LAG Baden-Württemberg: Arbeitnehmerstatus eines Co-Trainers abgelehnt
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 5.9.2019 – 15 Ta 2/19
Volltext: BB-ONLINE BBL2020-180-2
Amtlicher Leitsatz
Eine Tätigkeit als Trainerassistent in einem Sportverein kann sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch als selbstständige Tätigkeit geleistet werden. Liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich um eine abhängige Beschäftigung handelt, kann eine solche somit nicht allein aus der Tätigkeit "Trainerassistent" oder "Co-Trainer" abgeleitet werden.
Sachverhalt
I.
Die Parteien streiten vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen. In der Hauptsache verfolgt der Kläger einen Anspruch auf „Vergütung bzw. Aufwandsentschädigung“ als Trainerassistent für verschiedene weibliche Hockey-Mannschaften (Jugend und Damen). Er begründet seinen insgesamt mit 1 530,00 EUR netto bezifferten Anspruch damit, der hauptamtliche Damentrainer, zugleich sportlicher Leiter des weiblichen Sektors des beklagten Sportvereins, habe ihm im Fall eines Wechsels zu seinem Verein eine Aufwandsentschädigung für seine Tätigkeit als Co-Trainer in der üblichen Höhe bzw. in selber Höhe wie bei seinem bisherigen Sportverein zugesagt. Üblich sei jedenfalls für einen Trainer mit C- und B-Lizenz eine Aufwandsentschädigung von mindestens 15,00 EUR netto pro Stunde. Der beklagte Verein ist der Auffassung, der Kläger habe - wie viele andere Eltern von hockeyspielenden Kindern - ehrenamtlich beim Training und bei der Betreuung der Jugendmannschaft seiner Tochter gearbeitet.
Nachdem das Arbeitsgericht Zweifel an der Eröffnung des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen geäußert hatte, erhob der Beklagte eine entsprechende Rüge (vgl. Schriftsatz vom 07.01.2019).
Der Kläger hält die Gerichte für Arbeitssachen für zuständig. In einem vergleichbaren Sachverhalt (Streit um die Vergütung eines nebenberuflichen Fußballtrainers) sei die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Stuttgart im Verfahren 16 Ca 10126/08 nicht in Frage gestellt worden. Gleichermaßen sei die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts in einem Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 24.06.2010 (10 Sa 77/10) für einen Rechtsstreit über Verzugslohnansprüche eines Fußballtrainers einer in der Oberliga spielenden Mannschaft bejaht worden. Weshalb dies hier anders zu beurteilen sein solle, erschließe sich nicht.
Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 17.01.2019 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen unzulässig sei, und hat den Rechtsstreit an das Amtsgericht Stuttgart verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nicht Arbeitnehmer im Sinne von § 5 ArbGG, mithin sei auch die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG zu verneinen. Arbeitnehmer sei, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines Anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet sei. Nach allgemeinen Grundsätzen habe es hier dem Kläger oblegen, die Tatsachen, die seine Weisungsgebundenheit stützen sollten, darzulegen. Dies sei nicht erfolgt. Tatsachen, die auf seine Stellung als arbeitnehmerähnliche Person schließen ließen, lägen ebensowenig vor. Der Rechtsstreit sei somit gemäß § 17a Abs. 2, Abs. 4, §§ 13, 23 GVG an das örtlich zuständige Amtsgericht Stuttgart zu verweisen.
Dieser Beschluss wurde dem Kläger am 19.03.2019 zugestellt. Schon am 14.03.2019 ging die vorliegende sofortige Beschwerde des Klägers beim Landesarbeitsgericht ein. Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, er habe dargelegt, dass er als Co-Trainer für den beklagten Verein tätig gewesen sei. Hieraus ergebe sich zwanglos, dass er direkt dem Chef-Trainer Herrn M. H. und generell natürlich auch dem Verein bzw. dessen für den vom Kläger betreuten Bereich zuständigen Organen und Gremien unterstellt und weisungsgebunden gewesen sei. Der Co-Trainer sei der Trainerassistent. Dieser assistiere dem verantwortlichen Cheftrainer bei dessen Arbeit. Diese Assistententätigkeit setze zwingend eine Weisungsgebundenheit voraus.
Mit Verfügung vom 18.03.2019 legte das Landesarbeitsgericht dem Arbeitsgericht die sofortige Beschwerde zur Abhilfeprüfung vor. Die Parteien nahmen innerhalb der ihnen vom Arbeitsgericht gesetzten Stellungnahmefrist nicht weiter Stellung. Mit Beschluss vom 25.04.2019 half das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht ab und legte diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Zur Begründung führte es aus, die Tatsache, dass der Kläger als Trainerassistent tätig gewesen und insoweit in die Organisation des Vereins eingebunden gewesen sei, sei nicht ausreichend für den Schluss auf eine Arbeitnehmereigenschaft. Tatsachen, die auf eine weisungsgebundene Tätigkeit aufgrund verbindlicher Vorgaben schließen ließen, seien damit nicht vorgebracht. Sachzwänge, die sich aus der Natur der Tätigkeit ergäben, hätten im Hinblick auf die Statusprüfung keine Aussagekraft. Nach den Gesamtumständen spreche nichts für einen Arbeitnehmerstatus des Klägers. Dahingestellt bleiben könne, ob er seine Tätigkeit als freier Dienstnehmer oder ehrenamtlich erbracht habe.
Nachdem die Akte des Ausgangsverfahrens mit dem Nichtabhilfebeschluss beim Landesarbeitsgericht am 06.08.2019 wieder eingetroffen war, gab das Landesarbeitsgericht mit Verfügung vom 07.08.2019 dem Kläger Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme unter Berücksichtigung des Nichtabhilfebeschlusses bis spätestens 21.08.2019 und der Beklagten Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme bis spätestens 04.09.2019.
Der Kläger nahm nicht mehr Stellung; der beklagte Verein bekräftigte seine Rechtsauffassung.
Aus den Gründen
II.
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig. Sie ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 48 Abs. 1 ArbGG iVm. § 17a Abs. 2, Abs. 4 Satz 3 GVG, § 78 ArbGG und § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 Abs. 1, Abs. 2 ZPO).
2. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist jedoch unbegründet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist vorliegend nicht eröffnet, vielmehr ist der Rechtsweg in die ordentliche Gerichtsbarkeit gegeben. Zutreffend hat das Arbeitsgericht angenommen, dass eine Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht aus der hier allein in Betracht kommenden Norm des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG folgt.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, dass keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt, wie § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG voraussetzt, weil der Kläger nicht Arbeitnehmer des beklagten Vereins im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG war und weil er ebensowenig im Verhältnis zum beklagten Verein eine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG war.
Im Hinblick auf die Frage der Arbeitnehmerähnlichkeit ist der Bewertung des Arbeitsgerichts, auf die der Kläger im Rahmen seiner Beschwerde nicht weiter eingegangen ist, nichts hinzuzufügen.
Der Kläger war aber auch nicht Arbeitnehmer des beklagten Vereins, weil er auch hierfür die Voraussetzungen nicht erfüllt.
Arbeitnehmer sind nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Der Bestimmung des § 5 Abs. 1 ArbGG liegt der allgemeine nationale Arbeitnehmerbegriff zugrunde, der seit dem 01.04.2017 durch die Aufnahme des Arbeitsvertrags als eigenständigen Vertragstyps in § 611a BGB normiert ist. Durch den Arbeitsvertrag wird danach der Arbeitnehmer im Dienste eines Anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet (§ 611a Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen (Satz 2). Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (Satz 3). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab (Satz 4). Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen (Satz 5). Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an (Satz 6).
Eine Tätigkeit als Trainerassistent in einem Sportverein kann entgegen der Auffassung des Klägers sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch als selbstständige Tätigkeit geleistet werden. Das ist für die sozialrechtliche Abgrenzung zwischen versicherungspflichtiger und selbstständiger Tätigkeit beim Trainerberuf bereits anerkannt (vgl. Hessisches Landessozialgericht 06.04.2005 - L 8/14 KR 30/04 - Juris Rn. 33 ff.). Für die arbeitsrechtliche Beurteilung gilt nichts Abweichendes.
Liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich um eine abhängige Beschäftigung handelt, kann eine solche somit nicht allein aus der Tätigkeit „Trainerassistent“ oder „Co-Trainer“ abgeleitet werden. Wie das Hessische Landessozialgericht (06.04.2005 - L 8/14 KR 30/04 - aaO) für den dort betroffenen Trainerassistenten ausgeführt hat, kann gerade im Rahmen von kurzfristigen Einsätzen ein für die selbstständige Tätigkeit ausreichendes Maß an individueller Gestaltungsfreiheit bestehen, das dazu führt, dass keine Weisungsgebundenheit im Sinne einer Arbeitnehmerstellung vorliegt. Unschädlich ist, wenn der Trainerassistent in einem bestimmten äußeren Umfang den Weisungen des Cheftrainers unterliegt, der - als Verantwortlicher für den sportlichen Erfolg der Mannschaft - den Rahmen vorgibt, in dem beispielsweise das Training stattfindet. Es genügt, dass beispielsweise bestimmte Aufgabenbereiche zur selbstständigen Erledigung übertragen werden wie etwa ein spezielles Athletiktraining oder Individualtraining für einzelne Spieler. Ein Trainerassistent, der dem Cheftrainer nicht nur helfend zur Hand geht, sondern in den ihm übertragenen Bereichen kraft seiner besonderen Sachkunde eigenständig und frei von Weisungen arbeitet, ist nicht automatisch abhängig beschäftigt, sondern es müssen Umstände hinzutreten, die diese Bewertung rechtfertigen.
Hier trägt der Kläger vor, er sei bei Vorbereitungsturnieren am 05.11.2017 und am 11./12.11.2017 unterstützend und vertretend für den hauptamtlichen Damen-Trainer als Co-Trainer tätig gewesen. Vor jedem Turnier und Meisterschaftsspiel habe er grundsätzlich allein das Athletiktraining begleitet und beaufsichtigt. In N. habe er zudem einen Aufwärmungslauf und die Strecke dafür selbst vorbereiten müssen. Am 19.11.2017 habe er das Meisterschaftsspiel allein betreut und gecoacht. Ferner habe er bei ca. 15 Spielen Videoaufnahmen für die Mannschaft der Mädchen A und die Mannschaft der weiblichen Jugend B alleine durchgeführt, die im Nachgang zur Videoanalyse verwendet worden seien (vgl. Seite 3 der Klageschrift). Dies belegt, dass der Kläger - wie der Kläger im Fall des Hessischen Landessozialgerichts - kurzfristige Einsätze hatte, dass ihm bestimmte Aufgabenbereiche zur selbstständigen Erledigung übertragen worden waren und dass er in den ihm übertragenen Bereichen eigenständig und frei von Weisungen gearbeitet hat. Wie das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat, hätte es dem Kläger prozessual oblegen, unter diesen Umständen angesichts des Streits über die richtige Beurteilung seines Status mehr konkreten Sachverhalt zu liefern, aus dem sich seine Weisungsgebundenheit ergeben hätte. Die Gesamtbetrachtung der dem Beschwerdegericht vorliegenden Umstände ergibt somit ein Überwiegen der Umstände, die für eine selbstständige Tätigkeit - oder für eine ehrenamtliche Tätigkeit - sprechen, jedenfalls aber nicht für eine weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit.
Daran ändert der Umstand nichts, dass in einem anderen Fall anderer Parteien vom Arbeitsgericht Stuttgart eine Arbeitnehmereigenschaft bejaht wurde. Der Kläger hat nichts zu dem dortigen Sachverhalt vorgetragen und nichts zu den Gründen der dortigen rechtlichen Bewertung, so dass das Beschwerdegericht sich nicht mit sachlichen Gesichtspunkten betreffend diesen anderen Fall auseinandersetzen kann.
Ebensowenig verhilft dem Kläger seine Bezugnahme auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24.06.2010 (10 Sa 77/10 - aaO) zum Erfolg. Im dortigen Fall stand außer Streit, dass der Kläger abhängig beschäftigt war. Es bestand keine Veranlassung, diese von beiden Parteien so getroffene Bewertung in Zweifel zu ziehen. Im Übrigen handelt es sich bei der Ausgestaltung der dortigen Vertragsbedingungen schon auf den ersten Blick um andere. So hatten die dortigen Parteien beispielsweise eine wesentlich differenziertere Vergütungsvereinbarung als die vom Kläger behauptete abgeschlossen.
Nach alledem war die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung.