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Arbeitsrecht
15.01.2009
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Arbeitsvergütung - Rechtsweg im Insolvenzverfahren

LAG Nürnberg, Beschluss vom 8.12.2008 - 2 Ta 187/08

Sachverhalt

I. Der Beklagte Insolvenzverwalter fordert vom Kläger Rückzahlung der vom Schuldner vor Insolvenzeröffnung geleisteter Vergütungszahlungen wegen Anfechtbarkeit der Erfüllungshandlung (§§ 129 ff. InsO). Der Kläger hat gegen den Beklagten eine negative Feststellungsklage beim Arbeitsgericht Bayreuth - Kammer Hof - erhoben. Der Beklagte hat den Rechtsweg gerügt und vorgetragen, das Landgericht sei zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 22.07.2008 den Rechtsweg für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Hof verwiesen. Der sofortigen Beschwerde des Klägers hat es mit Beschluss vom 30.09.2008 nicht abgeholfen. Es hat ausgeführt, der Rückgewähranspruch wurzle im Insolvenzrecht und damit in einer bürgerlich-rechtlichen Rechtsvorschrift, er sei nicht etwa die bloße Umkehrung des arbeitsgerichtlichen Vergütungsanspruchs des Klägers unter Bezugnahme auf BGH vom 07.05.1991, Az.: IX ZR 30/90. Entgegen der Auffassung des BAG vom 27.02.2008, Az.: 5 AZB 43/07 (NZA 2008, 549) sowie des Thüringer Landesarbeitsgerichts (Beschluss vom 06.02.2008, Az.: 1 Ta 157/07) komme es für die Rechtswegzuständigkeit entscheidend darauf an, in welchem Rechtsgebiet der Rechtsstreit wurzle, vorliegend also im Insolvenzrecht, welches zur Zuständigkeit der Zivilgerichte gehöre, nicht etwa auf eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise aus Sicht des betroffenen Arbeitnehmers. Im Übrigen wird auf den Beschluss vom 22.07.2008 und den Nichtabhilfebeschluss vom 30.09.2008 verwiesen sowie auf die Beschwerdebegründung und den weiteren Schriftsatz des Klägers vom 24.11.2008, sowie den Schriftsatz des Beklagten vom 27.11.2008.

Aus den Gründen

II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache auch begründet.

Das Beschwerdegericht folgt zunächst der Entscheidung des BAG vom 27.02.2008, Az.: 5 AZB 43/07 = AP Nr. 8 zu § 3 ArbGG 1979. Die Rechtsprechung des BGH (vom 07.05.1991, Az.: IX ZR 30/90; 02.06.2005, Az.: 9 ZB 235/04 = NJW RR 2005, 1138) steht im Streitfall der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten nicht entgegen. 1. Der BGH hat zwar im Leitsatz zu 1. in der Entscheidung vom 02.06.2005 sowie in der Entscheidung vom 07.05.1991, Az.: IX ZR 30/90 (Rz. 20 im juris-Ausdruck) erklärt, dass der Rechtsstreit über den konkursrechtlichen Anfechtungsanspruch als bürgerliche Rechtsstreitigkeit vor die ordentlichen Gerichte (§ 13 zum GVG) gehört, er hat aber in beiden genannten Entscheidungen darauf abgestellt, ob eine gesetzliche Rechtswegzuweisung vorliegt. Im Fall der Entscheidung vom 02.06.2005 hat er auf die Rechtswegzuweisung des § 51 Abs. 2 Satz 3 SGG abgestellt, wonach der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben war. Im Fall der Entscheidung vom 07.05.1991 hat er erklärt, beim Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswegzuweisung richte sich der Rechtsweg nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird und hat angenommen, dass wegen Fehlens einer ausdrücklichen Rechtswegzuweisung der Rechtsstreit über den konkursrechtlichen Anfechtungsanspruch als bürgerliche Rechtsstreitigkeit vor die ordentlichen Gerichte gehört.

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts haben die Vorschriften der §§ 129 ff. InsO die Funktion von Haftungsnormen und sind deshalb hinsichtlich des Rechtswegs ebenso zu bewerten wie der frühere § 419 BGB, §§ 25, 28 HGB, bei denen die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 3 ArbGG angenommen wird (vgl. Matthes/ Prütting/Müller-Glöge ArbGG 6. Aufl., § 3 Rz. 10 m.w.N.).

2. Das Insolvenzrecht stellt systematisch eine Ergänzung des 8. Buches der Zivilprozessordnung dar (vgl. FK-InsO 3. Aufl., § 1 Rz. 3). Im Vordergrund des Insolvenzverfahrens steht die Haftungsverwirklichung mit dem Ziel, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen (vgl. Braun/Kießner InsO 3. Aufl. § 1 Rz. 3). Der haftungsrechtliche Charakter der §§ 129 ff. InsO kommt dadurch zum Ausdruck, dass der Rückgewähranspruch aus § 143 InsO nicht etwa voraussetzt, dass der Anfechtungsgegner, hier im Fall der Lohnzahlung, den Lohnanspruch etwa gar nicht erworben hat, sondern der Rückgewähranspruch auch bestehen kann, wenn der Anfechtungsgegner einen im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bestehenden und unanfechtbaren Anspruch hatte (vgl. FK-InsO 3. Aufl. Dauernheim § 130 Rz. 24). Das Argument, dass der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch nicht die Umkehrung des Ausgangsanspruchs ist, steht der Annahme einer haftungsrechtlichen Norm nicht entgegen. Vielmehr ist es das Wesen einer Haftungsnorm, dass eine Einstandspflicht für eine fremde Leistungsverpflichtung besteht. Die Vorschriften der §§ 129 ff. InsO haben somit die Funktion von Haftungsnormen und sind deshalb hinsichtlich des Rechtswegs ebenso zu bewerten wie zum Beispiel § 419 BGB a.F., §§ 25, 28 HGB, bei denen eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 3 ArbGG angenommen wird. Auch nach der Rechtsprechung des BGH ist der Begriff des „Rechtsnachfolgers" im Sinne des § 3 ArbGG weit auszudehnen. In der Entscheidung vom 16.11.2006, Az.: IX ZB 57/06 hat der BGH es genügen lassen, dass ein Dritter den Rechtsstreit „anstelle" der in §§ 2, 2a ArbGG genannten Prozesspartei führt und eine ähnliche Lage angenommen, wenn ein Arbeitnehmer des Schuldners gegen den Insolvenzverwalter einen Anspruch aus § 61 InsO geltend macht. Es handle sich zwar nicht um eine Rechtsstreitigkeit zwi2 schen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, der Insolvenzverwalter führe jedoch den Rechtsstreit „anstelle des Arbeitgebers". Auf den Status des Insolvenzverwalters als Partei kraft Amtes stellt Koch, Erfurter Kommentar, 8. Aufl. ab (§ 3 ArbGG Rz. 2 i.V.m. § 2 Rz. 16a). Der BGH stellt darauf ab, ob sich das Klagebegehren nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen bei objektiver Würdigung aus einem Sachverhalt herleitet, der nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist. Bei der „Natur" des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, ist zu berücksichtigen, dass die Vorschriften der §§ 129 ff. InsO besondere vollstreckungsrechtliche Vorschriften darstellen und wie Haftungsvorschriften wirken, die dazu dienen, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen. Der vom BGH angeführte, grundsätzlich zutreffende Prüfungsansatz, die Natur eines Rechtsverhältnisses nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen bei objektiver Würdigung des Sachverhalts festzustellen, erfordert die Einbeziehung des Ausgangsanspruchs.

Diesen Prüfungsschritt hat ersichtlich auch der BGH wiederholt angewandt. In der Entscheidung vom 16.11.2006 (a.a.O.) hat er nämlich darauf abgestellt, dass der Insolvenzverwalter den Rechtsstreit „anstelle des Arbeitgebers" führe. Auch in der Entscheidung vom 02.06.2005 (a.a.O.) hat er den Ausgangsanspruch in seine Rechtswegprüfung einbezogen, da er sonst nicht hätte feststellen können, dass der Rechtsstreit nach § 51 Abs. 2 Satz 3 SGG zu den Sozialgerichten gehört. In dieser Entscheidung wurde nicht thematisiert, ob ein Konkurrenzverhältnis zwischen § 2 InsO und § 51 Abs. 2 Satz 3 SGG besteht (vgl. zur Abgrenzung zwischen Insolvenzsachen mit ausschließlicher Zuständigkeit und Rechtsstreiten aus Anlass des Insolvenzverfahrens Braun/Kießner, a.a.O., § 2 Rz. 6; FK-InsO Schmerbach, 3. Aufl., § 2 Rz. 5). Da der Ausgangsanspruch bei der Feststellung der Rechtsnatur auch nach der tatsächlichen Praxis der BGH-Rechtsprechung einzubeziehen ist, ergibt sich im Streitfall, dass nach § 3 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben ist, da der Insolvenzverwalter in der Funktion eines Rechtsnachfolgers handelt.

Der Beklagte, der auf einen die BAG-Entscheidung vom 27.02.2008 ablehnenden Kurzkommentar von Weitzmann in EWiR Heft 9, 2008 verweist, hat in einer gleichgelagerten Sache Rechtsbeschwerde zum BGH gegen die Entscheidung des Landgerichts Bayreuth vom 24.07.2008, Az.: 12 T 40/08 eingelegt. Die Rechtsbeschwerde ist beim BGH anhängig unter dem Aktenzeichen IX ZP 108/08.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da die Beschwerde erfolgreich war (vgl. Walker/Weth, Walker Arbeitsgerichtsgesetz, § 48 Rz. 72).

Gegen diese Entscheidung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung (§§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG) die Rechtsbeschwerde zugelassen.

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