LAG Nürnberg: Anfechtung einer Betriebsratswahl
LAG Nürnberg, Urteil vom 3.6.2019 – 1 TaBV 3/19
Volltext: BB-ONLINE BBL2019-2675-3
Amtliche Leitsätze
1. Weigert sich der Betriebsrat in einem Anfechtungsverfahren, den vollständigen Text des Wahlausschreibens trotz ausdrücklicher Aufforderung an das Arbeitsgericht vorzulegen, verletzt er seine im Beschlussverfahren gegebenen Mitwirkungspflichten. Die Betriebsratswahl ist in einem Anfechtungsverfahren schon deswegen als unwirksam zumindest dann zu erklären, wenn sich aus anderen Umständen – hier: Niederschrift einer späteren Sitzung des Wahlvorstandes – erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Wahlausschreibens ergeben.
2. Der Wahlvorstand hat eingehende Listen möglichst unverzüglich zu prüfen und dem Listenvertreter die genauen Fehler ebenfalls unverzüglich mitzuteilen. Eine pauschale Angabe der Fehler genügt nicht. Die Beanstandung ist unzureichend mit der Folge des Bestehens eines Anfechtungsgrundes, wenn dem Listenvertreter mitgeteilt worden ist, ein Bewerber sei nicht wählbar und die Mängel seien heilbar, ohne den Listenvertreter über die Konsequenz der Beanstandung aufzuklären.
3. Beruft sich der Wahlvorstand für die Zurückweisung der Liste darauf, in der vom Arbeitgeber mitgeteilten Wählerliste sei ein Eintrittsdatum in den Betrieb angeführt, das zur Erreichung der Sechs-Monats-Frist für die Wählbarkeit nicht ausreichend sei, hat er zuvor zu versuchen festzustellen, ob diese Frist durch eine vorherige Beschäftigung im Unternehmen oder Konzern erfüllt ist. Ggf. hat er hierbei konkret beim Arbeitgeber und/oder beim Listenvertreter nachzufragen.
4. Bei Festlegung einer längeren als der gesetzlich zwingend vorgeschrie-benen Frist von zwei Wochen zur Einreichung von Wahlvorschlägen ist nicht auszuschließen, dass andere Vorschläge gemacht worden sind oder gemacht oder unterlassen worden wären, so dass dies allein die Anfechtung ebenfalls rechtfertigt.
BetrVG § 8 Abs. 1 S. 1
ArbGG § 69 Abs. 2, § 83 Abs. 1 S. 3, § 92 a
Sachverhalt
I.
Die Beteiligten streiten über die Anfechtung einer Betriebsratswahl.
Die Beteiligte zu 1.), gemeinnützige GmbH, führt den Betrieb „Seniorenzentrum B…“. In diesem Betrieb wurde durch den Konzernbetriebsrat ein Wahlvorstand zur Durchführung von Betriebsratswahlen eingesetzt. Am 22.03.2018 leitete dieser mit Aushang des Wahlausschreibens die Betriebsratswahl ein. Als letzter Tag für die Einreichung von Vorschlagslisten war der 10.04.2018 aufgeführt.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Liste mit dem Kennwort SZBH1, Listenvertreter K… vom 22.03.2018 (Anlage A 1 zur Antragsschrift, Bl. 13 d.A.) bereits am 22.03. oder erst am 30.03.2018 beim Wahlvorstand eingereicht worden ist. Die Liste, die als Bewerberin die Beschäftigte S… aufführt, wurde dem Listenvertreter am 05. oder am 06.04.2018 zurückgereicht. Im entsprechenden Schreiben vom 04.04.2018 ist folgendes ausgeführt (Anlage 1 zur Beschwerdebegründung, Bl. 224 d.A.):
Bei der Überprüfung der Vorschlagsliste,Kennwort:SZBH1, wurden folgende heilbare Mängel festgestellt:
1. Mehrere falsche Geburtsdaten bei Bewerber/innen und Unterstützer/innen.
2. Bewerber/in ist noch keine 6 Monate im Betrieb beschäftigt, daher nicht wählbar.
3. Mit der Art der Beschäftigung ist nicht gemeint, Angestellter, Angestellte und Auszubildende sondern die genaue Berufsbezeichnung im Betrieb.
4. Der Wahlvorstand weist ausdrücklich darauf hin, dass nur er berechtigt ist, ausgehängte Wahlausschreiben wieder abzuhängen. …
Der Listenvertreter reichte daraufhin am 10.04.2018 eine neue Liste mit denselben Bewerbern (Anlage A 2, ebenda, Bl. 14 d.A.), korrigierten Geburtsdaten und geänderten Bezeichnungen für die Art der Beschäftigung ein. Diese Liste wurde vom Wahlvorstand am 11.04.2018 als ungültig zurückgegeben.
Der Wahlvorstand hängte am 13.04.2018 eine andere Vorschlagsliste mit acht Kandidaten aus. Am 23.04.2018 wurden beim Wahlvorstand sowohl ein Einspruch gegen die Zulassung dieser Vorschlagsliste, ein weiterer Einspruch der Bewerberin S… gegen die Nichtaufnahme in die Wählerliste sowie ein dritter Einspruch gegen die Ablehnung der Vorschlagsliste SZBH1 eingereicht (Anlagen A 3 bis A 5 zur Antragsschrift, Bl. 15 ff. d.A.).
Der Wahlvorstand hielt am 09.05.2018 die Wahl ab (Niederschrift über die Wahl als Anlage zum Schriftsatz der Vertreter der Beteiligten zu 1.) vom 24.05.2018, Bl. 262 f. d.A.). Er stellte fest, dass die Beschäftigten P…, W…, L…, Sch… und R… als Mitglieder des Betriebsrats gewählt seien. Das Wahlergebnis wurde am 10.05.2018 im Betrieb ausgehängt. Der gewählte Betriebsrat ist als Beteiligter zu 2.) am Verfahren beteiligt.
Mit am 22.05.2018 beim Arbeitsgericht Bamberg, Kammer Coburg, eingegangenem Antrag hat die Beteiligte zu 1.) die Erklärung der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl begehrt, allerdings namens der Firma „Re… Seniorenwohnzentrum C… GmbH, vertreten durch den Hauptgeschäftsführer J…“. Die Beteiligte zu 1.) hat mit Schriftsatz vom 13.08.2018 Rubrumsberichtigung beantragt und erklärt, es gebe nur eine gemeinnützige GmbH, die ursprünglich als Antragstellerin aufgeführte GmbH existiere nicht. Der Beteiligte zu 2.) hat sich gegen die Berichtigungsmöglichkeit ausgesprochen und erklärt, es handle sich um eine Parteiänderung. Der Antrag sei schon aus diesem Grund abzuweisen.
Zur Begründung der Anfechtung hat die Beteiligte zu 1.) geltend gemacht, der Wahlvorstand habe gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen. Er habe die am 22.03.2018 eingegangene Vorschlagsliste nicht innerhalb von zwei Arbeitstagen, sondern erst am 06.04. beanstandet. Auch der Umstand, dass die Bewerberin S… nicht zugelassen worden sei, sei ein Fehler gewesen. Sie sei unmittelbar vor ihrer am 01.01.2018 im Betrieb aufgenommenen Beschäftigung im Mutterkonzern, der Firma Re…-KLINIKEN GmbH, beschäftigt gewesen, und zwar von 01.04.2013 bis 31.12.2017. Diese Tatsache sei dem Wahlvorstand bekannt gewesen, zumal sie auf einer Betriebsversammlung am 21.02.2018 über ihre Erfahrungen mit dem Betriebsrat des Mutterkonzerns berichtet habe. Im Zeitraum 06.04. bis 13.04.2018 hätten mehrere Mitarbeiter versucht, Einsicht in die Wählerliste zu erlangen. Diese sei diesen Mitarbeitern verweigert worden. Darüber hinaus sei die Wahlordnung erst am 16.04.2018 ausgehängt worden. Es sei davon auszugehen, dass sich all diese Fehler auf das Wahlergebnis ausgewirkt hätten.
Das Arbeitsgericht hat das Rubrum mit Beschluss vom 23.10.2018 berichtigt und die nunmehrige Beteiligte zu 1.) als Antragstellerin aufgeführt, im Wesentlichen mit der Begründung, die ursprünglich als Antragstellerin aufgeführte Firma gebe es nicht, zudem sei klar, dass die im Betrieb B… stattgefundene Betriebsratswahl von der Arbeitgeberin habe angefochten werden sollen. Der genauen Einzelheiten des Beschlusses wegen wird auf den Text des Beschlusses verwiesen (Bl. 90 ff. d.A.).
Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1.) hat erstinstanzlich beantragt,
Die Betriebsratswahl im Re… Seniorenzentrum „B…“ der Re… Seniorenwohnzentrum C…GmbH vom 09.05.2018 wird für unwirksam erklärt:
Der Beteiligte zu 2.) hat dagegen beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Beteiligte zu 2.) hat geltend gemacht, der Antrag sei bereits aus formellen Gründen abzuweisen, weil es sich um eine Parteiänderung handle und die Frist des § 19 Abs. 2 BetrVG nicht eingehalten sei. Der Wahlvorstand sei seiner Prüfungspflicht in Bezug auf die Liste SZBH1 nachgekommen. Die Liste sei erst am 30.03.2018 gegen 21.00 Uhr, am Karfreitag, bei der Vorsitzenden des Wahlvorstandes abgegeben worden. Danach habe der Wahlvorstand unverzüglich gehandelt, indem er am 04.04.2018 Beschluss über die Gültigkeit gefasst und das Beanstandungsschreiben am 05.04.2018 an den Listenvertreter übergeben habe. Die Beteiligte zu 1.) könne sich auf die Zurückweisung der Vorschlagsliste, die durch die Nichtwählbarkeit der Bewerberin S… begründet sei, nicht berufen. Sie selbst habe am 08.03. und am 03.05.2018 Mitarbeiterlisten übermittelt, in denen als Beginn der Betriebszugehörigkeit bei der Bewerberin S… der 01.01.2018 aufgeführt gewesen sei. Der Wahlvorstand sei demnach zu Recht von einer Nichtwählbarkeit dieser Bewerberin ausgegangen. Es sei widersprüchlich, wenn sich die Beteiligte zu 1.) nunmehr auf den von ihr verursachten Fehler berufe. Es sei falsch, dass der Wahlvorstand Einsicht in die Wählerliste verweigert habe. Ein Abdruck dieser Liste habe im Geschäftszimmer des Wahlvorstandes ausgelegen. Ob die Wahlordnung nicht rechtzeitig ausgelegt worden sei, könne dahinstehen. Ein solcher - möglicher - Fehler könne die Anfechtung nicht rechtfertigen.
Die Beteiligte zu 1.) hat erklärt, sie bleibe dabei, dass die Liste bereits am 23.03.2018 eingereicht worden sei. Unabhängig hiervon sei die Beanstandung auch bei einer Einreichung am 30.03.2018 als verspätet anzusehen. Zudem sei die Liste nicht unter der Angabe ausreichender Gründe zurückgewiesen worden. Die Angabe „falsche Geburtsdaten“ und „Probezeit“ ließen die genauen Fehler nicht erkennen. Dem Wahlvorstand sei aufgrund der Informationsveranstaltung sehr wohl bekannt gewesen, dass die Bewerberin S… vor ihrer Beschäftigung bei ihr, der Beteiligten zu 1.), im Mutterkonzern tätig gewesen sei. Im Zweifel hätte der Wahlvorstand diesbezüglich nachfragen können und müssen. Mehrfach sei Mitarbeitern die Einsicht in die Wählerliste verweigert worden, zum Teil mit dem Hinweis, sie müssten einen Termin hierfür vereinbaren. Auch das Fehlen der Auslage der Wahlordnung begründe die Anfechtbarkeit.
Der Wahlvorstand hat die Auffassung vertreten, bei besonderen Ermittlungen könne eine Überschreitung der Beanstandungsfrist gerechtfertigt sein. Ein solcher Fall liege mit Blick auf die Unerfahrenheit des Wahlvorstands und der Einreichung am Karfreitag vor. Im Wahlausschreiben sei vermerkt gewesen, dass Abdrucke der Wählerliste und der Wahlordnung nach Terminvereinbarung beim Wahlvorstand eingesehen werden könnten. Der Listenvertreter L… sei zum mit der Wahlvorstandsvorsitzenden Sch… vereinbarten Termin jedoch nicht erschienen.
Das Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - hat mit Beschluss vom 19.12.2018 wie folgt entschieden:
Die Betriebsratswahl im Re… Seniorenzentrum „B…“ der Re… Seniorenwohnzentrum C… gemeinnützige GmbH vom 09.05.2018 wird für unwirksam erklärt:
Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, die formellen Voraussetzungen der Anfechtung seien erfüllt. Insbesondere schade die ungenaue Bezeichnung der anfechtenden Arbeitgeberin nicht. Bei unrichtiger äußerer Parteibezeichnung sei grundsätzlich diejenige Person als Partei oder Beteiligte anzusehen, die erkennbar durch die Bezeichnung betroffen sein solle. Entscheidend sei, ob die gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnde Identität der Partei gewahrt bleibe. Vorliegend lasse die Bezeichnung eine eindeutige Zuordnung zu. Zum einen fehle mit „gemeinnützige“ lediglich ein Namenszusatz; eine GmbH ohne diesen Zusatz gebe es nicht. Zum anderen sei der Antragsschrift zu entnehmen, dass es um die Betriebsratswahl am Standort gehe und dass die Arbeitgeberin die Anfechtung betreibe. Die Wahl sei für unwirksam zu erklären, da gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen worden und nicht auszuschließen sei, dass sich dies auf das Wahlergebnis habe auswirken können. Zunächst habe der Wahlvorstand den Fristablauf zur Einreichung von Wahlvorschlägen auf 10.04. statt auf 05.04.2018 festgesetzt. Die Ursächlichkeit der unzulässigen Setzung einer solchen längeren Frist könne schon deswegen nicht ausgeschlossen werden, weil nicht klar sei, dass bis 05.04.2018 überhaupt ein gültiger Wahlvorschlag eingegangen sei. Der Betriebsrat habe sich trotz Aufforderung durch das Gericht geweigert, die Eingangsbestätigung für die zweite Liste vorzulegen. Unabhängig hiervon habe der Wahlvorstand die Liste SZBH1 nicht unverzüglich geprüft. Die Liste sei spätestens am 30.03.2018 beim Wahlvorstand eingereicht worden, die Beanstandung sei erst am 05. oder 06.04.2018 erfolgt. Selbst nach Ostermontag habe sich der Wahlvorstand drei Tage Zeit gelassen. Der Abgleich der Daten, den der Wahlvorstand vorgenommen habe, habe eine so lange Prüfungszeit nicht gerechtfertigt. Auch diesbezüglich sei nicht auszuschließen, dass eine korrigierte Liste eingereicht worden wäre, so dass das Wahlergebnis habe beeinflusst werden können. Unabhängig hiervon hätte der Wahlvorstand die korrigierte Liste zur Wahl zulassen müssen. Entscheidend sei die objektive Lage, nicht der Kenntnisstand des Wahlvorstandes von der unmittelbar vorangehenden Konzernbeschäftigung. Schließlich sei die Wählerliste nicht ordnungsgemäß ausgelegt gewesen. Aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 4 WO sei zu entnehmen, dass eine freie Zugänglichkeit während der Arbeitszeit bestehen müsse; das Verlangen nach einer Terminvereinbarung reiche hierfür nicht. Auch aus diesem Grund könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis anders hätte ausfallen können.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist den anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 2.) ausweislich deren Empfangsbekenntnisses am 10.01.2019 zugestellt worden. Die neuen anwaltlichen Vertreter haben mit Schriftsatz vom 24.01.2019, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt. Sie haben die Beschwerde - nach Verlängerung der Begründungsfrist aufgrund am 08.03.2019 eingegangenen Antrags bis 11.04.2019 - mit am 10.04.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Zur Begründung seiner Beschwerde lässt der Beteiligte zu 2.) vortragen, das Arbeitsgericht habe die materiellen Voraussetzungen der Anfechtung zu Unrecht als gegeben angesehen. Es gehe im Rahmen des § 6 Abs. 1 S. 2 WO von einer starren Frist aus, welche dem vorliegenden Fall nicht gerecht werde. Der unerfahrene Wahlvorstand sei durch den Konzernbetriebsrat beraten worden. Von diesem sei eine längere Frist angegeben worden, womöglich um die innerhalb der Frist liegenden Osterfeiertage zu kompensieren. Unabhängig hiervon würden mit der verlängerten Frist keine Bewerberrechte eingeschränkt. Die Frist sei zudem nur um fünf Tage und damit unerheblich verlängert worden. Schließlich führe ein eventuell in der Verlängerung liegender Verstoß nicht zur Anfechtbarkeit, weil es an der Ursächlichkeit für das spätere Wahlergebnis fehle. Die Liste SZBH1 sei bereits am 30.03. beim Wahlvorstand eingereicht worden. Sie sei schon deswegen fehlerhaft gewesen, weil Geburtsdaten falsch angegeben gewesen seien. Nur diese Geburtsdaten seien korrigiert worden. Die Liste sei aber auch wegen der nicht wählbaren Bewerberin S… nicht zuzulassen gewesen. Dieser Fehler sei nicht korrigiert worden. Die Liste sei nicht wegen Verspätung, sondern wegen inhaltlicher Mängel zurückgewiesen worden. Die verlängerte Einreichungsfrist habe sich nicht ausgewirkt. Gegebenenfalls hätte, wenn die zweite Liste nicht vor dem 05.04.2018 eingereicht worden sei, was offenbleiben müsse, eine Nachfrist gesetzt werden müssen. An der Situation hätte sich nichts geändert. Unzutreffend habe das Arbeitsgericht weiter angenommen, dass der Wahlvorstand die Liste SZBH1 nicht unverzüglich geprüft habe. Bei der Prüfungspflicht „möglichst innerhalb einer Frist von zwei Arbeitstagen“ nach § 7 Abs. 2 WO handle es sich um eine Sollvorschrift. Hier sei das Osterwochenende bis 02.04.2018 nicht in die Frist einzubeziehen. Das Seniorenzentrum sei zwar an Wochenenden und Feiertagen besetzt. Das Pflegepersonal und auch die Wahlvorstandsmitglieder seien im Schichtbetrieb tätig. Es sei den Wahlvorstandsmitgliedern nicht zumutbar, an Wochenenden oder Feiertagen außerhalb ihrer Schicht zusammenzutreten. Der Wahlvorstand habe mit seinem Zusammentreten am 03.04. und am 04.04.2018 damit die Frist gewahrt. Hinsichtlich der Beschlussfassung werde auf die jeweilige Niederschrift über die Sitzungen vom 03.04. und vom 04.04.2018 Bezug genommen (Anlagen 3 und 4 zur Beschwerdebegründung, Bl. 227 und Bl. 228 f. d.A.). Schon am 05.04.2018 sei der Listenvertreter über die Mängel unterrichtet worden (Anlage 2, ebenda, Bl. 226 d.A.). Die Prüfung und Beanstandung sei also unverzüglich im Sinne des § 7 Abs. 2 WO erfolgt. Hinsichtlich der Wählbarkeit der Bewerberin S… habe der Wahlvorstand nochmals die von der Beteiligten zu 1.) übergebenen Unterlagen geprüft und festgestellt, dass als Eintrittsdatum der 01.01.2018 aufgeführt gewesen sei. Der Wahlvorstand habe ausführlich mit den Mitgliedern des Konzernbetriebsrats Lü… und Wö… Rücksprache über die Wählbarkeit gehalten. Unabhängig davon sei nicht erkennbar, aus welchem Grund die eventuelle minimale Verzögerung der Prüfung das Wahlergebnis hätte beeinflussen können. Der Wahlvorstand habe aufgrund seiner Informationen die Liste wegen der nicht wählbaren Bewerberin S… zurückweisen müssen. Er habe hinsichtlich der übergebenen Unterlagen keine weitere Prüfungspflicht gehabt. Er habe davon ausgehen können, dass die ihm übergebenen Unterlagen richtig und vollständig seien. Die Beteiligte zu 1.) habe den Verstoß selbst aufgrund lückenhafter und fehlerhafter Information herbeigeführt. Auch für die Anfechtungsberechtigung gelte das Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Die Beteiligte zu 1.) könne sich auf den Verstoß daher nicht berufen. Zu Unrecht nehme das Arbeitsgericht schließlich an, dass die Wählerliste nicht ausreichend ausgelegt worden sei. Der Wahlvorstand habe die Einsichtnahme von einer Terminvereinbarung abhängig machen dürfen. Das Büro des Wahlvorstands sei allgemein zugänglich gewesen, auch für Patienten und Besucher. Schon aus Gründen des Datenschutzes habe die Wählerliste nicht offen dort ausliegen dürfen. Die Einsichtnahme sei keinem der Beschäftigten verwehrt worden. Somit sei der Zweck der Bestimmung gewahrt. Unabhängig hiervon sei nicht erkennbar, wie sich ein eventuell hierin liegender Verstoß auf das Wahlergebnis hätte auswirken können.
Der Beteiligte zu 2.) und Beschwerdeführer stellt im Beschwerdeverfahren den Antrag,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 07.01.2019, Az. 4 BV 9/18, aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 1.) und Beschwerdegegnerin beantragt,
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1.) schließt sich der Begründung des Arbeitsgerichts an. Sie meint, die Festlegung einer längeren als im Gesetz vorgesehenen Einreichungsfrist sei nicht gestattet. Da nicht feststellbar sei, wann die zweite Liste eingegangen sei, sei nicht auszuschließen, dass sich dieser Verstoß auch auf das Wahlergebnis ausgewirkt hätte. Hinsichtlich der Zurückweisung der Liste SZBH1 sei dem Wahlvorstand selbst widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen. Er habe den Listenvertreter nicht informiert, bei welchem der Bewerber er ein Problem sehe. Zutreffend habe das Arbeitsgericht zudem angenommen, dass die Einschränkung der Einsehbarkeit der Wählerliste ebenfalls einen Fehler darstelle. Dieser Fehler sei auch ursächlich gewesen. Hätte die Liste ausgelegen, hätte der Listenvertreter prüfen können, dass die Bewerberin S… nicht als wählbar angesehen worden sei. Einen weiteren Fehler stelle dar, dass offensichtlich erst in der Sitzung des Wahlvorstands am 04.04.2018 ein Beschluss über den Sitz des Minderheitengeschlechts gefasst worden sei, ebenso über die Qualifizierung als leitende Angestellte und über die Anzahl der erforderlichen Stützunterschriften. Es stelle sich die Frage, ob überhaupt ein ordnungsgemäßes Wahlausschreiben erlassen worden sei. Der Beteiligte zu 2.) habe sich geweigert, das Wahlausschreiben im vollen Text vorzulegen. Schließlich lasse sich aus der Niederschrift über die Stimmabgabe (Anlage BG1 zum Schriftsatz der Vertreter der Beteiligten zu 1.) vom 24.05.2019, Bl. 262 ff. d.A.) entnehmen, dass auch Fehler bei der Öffnung der Briefwahlunterlagen begangen worden seien. Damit sei auch das Wahlgeheimnis verletzt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung des Sachverhalts in den Gründen der arbeitsgerichtlichen Entscheidung, auf die Niederschriften über die Anhörungen beim Arbeitsgericht und beim Landesarbeitsgericht sowie auf die von den Beteiligten bei Gericht eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Aus den Gründen
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingereichte und auch begründete Beschwerde des Beteiligten zu 2.) ist in der Sache nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl zutreffend und mit überzeugender Information für unwirksam erklärt. Die Beschwerdekammer folgt der sorgfältigen und ausführlichen Begründung des Arbeitsgerichts, der sie sich anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG entsprechend). Zu den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Argumenten ist hinzuzufügen:
1. Unzweifelhaft besteht für die Beteiligte zu 1.) die Anfechtungsberechtigung, ist die Anfechtung form- und fristgerecht zum Arbeitsgericht Bamberg, Kammer Coburg, eingereicht worden. Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch erkannt, dass die Beteiligte zu 1.) trotz der ursprünglichen Falschbezeichnung als Antragstellerin anzusehen ist. Den sorgfältigen und zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im Berichtigungsbeschluss vom 28.11.2018 (Bl. 98 f. d.A.) und in den Gründen des arbeitsgerichtlichen Beschlusses folgt die Beschwerdekammer in vollem Umfang. Der Beteiligte zu 2.) hat diese Ausführungen in der Beschwerde auch nicht angegriffen.
2. Nach dem Vorbringen der Beteiligten, an dem die Beschwerdekammer zu zweifeln keinen Anlass hat, steht nunmehr fest, dass die Bewerberin S… wählbar war und dass die Zurückweisung der Vorschlagsliste SZBH1 aus diesem Grund unzulässig war.
a. Dabei kommt es, wie nunmehr auch der Beteiligte zu 2.) einräumt, nicht darauf an, ob dem Wahlvorstand bei der Feststellung der Wählbarkeit ein Vorwurf zu machen ist. Entscheidend ist allein die objektive Lage. Nach dieser war die Bewerberin S… wählbar, weil sie unmittelbar zuvor, nämlich von 2013 bis 31.12.2017 in einem Arbeitsverhältnis innerhalb des Konzerns stand. Zeiten der Beschäftigung in einem Betrieb desselben Unternehmens oder in einem anderen Betrieb eines Konzernunternehmens sind nach § 8 Abs. 1 S. 2 BetrVG aber auf die notwendige sechsmonatige Betriebszugehörigkeit nach § 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG anzurechnen.
b. Dieser Fehler hat sich unzweifelhaft auf das Wahlergebnis ausgewirkt. Ohne die Zurückweisung hätte die Wahl aufgrund zweier Listen im Verhältniswahlsystem stattgefunden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auf diese Liste mindestens eine Stimme entfallen wäre. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte (§ 19 Abs. 1 BetrVG am Ende). Unabhängig davon wäre der Betriebsrat in jedem Fall anders zusammengesetzt, weil die Bewerber in der zweiten eingereichten Liste in derjenigen Reihenfolge, in der sie auf der Vorschlagsliste gestanden haben, in den Betriebsrat eingezogen wären, weil eine Änderung der Reihenfolge, wie sie durch die Personenwahl erfolgt ist, nicht hätte stattfinden können (§ 15 Abs. 1 WO).
c. Der Beteiligten zu 1.) war nicht verwehrt, sich als Anfechtende auf diesen Fehler zu berufen, weil sie ihn selbst verursacht hätte. Zwar hält die Beschwerdekammer einen solchen Ausschluss dann für möglich, wenn sich die Beteiligte zu 1.) treuwidrig und widersprüchlich verhalten hätte. Dies kann die Beschwerdekammer jedoch nicht erkennen. Die Beteiligte zu 1.) hat zutreffend das Datum des Eintritts in den Betrieb, in dem nunmehr Betriebsratswahlen stattfinden sollten, in den Unterlagen, die sie an den Wahlvorstand zur Erstellung der Wählerliste übergeben hat, angegeben. Die Information war daher nicht falsch. Sie war im Hinblick auf § 8 Abs. 1 S. 2 BetrVG lediglich im Hinblick auf die Berücksichtigung weiterer Vorbeschäftigungszeiten unvollständig. Ein widersprüchliches Verhalten wäre allenfalls dann gegeben gewesen, wenn die Beteiligte zu 1.) auch eine ausdrückliche Nachfrage hinsichtlich dieser Vorbeschäftigungszeiten verneint hätte. Dies behauptet aber keiner der Beteiligten. Die Kammer sieht keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Wahlvorstand auch insoweit ausdrücklich bei der Beteiligten zu 1.) nachgefragt hätte. Angesichts einer Information, die zutrifft, die für die begehrten Zwecke lediglich unvollständig ist, kann von Treuwidrigkeit der Beteiligten zu 1.) in keiner Weise gesprochen werden.
d. Der Wahlvorstand hätte es zudem in der Hand gehabt, ausdrücklich nach solchen Vorbeschäftigungszeiten zu fragen. Auch die Beschwerdekammer ist verwundert, dass der Beteiligte zu 2.) trotz entsprechender Aufforderung das Wahlausschreiben, das sich bei den Wahlunterlagen befinden müsste, nicht in vollständiger Ablichtung bei Gericht eingereicht hat. Aus diesem Grund kann die Beschwerdekammer auch nicht prüfen, ob der Wahlvorstand im Wahlausschreiben die Voraussetzungen der Wählbarkeit für alle Beteiligten zutreffend aufgeführt hat. Das Wahlausschreiben hat die Funktion, den wahlberechtigten Arbeitnehmern des Betriebs aufzuzeigen, wie die Wahl abläuft und welche Möglichkeiten sie haben. Hierzu gehören aber auch Angaben, welche Arbeitnehmer nach § 8 BetrVG wählbar sind. Insofern ist es unerheblich, dass diese Angabe in § 3 Abs. 2 WO nicht ausdrücklich als notwendiger Inhalt angegeben ist (so ausdrücklich BAG vom 20.01.2010, 7 ABR 39/08, allerdings für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung mit insoweit anderslautender Wahlordnung). Dies gilt vorliegend umso mehr, als nach dem Vorbringen der Beteiligten eine Wahlordnung entgegen § 2 Abs. 4 der Wahlordnung nicht ausgelegt war. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die fehlende Wählbarkeit der Beschäftigten S… in der Wählerliste ausdrücklich gekennzeichnet war. Auch dies ist im Übrigen erforderlich - es wäre widersprüchlich, eine solche Kennzeichnung zwar für Leiharbeitnehmer vorzuschreiben (vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 WO), nicht aber für sonstige nicht wählbare Personen. Gerade die Nennung der nicht wählbaren Leiharbeitnehmer kann Einreicher von Vorschlagslisten zur fehlerhaften Annahme verleiten, alle anderen in der Wählerliste aufgeführten Arbeitnehmer seien auch wählbar. Gerade solche fehlerhaften Annahmen sollen durch die Angaben im Wahlausschreiben und gegebenenfalls in der Wählerliste vermieden werden.
Hätte der Wahlvorstand diese Angaben im Wahlausschreiben und/oder in der Wählerliste gemacht, hätte es nahegelegen, dass er an die Erfüllung der Voraussetzungen für die Wählbarkeit bei der Beschäftigten S… durch ihre vorherige Beschäftigungszeit gedacht hätte. Dies gilt natürlich umso mehr, wenn der Vortrag der Beteiligten zu 1.), der vom Beteiligten zu 2.) nicht bestritten wird, zuträfe, die Arbeitnehmerin S… hätte in der Betriebsversammlung nicht einmal zwei Monate vor der Entscheidung des Wahlvorstandes von ihrer Tätigkeit im Konzernunternehmen ausdrücklich berichtet. Jedenfalls hätte der Wahlvorstand in einer solchen Konstellation auch an die Vorschrift des § 8 Abs. 1 S. 2 BetrVG denken und bei der Beteiligten zu 1.) oder bei der Bewerberin S… oder zumindest beim Listenvertreter nachfragen müssen, ob die Voraussetzungen der Betriebszugehörigkeit durch eine anderweitige Vorbeschäftigung erfüllt wären. Zu derartigen Nachforschungen ist der Wahlvorstand immer dann verpflichtet, wenn er Probleme einer Liste unschwer erkennen kann; er ist gehalten, solchen erkennbaren Problemen nachzugehen, um eine Anfechtbarkeit durch den Ausschluss objektiv gültiger Listen zu vermeiden (so ausdrücklich BAG vom 16.01.2018, 7 ABR 11/16; schon BAG vom 21.01.2009, 7 ABR 64/07, jeweils zitiert nach juris). Diese Nachforschungen hat der Wahlvorstand nicht angestellt. Es bleibt also in erster Linie sein Fehler, den Sachverhalt nicht aufgeklärt und die Vorschlagsliste SZBH1 wegen der unzutreffend angenommenen Nichtwählbarkeit der Bewerberin S… zurückgewiesen zu haben. Ein widersprüchliches Verhalten der Beteiligten zu 1.) ist nicht erkennbar. Sie ist berechtigt, sich im Anfechtungsverfahren auf diesen Fehler zu berufen. Schon aus diesem Grund erweist sich die Anfechtung als begründet.
3. Die Beschwerdekammer folgt dem Arbeitsgericht jedoch auch darin, dass sich ein Unwirksamkeitsgrund aus der Verlängerung der Zwei-Wochen-Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen ergibt.
a. Die Einreichungsfrist für Wahlvorschläge beträgt nach § 3 Abs. 2 Nr. 8 WO zwei Wochen. Diese Frist darf vom Wahlvorstand weder verkürzt noch verlängert werden (BAG 09.12.1992, 7 ABR 27/92, Rn. 13, zitiert nach juris; Jacobs in GK-BetrVG, 11. Aufl. 2018, § 3 WO Rn. 10; Fitting, 29. Aufl. 2018, § 3 WO Rn. 14).
b. Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2.) kann nicht ausgeschlossen werden, dass die vom Wahlvorstand gesetzwidrig verfügte Verlängerung der Frist das Wahlergebnis weder geändert noch beeinflusst haben könnte (§ 19 Abs. 1 BetrVG am Ende). Zum einen hat der Beteiligte zu 2.) nicht angegeben, wann die zweite, letztlich als allein zugelassene Liste beim Wahlvorstand eingereicht worden ist. War dies aber nach dem 05.04.2018, hätte - lässt man die Fehler bezüglich der Liste SZBH1 außer Acht - nach § 9 WO eine Nachfrist gesetzt werden müssen. Diese Nachfrist hätte es - legt man die schnellstmögliche Entscheidung des Wahlvorstands und unverzüglichen Aushang zugrunde - den Beschäftigten ermöglicht, Vorschlagslisten bis 13.04. einzureichen. Es ist jedoch völlig offen, ob sich nicht Beschäftigte gerade durch eine solche Nachfristsetzung veranlasst gesehen hätten, bis zu diesem Zeitpunkt weitere Vorschläge einzureichen. Damit ist auch nicht ausgeschlossen, dass weitere Listen hätten zur Abstimmung gestellt werden müssen. Auch dieser Fehler rechtfertigt daher die Anfechtung.
4. Die Beschwerdekammer folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass die Prüfung der Vorschlagsliste SZBH1 - selbst wenn man vom Eingang beim Wahlvorstand am 30.03., 21.00 Uhr ausgeht - nicht unverzüglich und nicht korrekt war.
a. Der Beteiligte zu 2.) geht selbst davon aus, dass angesichts der Besonderheiten des Betriebs mit durchlaufenden Schichten zur Betreuung der Heimbewohner auch die Wochenenden als Arbeitstage anzusehen sind. Trotz der Einreichung am 30.01.2018 hat die abschließende Prüfung der Vorschlagsliste jedoch erst am 04.04.2018 stattgefunden, die Beanstandung gegenüber dem Listenvertreter nach Angaben des Beteiligten zu 2.) erst am 05.04.2018. Damit stellt sich die Prüfung und Beanstandung der Vorschlagsliste nicht mehr als „unverzüglich“ im Sinne des § 7 Abs. 2 S. 2 WO dar. Berücksichtigt man die Einlassung des Beteiligten zu 2.), dass eine Abhaltung der Sitzung des Wahlvorstands an den Ostertagen schwierig gewesen wäre, erschließt sich nicht, warum dann die Sitzung mit der Prüfung nicht unverzüglich am 03.04. stattgefunden hat und die Übergabe des Beanstandungsschreibens am selben Tag. Nach der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Niederschrift über die Sitzung des Wahlvorstandes am 03.04.2018 (a.a.O., Bl. 227 d.A.) war die Sitzung mit der Überprüfung um 15.00 Uhr abgeschlossen. Die Beschlussfassung enthält auch die Feststellung sämtlicher vom Wahlvorstand angenommener Fehler. Eine Aushändigung an den Listenvertreter hätte unmittelbar danach erfolgen können und müssen.
b. Berücksichtigt man die Feststellung der Fehler in der Niederschrift vom 03.04.2018, ist völlig unverständlich, warum der Wahlvorstand dem Listenvertreter diese Fehler nicht in gleicher Weise mitgeteilt hat. Weder sind im Beanstandungsschreiben (a.a.O., Bl. 224 d.A.) diejenigen Bewerber und Unterstützer aufgeführt, die falsche Geburtsdaten enthielten, noch ist geklärt, welcher Bewerber - noch dazu bezeichnet als „Bewerber/in“ - noch keine sechs Monate beschäftigt und daher nicht wählbar sein soll. Aber selbst wenn diese Umstände für den Listenvertreter K… erkennbar gewesen sein sollten: Der Wahlvorstand hat diese Beanstandungen fälschlicherweise als „heilbar“ bezeichnet. Er hat den Listenvertreter zudem in keiner Weise über die Folgen der Beanstandung unterrichtet. Auch dies wäre jedoch nötig gewesen, um dem Listenvertreter die Notwendigkeit aufzuzeigen, entsprechende Fehler innerhalb der Frist - eine solche ist ebenfalls nicht angegeben - zu beseitigen oder eine neue Liste ohne solche Fehler einzureichen. Auch diese fehlende Darstellung der Konsequenzen führt zur Anfechtbarkeit (so ausdrücklich Forst in Richardi/Thüsing, BetrVG, 16. Aufl. 2018, § 7 WO Rn. 6; möglicherweise anders Fitting, a.a.O., § 7 WO Rn. 8 „wird zweckmäßigerweise angegeben“). Dies gilt vorliegend zumindest wegen des Hinweises auf „Heilbarkeit“ ohne jede Fristsetzung und Hinweis auf die Folgen.
c. Auch bei diesem Fehler ist nicht auszuschließen, dass dieser zu einem anderen Wahlergebnis geführt hätte. Hätte der Wahlvorstand dem Listenvertreter genau mitgeteilt, welche Änderungen er vorzunehmen hatte und welche Folgen sich bei Nichtabänderung ergeben, hätte er möglicherweise eine andere Vorschlagsliste mit anderem Inhalt eingereicht.
5. Es kann dahinstehen, ob das Vorgehen des Wahlvorstands, eine Einsicht in die Wählerliste nur nach Terminvereinbarung vorzusehen, einen wesentlichen Fehler darstellt. Dies wäre dann der Fall, wenn der Vortrag der Beteiligten zu 1.) zuträfe, mehreren wahlberechtigten Arbeitnehmern wäre eine solche Terminvereinbarung mit einem Wahlvorstandsmitglied trotz entsprechender Bemühungen nicht geglückt. Der Beteiligte zu 2.) hat dies bestritten. Das bloße Verlangen nach einer Terminvereinbarung, die ohne weiteres und ohne Komplikationen zu einer zeitnahen Einsichtnahmemöglichkeit führt, hält die Beschwerdekammer für sich genommen nicht für einen wesentlichen Verstoß. Angesichts dessen, dass andere Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften vorhanden sind, die die Wahl anfechtbar machen, kann diese Rechtsfrage jedoch dahinstehen; eine Beweiserhebung über die tatsächlichen Umstände ist nicht erforderlich.
6. Zutreffend führt die Beteiligte zu 1.) im Beschwerdeverfahren an, dass die Wahl auch dann für unwirksam zu erklären wäre, wenn der Wahlvorstand nicht schon für den Erlass des Wahlausschreibens eine Beschlussfassung über die Mindestsitze des Geschlechts in der Minderheit und über die Zahl der Beschäftigten - und damit über die Qualifizierung oder Nichtqualifizierung als Leitende Angestellte - sowie über die Zahl der notwendigen Stützunterschriften herbeigeführt hätte. In der Tat ergeben sich aus dem im Beschwerdeverfahren vorgelegten Protokoll über die Sitzung des Wahlvorstands vom 04.04.2018 (a.a.O., Bl. 228 d.A.) Anhaltspunkte dafür, dass diese Feststellungen erst am 04.04.2018 erfolgt und damit entweder ohne vorherigen Beschluss oder gar nicht im Wahlausschreiben enthalten sind. Eine exakte Prüfung war der Beschwerdekammer nicht möglich, weil der Beteiligte zu 2.) das Wahlausschreiben nicht im vollen Text vorgelegt hat. Diese Verletzung seiner nach § 83 Abs. 1 S. 2 ArbGG bestehenden Mitwirkungspflicht geht zu Lasten des Beteiligten zu 2.).
7. Auch die Behandlung der Briefwahlunterlagen in der Form, wie sie sich aus der Niederschrift des Wahlvorstandes erkennen lässt (a.a.O., Bl. 262 ff. d.A.), führt zur Unwirksamkeit der durchgeführten Wahl. Nach der Niederschrift hat der Wahlvorstand bereits zu Beginn des Wahlzeitraums die „Briefwahlstimmzettel“ in die Wahlurne eingeworfen. Dies dürfte eine ungenaue Protokollierung sein. Aus dem folgenden ergibt sich nämlich, dass die sechs Briefwahlumschläge erst nach Öffnung der Wahlurne geöffnet wurden. Offensichtlich war zu diesem Zeitpunkt noch erkennbar, welche Umschläge von Briefwählern abgegeben wurden. Gerade dies soll jedoch durch den Einwurf der Briefwahlkuverts in die noch verschlossene Urne - dies hat unmittelbar vor Ende oder direkt nach Ende der Wahlzeit zu geschehen - geschehen. Zu diesem Zweck sind erst in diesem Zeitpunkt die geschlossenen Rückkuverts, die noch die Namen der Briefwähler enthalten, zu öffnen, die Wahlberechtigung und das Vorhandensein der Erklärung über die persönliche Kennzeichnung zu prüfen, und danach die Wahlumschläge, die sich nicht von den Wahlumschlägen der persönlichen Wähler unterscheiden dürfen, in die Urne einzuwerfen. In der Tat ist durch die Handhabung des Wahlvorstandes das Wahlgeheimnis nicht gewahrt, weil bei nur sechs Briefwählern ein Rückschluss auf das Wahlverhalten dieser Briefwähler nicht ausgeschlossen werden kann. Auch dieser Fehler macht die Wahl - die Vorgehensweise kommt der fehlenden Verwendung einer Wahlurne für die Briefwähler gleich - anfechtbar (ausdrücklich LAG Hamm vom 09.03.2007, 10 TaBV 105/06, zitiert nach juris).
8. Nach alldem ist die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, so dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.
9. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein gesetzlich begründeter Anlass.