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Arbeitsrecht
25.09.2025
Arbeitsrecht
LAG Schleswig-Holstein: Anderer Kündigungssachverhalt – bekannte Umstände – Betriebsratsanhörung – fristlose Kündigung – Trauerrede – WhatsApp-Gruppe

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.8.2025 – 1 Sa 104/25

ECLI:DE:LARBGSH:2025:0819.1SA104.25.00

Volltext: BB-Online BBL2025-2291-4

 

Leitsätze

1. Grundsätzlich müssen dem Betriebsrat bekannte, einen bestimmten Kündigungsgrund betreffende Umstände im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG dem Betriebsrat nicht noch einmal mitgeteilt werden (ständige Rechtsprechung). Das gilt aber nicht für den Fall, dass der Arbeitgeber im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses eine selbständige andere Pflichtverletzung in das Verfahren einführen will. Selbst wenn diese dem Betriebsrat bekannt gewesen sein sollte, scheidet ein Nachschieben dieses Kündigungsgrundes im Kündigungsschutzprozess aus, wenn dem Betriebsrat nicht mitgeteilt wurde, dass – auch auf diesen selbständigen – Kündigungssachverhalt die Kündigung gestützt werden soll.

2. Einzelfallentscheidung zur Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung nach Erstellen und Verbreiten einer Traueransprache per Video in einer WhatsApp-Gruppe von Arbeitskollegen.

§ 626 Abs 1 BGB, § 102 Abs 1 BetrVG

Sachverhalt

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Rechtmäßigkeit zweier fristloser und hilfsweise fristgemäßer Kündigungen des Arbeitsverhältnisses.

Der 1996 geborene, drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete und ledige Kläger ist seit dem 01.02.2018 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags (Anlage K 1) als "Angestellter" bei der Beklagten in L. beschäftigt. Er wird von dieser als Mitarbeiter im Bereich Logistik, Patiententransport eingesetzt und war außerdem – im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten – Teil der Werkfeuerwehr des …klinikums Schleswig-Holstein (UKSH). Seine monatliche Bruttovergütung beträgt ca. EUR 2.700,00; seine tägliche Arbeitszeit wird durch eine feste Pause zwischen 10.45 Uhr und 11.15 Uhr unterbrochen.

Die Beklagte erbringt Serviceleistungen für das UKSH, das für die Beklagte die Personalverwaltung ausführt. Bei der Beklagten sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Ein Betriebsrat ist gewählt.

Am 21.07.2024 verkündete der Kläger um 10.52 Uhr in der Uniform der Werkfeuerwehr über den Außenlautsprecher des Gerätewagens (GW) der Werkfeuerwehr den Tod seines Kollegen L. im Stil einer knapp zweiminütigen Traueransprache. Diese Ansprache ließ der Kläger von einem anderen Kollegen filmen. Zu den Einzelheiten wird auf das von der Beklagten als Anlage B 1 vorgelegte Video verwiesen. Tatsächlich war und ist Herr L. nicht verstorben. Dieses Video stellte der Kläger zwischen 11.45 Uhr und 11.50 Uhr am gleichen Tag in eine WhatsApp-Gruppe ein, in welcher mehrere Kollegen des Klägers und auch Herr L. Mitglied waren. Um 12.06 Uhr schrieb Herr L. in die Gruppe eine Nachricht mit mehreren lachenden Smileys und folgendem Inhalt: "Ich Atme noch ein wenig Und etwas Körper ist auch noch da, welcher durchblutet wird..." Um 13.03 Uhr stellte Herr L. noch eine Sprachnachricht mit einer Länge von 20 Sekunden in die Gruppe ein, in der er – von seinem eigenen Lachen mehrfach unterbrochen – erklärte "… ihr seid so … geil…". Um 13.15 Uhr stellte der Kläger ein Bild einer Vorschau auf einen Nachruf auf Herrn L. in die WhatsApp-Gruppe ein. Zu den Einzelheiten des Bildes wird auf die Anlage B2 (Bl. 55 d. A. d. ArbG) verwiesen.

Am 04.10.2024 erfuhr die Geschäftsführerin der Beklagten von dem Video und ordnete eine weitere Aufklärung des Sachverhalts an. Insbesondere sollten Gespräche mit dem Kläger und Herrn L. geführt werden. Herr L. erklärte am 09.10.2024, er habe das Video als Scherz eingeordnet. Der Kläger, der sich vom 30.09. bis 20.10.2024 zunächst in einer "Freiwoche" und dann im "frei" befand, erklärte bei seiner Anhörung am 21.10.2024, die Kollegen der WhatsApp-Gruppe spielten sich öfter entsprechende Späße und teilten diese untereinander.

Mit E-Mail vom 25.10.2024 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses an. Wegen der Einzelheiten der Betriebsratsanhörung wird auf die Anlagen B 6 (Bl. 59 – 64 d. A. d. ArbG) und B 7 (Bl. 65 – 73 d. A. d. ArbG) verwiesen. Der Betriebsrat widersprach den Kündigungen mit Schreiben vom 25.10.2024.

Mit Schreiben vom 30.10.2024 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß. Das Schreiben war durch Herrn H. in der Funktion als "Dezernent Arbeits- und Personalrecht" unterschrieben. Herr H. ist seit dem 01.10.2024 Personalleiter des UKSH. Der Kläger wies dieses Schreiben wegen Fehlens einer beigefügten Originalvollmacht über seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 04.11.2024 zurück. Mit am 07.11.2024 zugegangenen weiterem Schreiben vom 30.10.2024 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut. Die Kündigung war wiederum durch Herrn H. unterzeichnet. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wies diese mit Schreiben vom selben Tag mangels Vorlage einer Originalvollmacht zurück. Hierauf erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 14.11.2024 (Anlage B 16, Bl. 132 d. A. d. ArbG).

Gegen die Kündigungen hat der Kläger fristgemäß Kündigungsschutzklage erhoben.

Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigungen seien von ihm wirksam zurückgewiesen worden. Er habe nicht gewusst, dass Herr H. Personalleiter des UKSH sei. Den angeblichen Infobrief an alle Mitarbeiter, in dem dies mitgeteilt worden sei, habe er nicht lesen können, da er aus technischen Gründen keinen Zugriff auf sein dienstliches E-Mail-Postfach habe.

Die Betriebsratsanhörung sei fehlerhaft. Im Formular sei angekreuzt worden, es sei eine ordentliche Kündigung beabsichtigt, als Beginn seiner Betriebszugehörigkeit sei – unstreitig – der 01.06.2024 angegeben worden, der Kündigungsgrund sei nicht richtig dargestellt.

Außerdem habe die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Schließlich fehle es an einem Kündigungsgrund. Hierzu hat der Kläger behauptet: Entgegen dem Vortrag der Beklagten habe er den GW vor Aufnahme des Videos nicht umgeparkt und damit dem schnellen Zugriff der Werkfeuerwehr entzogen. Im Übrigen sei zu diesem Vorwurf der Betriebsrat nicht angehört worden. Das Video sei – unstreitig – während seiner Arbeitspause in einer Halle gedreht worden. Zu diesem Zeitpunkt sei das Hallentor verschlossen gewesen und der Lautsprecher des GW nur auf schwacher Stufe eingestellt gewesen. Die Aufzeichnung des Videos habe niemand sonst mitbekommen. Das Hochladen habe nur wenige Sekunden gedauert. Das Video selbst und der Nachruf seien Scherze gewesen, die auch die Beteiligten so verstanden hätten. Dies könne eine Kündigung nicht rechtfertigen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die außerordentliche und fristlose Kündigung der Beklagten vom 30.10.2024 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit Ablauf des 30.10.2024 aufgelöst hat,

2. festzustellen, dass die hilfsweise fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 30.10.2024 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit Ablauf des 28.02.2025 aufgelöst hat,

3. festzustellen, dass die außerordentliche und fristlose Kündigung der Beklagten vom 30.10.2024 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit Ablauf des 07.11.2024 aufgelöst hat,

4. festzustellen, dass die hilfsweise fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 30.10.2024 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit Ablauf des 31.03.2025 auflösen wird,

5. für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1.) - 4.) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Mitarbeiter im Patiententransport/Logistik zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet: Über die Personalleiterstellung des Herrn H. habe sie den Kläger auf dem betriebsüblichen Weg in Kenntnis gesetzt. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Sie habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt, da der Kläger zum Vorwurf zunächst noch habe angehört werden müssen. Dies sei wegen dessen Abwesenheit nicht früher möglich gewesen.

Der Kläger habe für die Videoaufnahme das Fahrzeug von der eigentlich vorgesehenen Einsatzposition in das Feuerwehrhaus umgeparkt. Ein zuvor dort abgestelltes Fahrzeug habe er vorher entfernt. Er habe hierdurch die Einsatzbereitschaft der Werkfeuerwehr gefährdet. Die Lautsprecherdurchsage sei auf dem Gelände des Klinikums erfolgt und habe eine Vielzahl von Mitarbeitern des UKSH während ihrer Dienstzeit erreicht. Jedenfalls das Hochladen des Videos sei während der Arbeitszeit des Klägers erfolgt. Mit der wider besseren Wissens aufgestellten Behauptung, Herr L. sei verstorben, habe der Kläger eine schwerwiegende ehrverletzende Äußerung abgegeben, die den Straftatbestand der üblen Nachrede erfülle. Es komme nicht darauf an, wie Herr L. das Verhalten aufgefasst habe. Viele Kollegen seien entsetzt gewesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf die Akte verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil die Unwirksamkeit der Kündigungen festgestellt und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die fristlosen Kündigungen seien bereits deswegen unwirksam, weil die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt habe. Die Beklagte habe die notwendigen Ermittlungsmaßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts nicht mit der gebotenen Eile durchgeführt. Sie habe nicht die Rückkehr des Klägers aus dem "frei" abwarten dürfen, sondern habe den Kläger schon vorher zu einer Stellungnahme auffordern oder zu einem Gespräch einladen müssen. Der Kläger sei nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Seine Freistellung sei nicht mit dem Fall einer urlaubsbedingten Abwesenheit vergleichbar. Es sei im Übrigen auch üblich, dass die Beklagte ihre Beschäftigten während des "frei" kontaktiere. Für die fristlosen Kündigungen fehle es aber auch an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Auf die behauptete Umparkung des Fahrzeugs könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie diesen Umstand dem Betriebsrat nicht mitgeteilt habe. Unstreitig habe der Kläger das Video und die Traueranzeige während seiner Arbeitszeit hochgeladen. Als weiterer Vorwurf bleibe das Drehen eines möglicherweise pietätlosen, aber scherzhaft gemeinten Videos. Diese Pflichtenverstöße habe die Beklagte abmahnen müssen. Die Pflichtverletzungen des Klägers wögen nicht so schwer, dass eine erstmalige Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich unzumutbar sei. Es handele sich um einen möglicherweise geschmacklosen Scherz. Das Hochladen des Videos und des Bildes und dessen Versendung habe jeweils nur wenige Sekunden gedauert und wiege nicht schwer. Auf die Frage der Zurückweisung der Kündigung und die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung komme es nicht an. Auch die ordentlichen Kündigungen seien unwirksam, da sie sozial nicht gerechtfertigt seien. Auch hier fehle es an einer Abmahnung. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG sei die Beklagte auch zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen das am 11.04.2025 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.05.2025 Berufung eingelegt und diese am 04.06.2025 begründet.

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag wie folgt: Das Arbeitsgericht habe die Pflichtverletzung des Klägers falsch bewertet. Es habe sich nicht nur um einen geschmacklosen Scherz gehandelt. Aus ihrer Sicht sei es nicht hinnehmbar, dass ein Mitarbeiter in einem Krankenhaus unter Nutzung ihrer Betriebsmittel auf dem Betriebsgelände wider besseren Wissens die Falschmeldung verbreite, ein Mitarbeiter sei gestorben. Das sei nicht nur pietätlos, sondern geeignet, den Betriebsfrieden massiv zu schädigen. Sie bestreite, dass das Hallentor bei der Aufnahme geschlossen gewesen sei. Auch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen seien als wichtiger Grund für eine Kündigung geeignet. Die Rufschädigung des Herrn L. liege bereits in der Todesnachricht, hiermit werde Herrn L. die Existenz per se abgesprochen. Einen Teil dieser Pflichtverletzungen habe der Kläger während seiner Arbeitszeit begangen; im Übrigen komme es nicht auf den genauen Zeitpunkt an, da auch außerdienstliches Verhalten eine Kündigung begründen könne.

Ferner habe der Kläger die Einsatzfähigkeit der Werkfeuerwehr gefährdet. Dieser Umstand könne auch zur Begründung der Kündigung herangezogen werden, da er dem Betriebsrat bekannt gewesen sei. Zwei Mitgliedern des Betriebsrats sei aufgrund ihrer Tätigkeit als Gruppenleitung in der Logistik die Tatsache des Umparkens des GW bekannt gewesen sei. Bei Betrachten des Videos sei erkennbar, dass der Kläger in der Halle einen Feuerwehrwagen verwendet habe, dessen Standort eigentlich andernorts sei.

Eine Abmahnung des Klägers sei bei dieser Sachlage entbehrlich gewesen. Die fristlose Kündigung sei auch verhältnismäßig. Der Betriebsrat sei zur Kündigung ordnungsgemäß angehört worden.

Sie habe auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Das Anhörungsgespräch mit dem Kläger habe erst am 21.10.2024 stattfinden können. Der Kläger sei – unstreitig - seit dem 30.09.2024 durchgehend betriebsabwesend gewesen. Auf die Abwesenheit des Klägers seien die vom BAG aufgestellten Grundsätze zur Fristhemmung bei einem krankheitsbedingten Abwesenheitszeitraum zu übertragen, nach denen bei einer dreiwöchigen Abwesenheit die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gehemmt sei. Diese Grundsätze gölten entsprechend auch bei urlaubsbedingter oder freizeitausgleichsbedingter Abwesenheit. Sie kontaktiere ihre Mitarbeiter nur in Notfällen zwecks Dienstplanabstimmung in der Freizeit. Das sei etwas anderes als eine Konfrontation mit schwerwiegenden Verstößen und der Aufforderung, hierzu in der Freizeit eine Stellungnahme abzugeben.

Jedenfalls sei aus den genannten Gründen eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt.

Der Kläger habe die Kündigungen auch nicht wirksam zurückgewiesen. Sollte der Kläger tatsächlich keinen Zugriff auf sein Postfach gehabt haben, liege dies in seiner Verantwortungssphäre. Nach allem sei sie auch nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet. Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 26.03.2025 - 6 Ca 2158/24 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt seine Darstellung des Sachverhalts aus der ersten Instanz und ergänzt und vertieft seinen Vortrag wie folgt: Er habe den GW nicht umgeparkt. Dieser habe bereits das gesamte vorige Wochenende an dem Platz gestanden, an dem das Video aufgenommen worden sei. Das habe ihm und der Beklagten der Leiter der Werkfeuerwehr bestätigt. Die Kenntnis des Betriebsrats von den tatsächlichen Gegebenheiten werde bestritten, auf die Kenntnis einzelner Betriebsratsmitglieder komme es nicht an. Im Übrigen habe die Beklagte den Betriebsrat nicht über einen etwaigen Pflichtenverstoß durch das Umparken informiert. Von der Aufnahme habe im Übrigen kein weiterer Mitarbeiter des UKSH etwas mitbekommen. Damit liege kein Kündigungsgrund vor. Jedenfalls fehle es an einer Abmahnung.

Seine Tätigkeit für die Beklagte sei dadurch gekennzeichnet, dass ihm konkrete Einsätze bzw. Aufträge zugewiesen würden, wobei die Auftragslage erheblichen Schwankungen unterliege. Das nur wenige Sekunden dauernde Einstellen eines Videos und eines Bildes in eine WhatsApp-Gruppe sei daher nicht als pflichtwidrig zu bewerten.

Zurecht habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten habe. Herr L. habe dem Gruppenleiter W. bereits in der Woche vom 23. bis 27.09.2024 von dem Video erzählt. Auch habe ihn die Beklagte vor dem 21.10.2024 anhören können. Eine Kontaktaufnahme in einer Freiwoche sei bei der Beklagten etwa bei Krankheitsfällen durchaus üblich.

Er habe die Kündigung auch wirksam zurückgewiesen. Schließlich sei die Anhörung des Betriebsrats fehlerhaft.

Das Gericht hat im Berufungstermin die streitgegenständliche Videoaufnahme sowie die Audioaufnahme der WhatsApp-Sprachnachricht des Herrn L. in Augenschein genommen bzw. angehört. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. b. ArbGG statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Klägers zu Recht stattgegeben. Diese sind begründet. Sämtliche von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen sind unwirksam. Daher ist die Beklagte auch zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet.

 

A. Der als Kündigungsschutzantrag gemäß den §§ 4, Satz 1,13 Abs. 1 Satz 2 KSchG auszulegende Antrag zu 1. des Klägers ist begründet. Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 30.10.2024 ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.

 

In der Begründung folgt die Berufungskammer den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts auf den Seiten 12 bis 15 des angefochtenen Urteils und macht sich diese gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zu eigen. Ergänzend und im Hinblick auf die Ausführungen im Berufungsverfahren ist noch Folgendes auszuführen:

 

I. Bei der Frage, ob es für die fristlose Kündigung vom 30.10.2024 einen wichtigen Grund "an sich" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gibt, ist von nachfolgendem Sachverhalt auszugehen:

 

Der Kläger hat (1.) während einer Arbeitspause (2.) ein Video gedreht, bei dem er Betriebsmittel des UKSH genutzt und in dem er, mit entsprechender Musik (Ave Maria) unterlegt, eine Traueransprache für den angeblich gestorbenen Kollegen L. gehalten hat. (3.) Die Aufnahme ist außer von den an ihr Beteiligten, von niemandem wahrgenommen worden. (4.) Sie ist nur innerhalb einer WhatsApp-Gruppe, bestehend aus dem Kläger und maximal fünf Arbeitskollegen, verbreitet worden. (5.) Die Frage, ob der Kläger den für die Aufnahme genutzten Gerätewagen umgeparkt hatte, kann aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen offenbleiben. (6.) Das Video und ein Bild von einer Traueranzeige hat der Kläger anschließend während seiner Arbeitszeit in die WhatsApp-Gruppe eingestellt. (7.) Mit der Einstellung der Traueranzeige in die WhattsApp-Gruppe hat der Kläger keine weitere Pflichtverletzung begangen.

 

1. Der Kläger hat das Video während seiner Arbeitspause gedreht. Das ergibt sich aus dem auf dem Video angegebenen Aufnahmezeitpunkt (Anlage K9). Dort ist die Uhrzeit zum Zeitpunkt der Aufnahme erkennbar, nämlich 10:52 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kläger in der Pause. Das ist auch im Berufungsverfahren nicht weiter streitig gewesen. Vielmehr hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass auch ein außerdienstliches Verhalten eine Pflichtverletzung darstellen könne. Einen Verstoß gegen die Pflicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung hat der Kläger durch das Drehen des Videos daher nicht begangen.

 

2. Mit dem Inhalt des Videos – der "Traueransprache" - hat der Kläger seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt. Zum schützenswerten Interesse der Beklagten gehört auch die Wahrung des Betriebsfriedens, also eines reibungs- und störungsfreien Betriebsablaufs.

 

a) Die Ansprache des Klägers ist geeignet, den Betriebsablauf der Beklagten zu beeinträchtigen. Die unzutreffende Mitteilung, jemand sei verstorben, ist objektiv geeignet, den Betroffenen zutiefst zu verunsichern, weil es jedenfalls seinen sozialen Geltungsanspruch in Abrede stellt. Plastisch gesagt: Wenn jemand für einen anderen gestorben ist, will er nichts mehr mit ihm zu tun haben. Wenn dies in einer WhatsApp-Gruppe unter Arbeitskollegen veröffentlicht wird, kann es die weiteren Teilnehmer zu einer ähnlichen Reaktion veranlassen und damit den Betroffenen ausgrenzen. Ob daneben auch der objektive Straftatbestand der üblen Nachrede erfüllt worden ist, ist für die arbeitsrechtliche Beurteilung nicht entscheidungserheblich.

 

Entgegen dem Vortrag der Beklagten und deren Argumentation im Berufungstermin versteht die Kammer die Ansprache des Klägers nicht dahin, dass er Herrn L. sein Existenzrecht und seinen Wert, als Person zu leben, abspricht. Diesen Schluss lassen weder die Wortwahl noch der sonstige Inhalt des Videos zu. Um diese Annahme zu rechtfertigen, hätte sich die Ansprache des Klägers inhaltlich auf eine Verächtlichmachung oder Abwertung des Herrn L. beziehen müssen. Sein Tod hätte in irgendeiner Form als wünschenswert dargestellt werden müssen. Das ist nicht der Fall.

 

b) Die Kammer geht auch nicht davon aus, dass der Kläger tatsächlich mit der Intention gehandelt hat, die vorstehend betriebene soziale Isolation des Herrn L. herbeizuführen. Das Video ist erkennbar nur als geschmackloser "Scherz" zu erkennen. Das wird durch die übertrieben wirkende Würdigung von Herrn L., den Tonfall der Ansprache und die unterlegte dramatische Musik bei gleichzeitigem Fehlen jedes Anzeichens echter Trauer beim Kläger hinreichend deutlich. Es handelt sich aus Sicht der Kammer erkennbar um die Persiflage einer Trauerrede. Entsprechend ist das Video von Herrn L. auch mit lautem Lachen in seiner Sprachnachricht kommentiert worden. Das belegt auch den Vortrag des Klägers, Scherze vergleichbarer Art seien in der WhatsApp-Gruppe üblich. Das haben auch die weiteren Mitglieder der WhatsApp-Gruppe Wa. und L. anlässlich ihrer Befragung durch die Beklagte ausdrücklich so bestätigt.

 

c) Das Fehlen einer Schädigungsabsicht beim Kläger im konkreten Fall ändert aber nichts daran, dass das Video geeignet ist, den Betriebsfrieden zu stören und sich die Aufnahme als Pflichtverletzung darstellt. Der Grat zwischen dem, was bei Betroffenen als ehrabschneidend oder beleidigend und was als Scherz empfunden wird, ist schmal. So führt der Kläger selbst aus, Herr L. habe sich über ihm gegenüber in der Gruppe häufiger geäußerte "despektierliche Äußerungen" geärgert, die ihn persönlich sehr verletzt hätten und dies auch seinem Vorgesetzten mitgeteilt. Eine solche Verärgerung hätte bei etwas weniger Toleranz des Herrn L. auch infolge des Videos eintreten können. Grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer verpflichtet alles das zu unterlassen, was auch nur objektiv geeignet ist, den Betriebsfrieden zu stören.

 

3. Entgegen dem Vortrag der Beklagten geht die Kammer davon aus, dass die Aufnahme des Videos von niemandem sonst wahrgenommen worden ist. Die Aufnahme selbst bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie außerhalb der Halle bemerkt werden konnte. Die Lautstärke sowohl des Sprechers als auch der Musik sind moderat. Der Kläger hat vorgetragen, dass das Tor der Halle geschlossen gewesen sei. Für ihre gegenteilige Behauptung hat die für den Kündigungssachverhalt darlegungs- und beweisbelastete Beklagte keinen Beweis angeboten. Sie hat insbesondere auch niemanden benannt, der etwas von der Erstellung des Videos mitbekommen hat.

 

4. Der Kläger hat dieses Video ausschließlich in der WhatsApp-Gruppe mit seinen Kollegen eingestellt. Etwas anderes behauptet auch die Beklagte nicht. Vor diesem Hintergrund ist der Umstand, dass der Kläger mit dem Gerätewagen ein Betriebsmittel des UKSH genutzt und bei der Aufnahme ein Polo-Hemd mit der Aufschrift "Werkfeuerwehr UKSH" getragen hat, nicht geeignet, den Ruf der Beklagten oder ihrer Konzernmutter UKSH zu beschädigen. Sämtliche Mitglieder der Whatts-App-Gruppe sind bei der Beklagten beschäftigt. Dass sie das vom Kläger in die Gruppe eingestellte Video der Beklagten oder dem UKSH zurechnen, ist vor diesem Hintergrund ausgeschlossen.

 

5. Für die Frage, ob ein wichtiger Grund an sich vorliegt, ist davon auszugehen, dass der Kläger den Gerätewagen nicht zuvor in die Garage umgeparkt hat. Sollte diese Behauptung der Beklagten zutreffen, handelte es sich um einen eigenständigen und völlig anders gelagerten Pflichtenverstoß des Klägers. Selbst wenn dem Betriebsrat die Tatsache, dass der Kläger den Gerätewagen umgeparkt hatte, bekannt gewesen sein sollte, hätte ihm von der Beklagten ausdrücklich mitgeteilt werden müssen, dass sie hierauf die Kündigung stützen will. Das ist nicht geschehen, sodass ein etwaiger Pflichtenverstoß durch das Umparken nicht berücksichtigt werden kann.

 

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG muss der Arbeitsgeber dem Betriebsrat nur diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind. Diesen Kündigungssachverhalt muss er in der Regel unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Teilt der Arbeitgeber objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder zunächst nicht stützen will, dann ist die Anhörung ordnungsgemäß, weil eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung der Kündigungsgründe nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führt. Eine in diesem Sinn objektiv unvollständige Anhörung verwehrt es dem Arbeitgeber allerdings, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen (BAG vom 07.11.2002 – 2 AZR 599/01 – juris, Rn 23). Um kein Nachschieben von Kündigungsgründen handelt es sich aber, wenn der Arbeitgeber die dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe im Prozess nur weiter erläutert und konkretisiert, ohne dass dies den Kündigungssachverhalt wesentlich verändert (BAG vom 27.02.1997 – 2 AZR 302/96 – juris, Rn 25).

 

b) Nach diesen Maßgaben kann die Beklagte mit ihrem Vortrag, der Kläger habe seine arbeitsvertragliche Pflicht durch das Umsetzen des Gerätewagens verletzt, weil er damit die Funktionsfähigkeit der Werksfeuerwehr gefährdet habe, nicht gehört werden.

 

aa) Bei diesem Vorgang handelt es sich um einen eigenen selbständig tragenden Kündigungsgrund. Der Kläger gefährdet durch das Umsetzen des Gerätewagens ein anderes Interesse der Beklagten, nämlich die Sicherheit des Betriebes im Falle eines Brandes oder eines sonstigen Notfalls und nicht das Interesse an der Wahrung des Betriebsfriedens. Er hat dies auch durch eine selbständige Handlung getan, nämlich das Umsetzen des Fahrzeugs. Zieht man diesen Umstand heran, wird damit nicht ausschließlich der bisherige Kündigungssachverhalt erläutert oder konkretisiert, sondern durch Hinzufügen einer weiteren Pflichtverletzung wesentlich verändert.

 

bb) Die Beklagte hat den Betriebsrat nicht darüber informiert, dass sie diese Pflichtverletzung als Kündigungsgrund heranziehen will. Im Anschreiben an den Betriebsrat begründet die Beklagte die Kündigung mit dem "geradezu menschenverachtenden Verhalten" des Klägers. Die Umsetzung des Fahrzeugs und die daraus resultierende Gefährdung der Betriebssicherheit kommen weder im Anschreiben an den Betriebsrat noch in einer der beigefügten Anlagen zur Sprache. Auch im umfangreichen Widerspruch des Betriebsrats wird auf den Vorwurf des Umparkens in keiner Weise eingegangen, was ebenfalls belegt, dass der Betriebsrat diesen Umstand nicht als Kündigungsgrund angesehen hat.

 

c) Aus der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung, wonach dem Betriebsrat bereits bekannte Umstände nicht noch einmal ausdrücklich mitgeteilt werden müssen, ergibt sich nichts Anderes. Diese bezieht sich stets nur auf Umstände, die einen bestimmten Kündigungsvorwurf betreffen und dem Betriebsrat bereits bekannt sind. Das können die Sozialdaten eines Arbeitnehmers oder seine Kündigungsfrist, aber auch Einzelheiten bei einem konkreten Kündigungsvorwurf sein. Verwiesen sei insoweit beispielhaft auf die Entscheidungen des BAG vom 06.11.1997 – 2 AZR 94/97 - zur Kenntnis des Betriebsrats vom gesundheitlichen Zustand der Klägerin im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen nach betriebsbedingter Kündigung oder vom 27.02.1997 - 2 AZR 302/96 – zur Kenntnis des Betriebsrats vom Eintreten von Betriebsablaufstörungen bei wiederholtem Zuspätkommen eines Arbeitnehmers.

 

Der hier zu entscheidende Sachverhalt ist anders gelagert. Die Beklagte führt mit dem Umparken des Fahrzeugs einen neuen Kündigungsvorwurf in den Prozess ein, ohne dies dem Betriebsrat mitgeteilt zu haben. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat zwar im Berufungstermin vor der Kammer ausgeführt, als Pflichtverletzung werde die Aufnahme und Verbreitung des Videos angesehen. Die Kammer geht aber nicht davon aus, dass er mit dieser Erklärung seinen Vortrag aus der Berufungsbegründung eingeschränkt hat. Dort hat die Beklagte das Umparken des Fahrzeugs ausdrücklich als eigenständige Pflichtverletzung bewertet. Auf Seite 10 der Berufungsbegründung unter dem Gliederungspunkt cc) führt die Beklagte dies ausführlich aus.

 

Es mag sein, dass einzelne Betriebsratsmitglieder von dem Umsetzen gewusst haben. Ohne Hinweis, dass das Umparken als kündigungsrelevante Pflichtverletzung angesehen werde, hatte der Betriebsrat keinen Anlass, sich damit zu beschäftigen, ob dies die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers begründen könne. Ausweislich seines Widerspruchschreibens hat er dies auch nicht getan. Der Zweck des Anhörungsverfahrens nach § 102 Abs. 1 BetrVG besteht aber gerade darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sich über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe eine eigene Meinung zu bilden und in der Folge sachgerecht auf den Arbeitgeber einzuwirken (Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 11. Aufl. 2016, § 102 BetrVG, Rn 8 mit zahlreichen Nachweisen zur BAG-Rechtsprechung). Dieser Zweck kann dann nicht erreicht werden, wenn der Arbeitgeber in der Anhörung nicht jeden einzelnen Sachverhalt, der die Kündigung rechtfertigen soll, als solchen benennt.

 

6. Schließlich hat der Kläger das Video und die Traueranzeige während seiner Arbeitszeit hochgeladen. Eine Pflichtverletzung vermag die Kammer im Hinblick auf die dem Kläger übertragene Tätigkeit im Patiententransport hierin nicht zu sehen. Wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, ist er bei seiner Tätigkeit auf jeweils konkrete Aufträge angewiesen und nicht ununterbrochen im Einsatz. Das Hochladen eines kurzen Videos oder Fotos nimmt jeweils nur wenige Sekunden in Anspruch. Es ist nicht erkennbar und von der Beklagten auch nicht konkret vorgetragen, dass der Kläger durch das Hochladen seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben verletzt hat.

 

7. Das Einstellen der Traueranzeige in die Whatts-App-Gruppe stellt keine Pflichtverletzung dar. Das Verhalten war zum Zeitpunkt des Hochladens nicht mehr geeignet, den Betriebsfrieden zu beeinträchtigen, da Herr L. zwischenzeitlich schon klargestellt hatte, dass er noch am Leben sei und der Kläger einen (schlechten) Scherz gemacht habe.

 

II. Die danach verbleibende Pflichtverletzung des Klägers, nämlich die Erstellung des Videos und dessen Einstellen in die WhatsApp-Gruppe und die damit verbundene potentielle Gefährdung des Betriebsfriedens rechtfertigt nach der gebotenen Interessenabwägung die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht. Die Beklagte hätte als angemessene Reaktion auf diesen Vorfall, den Kläger abmahnen können. Das hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt und begründet. Dem folgt die Berufungskammer und macht sich auch insoweit dessen Begründung zu Eigen.

 

Hätte die Beklagte dem Kläger durch eine Abmahnung vor Augen geführt, dass das Video, auch wenn es scherzhaft gemeint gewesen sei, eine Verletzung seiner Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellt, gäbe es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ein derartiges Verhalten wiederholen würde. Entgegen der Einschätzung der Beklagten wiegt die Pflichtverletzung des Klägers nicht so schwer, dass eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Abmahnung gerechtfertigt wäre. Dagegen spricht insbesondere, dass es dem Kläger gerade nicht um eine vorsätzliche Herabwürdigung des Herrn L. ging (vergleiche oben I. 2. b). Weiter war zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits seit sechs Jahren bei der Beklagten beschäftigt ist, ohne dass es in der Vergangenheit zu durch Abmahnungen dokumentierten oder sonstigen Störungen des Arbeitsverhältnisses gekommen ist. Die Kammer hält es daher für die Beklagte für zumutbar, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht.

 

III. Es kann dahingestellt bleiben, ob – wie das Arbeitsgericht gemeint hat – die Beklagte auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hat. Dies ist ebenso wenig entscheidungserheblich wie die Frage, ob die Kündigung auch wegen einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung oder infolge der Zurückweisung durch den Prozessbevollmächtigten rechtswidrig und damit unwirksam ist.

 

B. Damit ist über den als unechten Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens gestellten Antrag zu 3. betreffend die Rechtmäßigkeit der weiteren zum 07.11.2024 ausgesprochenen fristlosen Kündigung durch die Kammer zu entscheiden.

 

Der Antrag zu 3. gegen die weitere fristlose Kündigung zum 07.11.2024 ist aus den bereits oben dargestellten Gründen begründet. Die weitere fristlose Kündigung der Beklagten ist mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ebenfalls unwirksam.

 

C. Damit sind auch die weiteren unechten Hilfsanträge zu 2. und 4. betreffend die jeweils hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen der Beklagten zum 28.02. und 31.03.2025 zur Entscheidung durch die Kammer angefallen.

 

Die Anträge sind begründet. Beide Kündigungen sind unwirksam, da sie sozial nicht gerechtfertigt sind, § 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 KSchG.

 

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da die Beklagte regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt und der Kläger seit mehr als sechs Monaten zu ihr in einem Arbeitsverhältnis steht.

 

2. Es liegen keine verhaltensbedingten Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vor, die die Kündigung sozial rechtfertigen können. Auch vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung hätte die Beklagte aus den oben bereits dargestellten Gründen zunächst eine Abmahnung gegenüber dem Kläger aussprechen müssen.

 

D. Der danach zur Entscheidung angefallene Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers ist nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts begründet.

 

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

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