OVG NRW: Arbeitszeit – Teilnahme an Betriebsversammlung
OVG Nordrhein-Westfalen , Urteil vom 10.05.2011 - Aktenzeichen 4 A 1403/08 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Dieser Normzweck rechtfertigt es, die Aufsichtsbehörde auch als ermächtigt anzusehen, bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften feststellende Verwaltungsakte zu erlassen, mit denen sie ihre Auffassung verbindlich für sich selbst und für den Adressaten der Entscheidung festlegt. |
Vgl. Anzinger/Kuberski, Kommentar zum Arbeitszeitgesetz, 3. Aufl. 2009, § 17 Rn. 10 b. |
Dabei kann hier dahinstehen, ob § 17 Abs. 2 ArbZG generell als Ermächtigungsgrundlage zum Erlass feststellender Verwaltungsakte herangezogen werden kann. Denn einer ausdrücklichen Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn der Adressat des feststellenden Verwaltungsaktes einen solchen ausdrücklich beantragt hat, also mit dem Erlass einverstanden ist. |
BVerwG, Urteil vom 29. November 1985 - 8 C 105.83 -, NJW 1986, 1120; Bay. VGH, Urteil vom 24. Februar 2003 - 21 B 99.1590 - [...]; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 220; Anzinger/Kuberski, a. a. O., § 17 Rn. 10. |
Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin hat einen entsprechenden Verwaltungsakt - den hier erlassenen hilfsweise - beantragt. Zudem bestehen ernsthafte Zweifel an der Reichweite der die Berufsausübung beschränkenden arbeitszeitrechtlichen Normen. Die Frage, ob die Zeit, in der ein Arbeitnehmer an einer Betriebsversammlung teilnimmt, Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist, ist umstritten. |
Vgl. explizit dafür Buschmann, AZG-Kommentar, § 2 Rn. 12; Halder, GewArch 2009, 190; dagegen Meisel/Hiersemann, Kommentar zum Arbeitszeitgesetz, § 2 Rn. 21a; Kock, in: Rolffs u.a., Arbeitsrecht, § 2 ArbZG Rn. 15. |
Sie berührt die Berufsausübung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Klarstellung der Rechtslage. Dieses ergibt sich bereits daraus, dass Verstöße gegen die einschlägigen Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes nach § 22 Abs. 1 ArbZG als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden können. |
Vgl. allgemein BayVGH, Urteil vom 18. August 1980 - 22 B 79.1410 -, GewArch 1981, 18. |
II. |
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Zeit der Teilnahme an Betriebsversammlungen ist Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG. Nach dieser Vorschrift umfasst die Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Eine weitergehende Definition der Arbeitszeit und des in § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG vorausgesetzten Begriffs der "Arbeit" enthält das Gesetz nicht. |
1. |
Bei der Auslegung ist zunächst zu beachten, dass der Begriff der Arbeitszeit in verschiedenen arbeitsrechtlichen Regelungszusammenhängen verwandt wird. Dabei kann ihm je nach Regelungszusammenhang eine andere Bedeutung zukommen. Seine Auslegung ist etwa in vergütungsrechtlichen, sicherheitsrechtlichen, betriebsverfassungsrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Zusammenhängen nicht immer deckungsgleich. |
Vgl. BAG, Urteil vom 14. November 2006 - 1 ABR 5/06 -, ZBVR 2007, 8; Baeck/Deutsch, a.a.O., § 2 Rn. 29; Neumann/ Biebl, ArbZG, 11. Aufl. 2008, § 2 Rn. 15; Anzinger/Koberski, a.a.O. § 2 Rn. 25; Buschmann, a.a.O., § 2 Rn. 3.. |
Welche Zeiten und Tätigkeiten in die Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG einzubeziehen sind, muss daher ausgehend von Sinn und Zweck des Arbeitszeitgesetzes bestimmt werden. Dieses setzt nach seinem § 1 im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers und der Sicherheit am Arbeitsplatz der zulässigen Arbeitszeit Grenzen. Die Beschäftigten sollen vor unzumutbaren Belastungen geschützt werden. Das Arbeitszeitgesetz beschränkt aus diesem Grund die höchstzulässige Arbeitszeit (§ 3 ArbZG) und regelt zugleich die erforderlichen Ruhepausen (§ 4 ArbZG) sowie die Mindestruhezeiten zwischen zwei Arbeitseinsätzen (§ 5 ArbZG). Ziel ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Zeiten der Arbeit und des Ruhens, um die Arbeitskraft des Arbeitnehmers zu erhalten und Gefährdungen der Gesundheit der Arbeitnehmer und der Sicherheit am Arbeitsplatz vorzubeugen. |
BAG, Urteil vom 11. Juli 2006 - 9 AZR 519/05 -, BAGE 119, 41; BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1988 - 1 C 11.85 -, NZA 1988, 881; BayObLG, Beschluss vom 23.3.1992 - 3 ObOWi 18/92 -, DB 1992, 997. |
Die Begriffe sind zudem in ihrem gemeinschaftsrechtlich vorgeprägten Sinne zu verstehen und anzuwenden. Denn das Arbeitszeitgesetz dient maßgeblich der Umsetzung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. |
Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 9. September 2003 C-151/02 (Jaeger) -, NZA 2003, 1019 ff.; Urteil vom 9. März 2004 - verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01 (Pfeiffer u.a.) -. |
Die Richtlinie 2003/88/EG schreibt bezogen auf den Gesundheitsschutz durch Festlegung von Mindestruhe- und Höchstarbeitszeiten einen Mindestschutzstandard fest, den kein Mitgliedsstaat unterschreiten (wohl aber überschreiten) darf. Deshalb ist aus der europarechtlichen Perspektive eine nicht eindeutig als Arbeits- oder Ruhezeit zu bestimmende Aktivität im Zweifel als Arbeitszeit zu werten, da anderenfalls der europarechtlich gebotene Mindeststandard nicht gewahrt werden könnte. Hinzu kommt, dass die Begriffe der Sicherheit und Gesundheit im Sinne des Art. 118 a EGV (jetzt Art. 153 AEUV), auf den die Richtlinie 2003/88/EG (wie die Vorgängerrichtlinie 93/104/EG) gestützt ist, in der Weise weit ausgelegt werden müssen, dass sie sämtliche körperlichen und sonstigen Faktoren, die die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsumfeld unmittelbar oder mittelbar berühren, insbesondere bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, erfassen. |
EuGH, Urteil vom 9. September 2003 - RS. C-151/02 (Jaeger), NZA 2003, 1019, 1021 (Rn. 93). |
Für das Verständnis der Arbeitszeit im Sinne des Arbeitsschutzes gewinnt damit der gegenläufige Begriff der Ruhepause bzw. Ruhezeit wesentliche Bedeutung. Denn die Gefährdungen, denen die Arbeitszeitregelungen vorbeugen sollen, werden nicht nur von dem Belastungsmoment der Arbeit beeinflusst, sondern ebenso von dem Entlastungselement der Ruhezeit. Bei der Frage, ob eine Tätigkeit als Arbeitszeit im Sinne von § 1 ArbZG zu werten ist, ist demnach maßgeblich zu berücksichtigen, ob sie die Kriterien für eine Ruhepause bzw. -zeit erfüllt. Denn die Begriffe Arbeitszeit und Ruhezeit schließen sich gegenseitig aus und decken jedenfalls den arbeitsbezogenen Lebensbereich vollständig ab. |
Vgl. dazu etwa EuGH, Beschluss vom 11. Januar 2007 - Rs. C-437/05 (Vorel) - Rn. 25; Urteil vom 9. September 2003 - Rs. C-151/02 (Jaeger) -, NZA 2003, 1019, 1021 (Rn. 48) sowie die zugehörigen Schlussanträge des Generalanwalts Colomer vom 8. April 2003, Rn. 35; Urteil vom 3. Oktober 2000 - Rs. C-303/98 (Simap) -, NZA 2000, 1227, 1230 (Rn. 50); BAG, Urteil vom 13. Oktober 2009 - 9 AZR 139/08 - [...]; Baeck/Deutsch, a.a.O., § 2 Rn. 55 ff.; Anzinger/Koberski, a.a.O., § 2 Rn. 11. |
Dieser Aspekt steht auch nicht zuletzt aus Sicht der Klägerin im Vordergrund. Die begehrte Feststellung soll - bußgeldbewehrte - Ruhezeitverstöße verhindern. |
2. |
Vor diesem Hintergrund ist die Teilnahme an Betriebsversammlungen deshalb als Arbeitszeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG zu werten, weil sie jedenfalls keine Ruhepause oder Ruhezeit darstellt. Unabhängig davon sind bei wertender Betrachtung auch die Kriterien nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG sowie nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/GG erfüllt. |
2.1 |
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Betriebsversammlungen sollen nach § 44 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich während der (betrieblichen) Arbeitszeit stattfinden. Zudem zeigt die Regelung des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, dass sie möglichst auch während der individuellen Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers abgehalten werden sollen. Nur aus zwingenden Gründen können Betriebsversammlungen außerhalb der Arbeitszeit angesetzt werden. |
Vgl. BAG, Urteil vom 5. Mai 1987 - 1 AZR 292/85 BAGE 54, 314; Fitting, BetrVG, 23. Aufl. 2006, § 44 Rn. 11; Baeck/Lösler, NZA 247, 249 f.; Roloff, in: Wlotzke/Preis, BetrVG, 3. Aufl. 2006, § 44 Rn. 8, 11. |
Daher muss für die hier begehrte einschränkungslose Feststellung auch auf diesen gesetzlichen Regelfall abgestellt werden. Dass dies teilweise - etwa bei den im Schichtbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern der Klägerin - anders sein mag, hat jedenfalls für das Normverständnis keine ausschlaggebende Bedeutung. |
Angesichts dessen ist bei der Zuordnung zugrunde zu legen, dass ein Arbeitnehmer an Betriebsversammlungen typischerweise in dem von § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG genannten Zeitraum zwischen Beginn und Ende der Arbeitsaufnahme teilnimmt. Um Ruhepausen handelt es sich bei der Teilnahme jedoch nicht. |
Ruhepausen sind nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungs- und der Arbeitsgerichte Unterbrechungen der Arbeitszeit von bestimmter Dauer, die der Erholung dienen. Es muss sich um im Voraus festliegende Unterbrechungen der Arbeitszeit handeln. Der Arbeitnehmer muss frei darüber entscheiden können, wo und wie er diese Zeit verbringen will. Entscheidendes Merkmal der Ruhepause ist, dass der Arbeitnehmer von jeder Arbeitsverpflichtung und auch von jeder Verpflichtung, sich zur Arbeit bereit zu halten, freigestellt ist. Demgemäß gehört zum Wesensmerkmal einer Pause, dass sich der Arbeitnehmer aus dem betrieblichen Zusammenhang zumindest kurzzeitig vollständig zurückziehen können muss, um einen möglichst belastungsnahen Ausgleich der durch die Arbeit hervorgerufenen beanspruchungsbedingten Ermüdung zu erhalten. |
Vgl. BAG, Urteil vom 13. Oktober 2009 - 9 AZR 139/08 - [...]; BayObLG, Beschluss vom 23. März 1992 - 3 ObOWi 18/92 -, DB 1992, 997; Neumann/Biebl, ArbZG, § 4 Rn. 2 m.w.N. |
Im gleichen Sinne geht der EuGH davon aus, dass sich ein Arbeitnehmer, um sich tatsächlich ausruhen zu können, aus seiner Arbeitsumgebung zurückziehen können muss, um sich zu entspannen und sich von der mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben verbundenen Ermüdung zu erholen. |
EuGH, Urteil vom 9. September 2003 - Rs. C-151/02 (Jaeger) - NZA 2003, 1019, 1023 (Rn. 95). |
Die auf den Großteil der Fahrer der Klägerin, auf deren Arbeitszeit es vorliegend maßgeblich ankommt, unmittelbar oder nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 FPersV entsprechend anwendbare Verordnung Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr definiert Ruhepausen ebenfalls als jeden ununterbrochenen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann (Art. 4 lit. f). Für den nach der Systematik der Verordnung qualitativ untergeordneten Begriff der Fahrtunterbrechung legt Art. 4 lit. d) darüber hinausgehend fest, dass er jeden Zeitraum erfasst, in dem der Fahrer keine Fahrtätigkeit ausüben und keine anderen Arbeiten ausführen darf und der ausschließlich zur Erholung genutzt wird. Der ausschließliche Erholungszweck ist, wie etwa Art. 7 Satz 1 und Art. 9 Abs. 2 der Verordnung zeigen, auch bei den sonstigen Ruhezeiten zu beachten. Dort werden die Begriffe gleichgesetzt. |
Diese Voraussetzungen sind bei der Teilnahme an Betriebsversammlungen nicht erfüllt. Ihr wesentliches Merkmal ist nämlich, dass der betriebliche Zusammenhang nicht aufgehoben ist. Sie dienen vielmehr gerade dem Ziel, dass sich der Arbeitnehmer mit betrieblichen Fragen beschäftigen muss. |
Vgl. zu diesem Aspekt auch BAG, Urteil vom 5. Mai 1987 - 1 AZR 292/85 - BAGE 54, 314. |
Eine Rückzugsmöglichkeit im Sinne einer Erholung ist ihm hierdurch von vornherein verwehrt. Ob ihn die Teilnahme im Einzelfall zusätzlich belastet, ist für diese Frage unerheblich. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer jedenfalls bei Betriebsversammlungen, die wie gesetzlich gefordert während der Arbeitszeit stattfinden, auch nicht frei über seine Zeit verfügen. Ihm bleibt vielmehr allein die Wahl zwischen der Teilnahme und der Ableistung von Arbeit. Dies gilt auch und gerade dann, wenn er die Betriebsversammlung vorzeitig verlässt. Zudem wird er sich typischerweise in Räumlichkeiten des Unternehmens (gezwungenermaßen) aufhalten, um seine betriebsverfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte wahrzunehmen. Er hat dementsprechend während dieser Zeit nicht die Möglichkeit, frei über seine Zeit und seinen Aufenthaltsort zu bestimmen, eigenen Interessen nachzugehen und sich ggf. in seinem gewohnten familiären und sozialen Umfeld aufzuhalten, wie es (v.a. längere) Ruhepausen und Ruhezeiten kennzeichnet. |
EuGH, Urteil vom 9. September 2003 - Rs. C-151/02 (Jaeger) - NZA 2003, 1019, 1021 (Rn. 65). |
2.2 |
Unabhängig davon erfüllt die Teilnahme an Betriebsversammlungen auch die Merkmale des Arbeitsbegriffes im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG. Diese Norm definiert den Begriff der Arbeit selbst nicht, sondern setzt ihn voraus. Nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet (genauer die französische Fassung "est au travail"), dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. |
Maßgebliches Kriterium zur Abgrenzung von Arbeitszeit und Ruhezeit ist danach der Grad der Beanspruchung oder der Bindung des Arbeitnehmers durch eine vom Arbeitgeber veranlasste Tätigkeit oder Verrichtung. |
EuGH, Urteil vom 9. September 2003 - Rs. C-151/02 (Jaeger), NZA 2003, 1019, 1021 (Rn. 51); Urteil vom 3. Oktober 2000 - Rs. C-303/98 (Simap) -, NZA 2000, 1227, 1230 (Rn. 50); BVerwG, Urteile vom 27. Mai 1982 - 2 C 49.80 -, DVBl 1982, 1190 f., vom 29. Januar 1987 - 2 C 14.85 -, vom 19. Januar 1988 - 1 C 11.85 -, NZA 88, 881 und vom 22. Januar 2009 - 2 C 90.07 -, NVwZ-RR 2009, 525; BAG, Urteil vom 11. Juli 2006 - 9 AZR 519/05 -, BAGE 119, 41; Wank, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10. Auflage 2010, § 2 ArbZG Rn. 16. |
Auch in der Rechtsprechung des EuGH kommt dabei dem Kriterium der Ortsbestimmung durch den Arbeitgeber bzw. des "zur Verfügung Stehens" entgegen der Auffassung der Klägerin keine vorrangige Bedeutung in dem Sinne zu, dass damit die Qualifizierung als Arbeitszeit stehen oder fallen könnte. Das Element der Ortsbestimmung durch den Arbeitgeber ist vielmehr nur insofern ausschlaggebend, als es um die Qualifikation als Arbeitszeit auch solcher Zeiten geht, in denen keine berufliche Tätigkeit stattfindet - der Arbeitnehmer etwa schlafen darf. Die Zeit, in der der Arbeitnehmer arbeitet oder betriebliche Aufgaben wahrnimmt, ist dagegen unabhängig davon regelmäßig Arbeitszeit. |
Vgl. insbesondere die Schlussanträge des Generalanwalts Colomer in der Rs. C-151/02 (Jaeger), Rn. 27 ff.; Buschmann, a.a.O., § 2 Rn. 6. |
Dass das Element des "zur Verfügung Stehens" nicht in jedem Fall ausschlaggebende Bedeutung hat, wird insbesondere in der Abgrenzung von Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst deutlich. Zeiten der Rufbereitschaft sind keine Arbeitszeiten, auch wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung steht. Denn der Mitarbeiter kann in dieser Situation freier über seine Zeit verfügen und eigenen Interessen nachgehen, so dass nur die Zeit, die für die tatsächliche Erbringung von Leistungen aufgewandt wird, als Arbeitszeit anzusehen ist. |
EuGH, Urteil vom 9. September 2003 - Rs. C-151/02 (Jaeger), NZA 2003, 1019, 1021 (Rn. 51); Urteil vom 3. Oktober 2000 - Rs. C-303/98 (Simap) -, NZA 2000, 1227, 1230 (Rn. 50). |
Bereitschaftsdienst ist demgegenüber mit erheblich stärkeren Einschränkungen für den Arbeitnehmer verbunden, weil er sich außerhalb seines familiären und sozialen Umfelds aufhalten muss und über die Zeit, in der er nicht in Anspruch genommen wird, weniger frei verfügen kann. Unter diesen Umständen kann bei einem Arbeitnehmer, der an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort zur Verfügung steht, die Zeit seines Bereitschaftsdienstes, in denen er tatsächlich keine berufliche Tätigkeit ausübt, nicht als Ruhezeit angesehen werden. |
EuGH, Urteil vom 9. September 2003 - Rs. C-151/02 (Jaeger), NZA 2003, 1019, 1021 (Rdn 51); vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2009 - 2 C 90.07 -, NVwZ-RR 2009, 525; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 18. November 2005 - 10 A 10727/05 -, [...]. |
Vor diesem Hintergrund ist bei der erforderlichen wertenden Betrachtung Arbeitszeit jede Zeit, die vom Arbeitnehmer in betriebsbezogener Einbindung im Interesse des Arbeitgebers verbracht wird. |
So BayObLG, Beschluss vom 23. März 1992 - 3 OBOWi 18/92 -, DB 1992, 997; vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Colomer in der Rs. C-151/02 (Jaeger), Rn. 27 ff.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 18. November 2005 - 10 A 10727/05 -, [...] ("enge Verknüpfung mit der eigentlichen Arbeitsleistung" - Rn. 34) . |
Diese Merkmale erfüllt die Teilnahme an Betriebsversammlungen. Sie finden im betrieblichen Rahmen statt und sind in diesem Sinne betrieblich veranlasst. Die Teilnahme steht dabei nach der Rechtsprechung des BAG auch im wohlverstandenen Interesse des Arbeitgebers. |
Vgl. etwa BAG, Urteil vom 5. Mai 1987 - 1 AZR 292/85 - BAGE 54, 314; BAG (GS), Beschluss vom 21. April 1971 - GS 1/68 -, BAGE 23, 292. |
Sie dienen nicht nur der - durch das Teilnahmerecht des Arbeitgebers auch wechselseitigen - Information, sondern nicht zuletzt der Verbesserung der Arbeitsorganisation und damit auch der Arbeitsergebnisse, was wiederum gerade dem Arbeitgeber zugute kommt. |
Zumindest mittelbar werden auch Ort und Zeit durch den Arbeitgeber bestimmt. Betriebsversammlungen sollen während der Arbeitszeit stattfinden. Deshalb kann sich der Arbeitnehmer nicht - und auch nicht alternativ - in seinem frei gewählten sozialen bzw. familiären Umfeld aufhalten. Eine solche mittelbare Einflussnahme reicht im arbeitsschutzrechtlichen Kontext aus. Dieser mittelbare Bezug besteht bei Betriebsversammlungen. |
Im Übrigen hat das beklagte Land zu Recht darauf hingewiesen, dass das Betriebsverfassungsgesetz den Betriebsrat als privates Amt auf Ebene des Betriebes konstituiert, ebenso wie die gesetzlichen Vertretungsorgane juristischer Personen, die das Direktionsrecht des Arbeitgebers im Übrigen ausüben dürfen. Die Betriebsversammlung selbst ist ebenfalls ein Organ der Betriebsverfassung. |
BAG, Urteil vom 5. Mai 1987 - 1 AZR 292/85 - BAGE 54, 314. |
Die Teilnahme an Betriebsversammlungen, jedenfalls wenn sie bestimmungsgemäß erfolgt, soll auch keine Gelegenheit sein, sich auszuruhen und ggf. sogar zu schlafen. Im Gegenteil ist der Arbeitnehmer insoweit immer - auch im Interesse des Arbeitgebers - "tätig". Deshalb lässt sich die Teilnahme auch als Aufgabenwahrnehmung im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG verstehen, selbst wenn sie für jeden Arbeitnehmer freiwillig und deshalb nicht im eigentlichen Sinne als arbeitsvertragliche Nebenpflicht bezeichnet werden kann. |
Vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - Rs. C-303/98 (Simap) - Rn. 48. |
Da damit bei wertender Betrachtung eine Aufgabenwahrnehmung stattfindet, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr darauf an, ob mit der Teilnahme an Betriebsversammlungen ein der Arbeitsleistung vergleichbares Belastungsmoment verbunden ist. |
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2009 - 2 B 29/09 - [...]. |
Für ein solches Belastungsmoment ist jedoch unabhängig davon nicht entscheidend - wie offenbar die Klägerin meint -, dass die Teilnahme selbst nicht die tarifvertraglich geschuldete Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellt. Es geht nicht um Gleichsetzung, sondern allenfalls um Vergleichbarkeit. Das zeigt nicht zuletzt die Rechtsprechung zu Dienstfahrten am Rande der Arbeitszeit. Denn bei solchen Dienstfahrten handelt es sich typischerweise gerade nicht um die tarifvertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Die Gleichstellung mit der Arbeitszeit erfolgt insoweit, wenn die Teilnahme am Straßenverkehr typischerweise mit Belastungsmomenten verbunden ist, die es aus Gründen des Arbeitsschutzes nicht erlauben, sie gewissermaßen an die normale Arbeitszeit "anzuhängen". |
Vgl. BAG, Urteil vom 11. Oktober 2000 - 5 AZR 122/99 - BAGE 96, 45; Urteil vom 16. November 2006 - 1 ABR 5/06 -, ZBVR 2007, 8; LAG E. , Urteil vom 23. Januar 2008 - 7 Sa 864/06 -, [...]; Baeck/ Deutsch, a.a.O., § 2 Rn. 76; Zwanziger, DB 2007, 1356, 1357; für die Teilnahme eines Betriebsrats an einer Betriebsversammlung auch BAG, Urteil vom 7. Juni 1989 - 7 AZR 500/88 -, [...]; allgemein auch Buschmann, a.a.O., § 2 Rn. 4; Baeck/Deutsch, a.a.O., § 2 Rn. 77. |
Unterscheidungsmerkmal ist dabei, ob es im jeweiligen Einzelfall typischer- oder notwendigerweise kein über das Reisen selbst hinausgehendes Belastungsmoment gibt, der Betroffene während der Fahrt also bspw. lesen oder schlafen kann und auch gedanklich frei von Arbeitszwängen bleibt. |
BAG, Urteil vom 16. November 2006 - 1 ABR 5/06 - ZBVR 2007, 8; BVerwG, Urteile vom 27. Mai 1982 - 2 C 49/80 -, DVBl. 1982, 1190 und vom 29. Januar 1987 - 2 C 14.85 -, ZBR 1987, 275; Zwanziger, DB 2007, 1356 f.; Kock, a.a.O., § 2 ArbZG Rn. 14. |
Aufgrund der europarechtlich gebotenen Sicherung eines Mindeststandards kann es deshalb auch für Betriebsversammlungen nicht darauf ankommen, ob sie in jedem Fall dieses Belastungsstadium erreichen. Entscheidend ist vielmehr, dass dies nicht für jeden Fall oder typischerweise ausgeschlossen werden kann. |
Zudem hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass die Teilnahme an Betriebsversammlungen auch im sonstigen arbeitsrechtlichen Kontext nicht der Privatsphäre des Arbeitnehmers, sondern der betrieblichen Sphäre zuzuordnen ist. Dies ergibt sich insbesondere aus § 44 BetrVG. Danach müssen Betriebsversammlungen nicht nur während der (betrieblichen) Arbeitszeit stattfinden, sondern sie sind auch wie Arbeitszeit zu vergüten. Zudem sollen sie, wie § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG zeigt, möglichst auch während der individuellen Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers abgehalten werden. Die Kosten hat nach § 44 BetrVG der Arbeitgeber zu tragen. |
Vgl. zum Ganzen auch BAG, Urteil vom 5. Mai 1987 - 1 AZR 292/85 - BAGE 54, 314; Baeck/ Lösler, NZA 247, 249 f.; Roloff, in: Wlotzke/Preis, a.a.O., § 44 Rn. 8, 11; Fitting, a.a.O., § 44 Rn 11. |
Diese gesetzgeberische Ausgestaltung lässt es als wenig stimmig erscheinen, würde die Arbeitszeit gleichzeitig nicht als individuelle Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer im arbeitsschutzrechtlichen Sinne angesehen. Denn in diesem Fall gäbe es keinen Grund, Betriebsversammlungen nicht regelmäßig etwa im unmittelbaren Anschluss an die betriebliche (und persönliche) Arbeitszeit durchzuführen. Schon aus diesem Grund greift die von der Klägerin gezogene Parallele etwa zu Betriebsfesten nicht. Dasselbe gilt für den Vergleich mit Aktionärstreffen, die ebenfalls nicht innerhalb der Arbeitszeit stattfinden sollen. Im Übrigen nimmt ein Mitarbeiter an solchen Treffen gerade nicht in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer, sondern als Miteigentümer teil. Der vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang herangezogene Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung bedingt damit nicht, wie die Klägerin meint, ein Verständnis, wonach das Arbeitsszeitgesetz die betriebliche Mitbestimmung fördern solle. Es geht allein darum, beide Regelungsbereiche widerspruchsfrei anzuwenden. |
Dieses Verständnis der Teilnahme an Betriebsversammlungen als Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Der von der Klägerin hervorgehobenen Aussage des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 5. Mai 1987 - 1 AZR 292/85 -, wonach die Zeit der Teilnahme an Betriebsversammlungen keine Arbeitszeit sei und deshalb auch nicht die Arbeitszeitvorschriften gälten, folgt nämlich unmittelbar die Feststellung: "Soweit die Teilnahme über die normale Arbeitszeit hinausgeht, ist dies keine Mehrarbeit und auch nicht als Mehrarbeit zu vergüten; es besteht kein Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag." Aus dem Zusammenhang ergibt sich damit, dass es hier um vergütungsrechtliche bzw. tarifvertragliche Fragen ging. Es ist allgemein anerkannt, dass der Begriff der Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen und im vergütungsrechtlichen Sinne nicht einheitlich verwandt wird. |
EuGH, Beschluss vom 11. Januar 2007 - Rs. C-437/05 (Vorel) - Rn. 32 f.; BVerwG, Urteile vom 22. Januar 2009 - 2 C 90.07 - NVwZ-RR 2009, 525 und vom 29. April 2004 - 2 C 9/03 - NVwZ 2004, 1225; BAG, Urteil vom 13. Oktober 2009 9 AZR 139/08 -, [...]; Beschluss vom 16. November 2006 - 1 ABR 5/06 -; Bay.ObLG, Beschluss vom 23. März 1992 - 3 ObOWi 18/92 -, DB 1992, 997; LAG E. , Urteil vom 23. Januar 2008 - 7 Sa 864/06 -, [...]. |
Zumindest wären angesichts dessen arbeitsschutzrechtliche Ausführungen jedenfalls nicht entscheidungstragend, selbst wenn das Bundesarbeitsgericht die Aussage mit dem von der Klägerin angenommenen Sinngehalt getroffen hätte. |
Wegen des anderen Regelungszusammenhangs lässt sich auch aus § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für den vorliegenden Zusammenhang nichts ableiten. Die Bestimmung, wonach die Teilnahmezeit "wie" Arbeitszeit zu vergüten ist, betrifft nur die Vergütungsfrage und besagt nichts darüber, ob die Teilnahme arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit ist. |
Gleiches gilt für die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Januar 2000 - 13 TaBV 94/909 -. Sie betrifft die Regelung des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG und damit eine mitbestimmungsrechtliche Problematik und - anders als bei Abs. 2 Abs. 1 ArbZG - ausdrücklich nur die betriebsüblichen, nicht die individuellen Arbeitszeiten. |
Vgl. zur notwendigen Differenzierung auch BAG, Urteil vom 16. November 2006 - 1 ABR 5/06 -, ZBVR 2007, 8. |
3. |
Schließlich ist auch nicht zu erkennen, dass die hier vertretene Auslegung die Klägerin vor praktisch oder rechtlich nicht zu überwindende Schwierigkeiten stellte und sie zu einem Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Grundsätze zwänge, weil sie die Teilnahme der Mitarbeiter an Betriebsversammlungen im Einzelnen kontrollieren und überwachen müsste. So könnte sie eine Teilnahme aller Beschäftigten unterstellen, wie sie dies im Hinblick auf § 44 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nach eigenen Angaben praktiziert hat. Damit ließen sich bei entsprechender Planung von Teilbetriebsversammlungen für jeden Mitarbeiter Versammlungen finden, bei denen die Beklagte für ihre Schichtplanung arbeitszeitkonforme Teilnahmen unterstellen könnte. Dies stellte auch keinen Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtlich gewährte Rechte der Mitarbeiter dar. Denn auch die Klägerin und der Beigeladene gehen übereinstimmend davon aus, dass Arbeitnehmer eine Betriebsversammlung während eingeplanter Fahrdienste nicht besuchen dürfen, wenn und weil sie dann ihre arbeitsvertragliche Beförderungspflicht verletzten. Dementsprechend dürfen sie nicht zum Nachteil der Klägerin und unter Missachtung der ihnen unverzichtbar vorgegeben Arbeitszeitbestimmungen, |
vgl. dazu etwa Wank, in: Erfurter Kommentar zum ArbR, 10. Aufl. 2010, § 2 ArbZG Rn. 15; Neumann, in: Landmann/Rohmer, GewR, Loseblatt-Kommentar, Stand Juli 2010, § 1 ArbZG Rn. 3, |
an einer Versammlung teilnehmen, die mit ihren Schichten und den damit verbundenen erforderlichen Ruhezeiten nicht kompatibel ist. |
Weitergehende Kontrollerfordernisse für die Klägerin sind vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen. Unabhängig davon dürfte die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine gewisse Überwachung sei in § 44 Abs. 2 BetrVG angelegt und deshalb vom Gesetzgeber hingenommen, nicht zu beanstanden sein. Diese praktiziert die Klägerin nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung in Vergütungsfragen ohnehin. Denn die Arbeitnehmer erhalten ihre Vergütung nach § 44 Abs. 2 BetrVG danach nur dann, wenn sie bei der Klägerin eine Teilnahmebestätigung vorlegen. Dabei erschließt sich auch dem Senat nicht, worin der entscheidungserhebliche Unterschied zwischen einer vorherigen und einer nachträglichen Erfassung liegen soll. |
Darüber hinaus hat die Bezirksregierung E. einen aus ihrer Sicht akzeptablen Weg aufgezeigt, wie die Klägerin etwaige Überwachungen ohne Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz durchführen könnte. Dass es bei rechtzeitiger Planung der Versammlungen unter Bekanntgabe der mit der jeweiligen Versammlung kompatiblen Dienste ausgeschlossen wäre, die Mitarbeiter nach ihrer Wunschschicht einzuplanen, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Klägerin zumindest für jährlich maximal acht Wochen mit Betriebsversammlungen auf die betriebsübliche praktizierte sehr individuelle Schichtplanung verzichtete und statt dessen die Arbeitnehmer in Gruppen zusammenfasste. Das beklagte Land hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Wunsch keine zwingenden Rückschlüsse auf die Teilnahme an der Betriebsversammlung zulässt, da er auch aus privaten oder sonstigen Gründen erfolgen könnte. Dass der Betriebsrat zu einer entsprechenden Planung nicht bereit sein könnte, ist nicht ersichtlich. Ob ihn im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit eine entsprechende Pflicht trifft, ist daher unerheblich. |
Schließlich gelingt es der Klägerin offensichtlich seit Jahren, die Anforderungen des Arbeitszeitgesetzes auch unter der Prämisse, dass die Teilnahme an Betriebsversammlungen als Arbeitszeit zu werten ist, zu erfüllen. Es ist nicht zu erkennen, dass ihr dies nicht auch weiterhin zumutbar sein sollte. Nach dem Ergebnis der Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sind die entstehenden Belastungen organisatorischer Art zu bewältigen, zumal nach dem 4. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88/EG ökonomische Erwägungen in diesem Zusammenhang grundsätzlich irrelevant sind. Für den Senat ist auch im Übrigen nicht zu erkennen, dass angesichts einer Verfügungsreserve von 30% der Mitarbeiter im Fahrdienst hier unüberwindbare Schwierigkeiten auftreten müssten. Die endgültige Schichtplanung für diese Mitarbeiter erfolgt erst drei Tage im Voraus, im Falle von Erkrankungen ist auch diese Frist noch weiter zu verkürzen. Für die übrigen Mitarbeiter (ca. 70 %) wird die Schichtplanung regelmäßig zwei Wochen im Voraus abgeschlossen. Betriebsversammlungen haben jedoch normalerweise einen mindestens doppelt so langen Vorlauf. |
Vor diesem Hintergrund müsste es im Gegenteil entgegen der bisherigen Praxis sogar möglich sein, Betriebsversammlungen zumindest überwiegend, der gesetzgeberischen Grundvorstellung entsprechend, auch während der an sich bestehenden individuellen Arbeitszeit zu planen, etwa indem reguläre Schichten verkürzt würden, statt die Teilnahme an Betriebsversammlungen vollständig als zusätzliche Arbeitszeit der einzelnen Fahrer vorzusehen, die dadurch ihre Freizeit opfern müssen. Dadurch könnte auch die Teilnahmebereitschaft erhöht werden. |
Gegen eine rechtliche oder tatsächliche Unzumutbarkeit spricht zudem, dass es nach Angaben des beklagten Landes auch anderen Nahverkehrsunternehmen sowie sonstigen auf ununterbrochenen Betrieb angewiesenen Einrichtungen gelingt, Betriebsversammlungen arbeitszeitkonform durchzuführen. Da diese unabhängig davon jedenfalls für alle diese Betriebe gleichermaßen gelten, ist für die von der Klägerin befürchteten Wettbewerbsnachteile kein Raum. Angesichts einer maximalen Schichtlänge von 9 ½ Stunden und einer Mindestruhezeit von 9 Stunden bleiben für jeden Mitarbeiter auch ohne besondere Vorkehrungen im Regelfall 5 ½ Stunden (Arbeits-) Zeit für Betriebsversammlungen, die nach den Angaben auch der Klägerin im Regelfall ausreichen. |
Soweit die Klägerin schließlich meint, Verstöße seien deshalb unvermeidlich, weil sie keinen Einfluss auf die Dauer der Betriebsversammlungen hat, vermag dies angesichts dessen schon deshalb nicht zu überzeugen, weil dadurch begründete arbeitszeitrechtlich relevante Zeitüberschreitungen im Regelfall nicht vorkommen dürften. Die Klägerin hat hierzu auch keine näheren Angaben gemacht. Der Umstand, dass der Betriebsrat die Klägerin über die geplante Dauer im Unklaren lassen will - was angesichts der Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht, sie (die Klägerin) koordiniere die Termine in Absprache mit dem Betriebsrat, in dieser Absolutheit kaum nachvollziehbar ist -, wirkt sich offenbar nicht aus. Zudem vermag auch die Klägerin die Dauer der Versammlungen in etwa abzuschätzen, weil der Arbeitgeber zu ihnen unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden ist, § 43 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. |
Unabhängig davon führte dies jedenfalls nicht zu unzumutbaren Gefährdungen des Betriebes, da es sich insoweit um Ereignisse handelt, mit denen die Klägerin auch im Übrigen rechnen muss. Gerade bei Verkehrsunternehmen lassen sich unvorhergesehene Verlängerungen der Schichtzeiten etwa durch Staus oder Unfälle mit Schienensperrung nie vermeiden. Das Arbeitszeitrecht lässt hierfür - wie ausgeführt - in aller Regel ausreichend Spielräume. Zudem hat die Bezirksregierung E. als Aufsichtsbehörde klargestellt, dass solche unver- |
schuldeten Verstöße kein Anlass für die Einleitung eines Bußgeldverfahrens oder gar für die Prüfung eines Entzugs der Betriebserlaubnis wären. |
Zu entsprechenden "Notfällen" auch Zwanziger, DB 2007, 1356, 1357; zur Unbeachtlichkeit für den arbeitszeitrechtlichen Regelfall auch EuGH, urteil vom 9. März 2004 - verb. Rs. 397/01 bis C-403/01 (Pfeiffer u.a.) -, Rn. 57. |
Insoweit stellen auch mit individuellen Arbeitszeitverstößen verbundene Spontanteilnahmen einzelner Mitarbeiter kein relevantes Betriebsrisiko der Klägerin dar. Mit einem solchen - angesichts der Bindung auch der Arbeitnehmer an die objektiven Arbeitszeitvorschriften rechtswidrigen - Verhalten muss die Klägerin jedenfalls dann nicht rechnen, wenn sie jedem Mitarbeiter durch eine entsprechende Schichtplanung eine (auch arbeitszeit-) rechtskonforme Teilnahme an einer der Teilversammlungen ermöglicht. Dazu ist sie jedoch nach eigenen Angaben in der Lage. |