (BAG 16. Februar 2023 - 8 AZR 450/21 -; BAG 21. Januar 2021 - 8 AZR 488/19 -).
Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt allerdings das Beweismaß des sog. Vollbeweises. Der Arbeitgeber muss Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt, sondern ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (BAG 21. Januar 2021 - 8 AZR 488/19 -).
Der Arbeitgeber hat zur Widerlegung der Vermutung vorzutragen und ggf. zu beweisen, dass die festgestellte unterschiedliche Vergütung durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, zu erklären ist und dass die Ungleichbehandlung auch tatsächlich ausschließlich auf anderen Gründen als dem unterschiedlichen Geschlecht der Arbeitnehmer, also auf einem geschlechtsunabhängigen Unterschied beruht. Die vorgebrachte Erklärung muss auf einem legitimen Ziel beruhen. Die zu dessen Erreichung gewählten Mittel müssen hierzu geeignet und erforderlich sein. Auf Kriterien und Faktoren, die im Ergebnis Frauen stärker nachteilig betreffen als Männer, kann eine Entgeltdifferenzierung nur gestützt werden, wenn sie der Art der Arbeit geschuldet sind und zu den (legitimen) Bedürfnissen und Zielen des Unternehmens in Beziehung stehen.
Bloße allgemeine Behauptungen des Arbeitgebers genügen zur Widerlegung der Vermutung nicht, der Arbeitgeber muss vielmehr einen Vortrag leisten, der eine wirksame Kontrolle und Nachprüfung durch die Gerichte ermöglicht. Gelingt ihm dies nicht, so geht dies zu seinen Lasten (BAG 21. Januar 2021 - 8 AZR 488/19 -).
Zulässig wären z.B. geschlechtsunabhängige Differenzierungen nach der Berufserfahrung (EuGH 3. Oktober 2006 - C-17/05, Cadman; EuGH 17. Oktober 1989 - C-109/88, Danfoss; BAG 21. Januar 2021 - 8 AZR 488/19 -), nach dem Dienstalter (EuGH 3. Oktober 2006 - C-17/05, Cadman) oder nach der Qualität der Arbeit (BAG 21. Januar 2021 - 8 AZR 488/19 -).
2. In Anwendung dieser Maßstäbe ergibt sich Folgendes:
a) Die Klägerin hat zur Vergleichsbetrachtung nur einen solchen Personenkreis einbezogen, den die Beklagte in ihrem Entgelttransparenzdashboard selbst als „betriebliche Vergleichsgruppe“ zur Klägerin benannt hat.
b) Das Indiz für die Ungleichbehandlung lässt sich den Angaben der Beklagten im Entgelttransparenzdashboard entnehmen. Die Klägerin wird geringer vergütet als die männlichen Kollegen ihrer Vergleichsgruppe.
c) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass die Entgeltdifferenzen auf nicht geschlechtsspezifischen Differenzierungen beruhen, hat sie die angewandten Differenzierungskriterien nicht hinreichend konkret dargestellt.
Die Beklagte beruft sich zwar darauf, dass die männlichen Kollegen durchschnittlich etwas länger bei ihr beschäftigt seien. Außerdem behauptet sie, dass die Klägerin unterdurchschnittlich performed hätte. Wie die Kriterien „Berufserfahrung“, „Betriebszugehörigkeit“ und „Arbeitsqualität“ im Einzelnen bewertet wurden, hat die Beklagte jedoch nicht dargestellt, genauso wenig wie die Gewichtung dieser Kriterien zueinander.
3. Der Anspruch ist auch nicht verfallen.
a) Wie bereits oben dargestellt, ist die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenklausel unwirksam, genauso wie die Ausschlussfristenklausel in der GBV Arbeitsordnung. Die tariflichen Ausschlussfristen greifen nicht mangels Tarifbindung der Klägerin.
b) Auf die Frage, wann die Klägerin von der Entgeltdiskriminierung Kenntnis hatte oder hätte haben müssen, kommt es deshalb nicht mehr an, genauso wenig wie auf die Frage, ob die Ausschlussfrist eingehalten wurde.
VI.
1. Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung muss diese der Schlussentscheidung vorbehalten bleiben.
2. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.