LAG Berlin-Brandenburg: Anwaltliche Tätigkeit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.10.2019 – 17 Ta (Kost) 6079/19
Volltext: BB-ONLINE BBL2019-2739-4
Amtlicher Leitsatz
Die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Nichtzulassungsbeschwerde durch den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beschwerdegegners ist zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung regelmäßig erst nach der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde notwendig.
Sachverhalt
I.
Der Kläger hat mit seiner Klage die Beklagte auf Zahlung einer Vergütung in Höhe von 381.757,85 in Anspruch genommen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers durch ein am 04.09.2018 verkündetes Urteil abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Der Kläger hat durch einen anderen als seinen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 23.11.2018 Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht eingelegt. Er hat die Nichtzulassungsbeschwerde am 05.12.2018 zurückgenommen, ohne dass eine Begründung des Rechtsbehelfs erfolgt war. Die Beklagte hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 05.12.2018, der bei dem Bundesarbeitsgericht am 10.12.2018 einging, die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt. Das Bundesarbeitsgericht hat dem Kläger durch Beschluss vom 18.12.2018 die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
Die Beklagte hat mit am 14.12.2018 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz die Festsetzung außergerichtlicher Kosten in Höhe von zuletzt 3.158,30 EUR begehrt. Das Arbeitsgericht hat den Festsetzungsantrag durch Beschluss vom 24.07.2019 zurückgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, eine sachgemäße Prüfung der Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde sei nicht möglich gewesen, weil die Beschwerde nicht begründet worden sei.
Gegen diesen ihr am 26.07.2019 zugestellten Beschluss richtet sich die am 09.08.2019 eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten, die eine Festsetzung der in Ansatz gebrachten außergerichtlichen Kosten weiterhin für geboten hält. Ihr Prozessbevollmächtigter habe auftragsgemäß die Nichtzulassungsbeschwerde überprüft. Dabei seien Zweifel an der Bevollmächtigung des neuen Prozessbevollmächtigten aufgekommen, weil der bisherige Prozessbevollmächtigte des Klägers weder gegenüber der Beklagten noch gegenüber dem Gericht mitgeteilt hatte, den Kläger nicht mehr zu vertreten. Ferner habe ihr Prozessbevollmächtigter überprüft, ob die übermittelte beglaubigte Abschrift der Beschwerdeschrift eine ordnungsgemäße Unterschrift enthalte und ob die Nichtzulassungsbeschwerde fristgemäß eingelegt worden sei. Die Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten sei – so meint die Beklagte – zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung gegen die Nichtzulassungs-beschwerde erforderlich gewesen. Die Prüfung der Zulässigkeit dieses Rechtsbehelfs habe angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit keinen Aufschub zugelassen.
Der Kläger hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Für eine Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde habe es keine Notwendigkeit gegeben.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Aus den Gründen
II.
Die nach § 104 Abs. 3 ZPO statthafte sowie nach § 567 Abs. 2, § 569 Abs. 1, 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtspflegerin hat es zu Recht abgelehnt, die in Ansatz gebrachten außergerichtlichen Kosten der Beklagten für die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten in dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde festzusetzen.
1. Der Kläger ist nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 18.12.2018 – 5 AZN 851/18 – verpflichtet, die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde zu tragen, zu denen gemäß § 91 Abs. 2 ZPO die gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gehören, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Jede Prozesspartei ist dabei aus dem Prozessrechtsverhältnis und dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer rechtlichen Belange vereinbaren lässt (BGH, Beschluss vom 15.10.2013 – XI ZB 2/13 – NJW 2014, 557 m.w.N.; BAG, Beschluss vom 14.11.2007 – 3 AZB 36/07 – NJW 2008, 1340).
2. Die Voraussetzungen für die begehrte Kostenfestsetzung sind bei Anwendung dieser Grundsätze nicht gegeben.
a) Es steht nicht in Frage, dass die Beklagte ihre Prozessbevollmächtigten mit der Vertretung in dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde beauftragen durfte. Die Beklagte befand sich nach der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Kläger insoweit in einer als risikobehaftet empfundenen Situation, weil sie selbst nicht absehen konnte, ob und inwieweit dieser Rechtsbehelf Aussicht auf Erfolg hatte.
b) Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben jedoch in Erfüllung des genannten Auftrags keine anwaltlichen Tätigkeiten ausgeführt, die zu einer Kostenerstattungspflicht des Klägers führen.
aa) Die Beklagte wurde bereits in dem Berufungsverfahren von ihren Prozessbevollmächtigten vertreten. Die bloße Entgegennahme der Nichtzulassungsbeschwerdeschrift, die Mitteilung des Rechtsbehelfs an die Beklagte und die Prüfung seines fristgerechten Eingangs stellen deshalb so genannte Nebentätigkeiten i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 9 RVG dar; sie gehören zum Berufungsverfahren und werden durch die dort anfallende Verfahrensgebühr (RVG-VV Nr. 3200) abgegolten (vgl. BGH, Beschluss vom 15.10.2013, a.a.O.; BAG, Beschluss vom 14.11.2007, a.a.O.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.01.2009 – 18 WF 207/08 – juris; Gerold/Schmidt, RVG, 24. Auflage 2019, § 19 Rdnr. 80 ff., 85). Gleiches gilt für die Prüfung, ob die beglaubigte Abschrift der Beschwerdeschrift eine ordnungsgemäße Unterschrift trägt. Es handelt sich um Tätigkeiten von eher geringem Umfang; sie werden in der Regel sowohl vom Rechtsanwalt als auch von seinem Auftraggeber als Annex der Tätigkeit in der bisherigen Instanz verstanden, nicht als vergütungspflichtige Tätigkeit der nächsten Instanz. Dass die Tätigkeiten der Beklagten – einmal angenommen – keinen zeitlichen Aufschub duldeten, ändert hieran nichts; denn auch dann bleiben sie bereits mit der zweitinstanzlichen Verfahrensgebühr abgegolten.
bb) Soweit die Prozessbevollmächtigten der Beklagten in dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde weitere anwaltliche Tätigkeiten ausgeübt haben, waren diese zur zweckentsprechenden Verteidigung gegen den Rechtsbehelf nicht notwendig und führen auch deshalb nicht zu einer Kostenerstattungspflicht des Klägers. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision wird sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens getroffen. Eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde lediglich anhand des bisherigen Prozessstoffes ist nutzlos (BGH, Beschluss vom 15.10.2013, a.a.O., Rdnr. 16). Bevor die Beschwerdebegründung nicht vorliegt, ist für den Prozessbevollmächtigten des Beschwerdegegners offensichtlich, dass derzeit nichts zu veranlassen ist. Hieran ändert auch die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits für die Beklagte nichts. Unabhängig von den Auswirkungen des Ausgangs des Rechtsstreits konnte das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor Eingang der Beschwerdebegründung in der Sache nicht gefördert werden; dies allein ist für die Frage der Kostenerstattung maßgebend. Der Meldeschriftsatz der Prozess-bevollmächtigten der Beklagten vom 05.12.2018 führt im Übrigen schon deshalb nicht zu einer Kostenerstattungspflicht des Klägers, weil er erst nach Abschluss des Verfahrens bei dem Bundesarbeitsgericht eingegangen ist; die Vertretungsanzeige konnte zudem das Verfahren nicht fördern, weil die Prozessbevollmächtigten der Beklagten aufgrund ihrer Vertretung im Berufungsverfahren ohnehin als Bevollmächtigte im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln waren, § 87 Abs. 1 ZPO.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde lagen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil die aufgeworfenen Rechtsfragen bereits höchstrichterlich geklärt sind.
4. Die Entscheidung ist unanfechtbar.