LAG Berlin-Brandenburg: Auslegung einer Regelung zur Altersgrenze
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.8.2013 - 7 Sa 83/13
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer in einer Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze.
Der am .....1947 geborene Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20.03.1984/28.03.1984 (Bl. 21 - 24 d. A.) vom 01.04.1983 bis zum 30.06.2012 zu einem Jahresbruttoeinkommen von zuletzt 90.386,14 EUR beschäftigt.
§ 2 des Arbeitsvertrages lautet wie folgt:
„Vertragsbeginn und Vertragsende
2.1 Der vorliegende Arbeitsvertrag tritt am 1. April 1984 in Kraft ...
2.2 Das Arbeitsverhältnis ist als Probezeit zunächst bis zum 31. März 1985 befristet. Hat einer der Vertragspartner nicht die Absicht, das Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortzusetzen, so wird er dies schriftlich bis zum 31. Januar 1985 ankündigen.
2.3 Danach gelten für die Kündigungsfristen die Regelungen des Manteltarifvertrages für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie in der jeweils geltenden Fassung.
Unter § 5 ist folgendes geregelt:
„Allgemeine Regelungen
Der Vertragspartner ist außertariflicher Mitarbeiter.
Die Arbeits- und Sozialordnung (ASO), die Betriebsvereinbarung über die Alters- und Hinterbliebenenversorgung sowie alle anderen Betriebsvereinbarungen in der jeweils geltenden Fassung sind Bestandteil des Arbeitsvertrages....
Die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie in ihrer jeweils gültigen Fassung - nach Kündigung des Manteltarifvertrages in ihrer letzten Fassung - sind mit Ausnahme seiner Gehaltsbestimmungen (vgl. § 8 des Tarifvertrages), ergänzend Inhalt dieses Arbeitsvertrages."
Die im Arbeitsvertrag in Bezug genommene Arbeits- und Sozialordnung (im folgenden ASO) enthielt in der bei Abschluss des Arbeitsvertrages geltenden Fassung unter Punkt 14 mit der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses" folgende Regelungen:
„14.1 Allgemeine Gründe
Das Arbeitsverhältnis wird beendet:
c) Nach Ablauf des Kalendermonats, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet,
Diese Regelungen blieben bei einer Überarbeitung der ASO in der zum 1.3.2008 in Kraft tretenden Fassung unverändert. Erst am 20.12.2012 vereinbarten die Betriebsparteien die Ersetzung dieser Regelung wie folgt:
„c) mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, ohne, dass es einer besonderen Kündigung bedarf."
Wegen der Einzelheiten der ASO wird auf die Anlage K3 (Bl. 26 - 83 d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich der Änderung der ASO wird auf die Anlage B1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2013 (Bl. 245 d.A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 18.01.2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, er wolle nach Vollendung des 65. Lebensjahres seine Berufstätigkeit fortsetzen. Dies lehnte die Beklagten mit Schreiben vom 07.02.2012 unter Hinweis auf den in der ASO enthaltenen Beendigungstatbestand ab. Seit Juli 2012 erhält der Kläger eine gesetzliche Rente in Höhe von 1.683,09 EUR sowie Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 3.283,55 EUR.
Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht Berlin am 03.07.2012 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung eines über den 30.06.2012 hinaus bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie seine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten. Der Kläger vertritt zum einen die Auffassung die in der ASO vorgesehene Altersgrenze finde auf sein Arbeitsverhältnis keine Anwendung, da dieser günstigere Regelungen vorsehe und außerdem der Tarifvorrang nach § 77 Abs. 3 BetrVG entgegenstehe, zum anderen sei sie ohnehin unwirksam, weil sie nicht an die (angehobene) gesetzliche Regelaltersgrenze anknüpfe.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 22.11.2012, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis habe aufgrund der in der ASO geregelten Altersgrenze mit Ablauf des 65. Lebensjahres geendet. Die ASO sei wirksam in Bezug genommen. Die auf das 65. Lebensjahr abstellende vertragliche Altersgrenzenregelung sei im vorliegenden Fall sachlich gerechtfertigt und verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Auch wenn der Kläger gemäß § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI einen Anspruch auf Regelaltersrente erst einen Monat nach der Vollendung seines 65. Lebensjahres, also im Juli 2012 erhalte, entstehe bei ihm keine „Rentenlücke". Denn er habe nach § 118 Abs. 1 SGB VI bereits für den Juli 2012 Anspruch auf Zahlung der gesetzlichen Altersrente. Bis dahin habe er noch sein Gehalt von der Beklagten bekommen. Aus den gleichen Gründen verstoße die Befristungsregelung nicht gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. § 1 AGG. Die Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters sei nach § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG gerechtfertigt, da sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt vorsehe, zu dem der Kläger die Regelaltersrente beantragen könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses dem Kläger am 17. Dezember 2012 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 15. Januar 2013 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am Montag, den 18. Februar 2013 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Der Kläger und Berufungskläger hält auch in der Berufungsinstanz die Befristung seines Arbeitsverhältnisses bezogen auf die Vollendung des 65. Lebensjahres für rechtsunwirksam. Es fehle bereits an einer wirksamen Inbezugnahme der ASO. Die entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen seien intransparent und verstießen gegen § 308 Nr. 4 BGB. Sein Arbeitsvertrag gehe als günstigere Regelung vor. Auch halte die ASO einer Befristungskontrolle nicht stand, da sie nicht an die gesetzliche Regelaltersgrenze anknüpfe. Einer entsprechenden Auslegung der ASO stünde die unterbliebene Änderung im März 2008 entgegen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Betriebsparteien nur versehentlich keine Anpassung an die stufenweise Anhebung der Regelaltersgrenzen vorgenommen hätten. Insofern sei die auf das 65. Lebensjahr abstellende Vereinbarung in der ASO konstitutiv. In dieser Form sei die Beendigungsvereinbarung indes unwirksam, da er zu einem Zeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis gedrängt werde, zu dem er wirtschaftlich noch nicht abgesichert sei. Dass bei ihm selbst keine Versorgungslücke entstehe, beruhe allein auf Zufall wegen seines Geburtsdatums. Jedenfalls habe er aber aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einen Anspruch auf Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte habe in einer Vielzahl von Fällen einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt. Zudem stelle die in § 14.1 c der ASO enthaltene Gruppenbildung in Arbeitsnehmer bis 65 Jahre und Arbeitnehmer ab 65 Jahre eine in Ansehung von Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung dar. Jedenfalls aber stehe einer Beendigung seines Arbeitsverhältnisses der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Da er bereits mit seinem Schreiben vom 18.01.2012 die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses begehrt habe, wäre die Beklagte bei Beachtung des AGG verpflichtet gewesen, ihn sofort wieder einzustellen, weil sie ihm bei einem Auswahlverfahren zur Besetzung freier Arbeitsplätze nicht wegen seines Alters diskriminieren dürfte.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin, 4 Ca 10452/12, vom 22.11.2012, zugestellt am 17.12.2012, abzuändern und
a) festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung gemäß § 14.1 c der Arbeits- und Sozialordnung der Beklagten vom 20.04.1971 in der Fassung vom 01.03.2008 zum 30.06.2012 beendet worden ist, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;
b) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 30.06.2012 hinaus zu einem monatlichen Gehalt i. H. v. 6.580,32 € brutto als „Manager Business Support/Training Region Emerging Markets EMEA" zu den sonstigen Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 20./23.03.1984 unbefristet weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil mit Rechtsausführungen zur Wirksamkeit der in der ASO geregelten Altersgrenze. Diese benachteilige den Kläger nicht unangemessen, da er in unmittelbaren Anschluss seine Regelaltersrente bezogen habe. Jedenfalls aber sei die Regelung zur Altersgrenze in der ASO dahingehend auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersrente ende, wie dies die Betriebsparteien im Dezember 2012 ausdrücklich aufgenommen hätten. Da die bisherige Regelung die seit mehr als 90 Jahre geltende Regelaltersgrenze für den Renteneintritt in Bezug genommen habe, hätten die Betriebsparteien diese Regelung als eine auf den Rentenbezug abgestimmte Befristungsregelung verstanden und ihnen hätte das Bewusstsein für eine Anpassungsbedürftigkeit gefehlt. Konkrete Altersgrenzen seien allgemein üblich gewesen und in diesem Sinne verstanden worden. Bei der Überarbeitung der ASO 2008 hätten die Betriebsparteien nicht etwa bewusst von einer Anpassung der Regelung Abstand genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Vorbringen in dem mündlichen Verhandlungstermin Bezug genommen.
Aus den Gründen
1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist von ihm formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG).
Die Berufung des Klägers ist daher zulässig.
2. Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger vollendete am 31.05.2012 sein 65. Lebensjahr. Er erhält seit dem 1.7.2012 die Regelaltersrente. Damit endete das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gemäß Punkt 14.1 c der Arbeits- und Sozialordnung vom 20.04.1971 in der Fassung vom 01.03.2008 am 30.06.2012. Die dort vorgesehene Altersgrenze findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Sie ist auch wirksam. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz steht einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebenso wenig entgegen wie der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung.
2.1 Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis war auf das Erreichen der Regelaltersrente befristet.
2.1.1 Die bei der Beklagten bestehende Arbeits- und Sozialordnung regelt in der bei Abschluss des Arbeitsvertrages und zum Zeitpunkt der hier in Streit stehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter 14.1c die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Diese Altersgrenze ist unter Berücksichtigung der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze nach §§ 35 Satz 2, 235 Abs. 2 SGB VI mit dem Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I S. 554) auf die Vollendung des 67. Lebensjahres dahingehend auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze enden soll. Die Betriebsparteien haben die Altersgrenze in der Betriebsvereinbarung lange vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung vereinbart. Eine Gesetzesänderung und Erhöhung der Regelaltersgrenze war zum damaligen Zeitpunkt nicht absehbar. Angesichts des Umstandes, dass diese Regelaltersgrenze jedenfalls für Männer seit dem Jahre 1916 bei 65 Jahren lag, kann hier auf einen gemeinsamen der Willen der Betriebsparteien geschlossen werden, der im Vertragstext nur unvollständig seinen Ausdruck gefunden hat (Erf-Ko. 13. Aufl. § 41 SGB VI Rz. 10; BAG v. 15.05.2012 - 3 AZR 11/10 - AP Nr 55 zu § 1 BetrAVG Ablösung; zur Auslegung einer Versorgungsordnung). Dies folgt auch aus § 41 S. 2 SGB VI. Danach gilt eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitsnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen, es sei denn, sie wurde innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt bestätigt. Unter Vereinbarung im Sinne von § 41 S. 2 SGB VI fallen Betriebsvereinbarungen (BAG v. 11.06.1997 - 7 AZR 186/96 - BAGE 86, 105 ff). Diese Vereinbarung mit dem 65.Lebensjahr ist auf einen Zeitpunkt bezogen, zu dem der Kläger gemäß § 236 SGB VI schon Altersrente für langjährig Versicherte beantragen konnte.
Einer solchen Auslegung steht nicht entgegen, dass die Betriebsparteien mit Wirkung zum 1.3.2008 die ASO geändert haben, ohne eine Anpassung der hier im Streit stehenden Beendigungsregelung vorzunehmen. Daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, die Betriebsparteien hätten bewusst am 65. Lebensjahr festhalten wollen. Die Betriebsparteien haben in Bezug auf die Altersbefristung keine Änderungen vorgenommen. Anhaltspunkte dafür, dass sie dies bewusst getan haben, bestehen nicht. Auch wenn mit Wirkung zum 1.1.2008 das Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz in Kraft getreten war, konnte sich die Anpassung der Altersgrenze in naher Zukunft noch nicht auswirken. Der Jahrgang des Klägers, der erst 2012 in Rente ging, war erstmalig von der Anpassung betroffen. Gegen einen entsprechenden Willen der Betriebsparteien am 65. Lebensjahr festhalten zu wollen, spricht auch der Umstand, dass im Jahr 2012 die Betriebsvereinbarung entsprechend der hier vorgenommenen Auslegung geändert wurde.
2.1.2 Die in der ASO enthaltene Befristungsregelung findet auf das Arbeitsverhältnis schon deshalb Anwendung, weil die ASO als Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG unmittelbar und zwingend auch für den Kläger gilt. § 77 Abs. 4 BetrVG findet auf freiwillige Betriebsvereinbarungen Anwendung (vgl. Fitting BetrVG § 88 Rd.-Z. 11). Damit kommt es auf die vertragliche Bezugnahme und die vom Kläger angesprochene Inhaltskontrolle der Bezugnahmeklausel nicht an.
2.1.3 Der Vereinbarung der Altersgrenzenregelung in der ASO wird nicht durch günstigere arbeitsvertragliche Regelungen, die Vorrang vor der Betriebsvereinbarung beanspruchen könnten, verdrängt. Die Parteien haben unter Punkt 2 des Arbeitsvertrages „Vertragsbeginn und Vertragsdauer" keine gegenüber der ASO günstigere Regelung getroffen. Soweit dort zunächst eine Befristung für die Probezeit und im Anschluss daran ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit den tariflichen Kündigungsfristen vorgesehen ist, haben die Parteien damit nicht etwa eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze abbedungen, sondern nur klargestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht nur für eine im Voraus konkret bestimmte Frist abgeschlossen wird (BAG v. 5.3.3013 - 1 AZR 417/12 - in juris - Rz. 57). Das Arbeitsverhältnis des Klägers war von Beginn an hinsichtlich der Altersgrenze durch die schon damals geltende und in Bezug genommene Betriebsvereinbarung bestimmt. Es stand damit - für den Kläger erkennbar - stets unter dem Vorbehalt der in der Betriebsvereinbarung enthaltenden Altersgrenzenregelung.
2.2 Die Altersgrenzenregelung in der ASO hält einer gerichtlichen Befristungskontrolle stand. Sie ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt.
2.2.1 Die Regelung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 65. Lebensjahr bzw. mit Erreichen der Regelaltersgrenze stellt eine Befristungsvereinbarung dar, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. z. B. BAG vom 21.09.2011 - 7 AZR 134/10 - NZA 2012, 271 ff. zu tariflichen Altersgrenzen) der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle unterliegt. Diese bedürfen zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrundes i. S. v. § 14 Abs. 1 TzBfG. Dabei gelten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. z. B. BAG v. 05.03.2013 - 1 AZR 417/12; v. 21.09.2011 - 7 AZR 134/10 - a. a. O.; BAG v. 18.06.2008 - 7 AZR 116/07 - BAGE 127, 74 ff. jeweils m. w. N.) mit der Regelaltersrente des Arbeitnehmers verknüpfte Altersgrenzenregelungen in Kollektivnormen als für die Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich gerechtfertigt. Dem Interesse des Arbeitgebers, bei Zeiten geeigneten Nachwuchs einzustellen oder bereits beschäftigte Arbeitnehmer fördern zu können, ist Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug der Regelaltersrente wirtschaftlich abgesichert ist. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn an dessen Stelle der dauerhafte Bezug von Leistungen aus einer Altersversorgung tritt. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze ist damit Bestandteil des Sachgrunds (BAG v. 05.03.2013 - 1 AZR 417/12 - juris; v. 18.06.2008 - v. 18.06.2008 - 7 AZR 116/07 - BAGE 127, 74 ff.). Maßgeblich für die Wirksamkeit der Befristung ist dabei stets der Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages (vgl. z. B. BAG vom 15.08.2001 - 7 AZR 144/00 - EZA § 620 BGB Nr. 182).
2.2.2 Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Altersgrenzenregelung in § 14.1c der ASO im Rahmen der Befristungskontrolle nicht zu beanstanden. Unabhängig von der oben vorgenommenen Auslegung der Beendigungsvereinbarung wäre auch eine auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abstellende Regelung wirksam, da im für die Befristungskontrolle maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich bei Abschluss des Arbeitsvertrages, das 65. Lebensjahr der Regelaltersgrenze für Männer entsprach.
2.3 Die Vereinbarung der Altersgrenze in der ASO ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.
2.3.1 Die Vereinbarung einer Altersgrenze für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen kann Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Es ist grundsätzlich anerkannt, dass die Betriebsparteien in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung auch Fragen des Inhalts, des Abschlusses und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen regeln können (vgl. BAG vom 05.03.2013 - 1 AZR 417/12 - juris - mwN; BAG vom 18.03.2010 - 2 AZR 337/08 - EZA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 17).
2.3.2 Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die Altersgrenzenregelung in der ASO nicht gegen die Regelungssperre nach § 77 Abs. 3 BetrVG. Nach dieser Vorschrift können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Vorschrift gewährleistet die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang zur Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Diese Befugnis soll nicht durch ergänzende oder abweichende Regelungen der Betriebspartner ausgehöhlt werden (vgl. std. Rspr BAG vgl. z. B. BAG vom 29.10.2002 - 1 AZR 573/01 - BAGE 103, 187 ff. m. w. N.). Eine gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG verstoßene Betriebsvereinbarung ist - schwebend oder endgültig - unwirksam, wenn auch nicht nichtig (vgl. BAG vom 20.04.1999 - 1 AZR 631/98 - BAGE 91, 244, 257 f.).
Die hier für den Betrieb einschlägigen Tarifverträge der chemischen Industrie sehen keine Regelungen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen auf Grund von Altersgrenzen vor. Sie schließen solche auch nicht etwa durch anderweitige tarifliche Regelungen aus. Soweit in § 2 des Manteltarifvertrages für die akademischen Angestellten der chemischen Industrie Regelungen zur Einstellung, Kündigung und zur Probezeit enthalten sind, betreffen diese nur die Kündigungsfristen und die Dauer der Probezeit. Zur Befristung von Arbeitsverhältnissen haben sich die Tarifvertragsparteien insgesamt nicht verhalten, ohne dass daraus geschlossen werden könnte, dass befristete Arbeitsverhältnisse insgesamt unzulässig sein sollten.
Die Altersgrenzenregelung ist auch nicht tarifüblich im Sinne von § 77 As. 3 BetrVG. Tarifüblich ist eine Regelung, wenn der Regelungsgegenstand in der Vergangenheit in einem einschlägigen Tarifvertrag enthalten war und die Tarifvertragsparteien über ihn Verhandlungen führen (BAG v. 05.03.2013 - 1 AZR 417/12 juris). Das ist hier indes nicht der Fall. Ob und welche Praxis in anderen Tarifbereichen zu Altersgrenzen existiert, ist nicht maßgeblich.
2.3.3 Die Altergrenzenregelung in der Betriebsvereinbarung unterliegt keiner Inhaltskontrolle, da gemäß § 310 Abs. 4 BGB Betriebsvereinbarungen der Inhaltskontrolle entzogen sind.
2.3.4 Der durch § 14.1 c ASO bewirkten Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Erreichen der Regelaltersgrenze steht das Verbot der Altersdiskriminierung aus § 75 Abs. 1 BetrVG, § 7 Abs. 1 AGG nicht entgegen.
2.3.4.1.1 § 75 Abs. 1 BetrVG verbietet Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig (BAG v. 05.03.2013 - 1 AZR 417/12 - juris).
2.3.4.2 Der zeitliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Die Regelungen des AGG sind auch auf Altersgrenzen anzuwenden, die vor Inkrafttreten des AGG einzelvertraglich oder in Kollektivnormen vereinbart wurden, wenn die Altersgrenze im Einzelfall erst mit oder nach Inkrafttreten des AGG erreicht wird (BAG v. 05.03.2013 - 1 AZR 417/12 - juris). Dies ist hier der Fall, da der Kläger die in der ASO normierte Altersgrenze erst 2012 erreicht.
2.3.4.3 Die Altersgrenzenregelung in der ASO enthält eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die die Regelaltersgrenze für die Altersrente erreicht haben. Dies führt automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
2.3.4.4 Die unterschiedliche Behandlung in 14.1 c ASO ist nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und 2 AGG zulässig.
Die Altersgrenzenregelung in 14.1. c sieht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt vor, zu dem der betroffene Arbeitnehmer die Regelaltersrente beanspruchen kann. Auch wenn die Ziele in der Betriebsvereinbarung nicht ausdrücklich genannt sind, verfolgt sie mit dieser Altersgrenze beschäftigungspolitische Ziele iSd Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG. Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch eine Altersgrenze dient einem geordneten Rahmen für die Personalplanung, dem Erhalt einer ausgewogenen Altersstruktur und der Nachwuchsförderung. Sie führt auch außerhalb von Zeiten einer Vollbeschäftigung zu einer gerechten Verteilung der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze. Durch den Verlust der bereits langjährig ausgeübten Beschäftigung bei Erreichen des Rentenalters erhalten regelmäßig andere Arbeitnehmer eine Beschäftigungschance, die entweder über kürzere Beschäftigungszeiten verfügen, von Arbeitslosigkeit bedroht oder arbeitssuchend sind. Diese Arbeitnehmer haben dadurch die Möglichkeit zum Aufbau einer eigenen Altersversorgung und sichern durch ihre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zugleich die Finanzierung der Altersversorgung der von der Altersgrenze betroffenen Arbeitnehmer soweit diese eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Das kontinuierliche Ausscheiden von Arbeitnehmern aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund einer Regelaltersgrenze eröffnet den neu auf dem Arbeitsmarkt eintretenden Generationen überhaupt eine Chance auf den Erwerb berufspraktischer Kenntnisse im zeitnahen Anschluss ihre Ausbildung, deren Wert bei Zeiten längerer Beschäftigungslosigkeit ansonsten entwertet würde (vgl. BAG vom 18.06.2008 - 7 AZR 116/07 - BAGE 127, 74 ff. zum Tarifvertrag für die Gebäudereinigung). Unter Berücksichtigung des weiten Ermessensspielraums der Kollektivparteien erscheint die Altersgrenze als Mittel zur Erreichung der genannten Ziele als erforderlich und angemessen. Es ist jedenfalls nicht unvernünftig, wenn die Betriebsparteien davon ausgehen, dass das Ausscheiden von rentenbezugsberechtigten Arbeitnehmern eine sichere Personalplanung ermöglicht und die Einstellungschancen jüngerer Arbeitnehmer fördert. Die Altersgrenze erweist sich auch nicht als unangemessen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses trifft den Arbeitnehmer nicht unvorbereitet. Die Betriebsparteien haben die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis wegen Erreichen der Regelaltersgrenze geendet hat, nicht ausgeschlossen. Der mit dem Wegfall des Arbeitsentgelts verbundene wirtschaftliche Nachteil wird durch den Bezug der Altersrente und der betrieblichen Altersversorgung weitgehend abgesichert.
2.4 War die Befristungsregelung aber wirksam, endete das Arbeitsverhältnis - wie von den Parteien tatsächlich gehandhabt - am 30.06.2012. Da der Kläger am 01.06.1947 geboren ist hat er gemäß § 26 SGB X i. V. m. §§ 187 Abs. 2 S. 2, 188 Abs. 2, 2. Alt. BGB am 31.05.2012 sein 65. Lebensjahr vollendet. Nach § 35 SGB VI erreichte er die Regelaltersgrenze mit dem 65. Lebensjahr plus 1 Monat, also mit Ablauf des 30.06.2012. Seit Juli 2012 erhält er die Altersrente. Einer Anpassung des Beendigungstermins bedurfte es mithin nicht.
3. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses des Klägers erweist sich auch nicht unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes als unwirksam. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte sein Arbeitsverhältnis fortsetzt, weil sie dies in anderen Fällen getan hat. Hier ist schon nicht erkennbar, dass die Beklagte überhaupt Tatbestände geschaffen hat, die den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in Anwendung bringen könnten. Soweit der Kläger die Bildung von Gruppen derjenigen unter 65 und derjenigen über 65 Jahren als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz rügt, wäre eine solche Gruppenbildung wie hier aus denselben Gründen sachlich gerechtfertigt, wie die Altersdiskriminierung nach dem AGG.
4. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte handle rechtsmissbräuchlich, weil eine unterlassene Wiedereinstellung sich als Diskriminierung wegen seines Alters und damit wiederum als Verstoß gegen das AGG darstellen würde, ergibt sich daraus - abgesehen davon dass eine Bewerbung des Klägers auf eine freie Stelle nicht dargetan wurde - ein Einstellungsanspruch nicht. Erweist sich die Befristung aufgrund der Altersgrenze insbesondere unter Berücksichtigung des AGG als rechtlich wirksam, wäre aus denselben Gründen die Nichtberücksichtigung des Klägers gegenüber einem jüngerem Bewerber gerechtfertigt. Im Übrigen stünde einem Einstellungsanspruch bereits die Regelung § 15 Abs. 6 AGG entgegen.
5. Aus all diesen Gründen folgt, dass die Berufung des Klägers zurückzuweisen war, mit der Folge, dass der Kläger gemäß § 97 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Die Wirksamkeit von Altersregelungen wie hier in Betriebsvereinbarungen für die Arbeitnehmer, die nach dem 1.1.1947 geboren wurden, hat grundsätzliche Bedeutung.