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Arbeitsrecht
31.07.2014
Arbeitsrecht
BAG: Aufnahme in die Übergangsversorgung für das Bodenpersonal der L. (A. Berlin)

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.2.2014 – 8 Sa 1960/13

Amtlicher Leitsatz

Für das Bordpersonal besteht kein Anspruch auf Aufnahme in die Übergangsversorgung nach dem TV-ÜV mehr, weil es - nachdem die Unwirksamkeit der tariflichen Altersgrenze höchstrichterlich festgestellt ist - zu keiner - unfreiwilligen - Vertragsbeendigung mit Erreichen des 60. Lebensjahres mehr kommen kann und der Tarifvertrag allein der Schließung der Versorgungslücke zwischen dem 60. Lebensjahr und dem Erreichen der Regelaltersgrenze bzw. der vorgezogenen Altersgrenze diente.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aus dem auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbaren, zwischen der L. Lufttransport-Unternehmen GmbH & Co. KG und der Deutschen Angestellten Gewerkschaft geschlossenen Tarifvertrag „Übergangsversorgung für das Bordpersonal L.“, zuletzt in der Fassung vom 3. Dezember 1997 (im Folgenden: TV-ÜV, Anlage K 3, Bl. 46 ff. d. A.), den die Beklagte zum 31. Dezember 2012 gekündigt hat.

Die Klägerin ist seit dem 1. November 2006 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Flugbegleiterin beschäftigt und verlangte im Jahr 2012 den Abschluss eines Versicherungsvertrags für eine Übergangsversorgung. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2012 (Anlage K 4, Bl. 60 d. A.) wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihr Antrag nicht mehr bearbeitet werden könne, da der Tarifvertrag gekündigt sei.

Mit der am 10. Mai 2013 bei dem Arbeitsgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, nach Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Abschluss eines Versicherungsvertrags bzw. auf Annahme ihres Antrags für die Übergangsversorgung zu haben. Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot vom 01.12.2012 auf Abschluss eines Versicherungsvertrages für die Übergangsversorgung entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen des Tarifvertrages Übergangsversorgung für das Bordpersonal der L. anzunehmen,

2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag der Klägerin vom 01.12.2012 auf Aufnahme in die Übergangsversorgung entsprechend dem Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Bordpersonal der L. zuzustimmen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Ansprüche der Klägerin für nicht gegeben gehalten. Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen.

Durch das Urteil vom 25. September 2013 hat das Arbeitsgericht die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf 49.743,59 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der TV-ÜV sei zwar auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar, die Klägerin könne aber nicht den Abschluss eines Versicherungsvertrags mit der Beklagten verlangen, da die Beklagte nicht Partei eines Versicherungsvertrags sein könne. Für eine Zustimmung der Beklagten zu dem Antrag der Klägerin auf Aufnahme in die Zusatzversorgung fehle die Rechtsgrundlage. Schließlich erfülle die Klägerin die tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen nicht. Der TV-ÜV solle eine Übergangsversorgung für die Zeit von der tarifvertraglichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 60. Lebensjahrs bis zum Beginn der Altersrente bzw. vorgezogenen Altersrente aus der Angestelltenversicherung schaffen. Ein solcher Fall liege bei der Klägerin nicht vor, weil ihr Arbeitsverhältnis – nachdem die tarifvertragliche Altersgrenze mangels rechtfertigenden Grundes höchstrichterlich für unwirksam erachtet worden sei, nicht mit Vollendung des 60. Lebensjahrs enden werde. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 231 – 235 d. A.) verwiesen.

Gegen das der Klägerin am 17. Oktober 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, dem 18. November 2013 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung, die die Klägerin mit einem nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17. Januar 2014 am 16. Januar 2014 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin und Berufungsklägerin rügt, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht einen Anspruch für nicht gegeben gehalten und dabei die Regelungen im TV-ÜV (§ 2 Ziff. 2, § 4 Ziff. 1) und im Versicherungsvertrag (Anlage BB1, Bl. 279 ff. d. A.) nicht ausreichend beachtet. Auf dieser Grundlage habe die Beklagte seit dem Jahr 1986 den Geschäftsverkehr zwischen dem jeweiligen Arbeitnehmer und dem Versicherungsunternehmen abgewickelt, so dass ihr, so trägt die Klägerin vor, die im Klagewege geltend gemachten Ansprüche zustünden. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts erfülle sie die tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen. Ihr Anspruch sei durch die Kündigung des Tarifvertrags zum 31. Dezember 2012 und der sich anschließenden Nachwirkung in keiner Weise tangiert. Auch sei unzutreffend, dass sie keinen Anspruch auf die Übergangsversorgung habe, weil keine Versorgungslücke entstehe und sie nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu verpflichten sei, 63 % der Übergangsversorgung zurückzuzahlen. Die Regelungen des Tarifvertrags seien durch die Anhebung der Altersgrenze auf das 65. Lebensjahr unberührt geblieben.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot vom 01.12.2012 auf Abschluss eines Versicherungsvertrages für die Übergangsversorgung entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen des Tarifvertrages Übergangsversorgung für das Bordpersonal der L. anzunehmen,

2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag der Klägerin vom 01.12.2012 auf Aufnahme in die Übergangsversorgung entsprechend dem Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Bordpersonal der L. zuzustimmen,

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, die von der Klägerin übersandten Versicherungsunterlagen an die A. Versicherung zwecks Abschluss der Versicherung zur Übergangsversorgung zu leiten.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags und hält Ansprüche der Klägerin weiterhin für nicht gegeben, jedenfalls den TV-ÜV für nicht – mehr – anwendbar.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 16. Januar 2014 (Bl. 267 – 274 d. A.) nebst Anlagen, der Berufungsbeantwortung vom 24. Februar 2014 (Bl. 297 – 308 d. A.) und auf die Sitzungsniederschrift vom 28. Februar 2014 (Bl. 309 – 310 d. A.) verwiesen.

Aus den Gründen

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht iSd. §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und innerhalb der verlängerten Frist begründet worden.

II.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, denn die Klägerin hat keine Ansprüche aus dem auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbaren TV-ÜV.

1. Der als Leistungsklage zulässige Antrag zu 1. ist unbegründet, weil die Beklagte nicht verpflichtet ist, ein Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Versicherungsvertrags für eine Übergangsversorgung anzunehmen. Dies setzte – wie das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil bereits zutreffend festgestellt hat – voraus, dass der Versicherungsvertrag auf der Grundlage des Tarifvertrags zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossen wird. Dies ist nicht der Fall.

2. Nach Auffassung des Berufungsgerichts spricht allerdings viel dafür, den von der Klägerin mit ihrem Hilfsantrag zu 2. geltend gemachten Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zu ihrer Aufnahme in die Übergangsversorgung nicht als von vornherein nicht gegeben anzusehen.

Vorliegend streiten die Parteien darüber, ob die Klägerin berechtigt ist, einen Versicherungsvertrag auf der Grundlage des TV-ÜV abzuschließen. Zwar sieht der TV-ÜV an keiner Stelle eine Zustimmungsverpflichtung der Beklagten vor, allerdings hat die Beklagte der Klägerin nach eigenen Angaben im Juli 2011 die Unterlagen zur Übergangsversorgung übersandt und diese in früheren Fällen an das Versicherungsunternehmen weitergeleitet. Im Fall der Klägerin hat die Beklagte in ihren Schreiben aus Dezember 2012 und Januar 2013 (Anlage K 4, 6, 8, Bl. 60, 62, 66 d. A.) Mitwirkungshandlungen abgelehnt und damit deutlich gemacht, dass sie mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrags der Klägerin auf der Grundlage des TV-ÜV aus rechtlichen Erwägungen nicht einverstanden ist. Der eigentliche Streit der Parteien betrifft die Frage, ob der Klägerin Ansprüche aus diesem Tarifvertrag zustehen, dieser Streit kann durch eine Verurteilung der Beklagten zur Zustimmung zur Aufnahme der Klägerin in die Übergangsversorgung beigelegt werden.

3. Jedenfalls der zuletzt gestellte Hilfsantrag der Klägerin auf Verurteilung der Beklagten zur Weiterleitung der Versicherungsunterlagen zum Abschluss eines Versicherungsvertrags zur Übergangsversorgung begegnet kein rechtlichen Bedenken, auch wenn sich ein solcher Anspruch nur aus § 8 des Gruppenversicherungsvertrags ergibt, nach dem der gesamte Geschäftsverkehr grundsätzlich zwischen dem Arbeitgeber und dem Unternehmen geführt wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Weiterleitung der Versicherungsunterlagen zum Abschluss des Versicherungsvertrags von dieser Regelung ausgenommen sein sollte, sind weder dargelegt noch ersichtlich, so dass die Klägerin – soweit sie Ansprüche aus dem TV-ÜV herleiten kann – die Mitwirkungshandlung von der Beklagten verlangen kann.

4. Die Klägerin kann aber die Beklagte nicht in Anspruch nehmen, denn ihr stehen Ansprüche aus dem TV-ÜV nicht zu.

4.1 Unerheblich ist allerdings, dass die Beklagte den Tarifvertrag zum 31. Dezember 2012 gekündigt hat, denn die Klägerin hat ihren Antrag bereits im Jahr 2012 gestellt. Hinzu kommt, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrags weiter gelten, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden (§ 4 Abs. 5 TVG).

4.2 Die Klägerin erfüllt aber die Voraussetzungen für eine persönliche Übergangsversorgung nach § 2 TV-ÜV nicht. Zwar gilt der Tarifvertrag persönlich für die bei der Beklagten als Angehörige des Bordpersonals beschäftigte Klägerin (§ 1 TV-ÜV) und sie hat das 30. Lebensjahr vollendet (§ 4 Ziff. 1 TV-ÜV), der Tarifvertrag Übergangsversorgung ist aber nach seinem Sinn und Zweck im Fall der Klägerin nicht anwendbar, weil es in ihrem Fall nicht zu einer – unfreiwilligen – tarifvertraglichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit vollendetem 60. Lebensjahr kommen kann und damit eine durch den TV-ÜV zu schließende Versorgungslücke nicht mehr entstehen kann.

4.2.1 Dass es sich bei der Übergangsversorgung nach dem TV-ÜV nicht um eine betriebliche Altersversorgung i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG handelt, hat das Bundesarbeitsgericht bereits festgestellt (BAG, Urteil vom 10.03.1992 – 3 AZR 153/91 – NZA 1993, 25). Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings – auf Grundlage der damals noch geltenden „Betriebsordnung für Luftfahrgerät“ vom 04.03.1970 (BGBl. I, S. 262) und der als rechtswirksam anerkannten tariflichen Altersgrenze nach § 47 MTV – noch davon ausgegangen, dass Bordpersonalangehörige mit 60 Jahren weder bei ihrem Arbeitgeber noch bei einem anderen Luftfahrtunternehmen eine Anstellung finden könnten und hat es deshalb für möglich gehalten, dass die Übergangsversorgung auch eine Versorgung im Alter bezwecken sollte. Im Ergebnis hat das Bundesarbeitsgericht aber festgestellt, dass es sich bei der Übergangsversorgung nicht um eine betriebliche Altersversorgung handelt, weil die Versicherung nicht vom Arbeitgeber sondern vom Arbeitnehmer selbst abgeschlossen wird und deshalb nicht zu den vom Betriebsrentengesetz geschützten Formen gehört. Anders als nach damaligem Rechtsstand ist eine Beschäftigung von Bordpersonalangehörigen über die Vollendung des 60. Lebensjahrs hinaus rechtlich möglich, die entsprechenden Verordnungen sind geändert, die tarifvertraglichen Altersgrenzen sind höchstrichterlich für rechtsunwirksam erklärt worden.

4.2.2 Das Bundesarbeitsgericht hat in der den Parteien bekannten Entscheidung vom 12. Dezember 2012 (5 AZR 93/12) im Zusammenhang mit dem dort festgestellten nachträglichen Wegfall des rechtlichen Grundes für die Leistung des Versicherungsschutzes ausgeführt, dass die tarifliche Übergangsversorgung dazu diene, Versorgungslücken zu überbrücken, die aus dem an sich tarifvertraglich vorgesehenen Ausscheiden des Arbeitnehmers mit Ablauf des Monats, in dem er das 60. Lebensjahr vollendet (§ 47 MTV), entstünden. Dieser Auffassung schließt sich das Berufungsgericht an.

Anders als die Klägerin meint, ergibt sich aus dem Umstand, dass der TV-ÜV von der Anhebung der Altersgrenze auf die Vollendung des 65. Lebensjahrs in den Arbeitsverträgen der Beklagten unberührt geblieben ist, kein anderes rechtliches Verständnis. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien den Regelungen im TV-ÜV - ursprünglich oder zu einem späteren Zeitpunkt – einen anderen als den vereinbarten Inhalt geben wollten und neben der Schließung der Versorgungslücke zwischen der tarifvertraglichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Beginn der – ggf. vorgezogenen – Altersrente aus der Angestelltenversicherung andere Zwecke verfolgen wollten. Dagegen spricht bereits der Wortlaut des § 2 TV-ÜV, der den Zweck der Übergangsversorgung ausdrücklich auf diesen Fall begrenzt.

Ein – unfreiwilliges – Ausscheiden aus den Diensten der Beklagten kommt bereits für die heute 60-jährigen Mitarbeiter nicht in Betracht, da höchstrichterlich geklärt ist, dass die tarifvertragliche Altersgrenze rechtsunwirksam ist. Dass es bei heute 30-jährigen Mitarbeitern zu einer Versorgungslücke wegen eines unfreiwilligen Ausscheidens mit Vollendung des 60. Lebensjahrs kommen kann, liegt deshalb außerhalb des zu Erwartenden. Im Hinblick darauf scheidet ein Anspruch der Klägerin auf Aufnahme in die Übergangsversorgung aus.

III.

Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

IV.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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