Sächsisches LAG: Anforderungen an elektronischen Rechtsverkehr bei Prozesskostenhilfeantrag
Sächsisches LAG, Beschluss vom 25.10.2018 – 4 Ta 52/2018 (8)
Volltext: BB-ONLINE BBL2019-243-5
Amtlicher Leitsatz
Der vollständig ausgefüllte und vom Arbeitgeber unterschriebene PKH-Erklärungsvordruck kann auch in Form eines elektronischen Dokuments mit eingescannter Unterschrift vorgelegt werden.
Sachverhalt
I.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.
Im Hauptsacheverfahren stritten die Parteien um Zahlung.
Der Kläger verlangte von der Beklagten restliche Vergütung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz für den Monat Juni 2017.
Am 14.12.2017 beantragte der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und übersandte gleichzeitig eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen in eingescannter Form.
Daraufhin lehnte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 18.02.2018, der Klägervertreterin zugestellt am 27.02.2018, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Kläger ab und führte hierzu aus, dass das Gericht davon ausgehe, dass die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eigenhändig durch den Antragsteller unterschrieben werden müsse und nicht nur in eingescannter Form – wie hier – vorliegen könne.
Es handele sich um eine Erklärung des Antragstellers, die gegenüber dem Gericht abzugeben sei und bei Unrichtigkeit den Straftatbestand des Betruges erfülle. Eine solche Erklärung müsse dem Erklärenden eindeutig zuzuordnen sein.
Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde des Klägers vom 23.03.2018, auf dessen Begründung Bezug genommen wird (Bl. 75 bis 80 d. A. i. PKH-Heft), hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 16.04.2018, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Bl. 74 d. A. i. PKH-Heft), nicht abgeholfen und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Aus den Gründen
II.
1.
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft. Sie ist auch gemäß §§ 569 Abs. 1 und 2, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden und erweist sich somit auch sonst als zulässig.
2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger zu Unrecht Prozesskostenhilfe versagt.
a) Gemäß § 114 I Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 117 Abs. 2 ZPO sind dem Antrag eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen (§ 117 Abs. 4 ZPO). Gemäß § 1 Abs. 1 PKH-Formularverordnung (PKH FV) vom 22.01.2014 ist für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO das ab 22.01.2014 bestimmte Formular zu verwenden.
b) Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug besonders. Grundsätzlich muss der Antrag vor Abschluss der Instanz gestellt werden, denn Prozesskostenhilfe kann nur für eine "beabsichtigte" Rechtsverfolgung gewährt werden (§ 114 Satz 1 ZPO). Ein wirksamer Prozesskostenhilfeantrag ist erst dann gestellt, wenn die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht ist (vgl. LAG Schleswig-Holstein 04.01.2006 – 2 Ta 268/05 –). Fallen Antragstellung, Formularbenutzung i. S. d. § 117 Abs. 4 ZPO und Belegvorlage i. S. d. § 117 Abs. 2 ZPO auseinander, dann ist frühester Bewilligungszeitpunkt die Einreichung des ordnungsgemäß ausgefüllten Formulars (LAG Schleswig-Holstein 06.06.2000 – 6 Ta 35/00 – und 6 Ta 45/00 –). Eine auf den Zeitpunkt der Antragstellung rückwirkende Bewilligung ist in diesem Falle auch möglich, wenn die Instanz inzwischen beendet worden ist.
c) Im vorliegenden Fall war die Instanz mit Rechtskraft des Vergleichs vom 04.01.2018 am 17.01.2018 rechtskräftig abgeschlossen. Vor diesem Zeitpunkt lag entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ein bewilligungsfähiger Prozesskostenhilfeantrag des Klägers vor.
Der Kläger hat auch den aktuellen Erklärungsvordruck verwendet. Auf dem von ihm eingescannten vollständig ausgefüllten Vordruck findet sich in der Unterschriftenzeile seine eingescannte Unterschrift nebst Ort und Datum. Anhaltspunkte dafür, dass es sich nicht um die Unterschrift des Klägers gehandelt hat, gibt es nicht. Auch das Arbeitsgericht hat letztendlich nicht angezweifelt, dass die Erklärung tatsächlich vom Kläger stammt.
d) Es fehlt auch nicht an einer wirksamen Antragstellung. Ein Prozesskostenhilfeantrag, der nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt, sondern schriftlich gestellt wird (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO), muss vom Antragsteller unterschrieben und mit der Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben versehen werden (BGH, Beschluss vom 04.05.1994 – XII ZB 21/94 –, Juris Rn. 8; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.11.2017 – OVG 11 N 10.17 – Rn. 2, Juris). Dieser Anforderung ist allerdings genügt, wenn feststeht, dass die Erklärung von der Partei stammt. § 117 Abs. 2 ZPO verlangt auch in der seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts im Jahre 2013 geltenden Fassung nicht, dass die Erklärung, um wirksam zu sein, eigenhändig unterschrieben sein muss und im Original vorgelegt wird (so schon BGH 10.07.1985 – IV b ZB 47/85 – und OLG Karlsruhe 07.12.1995 – 2 WF 145/95 – zu § 117 Abs. 2 ZPO a. F.). Ein solches Erfordernis stellt auch die PKHVordruckVO vom 22.01.2014 nicht auf (so auch LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17.05.2017 – 6 Ta 67/17 – Rn. 14, Juris).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, nachdem bei der Prozesskostenhilfeerklärung kein zwingendes Schriftformerfordernis besteht (vgl. oben), dass der vollständig ausgefüllte und vom Antragsteller/Kläger unterschriebene Erklärungsvordruck auch in Form eines elektronischen Dokuments mit eingescannter Unterschrift vorgelegt werden kann, wenn die Erklärung unzweifelhaft vom Antragsteller stammt und er zu seinen Angaben steht.
Anhaltspunkte dafür, dass es sich nicht um die Unterschrift des Klägers handelt, sind nicht ersichtlich.
e) Aufgrund der vom Kläger belegten Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ergibt sich keine Pflicht zur Ratenzahlung.
Von den monatlichen Einkünften des Klägers in Höhe von 1.326,30 € netto sind der Selbstbehalt in Höhe von 481,00 €, die Miete in Höhe von 567,69 € (es wurde davon ausgegangen, dass der Kläger die Miete in vollem Umfang zahlt, weil die Ehefrau als Arbeitslosengeldbezieherin bedürftig ist und zur Miete nichts beisteuern kann), der Freibetrag für die 16-jährige Tochter ... von in Höhe von 287,00 € (Freibetrag in Höhe von 364,00 € abzüglich Kindergeld in Höhe von 194,00 €), 22,55 € Versicherungsbeitrag für die Kfz-Versicherung sowie die belegten Zahlungsverpflichtungen des Klägers in Höhe von insgesamt 80,00 € abzuziehen. Es verbleibt kein einzusetzendes Einkommen mehr (hier: minus 111,94 €), das zu einer monatlichen Ratenzahlung verpflichten könnte.
Nach alledem war daher auf die sofortige Beschwerde des Klägers der Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 18.02.2018 entsprechend abzuändern.
Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein ergehen (§§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 568 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.