Hessisches LSG: Arbeitgeber muss Alkoholkonsum nicht unterbinden
Hessisches LSG, Urteil vom 13.5.2011 - L 9 U 154/09
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten als Ehefrau bzw. Kinder von Herrn R. (R.) um die Bewilligung einer Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wobei insbesondere streitig ist, ob der Tod des Ehemannes bzw. des Vaters der Kläger durch einen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Wegeunfall verursacht wurde. Die ursprünglich getrennten Verfahren wurden durch Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 10. Dezember 2008 zur einheitlichen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.
Der 1977 geborene Ehemann bzw. Vater der Kläger erlitt am 21. September 2007 auf der Fahrt von seinem Arbeitsplatz beim Mitgliedsunternehmen der Beklagten Firma T. Eisengießerei GmbH und Co KG in C-Stadt zu seinem Wohnsitz in A-Stadt einen tödlichen Verkehrsunfall, als er zwischen den Orten S. und H. auf der Landstrasse L 3073 bei km 1,8 mit seinem Kfz von der Straße abkam und aus dem Fahrzeug in den Straßengraben geschleudert wurde. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die reguläre Fahrtzeit zwischen dem Werksgelände und der Unfallstelle ca. 20 Minuten beträgt. Fest steht ferner, dass R. während der Fahrt nicht angeschnallt war und noch an der Unfallstelle verstarb. Nach den Ermittlungen der Beklagten hatte er nach Ende der Spätschicht um 22.00 Uhr das Betriebsgelände verlassen, wobei er sich gegen 22.02 Uhr mit seiner Zeiterfassungskarte abgemeldet hatte. Eine Polizeistreife passierte gegen 23:30 Uhr die (spätere) Unfallstelle; die Polizeibeamten gaben an, dort nichts Verdächtiges gesehen zu haben. Der Unfall wurde gegen 23:35 Uhr entdeckt. Die Polizeidienststelle C-Stadt veranlasste eine Blutentnahme bei der Leiche, die ausweislich des seitens der Beklagten beigezogenen Blutalkoholgutachtens nach einer am 22. September 2007 um 0.40 Uhr entnommenen Blutprobe unter Durchführung des ADH und GC-Verfahrens eine Alkoholkonzentration von 2,22 ‰ ergab. Am Unfallfahrzeug des verstorbenen Ehemannes bzw. Vaters des Klägers waren keine technischen Mängel feststellbar. Laut Angaben der Polizei waren die Straßenverhältnisse zum Zeitpunkt des Unfalls trocken.
Durch Bescheide vom 5. Dezember 2007 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen mit der wesentlichen Begründung ab, dass sich R. zwar auf einem versicherten Weg im Sinne von § 8 Abs. 2 SGB VII befunden habe, dass jedoch absolute Fahruntüchtigkeit vorgelegen habe, die nach dem Beweis des ersten Anscheins die allein wesentliche Ursache für das Zustandekommen des Unfalls gewesen sei. Da somit die betriebsbedingten Umstände des Unfalls in den Hintergrund gedrängt würden, sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der betrieblichen Tätigkeit und dem Unfall nicht zu bejahen. Den Widerspruch vom 19. Dezember 2007 begründete die Klägerin dahingehend, dass angesichts des Unfallzeitpunktes gegen 23.15 Uhr ihr verstorbener Ehemann nicht nach Schichtende Alkohol zu sich genommen habe, sondern bereits während der Arbeit, was bei der Firma T. auch üblich sei. Der Arbeitgeber habe nichts dagegen unternommen, sondern vielmehr den Alkoholkonsum toleriert, weshalb er seiner Aufsichts- und Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sei.
Durch Widerspruchsbescheide vom 11. März 2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück mit der wesentlichen Begründung, dass an dem festgestellten Unfallzeitpunkt nach 23.30 Uhr nicht zu zweifeln sei, da eine Polizeistreife gegen 23.30 Uhr die Strecke abgefahren habe und keinen Unfall bemerkt habe.
Die dagegen zum Sozialgericht Marburg am 16. April 2008 erhobene Klage begründeten die Kläger damit, dass es seitens des Arbeitgebers keine Kontrollen der Arbeitnehmer gegeben habe, so dass diesem eine gravierende Verletzung seiner Fürsorgepflicht vorzuwerfen sei. Im Ergebnis sei der Alkoholkonsum dem Arbeitgeber zuzurechnen, so dass es sich um einen versicherten Wegeunfall gehandelt habe. Das Gericht holte eine Auskunft des Arbeitgebers ein, der zufolge seit 26. Februar 2007 ein absolutes Alkohol- und Drogenverbot in der Firma geherrscht habe und seitdem die Getränkeautomaten nicht mehr mit alkoholischen Getränken gefüllt seien. Es existiere eine Betriebsvereinbarung, mit welcher die Geschäftsleitung auf die Gefährlichkeit von Alkohol und Drogen am Arbeitsplatz hinweise und festgestellte Verstöße arbeitsrechtlich sanktioniere. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen BJ., U., J., K. und C. Der Zeuge BJ. führte aus, dass das Drehkreuz beim Verlassen des Geländes nur in eine Richtung passierbar sei, so dass sich R. nach 22.02 Uhr nicht mehr auf dem Betriebsgelände befunden habe. Nach Aussage des ebenfalls in der Firma als Chemikant tätigen J. wurde in der Abteilung, in der Herr R. zuletzt gearbeitet hat, Alkohol in großen Mengen während der Nachtschicht konsumiert, wogegen sich der Zeuge mehrfach beschwert habe. Allerdings sei hiergegen nichts unternommen worden. Dies wurde durch den Zeugen K., einem anderen Produktionsmitarbeiter bestätigt. Dieser bekundete, dass er gehört habe, dass ein Vorarbeiter sogar mitgetrunken und auch selbst Alkohol mitgebracht habe. Nach Aussage des als Zeugen vernommenen C. konnte sich dieser daran erinnern, dass R. am Unfalltag gegen 16/17 Uhr stark angetrunken war. Nach der Aussage des Mitarbeiters J. wurde während der Nachtschicht viel Alkohol getrunken, wenn kein Vorgesetzter anwesend gewesen sei.
Durch Urteil vom 25. Mai 2009 wies das Sozialgericht Marburg die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass sich R. zwar auf einem ca. 20-minütigem versicherten Rückweg von der versicherten Tätigkeit nach Hause befunden habe, jedoch im Ergebnis die Heimfahrt in keinem inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit gestanden habe. Zwar sei keine vollständige Loslösung von der betrieblichen Tätigkeit aufgrund der erheblichen Alkoholisierung anzunehmen, da sich keine Anhaltspunkte für einen vollständigen Leistungsausfall ergäben. Auch führe die nicht unerhebliche zeitliche Unterbrechung zwischen Schichtende und Antritt des Heimwegs noch nicht zu einer Loslösung. Jedoch schließe die auf Alkoholgenuss zurückzuführende Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung aus, wenn sie die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund dränge, dass sie als die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen sei. Da von absoluter Fahruntüchtigkeit ab 1,1 ‰ auszugehen sei, sei der verstorbene Ehemann der Klägerin mit der festgestellten Blutalkoholkonzentration von 2,22 ‰ absolut fahruntüchtig gewesen. An der Richtigkeit der Bestimmung des Blutalkoholwerts habe das Sozialgericht keinen Zweifel, da entsprechend der Richtlinien über die Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- oder Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie für die Sicherstellung und Beschlagnahme von Fahrausweisen (Rieba) die Blutprobe regelhaft aus der Vena firmoralis entnommen worden sei, wodurch eine Verunreinigung der Blutprobe ausgeschlossen werden könne. Die seitens der Klägerin bemängelte fehlende Wittmarkmethode führe nicht zur Unverwertbarkeit, da sich diese gerade bei Todesfällen schon deshalb nicht eigne, weil maßgebliche Berechnungsgrundlage das Produkt aus Trinkmenge und dem darin befindlichen Alkoholgehalt sei, was jedoch letztlich nicht zuverlässig sei, weshalb die ADH-Methode in Kombination mit dem GC-Verfahren der forensischen Blutalkoholbestimmung in gängiger Praxis entspreche. Es hätten sich des Weiteren keine Hinweise auf mögliche Alternativursachen ergeben. Das technische Sachverständigengutachten habe technische Mängel am Fahrzeug sowie auf Fremdverschulden ausgeschlossen. Auch könne anhand der Unfallspuren ein Fahren mit erhöhter Geschwindigkeit ausgeschlossen werden. Die Wetter- und Straßenverhältnisse seien zum Unfallzeitpunkt trocken gewesen. Schließlich könne entgegen der Ansicht der Klägerin der Versicherungsschutz nicht wegen einer vermeintlichen Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erhalten bleiben, denn unabhängig von der Frage, wo, wann und wie viel Alkohol der Versicherte getrunken habe, verliere der Alkoholgenuss nicht dadurch seinen Charakter als eigenwirtschaftliche Tätigkeit, dass dieser mit Bewilligung oder Duldung des Arbeitgebers geschehe. Insofern komme es nicht darauf an, ob der Versicherte erst in der eineinhalbstündigen Phase nach der Beendigung seiner Schicht Alkohol getrunken habe oder schon während der Arbeitszeit. Eine wesentliche Mitverursachung bei Unfällen mit Trunkenheit könne schon deshalb nicht mit einer Fürsorgepflichtverletzung des Unternehmers begründet werden, da der Genuss von Alkohol stets eine private Entscheidung des eigenverantwortlich handelnden Versicherten sei und der Alkoholkonsum nicht zu einer betrieblichen Tätigkeit gehöre. Dies gelte beispielsweise auch für den Alkoholkonsum auf Betriebsfeiern in Kenntnis und Duldung des Arbeitgebers (unter Berufung auf BSG, Urteil vom 29. Juli 1972 - 2 RU 61/70 sowie BVerwGE, Urteil vom 23. Februar 1989 - 2 CN 38/86). Auch sei kein betriebliches Interesse am Alkoholgenuss festzustellen. Insgesamt habe die Kammer auch keine Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber feststellen können, da es insbesondere im Ermessen des Arbeitgebers stehe, welche Maßnahmen er gegen Alkoholkonsum am Arbeitsplatz ergreife. Zwar hätten alle Zeugen übereinstimmend ausgesagt, dass in der Abteilung, in der der Versicherte zuletzt gearbeitet habe, nahezu regelmäßig Alkohol konsumiert worden sei. Durch die immer wieder folgende Aufklärung über die Gefahren und Sicherheitsvorschriften, über das Zur-Verfügung-Stellen alkoholfreier Getränke oder durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung über ein Alkoholverbot habe der Arbeitgeber jedoch erforderliche Schutzmaßnahmen ergriffen. Des Weiteren seien seit diesem Zeitpunkt die Getränkeautomaten in Betrieb nur noch mit nichtalkoholischen Getränken gefüllt und alkoholhaltige Getränke entfernt worden. Die Kontrolle durch Stichproben reiche diesbezüglich aus. Anhaltspunkte dafür, dass die Geschäftsleitung der Firma T. am Unfalltag konkrete Hinweise in Bezug auf die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Versicherten hatte, hätten sich nicht ergeben und seien auch nicht wahrscheinlich.
Gegen das am 5. Juni 2009 der Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 6. Juli 2009 (Montag). Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, dass die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verlange, absoluten Alkoholkonsum zu verhindern. Hierzu zitieren sie aus dem Leitfaden für Kleinbetriebe der Beklagten, der zufolge sobald Anzeichen für Alkoholkonsum vorlägen, reagiert und gehandelt werden müsse. Die Beklagte sei einstandspflichtig für Verletzungen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Dies gelte umso mehr, als sich aus der Beweisaufnahme der ersten Instanz ergebe, dass zum Teil die Vorgesetzten des verstorbenen Ehemanns der Klägerin nicht nur mitgetrunken hätten, sondern auch teilweise selbst Alkohol mitgebracht hätten.
Die Kläger beantragen (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 25. Mai 2009 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 5. Dezember 2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen aus Anlass des Todes des Versicherten‚ R. Hinterbliebenenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die erstinstanzliche Entscheidung.
Der Senat hat einen Befundbericht bei den behandelnden Ärzten des Klägers vom 1. November 2010, der Berufausübungsgemeinschaft N. eingeholt, der zufolge der Verstorbene sich seit dem 1. April 2006 in ihrer Behandlung befunden habe, jedoch kein Anhalt für schädlichen Alkoholgebrauch bestanden habe. Ein beigezogenes Vorerkrankungsverzeichnis der zuständigen Krankenkasse ergab, dass der Kläger verschiedentlich seit September 2007 wegen einer akuten Infektion der oberen Atemwege einer Verstauchung und Verzerrung des oberen Sprunggelenkes sowie nicht näher bezeichneter Lumbal- und sonstiger Bandscheibenschäden und zuvor im Jahr 2005 wegen einer offenen Wunde des Kopfes sich dort in Behandlung befunden habe.
Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich am 31. Mai 2011 bzw. 9. Mai 2011 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten auch im Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Beklagtenakte verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der Entscheidung war.
Aus den Gründen
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt hatten (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Der Bescheid vom 5. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 25. Mai 2009 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf Hinterbliebenenrenten. Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB VII besteht der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalles eingetreten ist. Was unter dem Begriff des Versicherungsfalls i. S. des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zu verstehen ist, wird in § 7 Abs. 1 SGB VII definiert: Danach sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
Nach § 8 SGB VII ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten erleidet. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Beschäftigte kraft Gesetzes versichert. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Über diesen Versicherungsschutz für dem Unternehmen konkret dienende Handlungen hinaus ist gem. § 8 Abs. 2 SGB VII auch versichert das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass das Unfallereignis selbst sowie die versicherte Tätigkeit als auch die Erkrankung mit dem sog. Vollbeweis nachgewiesen sein müssen. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSGE 45, 19; BSGE 7, 103, 106 sowie 19, 52, 53). Nur für die Kausalbeziehungen zwischen dem unfallbringenden Verhalten und der Krankheit genügt nach herrschender Meinung der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, der dann gegeben ist, wenn mehr für als gegen Ursachenzusammenhang spricht bzw. wenn bei der Berücksichtigung aller Umstände die für den Ursachenzusammenhang sprechenden Umstände so stark überwiegen, dass die Entscheidung darauf gegründet werden kann, wobei die bloße Möglichkeit allerdings nicht ausreicht (s. BSGE 19, 5, 53; BSGE 32, 203, 209, BSG, Urteil vom 2. Juni 1959 - SozR Nr. 20 zu § 542 RVO).
Nach den Feststellungen im Verwaltungsverfahren war R., als er an diesem Tag auf der L 3073 verunglückte und sich tödliche Verletzungen zuzog, auf dem Heimweg von seiner Arbeit. Dieser Weg zur Zeit des Unfalls war ein nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich als Wegeunfall versicherter Weg. Hierbei gilt zwar, dass - wenn der Weg vom Ort der Tätigkeit durch unversicherte Tätigkeiten unterbrochen wird - der Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit endet. Nimmt der Versicherte nach der Beendigung der eigenwirtschaftlichen Verrichtung diesen wieder auf, handelt es sich nur dann erneut um einen versicherten Weg i. S. des § 8 Abs 2 SGB VII, wenn nach Dauer und Art der Unterbrechung keine endgültige Lösung von dem Zurücklegen des Weges als der versicherten Tätigkeit vorliegt. Für Wege vom Ort der Tätigkeit ist vom BSG im Interesse einer gleichmäßigen und rechtssicheren Handhabung eine zeitliche Grenze von zwei Stunden festgelegt worden, bis zu der der Antritt oder die Fortsetzung des Weges (wieder) eine versicherte Tätigkeit ist. Wird die genannte Zeitgrenze dagegen überschritten, ist die versicherte Tätigkeit grundsätzlich endgültig beendet ( BSG Urteil vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 19 RdNr. 16; zuletzt BSG, Urteil vom 27.10.2009 - B 2 U 23/08 R - juris).
Vorliegend ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Versicherte das Werksgelände gegen 22.02 Uhr verlassen hat und er bei sofortigem Losfahren die Unfallstelle bereits gegen 22.20 Uhr hätte erreichen müssen. Der Senat geht nach der Aussage des Herrn BJ. davon aus, das der Versicherte R. angesichts der Konstruktion des Drehkreuzes nicht mehr auf das Werksgelände gelangen konnte. Des Weiteren geht der Senat angesichts des Umstands, dass eine Polizeistreife gegen 23.30 die (spätere) Unfallstelle passiert hat, ohne das verunfallte KFZ zu sehen, davon aus, dass der Unfall erst später erfolgt sein muss. Ausgehend von einem Unfallzeitpunkt, der sich somit spätestens gegen 23.34 Uhr ereignet haben muss, weil der Verstorbene um 23.35 Uhr entdeckt wurde, wäre aber selbst bei privaten Verrichtungen in der Zwischenzeit der Versicherungszusammenhang mangels Erreichen der Zwei-Stunden-Grenze noch nicht endgültig unterbrochen gewesen.
Wenn bei Ausübung einer Verrichtung, die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ein Unfallereignis eintritt, muss vom Vorliegen der Unfallkausalität ausgegangen werden, es sei denn, es ist eine konkurrierende Ursache, wie z.B. eine innere Ursache, eine eingebrachte Gefahr oder der unversicherte Teil bei einer gemischten Tätigkeit feststellbar. Erst wenn eine solche konkurrierende Ursache neben der versicherten Ursache als naturwissenschaftliche Bedingung für das Unfallereignis festgestellt wurde, ist in einem zweiten Prüfungsschritt wertend zu entscheiden, ob die versicherte Ursache wesentlich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist. Für die zur Beurteilung der Wesentlichkeit der versicherten Ursache erforderliche Abwägung zwischen der versicherten Ursache und der nichtversicherten Ursache ist zu beachten, dass "wesentlich" nicht gleichzusetzen ist mit "gleichwertig" oder "annähend gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat und als rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen ist. Eine naturwissenschaftliche Ursache, die nicht als wesentlich anzusehen ist und damit keine Ursache i. S. der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als Gelegenheitsursache bezeichnet werden (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, RdNr. 13 ff. zur Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden; die gleichen Grundsätze gelten auch für die Kausalbeziehung zwischen unfallbringendem Verhalten und Unfallereignis, der sog. Unfallkausalität, (s. BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, 198 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 RdNr. 10 m.w.N.; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 30 RdNr. 10 m.w.N.sowie P. Becker, MedSach 106 (2010), S. 145, 149).
Um eine solche Fallgestaltung konkurrierender Ursachen für das Unfallereignis handelt es sich auch bei dem Zurücklegen eines versicherten Weges unter einem der versicherten Tätigkeit nicht zuzurechnenden Alkoholeinfluss. Denn als konkurrierende Ursache für den Unfall des Versicherten am 21. September 2007 kommen neben dem Zurücklegen des der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Weges die Folgen seines vorherigen, durch die BAK belegten Alkoholgenusses in Betracht. Bei Alkoholgenuss ist nach ständiger Rechtsprechung zunächst zu prüfen, ob dieser zu einem Vollrausch geführt hat, der die Ausübung einer dem Unternehmen dienenden Verrichtung ausschließt, sodass eine Lösung vom Betrieb vorliegt, die schon den sachlichen Zusammenhang zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ausschließt (vgl. zuletzt: BSG, Urteil vom 5. September 2006 - B 2 U 24/05 R - juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, da der Kläger immerhin noch in der Lage war, sein KFZ bis zur Unfallstelle alleine zu steuern. Auch reichen 2,2 ‰ grundsätzlich nicht aus, um eine solche Volltrunkenheit unterstellen zu können.
Auch wenn der Alkoholgenuss nicht zu einer Lösung vom Betrieb führt, können seine Folgen zu einem Leistungsabfall führen und als konkurrierende Ursache neben die versicherte Ursache treten. Der alkoholbedingte Leistungsabfall kann dann derart stark sein, dass ihm im Vergleich zur versicherten Ursache - der Verrichtung zur Zeit des Unfalls - überragende Bedeutung für das Eintreten des Unfallereignisses beizumessen ist und die versicherte Ursache nicht mehr als wesentlich für das Unfallereignis zu bewerten sowie die Unfallkausalität zu verneinen ist (stRspr des BSG: BSGE 12, 242 - SozR Nr. 27 zu § 542 RVO; BSGE 38, 127 - SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSGE 59, 193 - SozR 2200 § 548 Nr. 77). Ein typischer Anwendungsfall für die alkoholbedingte Herabsetzung der Leistungsfähigkeit ist die eingeschränkte Fahrtüchtigkeit von Kraftfahrern, weil der Alkoholgenuss ihre Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt. Eine absolute Fahruntüchtigkeit, bei der ohne weitere Beweisanzeichen vermutet wird, dass die Folgen des Alkoholgenusses für die Verursachung des Unfalls von überragender Bedeutung waren, hat das BSG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH zunächst bei einer BAK von 1,3 ‰ und höher ( BSGE 12, 242, 245) und, nachdem der BGH diesen Wert aufgrund neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse und verbesserter Messmethoden auf 1,1 ‰ herabgesetzt hatte ( BGHSt 37, 89), ab diesem Wert angenommen ( BSG, Urteil vom 25. November 1992 - 2 RU 40/91 -). So ist - ungeachtet aller individuellen Unterschiede in der Alkoholtoleranz - ab einer ordnungsgemäß festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,1‰ von dem zwingenden medizinischen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Kraftfahrer nicht mehr in der Lage war, sein Fahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen (absolute Fahruntauglichkeit, dazu BGHSt 37, 89 ff.; Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., § 8 SGB VII RdNr. 9.2 ff, 12.40 ff.; s. zur relativen Fahruntüchtigkeit: BSGE 45, 285, 289 - SozR 2200 § 548 Nr. 38) BSGE 43, 110, 113 - SozR 2200 § 548 Nr. 27; BSGE 45, 285, 289 - SozR 2200 § 548 Nr. 38). Da vorliegend der verstorbene Versicherte eine BAK von 2,2 ‰ aufwies, war er absolut fahruntüchtig.
Ebenso wie die der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Verrichtung zur Zeit des Unfalls müssen die BAK und die weiteren für eine Fahruntüchtigkeit sprechenden Beweisanzeichen mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen und es muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von ihrer naturwissenschaftlichen Mitverursachung des Unfallereignisses auszugehen sein. Die so genannte objektive Beweis- und Feststellungslast (vgl. Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl. 2005, III RdNr. 26 ff.; Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, § 103 RdNr. 19 ff.) für das Vorliegen einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit, die als konkurrierende Ursache die versicherte Ursache verdrängt, und für die sie ggf. begründende BAK sowie Beweisanzeichen trägt die Beklagte, weil es für diese günstig ist, wenn die nicht versicherte Ursache gegenüber der versicherten Ursache von überragender Bedeutung ist und kein Arbeitsunfall vorliegt (so schon BSGE 43, 110, 112 - SozR 2200 § 548 N. 27; Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., § 8 SGB VII RdNr. 9.2.4, 12.43). Der Senat hat vorliegend keinerlei Zweifel daran, dass die BAK des Verstorbenen mit 2,2 ‰ korrekt festgestellt wurde und schließt sich vollinhaltlich den Ausführungen des Sozialgerichts an. Insbesondere entspricht die angewandte ADH-Methode in Kombination mit dem GC-Verfahren der forensischen Blutalkoholbestimmung gängiger Praxis sowie der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (s. BGH, Urt. v. 25. September 2002 - IV ZR 212/01 - juris). Bei der Analyse einer Blutprobe muss deshalb das Messergebnis dem arithmetischen Mittelwert aus einer Mindestzahl voneinander unabhängiger Einzelmesswerte entnommen werden. Werden diese nach dem Widmark- und dem ADH-Verfahren ermittelt, so sind insgesamt fünf Einzeluntersuchungen erforderlich. Wird das Widmark-Verfahren durch eine automatische gaschromatographische Analyse (GC) ersetzt, genügen je zwei Einzeluntersuchungen nach der ADH-Methode und der Gaschromatographie ( BGHSt 28, 1, 2; vgl. auch BGHSt 21, 157, 167; BGH, Urteil vom 15. Juni 1988 - IVa ZR 8/87 - VersR 1988, 950). Dies dient dem Zweck, mittels wechselseitiger Kontrolle der gewonnen Messergebnisse eine möglichst weitgehende Annäherung des Messergebnisses an den wahren BAK-Wert zu erreichen. Da R. noch an der Unfallstelle verstarb und somit organische Abbauprozesse des Alkohols seit diesem Zeitpunkt ausscheiden, geht der Senat davon aus, dass die Alkoholkonzentration zum Zeitpunkt des Unfalls bzw. des Antritts der Fahrt nur unwesentlich höher war.
Der Versicherungsschutz des R. ist auch nicht etwa deshalb erhalten geblieben, weil die Unaufmerksamkeit auch einem nicht alkoholisierten Kraftfahrer hätte passieren können. So gibt es nach den Ermittlungen der Beklagten sowie der Polizei, die nicht bestritten wurden, keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein technisches Versagen des Fahrzeugs, widrige Straßenverhältnisse oder ein sonstiger äußerer Einfluss wie z.B. das Verschulden Dritter oder Wildwechsel als wegetypisches Risiko den Unfall verursacht haben könnten.
Demnach greift die Vermutung ein, dass die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des verstorbenen R. die rechtlich allein wesentliche Ursache für den streitgegenständlichen Unfall war.
Der Unfallversicherungsschutz blieb auch nicht wegen einer etwaigen Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bestehen. Ein wesentliches Prinzip der gesetzlichen Unfallversicherung ist das der Haftungsersetzung für Unternehmer gegenüber ihren Beschäftigten (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 41; Gitter/Nunius in Schulin, HS-UV, § 5 RdNr. 28, 51, 119). Durch die Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung für Beschäftigte wurde die diesen gegenüber bestehende Haftung der Unternehmer bzw. der Arbeitgeber für schuldhaftes Verhalten auch bei der Verletzung von Schutz- oder Fürsorgepflichten sowie aus Gefährdungshaftung ersetzt (BSG a.a.O.). Mit dem unfallrechtlichen Entschädigungsanspruch tritt zugleich eine Ersetzung der zivilrechtlichen Haftung des Unternehmers ein. Der Begriff der Fürsorgepflicht beschreibt herkömmlich die dem Arbeitgeber obliegenden Pflichten, die dieser bei der Durchführung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitnehmer zu beachten hat. Der Arbeitgeber hat die arbeitsvertragliche Nebenpflicht (vgl. BAG, AP Nr. 7 zu § 615 BGB) in Form von Aufsichts- und Fürsorgepflichten, das jeweils Gebotene zu tun, um betriebsbedingte Schäden vom Arbeitnehmer abzuhalten (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 13. Aufl. § 106 m.w.N.). Wenn ein Arbeitgeber zu der Überzeugung gelangen muss, dass ein Versicherter wegen einer bestehenden Alkoholabhängigkeit zum Führen eines Fahrzeuges nicht mehr imstande ist, gebietet es seine Fürsorgepflicht, dem Versicherten mit sofortiger Wirkung ein Dienstfahrzeug zu entziehen, um Schaden vom Versicherten und anderen Verkehrsteilnehmern abzuwenden (Bayerisches LSG, Urteil vom 25. Mai 2004 - L 18 U 302/02 - juris). Im Falle einer schuldhaften Verletzung der Fürsorgepflicht kann der Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der Haftung für positive Vertragsverletzung Schadenersatz verlangen (so LAG Baden-Württemberg AP Nr. 2 zu § 611 BGB Mobbing).
Eine Verletzung der Fürsorgepflicht liegt nach Auffassung des Senates indes nicht vor.
Zum einen kann sich die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nur auf Gefahren und Umstände erstrecken, die ihren Ursprung in der betrieblichen Sphäre haben. Der Senat geht davon aus, dass der Versicherte sich nicht unmittelbar vom Werksgelände zur Unfallstelle begeben haben kann, da er dann bei einem nachweislichen Verlassen des Geländes gegen 22.00 Uhr bei regulärer 20minütiger Fahrdauer zuzüglich der Zeit für das Aufsuchen und Besteigen des Privat-PKW spätestens gegen 22.25 Uhr an der Unfallstelle hätte eintreffen müssen, eine Polizeistreife um 23.30 Uhr jedoch an der (späteren) Unfallstelle noch nichts bemerkt hat. Somit ist nicht ausgeschlossen, dass der Versicherte noch nach Verlassen des Werksgeländes und damit des Einflussbereichs des Arbeitgebers Alkohol zu sich genommen hat, wofür er bei Annahme eines Unfallzeitpunkts kurz vor 23.35 Uhr, als das Unfallfahrzeug entdeckt wurde, bis zu 1 Stunde und 15 Minuten Zeit gehabt hätte. Die Nichtbeweisbarkeit des konkreten Verhaltens des R. nach Verlassen des Werksgeländes geht zu Lasten der Kläger, die die Beweislast für den in diesem Zusammenhang für sie günstigen Umstand tragen, dass die Alkoholisierung auf versicherte betriebsbedingte Umstände zurückzuführen ist.
Aber selbst wenn man davon ausginge, dass dieser Zeitraum nicht ausgereicht hätte, um genügend Alkohol zu sich zu nehmen, dass der Blutalkoholgehalt in der festgestellten oder zumindest der zur absoluten Fahruntüchtigkeit führenden Konzentration dadurch alleine hätte eintreten können, weshalb zwingend von einem Alkoholkonsum während der Arbeitszeit auf dem Werksgelände auszugehen wäre, könnte hieraus nicht der Versicherungsschutz für den streitgegenständlichen Unfall begründet werden. Eine schuldhafte, d.h. zumindest fahrlässige Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber kann nach Auffassung des Senats vorliegend nämlich selbst im Falle einer Alkoholaufnahme auf dem Werksgelände nicht angenommen werden. So ist ein der gesamten deutschen Rechtsordnung im Zusammenhang mit Fragen der Verhaltens- und Haftungszurechnung zugrundeliegendes Prinzip das der Eigenverantwortung, welches bei eigenverantwortlichen Selbstgefährdungen einen Ursachenzusammenhang mit dem Verhalten Dritter ausschließt bzw. zumindest eine Einstehenspflicht des Dritten als nicht mehr vom Schutzzweck der anspruchsbegründenden Normen umfasst ansieht (s. zum Strafrecht BGH, Urt. v. 14. Februar 1984 - 1 StR 808/83 - BGHSt 32, 262). Bei einer eigenverantwortlichen Schädigung stellt sich das Unterlassen des Arbeitgebers als eine untergeordnete Mitverursachung dar, bei der nicht mehr von einer wesentlichen Bedingung gesprochen werden kann. Bei einem bloßen Alkoholmissbrauch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit des Versicherten bereits soweit eingeschränkt ist, dass das Fahren unter Alkoholeinfluss nicht mehr als eigenverantwortliche Schädigung gewertet werden kann. Eine Verantwortungsverlagerung auf den Arbeitgeber kommt insoweit nicht in Betracht.
Vorliegend ergeben sich für den Senat nicht genügend Anknüpfungspunkte dafür, dass dem Arbeitgeber eine Verletzung seiner Fürsorgepflicht dergestalt vorzuwerfen wäre, dass er oder seine Verrichtungsgehilfen den Versicherten nicht daran gehindert haben, in angetrunkenem Zustand nach Ende der Arbeit sein Kraftfahrzeug in Betrieb zu setzen. Ob überhaupt eine solche Handlungspflicht außerhalb des Betriebsgeländes zumindest bei vorheriger Duldung des Alkoholkonsums während der Arbeitsschicht aus dem Gesichtspunkt der nachgelagerten Fürsorgepflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis oder dem pflichtwidrigen Vorverhalten (Ingerenz) erwächst, brauchte der Senat letztlich nicht zu entscheiden, weil nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme niemand den Versicherten beim Besteigen seinen Fahrzeugs beobachtet hat. Deshalb vermochte der Senat keine Anknüpfungstatsachen zu erkennen, die weitere Ermittlungen diesbezüglich erfordert hätten.
Doch auch in dem Fall, dass der Arbeitgeber bzw. dessen das Direktionsrecht für ihn ausübende Vorarbeiter Kenntnis von dem Umstand gehabt hätten, dass R. regelmäßig mit dem Auto zur Arbeit kam und ebenso nach Schichtende wieder nach Hause fuhr sowie diese am Unfalltag mitbekamen, dass er während der Arbeitszeit erhebliche Mengen Alkohol zu sich nahm, kann daraus alleine die Verletzung der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht mit der Konsequenz einer Haftungsfreistellung durch die gesetzliche Unfallversicherung nicht abgeleitet werden. Denn bei einem bloßen Alkoholmissbrauch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit des Versicherten bereits soweit eingeschränkt ist, dass das Fahren unter Alkoholeinfluss nicht mehr als eigenverantwortliche Schädigung gewertet werden kann. Zwar hat der Zeuge IB. in der erstinstanzlichen Vernehmung ausgesagt, Herr R. sei gegen 17/18 Uhr am Unfalltag „stark angetrunken" gewesen, damit ist aber noch nicht der Vollbeweis erbracht, dass sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt bzw. noch ca. 4 Stunden später zum Zeitpunkt des Antritts der Heimfahrt in einem die Steuerungsfähigkeit ausschließenden Zustand befand. Dies legt weder die Formulierung „stark angetrunken" nah, weil ein Ausschluss der Steuerungsfähigkeit eine andere Charakterisierung nahegelegt hätte. Aber auch die ca. 2 Stunden nach dem Unfallereignis um 0:40 Uhr festgestellte BAK i.H.v. 2,2 ‰ legt eine solche fehlende Steuerungsfähigkeit nicht nahe. Eine Rückrechnung auf den Zeitpunkt des Unfalls um 23:30 Uhr ergibt keinen erhöhten Wert, da der Kläger bereits an der Unfallstelle verstarb und daher ein zwischenzeitlicher Abbau durch organische Prozesse ausscheidet. Selbst bei Zugrundelegung der für Herrn R. günstigsten Berechnungsweise (Alkoholabbau von 0,2 Promille pro Stunde und ein einmaliger Sicherheitszuschlag von weiteren 0,2 Promille) ergäbe sich eine Blutalkoholkonzentration von ca. 2,8 Promille. Der Grenzwert von 3 Promille, bei dem in der Regel die Annahme einer alkoholbedingten Aufhebung der Steuerungsfähigkeit nahe liegt (OLG LH., Urteil vom 31. Mai 2000 - 20 U 231/99 - juris ), war damit jedenfalls nicht erreicht und auch sonst deutet nichts darauf hin, dass der Versicherte bereits nicht mehr in der Lage war, seine Willensentscheidungen zu steuern (vgl. LG Köln, Urteil vom 17. November 2004 - 20 O 331/04 - juris; vgl. a. zum Vorliegen eines mittleren oder schweren Alkoholrausches als krankhafte seelische Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB (BGH, Urt. v. 29.4.1997 - 1 StR 511/95 - juris).
Eine weitergehende Fürsorgepflicht des Arbeitgebers lässt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Ingerenz herleiten, was ein pflichtwidriges Vorverhalten des Arbeitgebers voraussetzen würde (s. BGH, Urteil vom 19. Juli 1973 - 4 StR 284/73 - juris). Selbst ein Gastwirt, der einem Kraftfahrer Alkohol ausgeschenkt hat, ist regelmäßig im Sinne der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nur dann verpflichtet, das Weiterfahren des Gastes mit angemessenen und ihm möglichen Mitteln zu verhindern, wenn der Gast offensichtlich so betrunken ist, dass er sich nach verständiger Beurteilung nicht mehr eigenverantwortlich verhalten kann (vgl. a. BGH, Urt. v. 13.November 1963 - 4 StR 267/63 - BGHSt 19, 152 ff; s. a. BGH, Urt. v. 22.Januar 1953 - 4 StR 417/52 - BGHSt 4, 20). Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall nicht substantiiert behauptet wurde, dass der Arbeitgeber des Klägers selbst den Alkohol ausgeschenkt hat, sondern ihm allenfalls vorgeworfen wird, den Konsum von den Arbeitnehmern selbst mitgebrachten Alkohols während der Arbeitszeit nicht zu verhindern, was den Verantwortungsbeitrag im Hinblick auf ein bloßes Unterlassen relativieren würde, kann wie bereits dargelegt nicht davon ausgegangen werden, dass R. zum Zeitpunkt des Unfalls so stark angetrunken war, dass er nicht mehr in der Lage gewesen wäre, frei zu entscheiden, ob er ein Kraftfahrzeug bedient oder nicht. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber wäre allenfalls dann denkbar, wenn dieser zum einen den Alkoholkonsum am Arbeitsplatz geduldet hätte und zum anderen generell keine Schutzvorkehrungen gegen das anschließende Benutzen von PKW im verkehrsuntüchtigen Zustand getroffen hätte. Auch insoweit schließt sich der Senat der Auffassung des Sozialgerichts an, dass die Firma T. Eisengießerei GmbH & Co KG mit den Vorsorgemaßnahmen im Hinblick auf ein bestehendes absolutes Alkoholverbot am Arbeitsplatz, entsprechende Betriebsvereinbarungen sowie Aufklärungsmaßnahmen das Gebotene getan hat, um Alkoholmissbrauch und dessen Konsequenzen zu verhindern. Weitergehende, arbeitsrechtlich zulässige Maßnahmen hätten allenfalls in einer Abmahnung gegenüber R. bestanden, was jedoch den Nachweis der Kenntnis des Arbeitgebers von während der Arbeitszeit stattfindendem Alkoholmissbrauch trotz des generellen Verbots und damit den Nachweis einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung vorausgesetzt hätte; dieser ist nach Auffassung des Senates jedoch nicht erbracht. Auch die erstinstanzliche Beweisaufnahme hat lediglich durch die Zeugenaussage des Herrn J. ergeben, dass während der Nachtschicht Alkohol in der Abteilung des R. konsumiert worden sei, wenn kein Vorgesetzter anwesend war. Sofern seitens des Zeugen K. ausgesagt wurde, die Vorarbeiter hätten nicht nur vom Alkoholkonsum gewusst, sondern sogar selbst mitgetrunken bzw. Alkohol mitgebracht, handelt es sich nach eigenem Bekunden um ein Zeugnis vom Hörensagen, das für den Senat nicht ausreicht, um den Vollbeweis der Kenntnis der Geschäftsleitung von einem gegenüber dem verstorbenen Ehemann bzw. Vater der Kläger eines abmahnpflichtigen vertraglichen Fehlverhaltens zu erbringen. Auch aus der Aussage des Zeugen J., dass vor allem während der Nachtschicht Alkohol getrunken worden sei, lässt sich für den vorliegenden Fall keine weitergehende Handlungspflicht des Arbeitgebers ableiten, da der Unfall zum einen nicht nach der Nachtschicht passierte und zum anderen gerade während der Nachtschicht kein Vorgesetzter anwesend war. Der Senat sah danach auch keine Veranlassung, den genannten Herrn T. als Zeugen zu vernehmen.
Eine andere Beurteilung wäre allenfalls dann angezeigt, wenn der Arbeitgeber die Überzeugung hätte gewinnen müssen, dass der Versicherte alkoholabhängig ist, weil beim Vorliegen verminderter Einsichtsfähigkeit nicht mehr von einer eigenverantwortlichen Schädigung gesprochen werden kann. Bei einer Alkoholabhängigkeit ist die Fähigkeit, Beginn, Beendigung und Menge des Konsums zu kontrollieren, vermindert. In diesen Fällen gebietet die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, Gefährdungen des Arbeitnehmers durch einen alkoholisierten Zustand zu unterbinden. (Für das Unterbinden von Dienstfahrten (s. Bayerisches LSG, Urteil vom 25. Mai 2004 - L 18 U 302/02 - juris). Ob dies auch dazu zwingen würde, Fahrten mit dem privaten PKW nach Hause, die sich grundsätzlich dem Einflussbereich des Arbeitgebers entziehen, zu unterbinden, kann dahinstehen, weil Anhaltspunkte für eine solche Abhängigkeit vorliegend nicht bestehen. Die Diagnose "Alkoholabhängigkeit" verlangt nach den diagnostischen Leitlinien der Alkoholabhängigkeit nach dem international gebräuchlichen psychiatrischen Klassifikationssystem "International Classification of Deceases" (ICD), dass während des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden waren: 1. Starker Wunsch oder eine Art Zwang psychotrope Substanzen zu konsumieren, 2. Verminderung der Fähigkeit, Beginn, Beendigung und Menge des Konsums zu kontrollieren, 3. Körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums, 4. Nachweis einer Toleranzentwicklung, 5. Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Substanzkonsums, 6. Fortsetzen des Alkoholkonsums trotz Kenntnis von Art und Ausmaß der schädlichen Folgen. Die Beweispflicht hierfür obliegt nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast den Klägern. Dabei geht der Senat davon aus, dass in solchen Fällen keine überzogenen Anforderungen an den Nachweis der Alkoholabhängigkeit zu stellen sind. Nach der Rechtsprechung des BSG können Eigentümlichkeiten eines Sachverhalts in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass sein, an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen (vgl. BSG, Urt. v. 29.3.1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52). Das bedeutet, dass der Unfallversicherungsträger oder das Gericht schon auf Grund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein kann (vgl. BSG vom 12.06.1990 - 2 RU 58/89 = HV-INFO 1990, 2064). Eine solche Beweiserleichterung könnte den Klägern zugute kommen, da die Feststellung bzw. der Nachweis einer Alkoholabhängigkeit bei Fehlen medizinischer Feststellungen im Hinblick auf die oben dargelegten Kriterien der Alkoholabhängigkeit schwer zu führen ist. Der Senat erachtet aber das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit im Zeitpunkt des Unfallgeschehens auch bei Anlegung verminderter Beweisanforderungen nicht für hinreichend dargetan. Die pure Möglichkeit oder die bloße Wahrscheinlichkeit der Alkoholabhängigkeit genügen als Voraussetzung für die Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung nicht. Vielmehr müssen nach Auffassung des Senats die Umstände im Einzelfall darauf schließen lassen, dass die Grenze vom Alkoholmissbrauch zur Alkoholabhängigkeit bereits überschritten ist und dieses für den Arbeitgeber erkennbar war oder hätte erkennbar sein können. Solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere haben die im Laufe des Berufungsverfahrens eingeholten Befundberichte keinerlei Hinweise auf eine bestehende Alkoholabhängigkeit ergeben. Dass es für Alkoholabhängige geradezu typisch sei, selten zum Arzt zu gehen, wie die Kläger meinen, vermag hierfür keinen Beweis zu erbringen. In diesem Fall hätten gerade die wenigen dokumentierten Arztbesuche einen Hinweis auf Alkoholmissbrauch ergeben müssen, was bei Infektionen und Verstauchung des Sprunggelenks nicht der Fall ist.
Der Senat geht somit davon aus, dass der Versicherte eigenverantwortlich entschieden hat, alkoholisiert mit dem PKW nach Hause zu fahren. Diese eigenverantwortliche Entscheidung hat zum Verlust des Unfallversicherungsschutzes geführt. Hierfür musste der Arbeitgeber nicht einstehen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Zulassung der Revision folgt aus § 160 Abs 2. SGG. Der Senat misst dem Fall grundsätzliche Bedeutung bei.