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Arbeitsrecht
22.09.2023
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel – Gleichstellungsabrede

LAG Nürnberg, Urteil vom 9.8.2023 – 4 Sa 74/23

Volltext: BB-Online BBL2023-2228-3

 

Amtlicher Leitsatz

Eine Gleichstellungsabrede im Sinne einer nur bedingten zeitdynamischen Verweisung auf Tarifverträge setzt voraus, dass die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn bereits im Wortlaut der Klausel (". die aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers . geltenden Tarifverträge") mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, dass die Anwendung der Tarifverträge von der Tarifbindung des Arbeitgebers abhängig ist.

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen auf ihr Arbeitsverhältnis und daraus folgende Vergütungsansprüche der Klägerin.

Die Beklagte entwickelt und vertreibt Software für den medizinischen Bereich. Die Klägerin war ab dem 09.02.2011 bei der S… AG beschäftigt, wobei das Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs zunächst im Jahr 2015 auf die C… GmbH überging. Beide Arbeitgeber waren Mitglied im Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Zum 01.07.2020 ging das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte über, die nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband ist.

Auf den Inhalt des Informationsschreibens der Beklagten vom 27.05.2020 anlässlich des Betriebsübergangs wird Bezug genommen (Anlage K3, Bl. 12 ff. d.A.).

In dem zwischen der Klägerin und der S… AG am 04./11.02.2011 geschlossenen Arbeitsvertrag heißt es ua. (6 ff. d.A.):

„01. Beginn und Ende des Dienstverhältnisses, Dienstsitz und Tätigkeit Wir beschäftigen Sie ab 09.02.2011 befristet bis 08.02.2012 bei S… Deutschland in der Abteilung GER H SCC S. 3 in E… als Vertriebskauffrau. Die Befristung erfolgt gemäß Tarifvertrag.

02. Arbeitszeit

Die Dauer Ihrer wöchentlichen Arbeitszeit richtet sich nach den einschlägigen Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen und beträgt zurzeit 35,00 Stunden.

03. Einkommen

Wir führen Sie in der Entgeltgruppe 05 in der Stufe A0 des Tarifvertrags für Beschäftigte in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (…).

05. Tarifverträge, Arbeitsordnung und Betriebsvereinbarungen Auf das Arbeitsverhältnis finden die aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers für den Betrieb räumlich und fachlich geltenden Tarifverträge (derzeit für die Metall- und Elektroindustrie Bayern) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung, soweit sie unter den persönlichen Geltungsbereich fallen und im Einzelfall nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist. (…)“

In einem Schreiben der Beklagten vom 18.06.2021 an die Klägerin mit dem Betreff „Information zum Tarifergebnis der bayerischen Metall- und Elektroindustrie“ heißt es u.a. (Bl. 10 f. d.A.):

„mit diesem Schreiben möchten wir Sie anlässlich der jüngsten Tarifabschlüsse in der Metall- und Elektroindustrie über die für Sie geltenden tariflichen Regelungen informieren. (…) Ihr aktueller Arbeitsvertrag enthält eine dynamische Bezugnahmeklausel. Das bedeutet, dass der jeweils aktuelle Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie Bayern auf Ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Unabhängig davon haben wir beschlossen, sämtlichen Mitarbeitern der Cg… GmbH, die einen Bezug auf einen Tarifvertrag in ihrem Arbeitsvertrag haben, die im Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie Bayern vereinbarte Corona-Prämie zu gewähren. Das bedeutet, dass auch Mitarbeiter, die hierauf wegen einer statischen Bezugnahmeklausel eigentlich keinen Anspruch haben, die Corona-Prämie erhalten werden. Bei der Zahlung der Corona-Prämie handelt es sich um eine einmalige Leistung, durch deren Gewährung kein Rechtsanspruch auf Weitergabe neuer Tarifabschlüsse, insbesondere Tariferhöhungen, in der Zukunft begründet wird. Auch wird kein Anspruch auf weitere Inhalte des Tarifabschlusses 2021 begründet. Ob und inwieweit neue Tarifabschlüsse für Sie gelten, richtet sich allein nach der Bezugnahmeklausel in Ihrem Arbeitsvertrag. (…)“

Mit Schreiben vom 27.04.2022 ließ die Klägerin gegenüber der Beklagten die Zahlung eines tariflichen Transformationsgeldes geltend machen, was diese mit Schreiben vom 18.05.2022 ablehnte (Bl. 24 f. d.A.).

Mit ihrer am 20.06.2022 per beA beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Klage macht die Klägerin die Zahlung eines Transformationsgeldes iHv. 18,4% eines Monatsverdienstes gem. § 5 des Tarifvertrages „Tarifliches Zusatzgeld“ für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie vom 08.02.2018 in der Fassung vom 19.04.2021 geltend und begehrt zudem Feststellung weitergehender Vergütungsansprüche nach diesem Tarifvertrag.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, in Ziff. 5 des Arbeitsvertrags sei mangels Verwendung von Wörtern wie „soweit“ oder „gelten“ keine Bedingung hinsichtlich der Bezugnahme erkennbar, womit die in Bezug genommenen Tarifwerke auch bei der Beklagten dynamisch weitergelten würden. Zudem enthalte bereits Ziff. 3 des Arbeitsvertrags eine eigenständige, uneingeschränkte Verweisung auf den Tarifvertrag für die Beschäftigten in der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Etwaige Unklarheiten gingen zulasten der Beklagten. Sie beruft sich außerdem auf den Inhalt der Schreiben der Beklagten vom 27.05.2020 und vom 18.06.2021, wonach diese offenbar selbst von einer dynamischen Weitergeltung der in Bezug genommenen Tarifverträge ausgehe.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1.

Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 772,52 € brutto nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.07.2020 ein Entgelt nach der Gehaltsgruppe 10b gem. den zum Fälligkeitszeitpunkt geltenden Regelungen gem. dem Tarifvertrag für die Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 08.02.2018 in der Fassung vom 19.04.2021 zwischen dem Verband der Bayer. Metall- und Elektroindustrie e.V und der Gewerkschaft IG Metall abgeschlossenen Tarifverträge für die Beschäftigten der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, die Klageanträge seien unsubstantiiert hinsichtlich der konkreten tarifvertraglichen Anspruchsgrundlagen. Ziff. 5 des Arbeitsvertrags sei als Gleichstellungsabrede, also bedingte zeitdynamische Verweisung zu verstehen, wobei mit Betriebsübergang auf die nicht tarifgebundene Beklagte eine auflösende Bedingung eingetreten sei. Indem die Klausel auf die „aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers (…) geltenden“ Tarifverträge verweise, sei der bloße Gleichstellungszweck noch deutlicher erkennbar als in anderen Entscheidungen des BAG, nach welchen bereits die Wörter „gelten“ oder „verbindlich“ ausreichten. Ziff. 5 und Ziff. 3 des Arbeitsvertrags seien im Zusammenhang zu verstehen. Weitere Bezugnahmen im Arbeitsvertrag neben Ziff. 5 seien lediglich klarstellender Natur und sollten die Anforderungen des NachwG erfüllen. Der rein informatorische Charakter folge auch aus der Formulierung „wir führen Sie in der Entgeltgruppe“ in Ziff. 5 des Arbeitsvertrags. Das Unterrichtungsschreiben vom 27.05.2020 sei als bloße Wissenserklärung zu verstehen. Jedenfalls seien die nach Auffassung der Klägerin weitergeltenden Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie fachlich nicht (mehr) einschlägig, weil sich die Beklagte ausschließlich mit Softwareentwicklung befasse.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 16.01.2023 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung des streitgegenständlichen tarifvertraglich bestimmten Transformationsgeldes und keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Klägerin nach Maßgabe des Tarifvertrages für die bayerische Metall- und Elektroindustrie vom 08.02.2018 in der Fassung vom 19.04.2021 zu vergüten. Der benannte Tarifvertrag finde in der geltend gemachten Fassung keine Anwendung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien. Arbeitsvertraglich sei in Ziff. 5 allein bestimmt worden, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge allein bedingt zeitdynamisch auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden, solange die Arbeitgeberin ihrerseits an die Tarifverträge gebunden sei. Dies sei zwischenzeitlich nicht mehr der Fall. Aus dem Arbeitsvertrag der Parteien ergebe sich hinreichend erkennbar, dass die Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden sei. Dies folge aus einer Auslegung des Arbeitsvertrages, insbesondere der Regelung in Ziff. 5 des Arbeitsvertrages. Die geltend gemachten Ansprüche folgen auch nicht aus den Schreiben der Beklagten vom 27.05.2020 und vom 18.06.2021. Aus dem Schreiben vom 27.05.2020 seien lediglich allgemeine Ausführungen zu den unterschiedlichen Konstellationen im Zusammenhang eines Betriebsübergangs mit Bezugnahmeklauseln zu entnehmen. Auch das Schreiben vom 18.06.2021 enthalte keine eigenständige, konstitutive dynamische Bezugnahmeklausel. Die Beklagte habe vielmehr erkennbar – rechtlich unzutreffend – eine Wissens- und keine rechtsgestaltende Willenserklärung abgegeben. Eine eigenständige rechtliche Erklärung sei gerade nicht abgegeben worden. Vielmehr habe die Beklagte lediglich auf die arbeitsvertraglichen Regelungen abstellen wollen. Auch bestünde kein Raum für eine Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 16.01.2023 ist den anwaltlichen Prozessvertretern der Klägerin am 10.02.2023 zugestellt worden. Diese haben namens und im Auftrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 09.03.2023, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Berufung gegen die Entscheidung eingelegt und diese mit am 11.04.2023 eingegangenem Schriftsatz selben Datums begründet.

Die Klägerin führt zur Begründung der Berufung unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag ergänzend aus, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht angenommen habe, dass es sich bei Ziff. 5 des Arbeitsvertrages lediglich um eine bedingte zeitdynamische Verweisung handele. Das Vorliegen einer Gleichstellungsabrede sei gerade nicht hinreichend erkennbar. Folglich läge eine unbedingte zeitdynamische Verweisung vor. Ziff. 5 des Arbeitsvertrages enthalte insbesondere die Wörter „soweit“ oder „gelten“ nicht. Allein unter Verwendung dieser Satzzusätze sei eine Bedingungsabrede der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin möglich gewesen. Auch habe das Arbeitsgericht verkannt, dass gerade unter Berücksichtigung des Gesamtarbeitsvertrages eine auflösende Bedingung gerade nicht vereinbart worden sei. Insbesondere Ziff. 3 des Arbeitsvertrages biete hierfür keinerlei Anhaltspunkt. Dies müsse im Rahmen einer Gesamtschau Berücksichtigung finden. Unklarheiten gingen zulasten der Beklagten. Auch seien die Schreiben vom 27.05.2020 und vom 18.06.2021 zu berücksichtigen. Im Schreiben vom 27.05.2020 sei eine konstitutivdynamische Bezugnahmeklausel zu sehen. Jedenfalls folge dies aus dem Schreiben vom 18.06.2021. Die Beklagte ginge in diesen Schreiben selbst davon aus, dass dem Arbeitsvertrag der Klägerin eine dynamische Bezugnahmeklausel ohne Einschränkungen zu entnehmen sei.

Die Klägerin und Berufungsklägerin stellt im Berufungsverfahren folgende Anträge:

Es wird beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 16.01.2023, Az.:

3 Ca 2402/22, abzuändern und wie folgt zu erkennen:

I. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 772,52 € brutto nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.07.2020 ein Entgelt nach der Gehaltsgruppe 10b gemäß den zum Fälligkeitszeitpunkt geltenden Regelungen gemäß dem Tarifvertrag für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie vom 08.02.2018 in der Fassung vom 19.04.2021 zwischen dem Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V. und der Gewerkschaft IG Metall abgeschlossenen Tarifverträge für die Beschäftigten der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie zu zahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass durch die Formulierung „gelten“ in Ziff. 5 des Arbeitsvertrages die Regelung in § 4 Abs. 1 TVG aufgegriffen worden sei. Daraus folge, dass nur die Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollen, an die der Arbeitgeber normativ gebunden sei. Auf die Verwendung des Wortes „soweit“ komme es nicht an. Vielmehr sei durch die Verwendung des Wortes „Tarifgebundenheit“ sogar noch stärker hervorgehoben, dass die Tarifbindung der Arbeitgeberin zur Bedingung der zeitdynamischen Verweisung gemacht werden sollte. Auch werde das gewonnene Verständnis durch die Formulierung „räumlich und fachlich geltenden Tarifverträge“ begründet. Eine Ewigkeitsbindung sei gerade nicht beabsichtigt gewesen. Zudem unterfalle der Unternehmensgegenstand der Beklagten gerade nicht dem tariflichen Anwendungsbereich. Auch aus den weiteren Regelungen des Arbeitsvertrages sei eine unbedingte zeitdynamische Verweisung nicht abzuleiten. Hierfür bestünden keine Anknüpfungspunkte. Vielmehr sollte insoweit allein Ziff. 5 des Arbeitsvertrages für die Frage der Anwendbarkeit der Tarifverträge maßgebend sein. Bei dem Schreiben vom 27.05.2020 habe es sich allein um ein Unterrichtungsschreiben gemäß § 613a Abs. 5 BGB gehandelt. Dies sei allein als Wissenserklärung zu verstehen. Auch das Schreiben der Beklagten vom 18.06.2021 enthalte keine eigenständige dynamische Bezugnahmeklausel. Es handele sich ersichtlich lediglich um ein Informationsschreiben. Es sei klargestellt worden, dass allein auf die arbeitsvertragliche Regelung Bezug genommen werden sollte. Ein neues Vertragsangebot sei gerade nicht unterbreitet worden. Für die Anwendung der Unklarheitenregelung des §§ 305c Abs. 2 BGB bestünde kein Raum.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Feststellungen des Sachverhalts im arbeitsgerichtlichen Urteil, auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht vom 16.01.2023 und dem Landesarbeitsgericht vom 09.08.2023 Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, c ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6, Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, die gemäß § 613a Abs. 1 S. 1 BGB auf das Arbeitsverhältnis der Parteien unverändert übergegangen sind, der Tarifvertrag für die bayerische Metall- und Elektroindustrie vom 08.02.2018 in der Fassung vom 19.04.2021 keine Anwendung. Folglich besteht für die Klageanträge keine Grundlage.

Die Kammer folgt den ausführlichen und sorgfältigen Gründen und Erwägungen der arbeitsgerichtlichen Entscheidung, denen sie sich anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Lediglich im Hinblick auf die in der Berufung von der Beklagten vorgetragenen Argumente ist auf Folgendes hinzuweisen:

Grundlage der geltend gemachten Ansprüche ist die Geltung der Tarifverträge für die bayerische Metall- und Elektroindustrie vom 08.02.2018 in der Fassung vom 19.04.2021. Infolge des Betriebsübergangs des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte mit Wirkung zum 01.07.2020 gelten die benannten Tarifverträge nach Maßgabe des Arbeitsvertrages der Parteien nur in der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien. Die einschlägigen Tarifverträge sollten nur dann in ihrer jeweils gültigen Fassung zur Anwendung kommen, wenn die Arbeitgeberin ihrerseits an diese Tarifverträge iSd. TVG gebunden ist. Ziff. 5 des Arbeitsvertrages bestimmt eine nur bedingte zeitdynamische Verweisung. Andere Anspruchsgrundlagen liegen nicht vor.

1. Eine unbedingte dynamische Verweisung der Tarifverträge für die bayerische Metall- und Elektroindustrie ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag, insbesondere nicht aus Ziff. 5 des Arbeitsvertrages der Parteien.

1.1. Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Bestimmungen nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) auszulegen sind.

1.2. Eine Gleichstellungsabrede im Sinne einer nur bedingten zeitdynamischen Verweisung auf Tarifverträge setzt voraus, dass die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist. Dies ist – auch bei nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 abgeschlossenen Neuverträgen wie dem vorliegenden – jedenfalls dann anzunehmen, wenn bereits im Wortlaut der Klausel mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, dass die Anwendung der Tarifverträge von der Tarifbindung des Arbeitgebers abhängig ist (BAG v.05.07.2017 – 4 AZR 867/16).

Das ist vorliegend der Fall.

1.3. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, aber zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Rechtsgeschäftliche Willenserklärungen sind grundsätzlich nach einem objektivierten Empfängerhorizont auszulegen. Dabei haben die Motive des Erklärenden, soweit sie nicht in dem Wortlaut der Erklärung oder in sonstiger, für die Gegenseite hinreichend deutlich erkennbaren Weise ihren Niederschlag finden, außer Betracht zu bleiben. Soweit ein Vertragspartner vom Wortlaut abweichende Regelungsziele verfolgt, können diese danach nur in die Auslegung eingehen, wenn sie für den anderen Vertragspartner mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen. Es besteht keine Verpflichtung des Erklärungsempfängers, den Inhalt oder den Hintergrund des ihm regelmäßig formularmäßig gemachten Angebots durch Nachfragen aufzuklären. Kommt der Wille des Erklärenden nicht oder nicht vollständig zum Ausdruck, gehört dies zu dessen Risikobereich. Lediglich wenn von den Parteien weitere Tatsachen vorgetragen werden oder sonst ersichtlich sind, die Zweifel an der wortgetreuen Auslegung der Vertragsklausel begründen können, weil sie für beide Seiten erkennbar den Inhalt der jeweils abgegebenen Willenserklärungen in einer sich im Wortlaut nicht niederschlagenden Weise beeinflusst haben, besteht Anlass, die Wortauslegung in Frage zu stellen. Die möglichen Motive der Vertragsparteien können dabei für sich genommen keinen entscheidenden Einfluss auf die Auslegung der Verweisungsklausel haben, zumal sie in der Regel heterogen sind. Ist der Arbeitgeber tarifgebunden, liegt es zwar nahe, in der beabsichtigten Gleichstellung tarifgebundener mit nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern ein ggf. auch vorrangiges Motiv für das Stellen einer Verweisungsklausel zu sehen. Die mögliche Tarifgebundenheit des Arbeitgebers ist jedoch kein Umstand, der für die Auslegung einer dem Wortlaut nach eindeutigen Verweisungsklausel maßgeblich sein kann, wenn der Arbeitgeber sie nicht ausdrücklich oder in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Weise zur Voraussetzung oder zum Inhaltselement seiner Willenserklärung gemacht hat. Dies gilt umso mehr, als dem Arbeitgeber eine entsprechende Vertragsgestaltung ohne Schwierigkeiten möglich wäre. Er ist es, der die Verweisungsklausel formuliert. Deshalb ist eine unterschiedliche Auslegung desselben Wortlauts je nachdem, ob der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Vereinbarung tarifgebunden war oder nicht, ohne Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte nicht zu rechtfertigen. Dies gilt auch für dynamische Verweisungsklauseln (vgl. insgesamt: BAG 18.04.2007 – 4 AZR 652/05; LAG Rheinland-Pfalz v. 05.05.2021 – 285/20).

1.4. Grundsätzlich kommt der Gleichstellungszweck jedenfalls dann ausreichend zum Ausdruck, wenn die einschlägigen Gesetzesvorschriften in die Bezugnahmeklausel aufgenommen werden. Die Aufnahme der Normen des TVG zur Tarifbindung ist jedoch für die Vereinbarung einer Gleichstellungsabrede nicht zwingend erforderlich. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber, der die Klausel formuliert, den Zweck und die Folgen der Regelung ausreichend zum Ausdruck bringt (BAG 05.07.2017 – 4 AZR 867/16).

1.5. Die Auslegung der Regelungen des Arbeitsvertrages der Parteien ergibt, dass auf das Arbeitsverhältnis (nur) die Tarifverträge Anwendung finden sollen, an die der Arbeitgeber normativ gebunden ist. Eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den in Bezug genommenen Tarifvertrag ist in einer für die Klägerin erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden, auch wenn die Folgen der Beendigung der Tarifbindung in der Klausel nicht ausdrücklich beschrieben werden.

1.5.1. Dieses Verständnis folgt aus der Regelung in Ziff. 5 des Arbeitsvertrages: „Auf das Arbeitsverhältnis finden die aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers für den Betrieb räumlich und fachlich geltenden Tarifverträge (derzeit für die Metall- und Elektroindustrie Bayern) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung, soweit sie unter den persönlichen Geltungsbereich fallen und im Einzelfall nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist.“

Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass mit dem Vorbehalt in Ziff. 5 des Arbeitsvertrags – „die aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers (…) geltenden Tarifverträge“ – die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihre Tarifgebundenheit an den in Bezug genommenen Tarifvertrag in hinreichend erkennbarer Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht hat, auch wenn die Folgen der Beendigung der Tarifbindung in der Klausel nicht ausdrücklich beschrieben werden. Mit dieser Formulierung („aufgrund der Tarifgebundenheit“) wurde ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur dann auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden sollte, wenn eine Tarifgebundenheit nach Maßgabe des Tarifvertragsgesetzes vorlag. Die Tarifgebundenheit ist gesetzlich in § 3 TVG geregelt, danach sind tarifgebunden die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist. Zudem erfassen nach § 5 Abs. 4 TVG mit ihrer Allgemeinverbindlichkeitserklärung die Rechtsnormen des Tarifvertrags in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Die Klägerin kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten die von ihr beabsichtigte Rechtsfolge deutlicher, z.B. durch eine Regelung „soweit sie verbindlich sind“ oder „gelten“, hätte zum Ausdruck bringen müssen. Die Klägerin verkennt insoweit, dass die durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten verwandte Regelung „aufgrund der Tarifgebundenheit“ in vollständiger Klarheit das Erfordernis der Tarifgebundenheit abbildet.

Entgegen des Berufungsvorbringens bedurfte es insoweit auch keiner gesonderten Aufnahme der Einschränkung der Anwendung („soweit anzuwendende“, „geltende Tarifverträge“) der in Bezug genommenen Tarifverträge. Die durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten verwandte Verweisungsregelung stellte vielmehr von vornherein darauf ab („aufgrund der Tarifgebundenheit“), dass eine Anwendung der Tarifverträge unter der Bedingung der Tarifbindung der Arbeitgeberin stehen sollte.

1.5.2. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sich aus den übrigen Regelungen des Arbeitsvertrages der Parteien und deren Gesamtschau ergeben würde, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge unabhängig von einer Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin gelten würden.

Soweit die übrigen Regelungen des Arbeitsvertrages der Parteien (Ziff. 1, 2, 3, 4 und 7) Bezugnahmen auf die tarifvertraglichen Regelungen enthalten, ist festzustellen, dass diese in keiner Weise – abweichend von der Regelung in Ziff. 5 des Arbeitsvertrages – gesonderte konstitutive Regelungen zur Anwendbarkeit der in Bezug genommenen Tarifverträge regeln sollten. In dieser Weise konnten die benannten Regelungen nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht verstanden werden. Vielmehr knüpfen die benannten Regelungen (beispielsweise: „gemäß Tarifvertrag“, „richtet sich nach den einschlägigen Tarifverträgen“, „führen Sie in der Entgeltgruppe 05 in der Stufe A0 des Tarifvertrages“, „gelten die einschlägigen tariflichen Bestimmungen“) an der zentralen Verweisungsregelung in Ziff. 5 des Arbeitsvertrages an und legen diese zugrunde.

Jedenfalls ist festzustellen, dass den Regelungen in den Ziff. 1, 2, 3, 4 und 7 keinerlei Anknüpfungspunkte zu entnehmen sind, dass diese gesondert bestimmen sollten, inwieweit die in Bezug genommenen Tarifverträge im Falle der fehlenden Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin zur Anwendung gelangen sollten. Diese Frage wird vielmehr allein durch die Regelung in Ziff. 5 des Arbeitsvertrages bestimmt.

1.6. Damit bleibt entgegen der Auffassung der Klägerin auch kein Raum für eine Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB. Dies setzt voraus, dass die Auslegung nach den einschlägigen Auslegungsregeln zu nicht behebbaren Zweifeln führt (BAG 17.10.2007 – 4 AZR 812/06), was – wie dargelegt – gerade nicht der Fall ist.

2. Eine unbedingte dynamische Verweisung auf die Tarifverträge für die bayerische Metall- und Elektroindustrie ergibt auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 27.05.2020.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend bewertet, dass im Unterrichtungsschreiben vom 27.05.2020 auf Seite 5 lediglich allgemeine Ausführungen zu den unterschiedlichen Konstellationen im Zusammenhang eines Betriebsübergangs mit Bezugnahmeklauseln erfolgen. Erkennbar sollten in diesem Schreiben anlässlich des im Wege des Betriebsübergangs anstehenden Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte lediglich die durch § 613a BGB bestimmten Rechtsfolgen abgebildet werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte der Klägerin – abweichend von den bisherigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses – neue Regelungen zur Geltung von Tarifverträgen unterbreitet hat, sind dem Schreiben gerade nicht zu entnehmen. Entsprechende Anhaltspunkte wurden auch durch die Klägerin nicht dargelegt.

3. Eine unbedingte dynamische Verweisung auf die Tarifverträge für die bayerische Metall- und Elektroindustrie ergibt sich auch nicht aus den Schreiben der Beklagten vom 18.06.2021.

Auch diesem Schreiben sind keine Anknüpfungspunkte zu entnehmen, dass mit diesem eine eigenständige und die bisherigen arbeitsvertraglichen Regelungen abändernde Vereinbarung über eine unbedingte dynamische Geltung der Tarifverträge der bayerischen Metall- und Elektroindustrie getroffen werden sollte. Vielmehr nahm das Schreiben vom 18.06.2021 ausschließlich Bezug auf die geltenden arbeitsvertraglichen Bedingungen und sollte der Klägerin „Unabhängig davon …“ die Zahlung der tarifvertraglich vereinbarten Corona-Prämie gewähren.

Auch wenn durch die Beklagte im Schreiben vom 18.06.2021 feststellt wurde, „dass der jeweils aktuelle Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie Bayern auf Ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet“, handelt es sich erkennbar um eine bloße – und rechtlich unzutreffende – Wissens- und keine rechtsgestaltende Willenserklärung. Auf die ausführliche und zutreffende Begründung des maßgebenden Regelungsverständnisses kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Gesetzliche Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

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