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Arbeitsrecht
24.01.2019
Arbeitsrecht
Sächsisches LAG: Anforderungen an elektronischen Rechtsverkehr bei Prozesskostenhilfeantrag

Sächsisches LAG, Beschluss vom 25.10.20184 Ta 52/2018 (8)

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-243-5

Amtlicher Leitsatz

Der vollständig ausgefüllte und vom Arbeitgeber unterschriebene PKH-Erklärungsvordruck kann auch in Form eines elektronischen Dokuments mit eingescannter Unterschrift vorgelegt werden.

Sachverhalt

I.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.

Im Hauptsacheverfahren stritten die Parteien um Zahlung. 

Der Kläger  verlangte von der Beklagten restliche Vergütung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz für den Monat Juni 2017.

Am  14.12.2017  beantragte  der  Kläger  die  Bewilligung  von  Prozesskostenhilfe  und übersandte gleichzeitig eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen in eingescannter Form. 

Daraufhin lehnte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 18.02.2018, der Klägervertreterin  zugestellt  am  27.02.2018,  die  Bewilligung von  Prozesskostenhilfe  für  den Kläger ab und führte hierzu aus, dass das Gericht davon ausgehe, dass die Erklärung  über  die  persönlichen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  eigenhändig  durch den  Antragsteller  unterschrieben  werden  müsse  und  nicht  nur  in  eingescannter Form – wie hier – vorliegen könne. 

Es handele sich um eine Erklärung des Antragstellers, die gegenüber dem Gericht abzugeben sei und bei Unrichtigkeit den Straftatbestand des Betruges erfülle. Eine solche Erklärung müsse dem Erklärenden eindeutig zuzuordnen sein. 

Der  hiergegen  eingelegten  sofortigen  Beschwerde  des  Klägers  vom  23.03.2018, auf  dessen  Begründung  Bezug  genommen  wird  (Bl.  75  bis  80  d.  A.  i.  PKH-Heft), hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 16.04.2018, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Bl. 74 d. A. i. PKH-Heft), nicht abgeholfen und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

1.

Die  sofortige  Beschwerde  des  Klägers  ist  gemäß  §  127  Abs.  2  Satz  2  ZPO statthaft.  Sie  ist  auch  gemäß  §§  569  Abs.  1  und  2, 127  Abs.  2  Satz  3  ZPO  form- und fristgerecht eingelegt worden und erweist sich somit auch sonst als zulässig.

2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.  Das Arbeitsgericht hat dem Kläger zu Unrecht Prozesskostenhilfe versagt.

a) Gemäß § 114 I Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf  Antrag  Prozesskostenhilfe,  wenn  die  beabsichtigte  Rechtsverfolgung  hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 117 Abs. 2 ZPO  sind  dem  Antrag  eine  Erklärung  der  Partei  über ihre  persönlichen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  sowie  entsprechende  Belege  beizufügen.  Soweit  Formulare  für  die  Erklärung  eingeführt  sind,  muss  sich  die  Partei  ihrer  bedienen    117 Abs.  4  ZPO).  Gemäß  §  1  Abs.  1  PKH-Formularverordnung  (PKH  FV)  vom 22.01.2014 ist für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse  nach  §  117  Abs.  2  Satz  1  ZPO  das  ab  22.01.2014  bestimmte  Formular  zu verwenden. 

b) Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Bewilligung  von Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug besonders. Grundsätzlich muss der Antrag vor Abschluss der  Instanz  gestellt  werden,  denn Prozesskostenhilfe  kann nur für eine  "beabsichtigte"  Rechtsverfolgung  gewährt  werden    114  Satz 1  ZPO).  Ein  wirksamer  Prozesskostenhilfeantrag  ist  erst  dann  gestellt,  wenn die  Erklärung  über  die  persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht ist (vgl. LAG Schleswig-Holstein 04.01.2006    2  Ta  268/05  –).  Fallen  Antragstellung,  Formularbenutzung  i.  S.  d.  § 117 Abs. 4 ZPO und Belegvorlage i. S. d. § 117 Abs. 2 ZPO auseinander, dann ist frühester  Bewilligungszeitpunkt  die  Einreichung  des  ordnungsgemäß  ausgefüllten Formulars (LAG Schleswig-Holstein 06.06.2000 – 6 Ta 35/00 – und 6 Ta 45/00 –). Eine  auf  den  Zeitpunkt  der  Antragstellung  rückwirkende  Bewilligung  ist  in  diesem Falle auch möglich, wenn die Instanz inzwischen beendet worden ist.

c) Im  vorliegenden  Fall  war  die  Instanz  mit  Rechtskraft  des  Vergleichs  vom 04.01.2018  am  17.01.2018  rechtskräftig  abgeschlossen.  Vor  diesem  Zeitpunkt  lag entgegen  der  Auffassung  des  Arbeitsgerichts  ein  bewilligungsfähiger  Prozesskostenhilfeantrag des Klägers vor. 

Der Kläger hat auch den aktuellen Erklärungsvordruck verwendet. Auf dem von ihm eingescannten  vollständig  ausgefüllten  Vordruck  findet  sich  in  der  Unterschriftenzeile seine eingescannte Unterschrift nebst Ort und Datum.  Anhaltspunkte dafür, dass es sich nicht um die Unterschrift des Klägers gehandelt hat, gibt es nicht. Auch das Arbeitsgericht hat letztendlich nicht angezweifelt, dass die Erklärung tatsächlich vom Kläger stammt. 

d) Es fehlt auch nicht an einer wirksamen Antragstellung. Ein Prozesskostenhilfeantrag,  der  nicht  zu  Protokoll  der  Geschäftsstelle  erklärt,  sondern  schriftlich  gestellt wird (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO), muss vom Antragsteller unterschrieben und mit  der  Versicherung  der  Vollständigkeit  und  Richtigkeit  seiner  Angaben  versehen werden (BGH, Beschluss vom 04.05.1994 – XII ZB 21/94 –, Juris Rn. 8; OVG Berlin-Brandenburg,  Beschluss  vom  09.11.2017    OVG  11 N  10.17    Rn.  2,  Juris). Dieser  Anforderung  ist  allerdings  genügt,  wenn  feststeht,  dass  die  Erklärung  von der Partei stammt. § 117 Abs. 2 ZPO verlangt auch in der seit Inkrafttreten des Gesetzes  zur  Änderung  des  Prozesskostenhilfe-  und  Beratungshilferechts  im  Jahre 2013 geltenden Fassung nicht, dass die Erklärung, um wirksam zu sein, eigenhändig  unterschrieben  sein  muss  und  im  Original  vorgelegt  wird  (so  schon  BGH 10.07.1985 – IV b ZB 47/85 – und OLG Karlsruhe 07.12.1995 – 2 WF 145/95 – zu § 117  Abs.  2  ZPO  a.  F.).  Ein  solches  Erfordernis  stellt  auch  die  PKHVordruckVO vom  22.01.2014  nicht  auf  (so  auch  LAG  Schleswig-Holstein,  Beschluss  vom 17.05.2017 – 6 Ta 67/17 – Rn. 14, Juris).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, nachdem bei der Prozesskostenhilfeerklärung kein zwingendes Schriftformerfordernis besteht (vgl. oben), dass der vollständig  ausgefüllte  und  vom  Antragsteller/Kläger  unterschriebene  Erklärungsvordruck auch  in  Form  eines  elektronischen  Dokuments  mit  eingescannter  Unterschrift  vorgelegt  werden  kann,  wenn  die  Erklärung  unzweifelhaft  vom  Antragsteller  stammt und er zu seinen Angaben steht. 

Anhaltspunkte  dafür,  dass  es  sich  nicht  um  die  Unterschrift  des  Klägers  handelt, sind nicht ersichtlich.

e) Aufgrund der vom Kläger belegten Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ergibt sich keine Pflicht zur Ratenzahlung.

Von den monatlichen Einkünften des Klägers in Höhe von 1.326,30 € netto sind der Selbstbehalt in Höhe von 481,00 €, die Miete in Höhe von 567,69 € (es wurde davon ausgegangen, dass der Kläger die Miete in vollem Umfang zahlt, weil die Ehefrau  als  Arbeitslosengeldbezieherin  bedürftig  ist  und  zur  Miete  nichts  beisteuern kann), der Freibetrag für die 16-jährige Tochter ... von in Höhe von 287,00 € (Freibetrag in Höhe von 364,00 € abzüglich Kindergeld in Höhe von 194,00 €), 22,55 € Versicherungsbeitrag  für  die  Kfz-Versicherung  sowie  die  belegten  Zahlungsverpflichtungen des Klägers in Höhe von insgesamt 80,00 € abzuziehen.  Es verbleibt kein einzusetzendes Einkommen mehr (hier: minus 111,94 €), das zu einer monatlichen Ratenzahlung verpflichten könnte.

Nach  alledem  war  daher  auf  die  sofortige  Beschwerde  des  Klägers  der Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 18.02.2018 entsprechend abzuändern.

Diese  Entscheidung  konnte  ohne  mündliche  Verhandlung  durch  die  Vorsitzende allein ergehen (§§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 568 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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