BAG: Arbeitgeberdarlehen - Auslegung einer Ausgleichsklausel in einem Aufhebungsvertrag
BAG, Urteil vom 19.1.2011 - 10 AZR 873/08
Volltext des Urteils: //BB-Online BBL2011- - unter www.betriebs-berater.de
sachverhalt
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Arbeitgeberdarlehen.
Der Kläger war ursprünglich bei der A AG beschäftigt, die ihm im Jahr 2000 ein Arbeitgeberdarlehen in Höhe von 60.000,00 DM (30.677,51 Euro) mit einem jährlichen Zinssatz von 6 % gewährte. Die Tilgung des Darlehens sollte unabhängig von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Das Arbeitsverhältnis ging im Rahmen eines Betriebsübergangs auf die A GmbH über, auf die auch das Arbeitgeberdarlehen übertragen wurde. Mit Beschluss vom 1.8.2005 eröffnete das Amtsgericht Köln über das Vermögen der A GmbH das Insolvenzverfahren (- 71 IN 285/05 -) in Eigenverwaltung. Mit Beschluss vom 1.1.2006 bestellte das Insolvenzgericht den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
Am 18.12.2005 einigte sich der Kläger mit der Schuldnerin auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2005. Gleichzeitig vereinbarte er mit der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft C GmbH einen sich unmittelbar daran anschließenden, auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag. In Abschn. II der Vereinbarung ist ua. geregelt:
„1. In Kenntnis der in der Präambel genannten Fakten vereinbaren der Arbeitnehmer und A die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus den im Interessenausgleich und Sozialplan vom 18.10.2005 genannten betriebsbedingten Gründen einvernehmlich zum 31.12.2005.
2. Der Arbeitnehmer erklärt, dass er über die Folgen einer solchen einvernehmlichen Beendigung - insbesondere auch dem darin liegenden Verzicht auf das Führen von Bestandsstreitigkeiten gegen seinen Arbeitgeber - belehrt worden ist. Der Arbeitnehmer hatte auch Gelegenheit, sich über diese Folgen ausführlich beraten zu lassen.
3. Ist ein Übertritt in die C zum 01.01.2006 vorgesehen, wird das Arbeitsverhältnis mit A bis zum vereinbarten Beendigungstermin nach Maßgabe der insolvenzrechtlichen Vorschriften ordnungsgemäß fortgeführt und abgerechnet.
4. 5. Mit diesem Vertrag sind sämtliche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche der Vertragsparteien, seien sie bekannt oder nicht bekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, geregelt und abgegolten, sofern es sich nicht um Insolvenzforderungen des Arbeitnehmers handelt und sich aus dem Sozialplan nichts anderes ergibt. Die Behandlung von betrieblichen Altersversorgungsansprüchen richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften."
Der Kläger zahlte die Darlehensraten bis Dezember 2006 weiter. Seitdem verweigert er Zahlungen unter Hinweis auf die Ausgleichsklausel in Abschn. II Ziff. 5 der Vereinbarung. Das Darlehen valutiert noch in Höhe von 20.448,60 Euro.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, aufgrund der Ausgleichsklausel in der Vereinbarung vom 18. Dezember 2005 bestünden aus dem Arbeitgeberdarlehen keine Ansprüche mehr.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass dem Beklagten keine Ansprüche mehr aus dem Arbeitgeberdarlehen Nr. 281851201 gegen ihn zustehen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Ansicht, die Ausgleichsklausel erfasse nur Ansprüche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis, zu denen die Ansprüche aus dem selbstständigen Darlehensvertrag nicht gehörten.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
aus den gründen
9 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger ist weiterhin zur Zinszahlung und zur Rückzahlung des Darlehens bei Fälligkeit verpflichtet (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Beklagte ist an der Geltendmachung dieser Ansprüche aufgrund der Ausgleichsklausel in Abschn. II Ziff. 5 der Vereinbarung vom 18.12.2005 nicht gehindert.
10 I. Der Kläger ist nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Zahlung des geschuldeten Zinses und bei Fälligkeit zur Rückerstattung des ihm zur Verfügung gestellten Darlehens aufgrund des zwischen der früheren Arbeitgeberin und ihm geschlossenen Darlehensvertrags an den Beklagten verpflichtet. Die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers - die A AG - hat die sich aus dem Darlehensvertrag ergebenden Forderungen gemäß § 398 BGB auf die Schuldnerin übertragen. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter ist die Verwaltungs- und Verfügungsgewalt über das Vermögen der Schuldnerin nach § 80 Abs. 1 InsO auf diesen übergegangen. Der Beklagte ist als Insolvenzverwalter daher berechtigt, die sich aus dem Darlehen ergebenden Zahlungsansprüche im eigenen Namen geltend zu machen.
11 II. Entgegen der Auffassung der Revision sind die Ansprüche aus dem Arbeitgeberdarlehen aufgrund der Ausgleichsklausel in der Vereinbarung vom 18. Dezember 2005 nicht erloschen. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen (vgl. zur revisionsrechtlichen Überprüfung der Auslegung von Ausgleichsklauseln: Senat 24.6.2009 - 10 AZR 707/08 (F) - Rn. 23, AP HGB § 74 Nr. 81; 22.10.2008 - 10 AZR 617/07 - Rn. 21, AP HGB § 74 Nr. 82 = EzA HGB § 74 Nr. 70; 8.3.2006 - 10 AZR 349/05 - Rn. 32, BAGE 117, 218 = BB 2006, 1916 Ls; 19.11.2003 - 10 AZR 174/03 - zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 50 = EzA BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 2 = BB 2004, 1280).
12 1. Die sich aus dem Arbeitgeberdarlehen ergebenden Zins- und Rückzahlungsansprüche fallen nicht unter die von den Parteien in Abschn. II Ziff. 5 des Aufhebungsvertrags vereinbarte Formulierung, dass „mit diesem Vertrag ... sämtliche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche ..., seien sie bekannt oder nicht bekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, geregelt und abgegolten" sind.
13 a) Zu den „Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis" gehören alle Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben. Maßgeblich ist der Bereich, in dem der Anspruch entsteht, nicht seine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage. Ob ein Anspruch dem Geltungsbereich einer Klausel unterfällt, die alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst, bemisst sich danach, ob eine enge Verknüpfung des Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis besteht (BAG 24.6.2009 - 10 AZR 707/08 (F) - Rn. 26, AP HGB § 74 Nr. 81; 19.3.2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 25, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17 = BB 2009, 1592). Hat ein Anspruch seinen Grund in der arbeitsvertraglichen Beziehung der Parteien, ist er ein „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis" (BAG 19.3.2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 25, a. a. O.; Senat 24.6.2009 - 10 AZR 707/08 (F) - Rn. 26, a. a. O.; 22.10.2008 - 10 AZR 617/07 - Rn. 24, AP HGB § 74 Nr. 82 = EzA HGB § 74 Nr. 70). Dementsprechend werden nicht nur die sich unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebenden Ansprüche von der Ausgleichsklausel erfasst, sondern beispielsweise auch wechselseitige Ansprüche aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot (BAG 24.6.2009 - 10 AZR 707/08 (F) - Rn. 26, a. a. O.; 18.12.1984 - 3 AZR 383/82 - zu II 1 der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 87 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 61 = BB 1985, 590) oder Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung (BAG 30.10.2008 - 8 AZR 886/07 - Rn. 21, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 192).
14 b) Hiervon abzugrenzen sind jedoch Ansprüche, die sich aus anderen, selbstständig neben dem Arbeitsvertrag abgeschlossenen zivilrechtlichen Verträgen ergeben, wie dies z. B. bei Forderungen aus Werkmietverträgen oder Kaufverträgen der Fall ist (vgl. BAG 20.2.2001 - 9 AZR 11/00 - zu I 2 a aa der Gründe, BAGE 97, 65 = BB 2001, 2222; 27.11.1984 - 3 AZR 596/82 - zu II 1 b der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 89 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 64). Diese Ansprüche fallen regelmäßig nicht unter eine Ausgleichsklausel, die sich lediglich auf „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" bezieht.
15 c) Ansprüche aus einem Arbeitgeberdarlehen werden deshalb von einer Ausgleichsklausel, die nur die Ansprüche aus einem „bestehenden Arbeitsverhältnis" regelt, nicht erfasst.
16 aa) Bei den Ansprüchen des Darlehensgebers aus einem Darlehensvertrag handelt es sich um solche aus einem selbstständig neben dem Arbeitsvertrag abgeschlossenen bürgerlich-rechtlichen Vertrag (vgl. BAG 4.10.2005 - 9 AZR 598/04 - zu 3 a der Gründe, BAGE 116, 104 = BB 2006, 2088 Ls; 23.2.1999 - 9 AZR 737/97 - zu 2 d bb der Gründe, AP BGB § 611 Arbeitnehmerdarlehen Nr. 4 = EzA BGB § 611 Inhaltskontrolle Nr. 7 = BB 1999, 1981). Zwar werden Darlehensverträge zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zumeist mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis zu Sonderkonditionen abgeschlossen. Darlehensvertrag und Arbeitsvertrag bleiben jedoch gleichwohl grundsätzlich rechtlich selbstständig (BAG 23.2.1999 - 9 AZR 737/97 - zu 2 d bb der Gründe, a. a. O.; 23.9.1992 - 5 AZR 569/91 - zu II 2 der Gründe, AP BGB § 611 Arbeitnehmerdarlehen Nr. 1 = EzA GewO § 117 Nr. 1 = BB 1993, 1438; aA Schaub/Linck ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 72 Rn. 8a bei Einräumen von Sonderkonditionen). Der Bestand des Arbeitsverhältnisses ist nur für den Abschluss des Darlehensvertrags, nicht aber für die sich daraus ergebenden Ansprüche maßgeblich. Etwas anderes kann bei Ausgleichsklauseln, die nicht auch Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sondern lediglich „alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" umfassen, nur ausnahmsweise angenommen werden. Ein solcher Ausnahmefall kann gegeben sein, wenn aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Darlehens eine darüber hinausgehende zusätzliche Verknüpfung zum Arbeitsverhältnis besteht (vgl. BAG 28.7.2009 - 3 AZR 250/07 - Rn. 16, AP ArbGG 1979 § 45 Nr. 16; 19.3.2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 26, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17 = BB 2009, 1592).
17 bb) Eine besondere Verknüpfung zum Arbeitsverhältnis liegt im Streitfall nicht vor. Das Darlehen ist dem Kläger zwar mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis und im Verhältnis zum freien Markt mit günstigeren Konditionen (bspw. Verzicht auf weitere Sicherheiten oder eine Bonitätsprüfung) gewährt worden. Entscheidend ist jedoch, dass dem Kläger das Darlehen unabhängig vom weiteren Bestand und der Entwicklung des Arbeitsverhältnisses gewährt worden ist und es auch keiner Zweckbindung unterlag. Dies spricht entscheidend gegen eine zusätzliche Verklammerung mit dem Arbeitsverhältnis.
18 2. Entgegen der Auffassung der Revision werden die Ansprüche aus dem Darlehensvertrag auch von der Formulierung in der Ausgleichsklausel, dass die aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis „abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche" abgegolten sind, nicht erfasst.
19 a) Nach der Rechtsprechung des Neunten Senats des Bundesarbeitsgerichts können Ausschlussfristen Ansprüche aus einem Arbeitgeberdarlehen mit umfassen, wenn sie sich nicht nur auf Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis", sondern auch auf solche Ansprüche beziehen, die mit dem Arbeitsverhältnis „in Verbindung stehen" (vgl. zu § 16 BRTV: 4.10.2005 - 9 AZR 598/04 - zu 3 a aa der Gründe, BAGE 116, 104 = BB 2006, 2088; 20.2.2001 - 9 AZR 11/00 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 97, 65 = BB 2001, 2222). Derart weit gefasste Ausschlussfristen schließen alle Ansprüche in ihren Anwendungsbereich mit ein, die mit dem Arbeitsverhältnis tatsächlich oder rechtlich zusammenhängen. Es genügt ein nur entfernter Zusammenhang. Allerdings muss auch dann das Arbeitsverhältnis zumindest die tatsächliche Grundlage für den Darlehensvertrag gebildet haben. War das Arbeitsverhältnis für den Inhalt oder den Bestand des Darlehensvertrags ohne Bedeutung, findet die Ausschlussfrist selbst bei einer derart weit gefassten Formulierung keine Anwendung (vgl. BAG 4.10.2005 - 9 AZR 598/04 - zu 3 a aa der Gründe, a. a. O.; 20.2.2001 - 9 AZR 11/00 - zu I 2 a der Gründe, a. a. O.).
20 b) Unter die „abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche" fallen aber nicht alle nur in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Ansprüche. Die Ausgleichsklausel erstreckt sich nur auf die sich aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis „abzuleitenden" Ansprüche. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet „ableiten", dass sich etwas aus einem anderen „ergibt" bzw. dass etwas aus einem anderen „folgt" (vgl. Duden Das Bedeutungswörterbuch 3. Aufl. Stichwort „ableiten"). Dementsprechend können nur Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis" gemeint sein. Nur diese lassen sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis herleiten. Die Ansprüche aus einem zusätzlichen Darlehensvertrag ergeben sich nicht aus dem Arbeitsverhältnis, sondern aus einem anderen, selbstständig neben dem Arbeitsvertrag abgeschlossenen zivilrechtlichen Vertrag.
21 c) Im Übrigen lassen sich aus der vertraglich vereinbarten Ausgleichsklausel keine Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, dass mit ihr auch Ansprüche einbezogen werden sollten, die mit dem Arbeitsverhältnis „lediglich in Verbindung stehen". Hiergegen spricht schon der eindeutige Wortlaut der Vereinbarung. Aus dem weiteren Vertragstext und dem mit dem Aufhebungsvertrag verfolgten Sinn und Zweck folgt kein anderes Verständnis der Ausgleichsklausel. Vielmehr spricht die weitere Systematik der Vereinbarung dafür, dass die Parteien das Arbeitgeberdarlehen nicht einbeziehen und ausgleichen wollten. Für sein Einverständnis zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger einen befristeten Arbeitsvertrag bei der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft erhalten. Eine weitere (Gegen-)Leistung für die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses sieht die Vereinbarung nicht vor. Der Ausgleich für den Verlust seines bisherigen Arbeitsplatzes erfolgte vielmehr über die Regelungen des Sozialplans. Dass der Kläger - und einige andere Arbeitnehmer - als Empfänger eines Arbeitgeberdarlehens im Vergleich zu den übrigen Mitarbeitern der Schuldnerin für den Verlust des Arbeitsplatzes eine weitere, im Sozialplan nicht vorgesehene Leistung in unterschiedlicher Höhe erhalten sollten, lässt sich aus der Vereinbarung nicht schließen. Der Verzicht auf die Rückerstattung des Arbeitgeberdarlehens würde zudem ein steuer- und sozialversicherungsabgabenpflichtiges Einkommen darstellen (vgl. Küttner/Schlegel Personalbuch 2010 Arbeitgeberdarlehen Rn. 13, 17). Dies verdeutlicht, dass die Schuldnerin durch die Ausgleichsklausel nicht auf die Rückerstattung des Darlehens hat verzichten wollen. Dies gilt umso mehr, als an die Feststellung eines Verzichtswillens hohe Anforderungen zu stellen sind. Steht fest, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben wollen (vgl. BAG 7.11.2007 - 5 AZR 880/06 - Rn. 22, BAGE 124, 349).
22 d) Schließlich kann aus dem Umstand, dass nach Abschn. II Ziff. 5 der Vereinbarung Insolvenzforderungen, die sich aus dem Sozialplan ergebenden Ansprüche und die Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung von der Ausgleichsklausel ausgenommen werden, nicht geschlossen werden, die Ausgleichsklausel habe die Darlehensansprüche des Beklagten mit erfasst. Werden in einer Vereinbarung bestimmte Ansprüche ausdrücklich von einer Abgeltungsklausel ausgenommen, spricht zwar Einiges für die Annahme, alle anderen Ansprüche sollten zum Erlöschen gebracht werden (vgl. BAG 28.7.2009 - 3 AZR 250/07 - Rn. 18, AP ArbGG 1979 § 45 Nr. 16; 24.6.2009 - 10 AZR 707/08 (F) - Rn. 27, AP HGB § 74 Nr. 81; 19.3.2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 34, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17 = BB 2009, 1592). Dies kann aber nur für die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, nicht für sonstige zivilrechtliche Forderungen gelten.
23 e) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB kein anderes Ergebnis.
24 aa) Nach dieser Norm gehen Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders. Hierfür muss nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleiben. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt mithin voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel" an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (Senat 20.1.2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 17, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 30.7.2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 44, BAGE 127, 185 = BB 2008, 2465 mit BB-Komm. Simon/Greßlin; 24.10.2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 14, BAGE 124, 259 = BB 2008, 166 mit BB-Komm. Lembke).
25 bb) Die Ausgleichsklausel ist nicht unklar. Es bestehen keine erheblichen Zweifel an dem am Wortlaut orientierten Auslegungsergebnis. Allein der Umstand, dass der Richter am Arbeitsgericht als Vorsitzender in der Güteverhandlung eine andere Auffassung vertreten hat, rechtfertigt die Annahme von erheblichen Zweifeln nicht. Nichts anderes gilt für den Fall, dass der Beklagte zunächst selbst eine andere Rechtsauffassung vertreten haben sollte. Es spielt deshalb keine Rolle, ob der Beklagte mit einem der Arbeitnehmer einen von seinem jetzigen Standpunkt abweichenden Vergleich geschlossen hat.
26 III. Die Kostentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
BB-Kommentar
Dr. Bastian-Peter Stenslik, RA/FAArbR, Aulinger Rechtsanwälte, Bochum
„Titel"
Problem
In Aufhebungsvereinbarungen haben die Parteien regelmäßig ein Interesse daran, sämtliche aus dem aufzuhebenden Arbeitsverhältnis resultierenden Rechte und Pflichten abschließend zu klären. Denn die Parteien möchten einen endgültigen Schlussstrich unter das Arbeitsverhältnis ziehen. Oftmals wird daher eine Gesamtausgleichsklausel in eine solche Regelung aufgenommen (Winterhoff, in: Lansnicker (Hrsg.), Prozesse in Arbeitssachen, 2. Aufl. 2011, § 3 Rn. 19). Dann stellt sich aber die Frage, wie weit eine solche Ausgleichsklausel reichen soll, wobei gerade noch laufende Arbeitgeberdarlehen oftmals in der Hitze der Aufhebungsverhandlungen nicht bedacht werden.
Entscheidung
Dem Kläger wurde ein verzinsliches Arbeitgeberdarlehen gewährt, dessen Tilgung unabhängig von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses war. Bereits am 18.12.2005 hatte der Kläger anlässlich einer Insolvenz des Arbeitgebers eine Aufhebungsvereinbarung getroffen, die u. a. folgende Ausgleichsklausel enthielt: „Mit diesem Vertrag sind sämtliche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche der Vertragsparteien, seien sie bekannt oder nicht bekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, geregelt und abgegolten, sofern es sich nicht um Insolvenzforderungen des Arbeitnehmers handelt und sich aus dem Sozialplan nichts anderes ergibt. Die Behandlung von betrieblichen Altersversorgungsansprüchen richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften." Der zunächst die Raten weiterzahlende Kläger erhob nach Zahlungseinstellung Klage auf Feststellung, dass keine Ansprüche aus dem Darlehen mehr bestünden. Das BAG ging bei Klageabweisung davon aus, dass die Darlehensansprüche nicht von der Ausgleichklausel erfasst werden. Von einem „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis" könne nur die Rede sein, wenn dieser aus einem eng mit dem Arbeitsverhältnis verknüpften Lebensvorgang resultiere, also aus der arbeitsvertraglichen Beziehung selbst. Dies sei nicht der Fall bei einem neben dem Arbeitsvertrag abgeschlossenen zivilrechtlichen Vertrag, was auch bei einem Arbeitgeberdarlehen grds. anzunehmen sei. Anders sei es nur, wenn bei der konkreten Vertragsgestaltung eine zusätzliche Verknüpfung zum Arbeitsverhältnis bestehe. Hier aber war das Darlehen unabhängig vom weiteren Bestand des Arbeitsverhältnisses und unterlag keiner Zweckbindung. Nichts anderes folge daraus, dass die Ausgleichsklausel auch die aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis „abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche" erfasste. Schon sprachlich ließen sich Ansprüche nicht aus einem zusätzlichen Darlehensvertrag, sondern nur aus dem Arbeitsverhältnis selbst ableiten. Zudem solle der Kläger neben den ihm für die Beendigung zugesagten Leistungen ersichtlich keine weitere Arbeitgeberleistung erhalten. Denn dann stünde der Kläger besser dar, als ebenfalls von der Insolvenz betroffene Arbeitnehmer ohne Arbeitgeberdarlehen, zumal ein Zahlungsverzicht steuer- und sozialversicherungsabgabenpflichtiges Einkommen darstelle. Auch die ausdrückliche Herausnahme einzelner Punkte aus der Erledigung lasse hier nicht erkennen, dass die Ausgleichsklausel die Darlehensansprüche mit umfasse. Denn dabei handele es sich gerade nicht um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Endlich greife auch § 305c Abs. 2 BGB nicht, weil keine erheblichen Zweifel an der gefundenen Auslegung bestünden.
Praxisfolgen
Die Entscheidung des BAG überzeugt. Auch wenn ein Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis zwischen den Parteien zu unterschiedlichsten Rechten und Pflichten führt, kann man nicht ohne Weiteres annehmen, dass bei einem Aufhebungsvertrag sämtliche Rechtsverhältnisse zwischen den Parteien mitgeregelt werden sollen. Dass hier die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nach Ansicht des BAG nicht eingreift, überzeugt ebenfalls. Denn dafür ist Voraussetzung, dass nach objektiver Auslegung der Vertragsklausel mehrere Deutungsmöglichkeiten verbleiben, wobei die nur entfernte Möglichkeit eines anderen Ergebnisses nicht zur Einschlägigkeit des § 305c Abs. 2 BGB führt (BAG, 23.2.2011 - 10 AZR 96/10). Dies war hier schon deshalb erkennbar nicht der Fall, weil es eher abwegig wäre anzunehmen, dem Arbeitnehmer sollte durch einen Verzicht auf die noch ausstehenden Darlehensraten ein im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern weiterer Vorteil für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt werden. Zu beachten ist aber - u. a. auf eine diesbezügliche Entscheidung des BAG vom 4.10.2005 (9 AZR 598/04 = BB 2006, 2088 Ls) weist der 10. Senat auch ausdrücklich hin -, dass die in der arbeitsrechtlichen Praxis weit verbreitete Erstreckung der Ausgleichsklausel auf Ansprüche, „die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen", weiter geht, als die hier streitgegenständliche Klausel. Dann reicht ein entfernter Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis, der auch bei einem Arbeitgeberdarlehen oftmals vorliegen dürfte. Dies sollte stets bedacht werden, zumal Arbeitsgerichte genau diese zusätzliche Formulierung für eine Erledigungsklausel im Vergleich oftmals vorschlagen. Gerade in der Hektik eines Gerichtstermins darf daher auch der Arbeitgebervertreter nicht vorschnell einem derart weit formulierten Passus im Vergleichstext zustimmen, ohne vorher bei seinem Mandanten insbesondere noch nach Darlehensrückzahlungsansprüchen gegen den Arbeitnehmer nachgefragt zu haben. Zu beachten ist aber, dass eine Ausgleichsklausel unabhängig von der Weite der Formulierung nicht sämtliche Ansprüche erfassen kann. Etwa tarifliche Ansprüche können von den Parteien höchstens unter Billigung der Tarifvertragsparteien geregelt werden, § 4 Abs. 4 S. 1 TVG. Bezüglich etwaiger noch bestehender Urlaubsansprüche wird trotz § 13 BUrlG vertreten, dass jedenfalls ein Tatsachenvergleich, in dem die Parteien unstreitig stellen, dass Urlaubsansprüche bereits erfüllt wurden, möglich bleibt (Dörner/Gallner, in: Erfurter Kommentar, 11. Aufl. 2011, § 13 BURlG Rn. 22). Auch bezüglich § 4 Abs. 4 S. 1 TVG soll ein solcher Vergleich über die Tatsachengrundlagen möglich sein (Franzen, in: Erfurter Kommentar, 11. Aufl. 2011, § 4 TVG, Rn. 45).