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Arbeitsrecht
02.10.2019
Arbeitsrecht
EuGH: Anspruch auf Sozialleistungen von Wanderarbeitnehmern

EuGH, Urteil vom 19.9.2019 – C-95/18, C-96/18, Sociale Verzekeringsbank gegen F. van den Berg (C‑95/18), H. D. Giesen (C‑95/18), C. E. Franzen (C‑96/18)

ECLI:EU:C:2019:767

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-2419-1

Tenor

1. Die Art. 45 und 48 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, denen zufolge ein Wanderarbeitnehmer, der in diesem Mitgliedstaat wohnt und aufgrund von Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, diese geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006, den Sozialversicherungsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats unterliegt, nicht bei den Sozialversicherungen des Wohnsitzmitgliedstaats versichert ist, auch wenn die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats diesem Arbeitnehmer kein Recht auf eine Altersrente oder Kindergeld einräumen.

2. Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, diese geändert durch die Verordnung Nr. 1192/2006, ist dahin auszulegen, dass er einen Mitgliedstaat, in dessen Gebiet ein Wanderarbeitnehmer wohnt und der nach diesem Artikel nicht zuständig ist, daran hindert, die Gewährung eines Anspruchs auf eine Altersrente an diesen Wanderarbeitnehmer von einer Versicherungspflicht abhängig zu machen, die die Zahlung von Pflichtbeiträgen beinhaltet.

Urteil

1          Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 45 und 48 AEUV sowie der Art. 13 und 17 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, diese geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 (ABl. 2006, L 392, S. 1, im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).

2          Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Sociale Verzekeringsbank (Sozialversicherungskasse, Niederlande) (im Folgenden: SVB) und Herrn F. van den Berg sowie Herrn H. D. Giesen bzw. zwischen der SVB und Frau C. E. Franzen über Bescheide, mit denen die SVB die Herrn van den Berg gewährte Altersrente bzw. die Herrn Giesen gewährte Partnerzulage gekürzt und Frau Franzen Kindergeld versagt hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          In den Erwägungsgründen 1, 4 bis 6 und 8 bis 11 der Verordnung Nr. 1408/71 heißt es:

„Die Vorschriften zur Koordinierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit gehören zur Freizügigkeit von Personen und sollen zur Verbesserung von deren Lebensstandard und Arbeitsbedingungen beitragen.

Es ist angezeigt, die Eigenheiten der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit zu berücksichtigen und nur eine Koordinierungsregelung vorzusehen.

Bei dieser Koordinierung ist innerhalb der [Union] sicherzustellen, dass alle Arbeitnehmer und Selbständige, die Staatsangehörige der Mitgliedstaaten sind, sowie ihre Angehörigen und Hinterbliebenen nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten gleichbehandelt werden.

Die Koordinierungsregeln sollen Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der [Union] zu- und abwandern, sowie ihren Angehörigen und Hinterbliebenen die Wahrung erworbener Ansprüche und Vorteile sowie der Anwartschaften ermöglichen.

Für Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der [Union] zu- und abwandern, soll jeweils das System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats gelten, so dass eine Kumulierung anzuwendender innerstaatlicher Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen vermieden werden.

Zahl und Reichweite der Fälle, in denen ein Arbeitnehmer oder Selbständiger als Ausnahme von der allgemeinen Regel gleichzeitig den Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten unterliegt, sind so klein wie möglich zu halten.

Um die Gleichbehandlung aller im Gebiet eines Mitgliedstaats erwerbstätigen Arbeitnehmer und Selbständigen am besten zu gewährleisten, ist es zweckmäßig, im Allgemeinen die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats anzuwenden, in dessen Gebiet der Betreffende seine Arbeitnehmer- oder Selbständig[entätig]keit ausübt.

Von dieser allgemeinen Regel ist in besonderen Fällen, die ein anderes Zugehörigkeitskriterium rechtfertigen, abzuweichen.“

4          Art. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Für die Anwendung dieser Verordnung werden die nachstehenden Begriffe wie folgt definiert:

a) ‚Arbeitnehmer‘ oder ‚Selbständiger‘: jede Person,

i) die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist;

ii) die im Rahmen eines für alle Einwohner oder die gesamte erwerbstätige Bevölkerung geltenden Systems der sozialen Sicherheit gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken pflichtversichert ist, die von den Zweigen erfasst werden, auf die diese Verordnung anzuwenden ist,

–   wenn diese Person aufgrund der Art der Verwaltung oder der Finanzierung dieses Systems als Arbeitnehmer oder Selbständiger unterschieden werden kann oder

–   wenn sie bei Fehlen solcher Kriterien im Rahmen eines für Arbeitnehmer oder Selbständige errichteten Systems oder eines Systems der Ziffer iii) gegen ein anderes in Anhang I bestimmtes Risiko pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist oder wenn auf sie bei Fehlen eines solchen Systems in dem betreffenden Mitgliedstaat die in Anhang I enthaltene Definition zutrifft;

…“

5          Art. 2 („Persönlicher Geltungsbereich“) Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:

„Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.“

6          In Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung heißt es:

„Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen:

a) Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft,

b) Leistungen bei Invalidität einschließlich der Leistungen, die zur Erhaltung oder Besserung der Erwerbsfähigkeit bestimmt sind,

c) Leistungen bei Alter,

d) Leistungen an Hinterbliebene,

e) Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten,

f) Sterbegeld,

g) Leistungen bei Arbeitslosigkeit,

h) Familienleistungen.“

7          Titel II („Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften“) der Verordnung Nr. 1408/71 enthält einen Art. 13, in dem es heißt:

„(1) Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:

a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;

f) eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften.“

8          Art. 17 dieser Verordnung lautet:

„Zwei oder mehr Mitgliedstaaten, die zuständigen Behörden dieser Staaten oder die von diesen Behörden bezeichneten Stellen können im Interesse bestimmter Personengruppen oder bestimmter Personen Ausnahmen von den Artikeln 13 bis 16 vereinbaren.“

Niederländisches Recht

AOW

9          Nach Art. 2 der Algemene Ouderdomswet (Gesetz über die allgemeine Altersversicherung) vom 31. Mai 1956 (Stb. 1956, Nr. 281, im Folgenden: AOW) ist „Gebietsansässiger“ im Sinne dieses Gesetzes, wer seinen Wohnsitz in den Niederlanden hat.

10        Nach Art. 3 Abs. 1 AOW bestimmt sich der Wohnsitz einer Person nach den Umständen des Einzelfalls.

11        Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a AOW ist nach den Bestimmungen dieses Gesetzes versichert, wer noch nicht das Rentenalter erreicht hat und Gebietsansässiger ist. Nach Art. 6 Abs. 3 AOW kann abweichend von den Abs. 1 und 2 dieses Artikels der Kreis der Sozialversicherten durch oder aufgrund einer Verordnung erweitert oder beschränkt werden.

12        Mit Gesetz vom 29. April 1998 (Stb. 1998, Nr. 267) wurde rückwirkend zum 1. Januar 1989 Art. 6a in die AOW eingeführt, der Folgendes vorsieht:

„Gegebenenfalls abweichend von Art. 6 und den darauf beruhenden Vorschriften gilt

a) als versichert eine Person, deren Versicherung aufgrund dieses Gesetzes sich aus der Anwendung von Bestimmungen eines Vertrags oder Beschlusses einer internationalen Organisation ergibt;

b) nicht als versichert eine Person, die aufgrund eines Vertrags oder Beschlusses einer internationalen Organisation den Rechtsvorschriften eines anderen Staates unterliegt.“

13        Nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. a AOW werden die Rentenbeträge um 2 % für jedes Kalenderjahr gekürzt, in dem der Rentenberechtigte nach Vollendung des 15. Lebensjahrs, aber vor Vollendung des 65. Lebensjahrs nicht versichert gewesen ist.

14        Nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a AOW wird die Brutto-Zulage um 2 % für jedes Kalenderjahr gekürzt, in dem der Ehegatte des Rentenberechtigten nach Vollendung des 15. Lebensjahrs, aber vor Vollendung des 65. Lebensjahrs des Rentenberechtigten nicht versichert gewesen ist.

15        Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 1 AOW in der Fassung vom 1. April 1985 sind Versicherte und ehemalige Versicherte in den Fällen, unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe des durch Verordnung festzusetzenden Tarifs zur Beitragszahlung für Zeiträume befugt, die nach Vollendung des 15. Lebensjahrs, aber vor Vollendung des 65. Lebensjahrs liegen und für die sie nicht versichert sind oder gewesen sind.

16        Nach derselben Bestimmung in der Fassung vom 1. Januar 1990 konnten sich Versicherte und ehemalige Versicherte in den Fällen, unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe des durch oder aufgrund einer Verordnung festzusetzenden Tarifs für Zeiträume freiwillig versichern, die nach Vollendung des 15. Lebensjahrs, aber vor Vollendung des 65. Lebensjahrs liegen und für die sie nicht versichert sind oder gewesen sind.

AKW

17        Die Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 der Algemene Kinderbijslagwet (Allgemeines Kindergeldgesetz) vom 26. April 1962 (Stb. 1962, Nr. 160, im Folgenden: AKW) entsprechen inhaltlich den Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 AOW.

18        Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a AKW ist nach den Bestimmungen dieses Gesetzes versichert, wer Gebietsansässiger ist.

19        Nach Art. 6a Buchst. b AKW in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung gilt gegebenenfalls abweichend von Art. 6 AKW und den darauf beruhenden Vorschriften eine Person nicht als versichert, die nach einem Vertrag oder einem Beschluss einer internationalen Organisation den Rechtsvorschriften eines anderen Staates unterliegt.

Verordnungen zur Erweiterung und Beschränkung des Kreises der Sozialversicherungspflichtigen

20        Während des Zeitraums, um den es in den Ausgangsverfahren geht, wurden gemäß Art. 6 Abs. 3 AOW und Art. 6 Abs. 3 AKW mehrere aufeinanderfolgende Versionen des Besluit uitbreiding en beperking kring verzekerden volksverzekeringen (Verordnung zur Erweiterung und Beschränkung des Kreises der Sozialversicherungspflichtigen) erlassen. So sind auf die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umstände nacheinander die Verordnung vom 19. Oktober 1976 (Stb. 557, im Folgenden: BUB 1976), die Verordnung vom 3. Mai 1989 (Stb. 164, im Folgenden: BUB 1989) und die Verordnung vom 24. Dezember 1998 (Stb. 746, im Folgenden: BUB 1999) anwendbar.

21        Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a BUB 1976 ist nicht im Sinne u. a. der AOW versichert der Gebietsansässige, der außerhalb der Niederlande in einem Arbeitsverhältnis steht und wegen dieser Tätigkeit nach den im Beschäftigungsstaat geltenden Rechtsvorschriften über Leistungen bei Alter und Tod sowie über das Kindergeld versichert ist.

22        Der BUB 1976 wurde durch den BUB 1989 ersetzt, dessen Art. 10 Abs. 1 in der vom 1. Juli 1989 bis 1. Januar 1992 geltenden Fassung vorsah, dass „nicht sozialversichert … der Gebietsansässige [ist], der ausschließlich außerhalb der Niederlande einer Erwerbstätigkeit nachgeht“. Für den Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis 1. Januar 1997 hieß es in derselben Bestimmung des BUB 1989, dass „nicht sozialversichert … der Gebietsansässige [ist], der während eines zusammenhängenden Zeitraums von mindestens drei Monaten ausschließlich außerhalb der Niederlande einer Erwerbstätigkeit nachgeht“. In der vom 1. Januar 1997 bis 1. Januar 1999 geltenden Fassung bestimmte Art. 10 Abs. 1 BUB 1989, dass „nicht sozialversichert … der Gebietsansässige [ist], der während eines zusammenhängenden Zeitraums von mindestens drei Monaten ausschließlich außerhalb der Niederlande einer Erwerbstätigkeit nachgeht, es sei denn, diese Tätigkeit wird aufgrund eines Arbeitsverhältnisses mit einem in den Niederlanden wohnhaften oder ansässigen Arbeitgeber ausgeübt“.

23        Am 1. Januar 1999 wurde der BUB 1989 durch den BUB 1999 ersetzt. Nach dessen Art. 12 „ist nicht sozialversichert, wer seinen Wohnsitz in den Niederlanden hat und während eines zusammenhängenden Zeitraums von mindestens drei Monaten ausschließlich außerhalb der Niederlande einer Erwerbstätigkeit nachgeht, es sei denn, diese Tätigkeit wird ausschließlich aufgrund eines Arbeitsverhältnisses mit einem in den Niederlanden wohnhaften oder ansässigen Arbeitgeber ausgeübt“.

24        Sowohl der BUB 1989 als auch der BUB 1999 enthielten in ihrem Art. 25 bzw. Art. 24 eine Härteklausel, auf deren Grundlage die SVB im Rahmen des BUB 1989 befugt war, in bestimmten Fällen von anderen Artikeln dieser Verordnung abzuweichen, um erheblichen Unbilligkeiten zu begegnen, die sich aus der Versicherungspflicht oder dem Ausschluss von der Versicherungspflicht nach dieser Verordnung ergeben können, und im Rahmen des BUB 1999, Artikel dieser Verordnung unangewandt zu lassen oder von diesen Artikeln abzuweichen, soweit die Anwendung angesichts des Interesses an der Erweiterung und Beschränkung des Kreises der Versicherten zu einer erheblichen Unbilligkeit führen würde, die sich ausschließlich aus der Versicherungspflicht oder dem Ausschluss von der Versicherungspflicht nach dieser Verordnung ergibt.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

25        Alle Beklagten der Ausgangsverfahren sind niederländische Staatsangehörige und wohnen in den Niederlanden.

Rechtssache C‑95/18

26        Die Ehefrau von Herrn Giesen war im Jahr 1970 und erneut in der Zeit vom 19. Mai 1988 bis 12. Mai 1993 in Deutschland als sogenannte „geringfügig Beschäftigte“ tätig. Sie war u. a. Verkäuferin in einem Bekleidungsgeschäft und übte diese Tätigkeit aufgrund eines Aushilfsvertrags während einer begrenzten Stundenzahl im Monat aus, die zwei oder drei Tage im Monat nicht überschritt.

27        Am 22. September 2006 beantragte Herr Giesen eine Altersrente und eine Partnerzulage nach der AOW, die die SVB mit Bescheid vom 3. Oktober 2007 gewährte. Die Partnerzulage wurde jedoch um 16 % gekürzt, da die Ehefrau von Herrn Giesen während der Zeit, in der sie in Deutschland gearbeitet habe, in den Niederlanden nicht sozialversichert gewesen sei. Herr Giesen legte Widerspruch gegen diesen Bescheid ein, soweit dieser die Kürzung der Zulage betraf. Mit Bescheid vom 20. Mai 2008 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.

28        Die Rechtbank Roermond (Gericht Roermond, Niederlande) wies die Klage von Herrn Giesen gegen diesen Bescheid mit Urteil vom 13. Oktober 2008 als unbegründet ab.

29        Herr van den Berg war in kurzen Zeiträumen vom 25. Juni bis 24. Juli 1972 und vom 1. Januar 1990 bis 31. Dezember 1994 in Deutschland erwerbstätig. Seine Einkünfte waren zu niedrig, um in Deutschland als beitragspflichtig angesehen zu werden. Am 17. Januar 2008 beantragte Herr van den Berg eine Altersrente nach der AOW. Mit Bescheid vom 1. August 2008 gewährte ihm die SVB diese Rente, kürzte sie jedoch um 14 %, da Herr van den Berg mehr als sieben Jahre lang nicht in den Niederlanden versichert gewesen sei. Mit Bescheid vom 25. November 2008 wurde sein Widerspruch gegen den Bescheid teilweise für begründet erklärt und die Kürzung auf 10 % festgesetzt.

30        Die Rechtbank Maastricht (Gericht Maastricht, Niederlande) wies die Klage gegen den Bescheid vom 25. November 2008 mit Urteil vom 19. Oktober 2009 als unbegründet ab.

Rechtssache C-96/18

31        Frau Franzen bezog in den Niederlanden nach der AKW Kindergeld für ihre 1995 geborene Tochter, die sie alleine aufzog. Im November 2002 teilte Frau Franzen der SVB mit, dass sie seit dem 1. Januar 2001 in Deutschland 20 Stunden in der Woche als Friseurin beschäftigt sei. Da die Einkünfte von Frau Franzen aus dieser Tätigkeit gering waren, war sie nur in der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert, ohne Zugang zu anderen Systemen der sozialen Sicherheit in Deutschland zu haben. Mit Bescheid vom 25. Februar 2003 strich die SVB das Kindergeld mit Wirkung vom 1. Oktober 2002.

32        Mit Schreiben vom 21. September 2003 beantragte Frau Franzen gemäß Art. 24 BUB 1999, ihren Ausschluss von dem durch die Sozialversicherungen gewährten Schutz aufzuheben. Mit Bescheid vom 15. März 2004 lehnte die SVB diesen Antrag mit der Begründung ab, dass Frau Franzen weder nach Unionsrecht noch nach den Bestimmungen des niederländischen Rechts versichert gewesen sei. Die SVB erklärt jedoch, Frau Franzen anlässlich der Mitteilung dieses Bescheids vorgeschlagen zu haben, bei der zuständigen deutschen Stelle zu beantragen, sie nach Art. 17 der Verordnung Nr. 1408/71 ausschließlich den niederländischen Rechtsvorschriften zu unterstellen. Frau Franzen sei diesem Vorschlag nicht nachgekommen.

33        Am 30. Januar 2006 stellte Frau Franzen erneut einen Antrag auf Kindergeld, dem die SVB mit Bescheid vom 27. März 2006 mit Wirkung vom ersten Quartal 2006 stattgab.

34        Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 beantragte Frau Franzen die Gewährung von Kindergeld ab dem vierten Quartal 2002. Mit Bescheid vom 5. Juli 2007 stellte die SVB fest, dass Frau Franzen ab dem ersten Quartal 2006 keinen Anspruch mehr auf Kindergeld habe, entschied jedoch, den zu Unrecht gezahlten Betrag nicht zurückzufordern. Mit Bescheid vom 16. November 2007 wurde der Widerspruch von Frau Franzen gegen den Bescheid vom 5. Juli 2007 als unbegründet zurückgewiesen und der Antrag auf Neufeststellung vom 5. Juni 2007 abgelehnt.

35        Noch während der Anhängigkeit der Klage von Frau Franzen gegen diesen Bescheid vor der Rechtbank Maastricht (Gericht Maastricht, Niederlande) erließ die SVB am 6. Februar 2008 einen neuen Bescheid, mit dem die Begründung des Bescheids vom 16. November 2007 abgeändert und darauf hingewiesen wurde, dass die Anträge auf Kindergeld abgelehnt worden seien, weil gemäß Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 ausschließlich die deutschen Rechtsvorschriften auf Frau Franzen Anwendung fänden und daher die Anwendung des niederländischen Systems der sozialen Sicherheit ausgeschlossen sei.

36        Die Rechtbank Maastricht (Gericht Maastricht) wies die Klagen gegen die Bescheide vom 16. November 2007 und vom 6. Februar 2008 mit Urteil vom 5. August 2008 als unbegründet ab.

Gemeinsame Erwägungen zu den drei Rechtssachen

37        Herr van den Berg, Herr Giesen und Frau Franzen legten gegen die Urteile der Rechtbank Maastricht (Gericht Maastricht) bzw. der Rechtbank Roermond (Gericht Roermond) Berufung beim Centrale Raad van Beroep (Berufungsgericht in Sachen der sozialen Sicherheit und des öffentlichen Dienstes, Niederlande) ein. Dieser beschloss, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof Vorlagefragen zur Auslegung von Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 und der Art. 45 und 48 AEUV vorzulegen, um zu überprüfen, ob das Unionsrecht dem Ausschluss von Herrn van den Berg, Herrn Giesen und Frau Franzen von der niederländischen Sozialversicherung für die in diesen Rechtssachen in Rede stehenden Zeiträume entgegenstand.

38        Mit Urteil vom 23. April 2015, Franzen u. a. (C‑382/13, EU:C:2015:261) entschied der Gerichtshof, dass Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 in Verbindung mit Abs. 1 dieses Artikels dahin auszulegen ist, dass er unter Umständen wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden dem nicht entgegensteht, dass ein Wanderarbeitnehmer, der den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats unterliegt, nach einer nationalen Regelung des Wohnsitzmitgliedstaats Leistungen aus der Rentenversicherung und Kindergeld im letztgenannten Staat bezieht.

39        Am 6. Juni 2016 erließ der Centrale Raad van Beroep (Berufungsgericht in Sachen der sozialen Sicherheit und des öffentlichen Dienstes) zwei Urteile, wobei das eine Herrn van den Berg und Herrn Giesen betraf und das andere Frau Franzen, in denen er dem Urteil vom 23. April 2015, Franzen u. a. (C‑382/13, EU:C:2015:261) entnahm, dass in Fällen wie denen von Herrn van den Berg, Herrn Giesen und Frau Franzen eine Ausnahme von dem sich aus Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 ergebenden Grundsatz der Anwendung nur eines nationalen Rechts im Bereich der Sozialversicherung zulässig sein könne. Er wandte daher die in Art. 25 BUB 1989 bzw. in Art. 24 BUB 1999 vorgesehenen Härteklauseln an, um die Anwendung von Art. 6a Buchst. b AOW und Art. 6a Buchst. b AKW auszuschließen, und gab in beiden Fällen den Anträgen der Kläger statt.

40        Die SVB legte beim Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande), dem vorlegenden Gericht in den Ausgangsverfahren, gegen die Urteile des Centrale Raad van Beroep (Berufungsgericht in Sachen der sozialen Sicherheit und des öffentlichen Dienstes) Kassationsbeschwerde ein.

41        Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass es unmöglich sei, auf der Grundlage des Urteils vom 23. April 2015, Franzen u. a. (C‑382/13, EU:C:2015:261), zweifelsfrei die Frage zu beantworten, ob das Unionsrecht nicht nur erlaube, sondern unter Umständen wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden sogar verlange, das nationale Recht unangewandt zu lassen, das vorsehe, dass ein in den Niederlanden Gebietsansässiger von den Sozialversicherungen dieses Mitgliedstaats ausgeschlossen sei, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat erwerbstätig sei, und aufgrund von Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 den Sozialversicherungsvorschriften dieses letztgenannten Staates unterliege.

42        Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) beschlossen, das Verfahren in den Rechtssachen C‑95/18 und C‑96/18 auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

–   In der Rechtssache C‑95/18:

1. a) Sind die Art. 45 und 48 AEUV dahin auszulegen, dass sie in Fällen wie den vorliegenden einer nationalen Regelung wie Art. 6a Buchst. b AOW entgegenstehen? Diese Regelung führt dazu, dass ein in den Niederlanden Gebietsansässiger nicht bei der Sozialversicherung dieses Wohnsitzstaats versichert ist, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat erwerbstätig ist und aufgrund von Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 den Sozialversicherungsvorschriften des Beschäftigungsstaats unterliegt. Die vorliegenden Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass die Betroffenen aufgrund der gesetzlichen Regelung des Beschäftigungsstaats wegen des begrenzten Umfangs ihrer dortigen Erwerbstätigkeit keinen Anspruch auf Altersrente haben.

b) Ist für die Beantwortung von Frage 1a von Bedeutung, dass für einen Gebietsansässigen eines nach Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 nicht zuständigen Wohnsitzstaats keine Beitragspflicht zur Sozialversicherung dieses Wohnsitzstaats besteht? Für die Zeiträume, in denen der Gebietsansässige in einem anderen Mitgliedstaat erwerbstätig ist, unterliegt er nämlich aufgrund dieses Art. 13 ausschließlich dem System der sozialen Sicherheit des Beschäftigungsstaats, und auch die nationalen niederländischen Rechtsvorschriften sehen in einem solchen Fall keine Beitragspflicht vor.

2. Ist für die Beantwortung von Frage 1 von Bedeutung, dass für die Betroffenen die Möglichkeit bestand, eine freiwillige AOW-Versicherung abzuschließen, oder dass für sie die Möglichkeit bestand, die SVB um den Abschluss einer Vereinbarung im Sinne von Art. 17 der Verordnung Nr. 1408/71 zu ersuchen?

3. Steht Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 dem entgegen, dass für jemanden wie die Ehefrau von Herrn Giesen, die vor dem 1. Januar 1989 bei einer Beurteilung allein anhand der nationalen Rechtsvorschriften in ihrem Wohnsitzstaat, den Niederlanden, AOW-versichert war, aufgrund dieser Versicherung ein Anspruch auf Altersversorgung aufgebaut wird, soweit es um Zeiträume geht, in denen sie nach dieser Verordnungsvorschrift wegen Erwerbstätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat den Rechtsvorschriften dieses Beschäftigungsstaats unterlag? Oder ist der Anspruch auf eine Leistung aufgrund der AOW als ein Leistungsanspruch anzusehen, der nach nationalem Recht nicht an Beschäftigungs- oder Versicherungsvoraussetzungen im Sinne des Urteils vom 20. Mai 2008, Bosmann (C‑352/06, EU:C:2008:290), gebunden ist, so dass die Erwägungen in diesem Urteil in ihrem Fall Anwendung finden können?

–   In der Rechtssache C‑96/18:

1. Sind die Art. 45 und 48 AEUV dahin auszulegen, dass sie in einem Fall wie dem vorliegenden einer nationalen Regelung wie Art. 6a Buchst. b AKW entgegenstehen? Diese Regelung führt dazu, dass ein in den Niederlanden Gebietsansässiger nicht bei der Sozialversicherung dieses Wohnsitzstaats versichert ist, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat erwerbstätig ist und aufgrund von Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 den Sozialversicherungsvorschriften des Beschäftigungsstaats unterliegt. Der vorliegende Fall zeichnet sich dadurch aus, dass die Betroffene aufgrund der gesetzlichen Regelung des Beschäftigungsstaats wegen des begrenzten Umfangs ihrer dortigen Erwerbstätigkeit keinen Anspruch auf Kindergeld hat.

2. Ist für die Beantwortung der vorigen Frage von Bedeutung, dass für die Betroffene die Möglichkeit bestand, die SVB um den Abschluss einer Vereinbarung im Sinne von Art. 17 der Verordnung Nr. 1408/71 zu ersuchen?

43        Die Rechtssachen C‑95/18 und C‑96/18 sind durch Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 12. März 2018 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamem Urteil verbunden worden.

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens in der Rechtssache C‑95/18

44        In seinen schriftlichen Erklärungen macht Herr van den Berg geltend, dass das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑95/18 unzulässig sei, weil eine Kassationsbeschwerde zum Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) nur in Bezug auf eine abschließend aufgeführte Zahl von Vorschriften eingelegt werden könne, zu denen Art. 6a AOW nicht gehöre. Das vorlegende Gericht habe daher den Fall nicht in der Sache prüfen dürfen und sei daher nicht befugt, dem Gerichtshof Vorabentscheidungsfragen vorzulegen.

45        Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es allein Sache des nationalen Gerichts ist, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der Fragen zu beurteilen, die es dem Gerichtshof vorlegt. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 10. Dezember 2018, Wightman u. a., C‑621/18, EU:C:2018:999, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46        Folglich gilt für Fragen, die das Unionsrecht betreffen, eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 10. Dezember 2018, Wightman u. a., C‑621/18, EU:C:2018:999, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47        Insoweit hat der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV nicht zu überprüfen, ob die Entscheidung, mit der er angerufen wurde den nationalen Vorschriften über die Gerichtsorganisation und das gerichtliche Verfahren entspricht (Urteil vom 16. Juni 2015, Gauweiler u. a., C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48        Das Vorbringen von Herrn van den Berg reicht daher nicht aus, die in Rn. 46 des vorliegenden Urteils angesprochene Vermutung der Entscheidungserheblichkeit zu widerlegen. Daraus folgt, dass das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑95/18 zulässig ist.

Zu den Fragen 1 und 2 in den Rechtssachen C-95/18 und C-96/18

49        Mit seinen Fragen 1 und 2 in den Rechtssachen C‑95/18 und C‑96/18, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 45 und 48 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, denen zufolge ein Wanderarbeitnehmer, der in diesem Mitgliedstaat wohnt und aufgrund von Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 den Sozialversicherungsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats unterliegt, nicht bei den Sozialversicherungen des Wohnsitzmitgliedstaats versichert ist, auch wenn die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats diesem Arbeitnehmer kein Recht auf eine Altersrente oder Kindergeld einräumen.

50        Zur Beantwortung dieser Fragen ist darauf hinzuweisen, dass zur Gewährleistung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Selbständigen in der Union unter Beachtung des Grundsatzes ihrer Gleichbehandlung nach den verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften in Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 eine Koordinierungsregelung geschaffen wurde, die sich u. a. mit der Bestimmung der auf Arbeitnehmer und Selbständige, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, anzuwendenden Rechtsvorschriften befasst. Diese Regelung bildet ein geschlossenes System von Kollisionsnormen, das den Gesetzgebern der Mitgliedstaaten grundsätzlich die Befugnis nimmt, den Geltungsbereich und die Anwendungsvoraussetzungen ihrer nationalen Rechtsvorschriften im Hinblick darauf nach ihrem Belieben zu bestimmen, welche Personen ihnen unterliegen und in welchem Gebiet die nationalen Bestimmungen ihre Wirkung entfalten sollen (Urteil vom 26. Februar 2015, de Ruyter, C‑623/13, EU:C:2015:123‚ Rn. 34 und 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51        In diesem Rahmen bestimmt Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71, der die allgemeinen Regeln für die Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften festlegt, in seinem Abs. 1, dass die Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen, was demnach vorbehaltlich der in den Art. 14c und 14f geregelten Fälle jede Möglichkeit ausschließt, die Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten für ein und denselben Zeitabschnitt kumulativ anzuwenden (Urteil vom 26. Februar 2015, de Ruyter, C‑623/13, EU:C:2015:123‚ Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52        Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71, der den Grundsatz der Anwendbarkeit nur eines Rechts im Bereich der sozialen Sicherheit, wie er in Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung definiert wird, konkretisiert, stellt klar, dass eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterliegt, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt.

53        Jedoch kann dieser Grundsatz der Anwendbarkeit nur eines Rechts einem Mitgliedstaat, der nach den Bestimmungen des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 nicht zuständig ist, nicht die Möglichkeit nehmen, einem Wanderarbeitnehmer unter bestimmten Bedingungen Familienbeihilfen oder eine Altersrente nach seinem nationalen Recht zu gewähren. Mit der Verordnung Nr. 1408/71 soll der Wohnsitzmitgliedstaat einer Person nämlich nicht daran gehindert werden, dieser Person nach seinem Recht Familienbeihilfen oder Altersrenten zu gewähren, selbst wenn diese nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegt, in dem sie abhängig beschäftigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. April 2015, Franzen u. a., C‑382/13, EU:C:2015:261, Rn. 58 bis 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54        Nach Angaben des vorlegenden Gerichts schließen die in den Ausgangsverfahren anwendbaren niederländischen Rechtsvorschriften die Mitgliedschaft einer in den Niederlanden ansässigen Person bei der nationalen Sozialversicherung aus, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat arbeitet. Diese Rechtsvorschriften sähen auch keine Möglichkeit vor, diesen Ausschluss unangewandt zu lassen, da die im BUB 1989 und im BUB 1999 vorgesehenen Härteklauseln unter den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umständen nicht geltend gemacht werden könnten. Somit kann nach Angaben des vorlegenden Gerichts eine Person in einer Situation wie denen, um die es in den Ausgangsverfahren gehe, nicht in den Genuss der von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geschaffenen Möglichkeit kommen, vom Grundsatz der Anwendbarkeit nur eines Rechts abzuweichen.

55        Dieser Kontext zeichnet sich auch dadurch aus, dass die Wanderarbeitnehmer im vorliegenden Fall nach den Rechtsvorschriften des nach Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 zuständigen Beschäftigungsmitgliedstaats keinen Anspruch auf Sozialleistungen hatten.

56        Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sollen zwar sämtliche Bestimmungen des Vertrags über die Freizügigkeit den Unionsangehörigen die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die sie benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als ihres Herkunftsmitgliedstaats eine Tätigkeit ausüben wollen. Das Primärrecht der Union kann einem Arbeitnehmer jedoch nicht garantieren, dass ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat als seinen Herkunftsmitgliedstaat in sozialer Hinsicht neutral ist, da ein solcher Umzug aufgrund der Unterschiede, die zwischen den Systemen und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestehen, für die betreffende Person je nach Einzelfall Vorteile oder Nachteile in diesem Bereich haben kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2017, Erzberger, C‑566/15, EU:C:2017:562, Rn. 33 und 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57        Was zum einen Art. 45 AEUV betrifft, steht dieser zwar jeder nationalen Maßnahme entgegen, die geeignet ist, die Ausübung der durch diese Vorschrift garantierten Grundfreiheit der Freizügigkeit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, dieser Artikel verschafft einem Arbeitnehmer, der sich in einen anderen Mitgliedstaat als seinen Herkunftsmitgliedstaat begibt, jedoch nicht das Recht, sich im Aufnahmemitgliedstaat auf dieselbe soziale Absicherung zu berufen, die ihm in seinem Herkunftsmitgliedstaat nach den dortigen nationalen Rechtsvorschriften zustanden (vgl. entsprechend Urteil vom 18. Juli 2017, Erzberger, C‑566/15, EU:C:2017:562, Rn. 33 und 35).

58        Art. 45 AEUV kann auch nicht dahin ausgelegt werden, dass er einem Wanderarbeitnehmer das Recht einräumt, sich in seinem Wohnsitzmitgliedstaat auf dieselbe soziale Absicherung zu berufen wie die, in deren Genuss er käme, falls er in diesem Mitgliedstaat arbeiten würde, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat arbeitet und gemäß den Bestimmungen des nach Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 zuständigen Mitgliedstaats nicht in den Genuss einer solchen Absicherung kommt.

59        Was zum anderen Art. 48 AEUV betrifft, der eine Koordinierung und keine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vorsieht, werden die materiellen und formellen Unterschiede zwischen den Systemen der sozialen Sicherheit der einzelnen Mitgliedstaaten und folglich zwischen den Ansprüchen der dort Versicherten durch diese Bestimmung nicht berührt, so dass jeder Mitgliedstaat dafür zuständig bleibt, im Einklang mit dem Unionsrecht in seinen Rechtsvorschriften festzulegen, unter welchen Voraussetzungen die Leistungen eines Systems der sozialen Sicherheit gewährt werden (Urteil vom 12. Juni 2012, Hudzinski und Wawrzyniak, C‑611/10 und C‑612/10, EU:C:2012:339, Rn. 42).

60        Art. 48 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einen nicht zuständigen Mitgliedstaat verpflichten würde, einem Wanderarbeitnehmer, der in einem anderen Mitgliedstaat abhängig beschäftigt ist, eine soziale Absicherung zu gewähren, würde jedoch unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren das System der Koordinierung der im Bereich der sozialen Sicherheit anwendbaren Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, das durch den in Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 vorgesehenen Grundsatz der Anwendbarkeit nur eines Rechts konkretisiert wird, in Frage stellen.

61        Eine solche Auslegung würde nämlich das durch den AEU-Vertrag eingerichtete Gleichgewicht zerstören, da eine solche Pflicht in Situationen wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden dazu führen könnte, dass nur das Gesetz des Mitgliedstaats, der die vorteilhaftere soziale Sicherung bietet, angewandt wird. Ein solches Anknüpfungskriterium wäre jedoch angesichts der zahlreichen potenziellen Leistungen, die unter die verschiedenen in Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherung fallen, besonders schwer zu handhaben.

62        Außerdem wäre eine solche Lösung geeignet, das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats zu beeinträchtigen, der die vorteilhafteste soziale Sicherung bietet.

63        Aus den vom vorlegenden Gericht in seinen Vorabentscheidungsersuchen gemachten Angaben geht hervor, dass sich die fehlende soziale Absicherung der Wanderarbeitnehmer, die Parteien der Ausgangsverfahren sind, in den Zeiträumen, in denen sie außerhalb ihres Wohnsitzmitgliedstaats gearbeitet haben, nur aus der Anwendung der Rechtsvorschriften des nach Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 zuständigen Mitgliedstaats ergibt. Der Inhalt der nationalen Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit wird jedoch weder auf der Grundlage des AEU-Vertrags noch auf der der Verordnung Nr. 1408/71 harmonisiert.

64        Daher können die Art. 45 und 48 AEUV nicht dahin ausgelegt werden, dass sie unter Umständen wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden den Wohnsitzmitgliedstaat verpflichten, einem Wanderarbeitnehmer Sozialleistungen zu gewähren, wenn dieser auf solche Leistungen nach den Rechtsvorschriften des nach Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 zuständigen Beschäftigungsmitgliedstaats keinen Anspruch hat.

65        Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass im Rahmen von Art. 17 der Verordnung Nr. 1408/71 zwei Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, im Interesse bestimmter Personengruppen oder bestimmter Personen Ausnahmen vom Grundsatz der Anwendbarkeit nur eines Rechts zu vereinbaren. Diese Möglichkeit ist besonders angezeigt, wenn, wie im Fall der Parteien des Ausgangsverfahrens, das anwendbare Recht des Beschäftigungsmitgliedstaats dem Wanderarbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Altersrente oder auf Kindergeld gewährt, obwohl er darauf Anspruch hätte, wenn er ohne Beschäftigung in seinem Wohnsitzmitgliedstaat geblieben wäre.

66        Nach alledem sind die Art. 45 und 48 AEUV dahin auszulegen, dass sie den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, denen zufolge ein Wanderarbeitnehmer, der in diesem Mitgliedstaat wohnt und aufgrund von Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 den Sozialversicherungsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats unterliegt, nicht bei den Sozialversicherungen des Wohnsitzmitgliedstaats versichert ist, auch wenn die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats diesem Arbeitnehmer kein Recht auf eine Altersrente oder Kindergeld einräumen.

Zur dritten Frage in der Rechtssache C‑95/18

67        Mit seiner dritten Frage in der Rechtssache C‑95/18 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass er einen Mitgliedstaat, in dem ein Wanderarbeitnehmer wohnt und der nach diesem Artikel nicht zuständig ist, daran hindert, die Gewährung eines Anspruchs auf eine Altersrente an diesen Wanderarbeitnehmer von einer Versicherungspflicht abhängig zu machen, die die Zahlung von Pflichtbeiträgen beinhaltet.

68        Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, zwar den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliegt, auch wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt, doch soll der Wohnstaat mit dieser Verordnung nicht daran gehindert werden, dieser Person nach seinem Recht eine Sozialleistung wie eine Altersrente zu gewähren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Mai 2008, Bosmann, C‑352/06, EU:C:2008:290, Rn. 31).

69        Im Urteil vom 20. Mai 2008, Bosmann (C‑352/06, EU:C:2008:290, Rn. 32), hat der Gerichtshof unter Verweis auf die Urteile vom 12. Juni 1986, Ten Holder (302/84, EU:C:1986:242), und vom 10. Juli 1986, Luijten (60/85, EU:C:1986:307), klargestellt, dass diese Urteile – in ihren speziellen Kontexten betrachtet, die sich von dem des Ausgangsverfahrens unterscheiden – nicht als Grundlage dienen können, um auszuschließen, dass ein Mitgliedstaat, der nicht der zuständige Mitgliedstaat ist und der den Anspruch auf eine Familienleistung nicht an eine Beschäftigung oder Versicherung bindet, einer in seinem Gebiet ansässigen Person eine solche Leistung gewähren kann, sofern sich diese Möglichkeit tatsächlich aus seinen Rechtsvorschriften ergibt.

70        Mit der Feststellung, dass der nach Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 nicht zuständige Mitgliedstaat den Anspruch auf eine Familienleistung nicht von einer Versicherungsvoraussetzung abhängig machen darf, hat der Gerichtshof jedoch nur den Grundsatz der Anwendung nur eines Rechts verdeutlicht, wie er für abhängig beschäftigte Wanderarbeitnehmer gilt. Nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 unterliegt nämlich eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt. Daraus ergibt sich, dass nach dem Grundsatz der Anwendung nur eines Rechts der Mitgliedstaat, in dem der Wanderarbeitnehmer wohnt, diesem Arbeitnehmer keine Versicherungspflicht vorschreiben kann, ohne das in Art. 48 AEUV vorgesehene System der Koordinierung in Frage zu stellen.

71        Bei einer solchen, von einem nach Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 nicht zuständigen Mitgliedstaat auferlegten Versicherungspflicht, die die Zahlung von Beiträgen beinhaltet, bestünde die Gefahr, dass ein Wanderarbeitnehmer Beiträge für die Systeme der sozialen Sicherheit zweier verschiedener Mitgliedstaaten leisten müsste, was dem Grundsatz der Einheitlichkeit, den der Unionsgesetzgeber festschreiben wollte, zuwiderliefe.

72        Jedoch kann der Grundsatz, dass ein nach Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 nicht zuständiger Mitgliedstaat den Anspruch auf eine Familienleistung nicht von einer Versicherungsvoraussetzung abhängig machen darf, nicht dahin verstanden werden, dass jede Mitgliedschaft eines Wanderarbeitnehmers in diesem Mitgliedstaat verboten ist. Der Wohnsitzmitgliedstaat kann nämlich auf der Grundlage eines anderen Anknüpfungskriteriums als den Beschäftigungs- oder Versicherungsvoraussetzungen, Sozialleistungen, u. a. Leistungen bei Alter, einer in seinem Gebiet ansässigen Person gewähren, wenn sich die Möglichkeit einer solchen Gewährung tatsächlich aus seinen Rechtsvorschriften ergibt.

73        Aus dem Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑95/18 geht hervor, dass nach dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zeitraum anwendbaren nationalen Recht, die Ehefrau von Herrn Giesen aufgrund der AOW als in den Niederlanden in diesem Zeitraum Ansässige versichert war. Das in diesen Rechtsvorschriften verwendete Anknüpfungskriterium war somit der Wohnort des Wanderarbeitnehmers.

74        In der mündlichen Verhandlung hat die niederländische Regierung allerdings ausgeführt, dass für die Gewährung von Leistungen bei Alter die Zahlung von Beiträgen erforderlich gewesen wäre und dass zur Zeit der in der Rechtssache C‑95/18 maßgebenden Ereignisse das Wohnsitzerfordernis allein nicht ausgereicht habe, um solche Leistungen zu beziehen. Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, zu überprüfen, ob zur Zeit der in der Rechtssache C‑95/18 maßgebenden Ereignisse die Ehefrau von Herrn Giesen unabhängig von einer Beitragspflicht Anspruch auf Leistungen bei Alter hatte.

75        Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich ferner, dass mit den Art. 45 und 48 AEUV ebenso wie mit der zu deren Durchführung erlassenen Verordnung Nr. 1408/71 insbesondere verhindert werden soll, dass ein Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, ohne objektiven Grund schlechter gestellt wird als ein Arbeitnehmer, der seine gesamte berufliche Laufbahn in einem einzigen Mitgliedstaat zurückgelegt hat (Urteil vom 12. Juni 2012, Hudzinski und Wawrzyniak, C‑611/10 und C‑612/10, EU:C:2012:339, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76        Dies wäre jedoch der Fall, wenn die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung den Wanderarbeitnehmer gegenüber denen benachteiligen würde, die ihre gesamte Tätigkeit in einem Mitgliedstaat ausüben, in dem diese Regelung anwendbar ist und sie dazu führt, dass dieser Arbeitnehmer Beitragsleistungen erbringen muss, denen kein Anspruch auf eine Gegenleistung gegenübersteht, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

77        Nach alledem ist Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass er einen Mitgliedstaat, in dessen Gebiet ein Wanderarbeitnehmer wohnt und der nach diesem Artikel nicht zuständig ist, daran hindert, die Gewährung eines Anspruchs auf eine Altersrente an diesen Wanderarbeitnehmer von einer Versicherungspflicht abhängig zu machen, die die Zahlung von Pflichtbeiträgen beinhaltet.

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