LAG Schleswig-Holstein: Altersdiskriminierung durch § 622 Abs. 2 S. 2 BGB
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.5.2008 - 3 Sa 31/08
Sachverhalt
Die Parteien streiten, soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung, um die Dauer der Kündigungsfrist und in diesem Zusammenhang um die Wirksamkeit des § 622 Abs. 2 S. 2 BGB. Die Klägerin ist 1982 geboren und war bei Ausspruch der Kündigung 25 ½ Jahre alt. Sie stand seit dem 17.1.2002 und damit rund 5 ½ Jahre lang bei dem Beklagten in einem Arbeitsverhältnis. Die Klägerin war als Zahnarzthelferin tätig und erhielt zuletzt bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 42 Stunden pro Woche eine Vergütung von 1.325,16 EUR brutto monatlich. Sie hatte einen Urlaubsanspruch von 26 Arbeitstagen per anno. Das Kündigungsschutzgesetz ist auf das Arbeitsverhältnis nicht anwendbar.
Vom 23.2.2003 bis zum 31.8.2007 war die Klägerin in Elternzeit. Nach entsprechender Vorankündigung nahm die Klägerin am 1.9.2007 nach beendeter Elternzeit im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung ihre Arbeit wieder auf. Sie erhielt noch an diesem Tag ein Kündigungsschreiben des Beklagten, mit dem das Arbeitsverhältnis „fristgerecht zum 30.9.2007" beendet wurde (Anlage K4 - Bl. 10 d.A.). Damit ist die Klägerin nicht einverstanden und hat am 21.9.2007 Kündigungsschutzklage erhoben. Am 24.9.2007 wurden zusammen mit einem vorformulierten Anschreiben die Arbeitspapiere ausgehändigt. Das Schreiben lautet u.a. wie folgt: „Ich erkläre hiermit, folgende Unterlagen erhalten zu haben: Gehaltsabrechnung September 2007 Lohnsteuerbescheinigung 2007 Lohnsteuerkarte 2007 Sozialversicherungsabmeldung Arbeitsbescheinigung (bereits vorab) Sozialversicherungsausweis Ferner bestätige ich, dass damit meine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten sind und dass ich keine Forderungen mehr gegen die Praxis - ganz gleich aus welchem Rechtsgrund - geltend mache. Datum...... Unterschrift..." (Bl. 16 d.A.) Ob die Klägerin oder ihr Ehemann das Schreiben unterschrieben hat, ist streitig. Seit dem 1.10.2007 steht die Klägerin in einem neuen Beschäftigungsverhältnis. Nach ihrem Vorbringen hat dieser neue Arbeitgeber aber mindestens für Oktober und November 2007 einen etwaigen anteiligen Urlaubsanspruch nicht erfüllt. Der Beklagte hat die Urlaubsansprüche der Klägerin auf Basis eines Beendigungsdatums 30.9.2007 abgewickelt. Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 01.September 2007 zum 30. September 2007 aufgelöst worden ist. Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat - unter Abweisung im Übrigen - im Rahmen der Kündigungsschutzklage erstinstanzlich festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung des Beklagten vom 1.9.2007 nicht zum 30.9.2007 beendet worden ist, sondern bis zum 30.11.2007 fortbestanden hat. Das geschah im Wesentlichen mit der Begründung, die gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 S. 2 BGB sei europarechtswidrig, da sie eine auf das Lebensalter zurückzuführende Ungleichbehandlung enthalte. Deshalb sei die Norm unanwendbar. Eine Vorlage an den europäischen Gerichtshof sei nicht erforderlich. Die Ausgleichsquittung stehe der Geltendmachung einer längeren Kündigungsfrist nicht entgegen. Es könne dahingestellt bleiben, wer sie unterschrieben hat, da sie als möglichen Klageverzicht gegen § 307 BGB verstoße. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen. Gegen dieses dem Beklagten am 2.1.2008 zugestellte Urteil legte er am 25.1.2008 per Fax / 28.1.2008 im Original Berufung ein, die sogleich begründet wurde. Er hält die gewählte Kündigungsfrist für korrekt. Er trägt vor, die von ihm gewählte Kündigungsfrist ergebe sich unter Berücksichtigung des Lebensalters der Klägerin aus § 622 Abs. 2 S. 2 BGB. Diese gesetzliche Vorschrift sei rechtlich nicht zu beanstanden und verstoße weder gegen Europarecht noch gegen nationales Recht. § 622 Abs. 2 BGB sei nach wie vor anzuwenden, da es sich insoweit im Verhältnis zur Richtlinie um älteres Recht handele, das auch bei Schaffung des AGG nicht geändert wurde. Im Übrigen habe die Klägerin im Zusammenhang mit der Aushändigung der Arbeitspapiere wirksam auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis verzichtet. Letztendlich fehle der Klägerin angesichts des nahtlos eingegangenen neuen Arbeitsverhältnisses das Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Feststellungsklage. Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 18.12.2007, Az. 2 Ca 1680 d/07, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil, soweit es den vorliegenden Streitgegenstand betrifft, sowohl in tatsächlicher, als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Das Arbeitsverhältnis habe nur mit einer Kündigungsfrist von 2 Monaten zum Monatsende gekündigt werden können. § 622 Abs. 2 S. 2 BGB sei europarechtswidrig und verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung, da nur aufgrund des Alters der Klägerin bei der Berechnung der Kündigungsfrist die vor dem 25. Lebensjahr zurück-gelegten Jahre der Betriebszugehörigkeit nicht berücksichtigt wurden. Die Unwirksamkeit dieser gesetzlichen Vorschrift sei ohne Vorlage an den europäischen Gerichtshof direkt durch die nationalen Gerichte zu entscheiden. Die am 24.9.2007 unterschriebene Erklärung, keine Ansprüche mehr gegenüber dem Beklagten zu haben und geltend zu machen, sei im Hinblick auf §§ 305 ff BGB unwirksam. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzung dieses Verfahrens ergebe sich schon allein aus der Tatsache, dass noch offene Urlaubsansprüche aus 2007 für den streitigen Zeitraum 1.10.2007 bis 30.11.2007 existierten, deren Abgeltung die Klägerin gegenüber dem Beklagten verlangen könne. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Aus den Gründen
I. Die Berufung ist zulässig. 1. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.
2. Auch das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für das vorliegende Feststellungsbegehren ist nicht dadurch entfallen, dass sie nahtlos ab 1.10.2007 in einem neuen Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber steht. Eine etwaige Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zum Beklagten noch 2 Monate länger als von diesem angenommen und abgerechnet bestanden hat, kann dazu führen, dass gegenüber dem Beklagten noch weitere 2/12 Teilurlaubsansprüche bestehen, deren Abgeltung die Klägerin wahlweise gegenüber ihrem alten oder gegenüber ihrem neuen Arbeitgeber geltend machen kann. Urlaubsabgeltungsansprüche aufgrund eines früheren Arbeitsverhältnisses werden durch das Entstehen von Urlaubsansprüchen in einem nachfolgenden Arbeitsverhältnis nicht berührt. Auch wenn zeitgleich ein Arbeitsverhältnis zum alten und zu einem neuen Arbeitgeber besteht, hat der Arbeitnehmer gegen jeden seiner Arbeitgeber einen Urlaubsanspruch entsprechend den für das jeweilige Arbeitsverhältnis maßgeblichen Voraussetzungen. Er darf gemäß § 6 Abs. 1 BurlG nur nicht doppelt geltend gemacht werden. Der Arbeitnehmer hat jedoch ein Wahlrecht, wen er in Anspruch nimmt (vgl. BAG v. 28.2.1991 - 8 AZR 196/90 -, zit. nach JURIS). Allein aus diesem Grunde ist bereits das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin im Hinblick auf die begehrte Feststellung des Beendigungszeitpunktes ihres Arbeitsverhältnisses zum Beklagten nicht entfallen. II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der zum Zeitpunkt der Kündigung vom 1.9.2007 erst 25 Jahre alten Klägerin nicht schon zum 30.9.2007, sondern erst zum 30.11.2007 beendet worden ist, weil § 622 Abs. 2 S. 2 BGB europarechtswidrig ist. Auch wurde zutreffend davon ausgegangen, dass die Unterzeichnung der Erklärung vom 24.9.2007 der gerichtlichen Geltendmachung dieser Ansprüche nicht entgegensteht. Dem folgt das Berufungsgericht.
1. Es kann dahingestellt bleiben, wer letztendlich die Erklärung vom 24.9.2007, alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis seien abgegolten und es würden keine Forderungen mehr geltend gemacht werden, unterschrieben hat. Selbst wenn die Klägerin die Unterschrift geleistet hat, hat sie insoweit nicht wirksam auf ihr Recht, eine Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 1.9.2007 erheben zu können, nicht wirksam verzichtet. Die Erklärung ist als Klageverzichtsvertrag auszulegen. Dieser Klageverzichtsvertrag benachteiligt die Klägerin unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB und ist deshalb unwirksam. a. Es handelt sich vorliegend zweifelsfrei um eine formularmäßige Erklärung, die von der Beklagtenseite der Klägerin bei Übergabe der Arbeitspapiere zur Unterzeichnung vorgelegt wurde. Dieses Formular wird unstreitig seitens des Beklagten regelmäßig verwendet. Damit handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. b. Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit der Unterzeichnung dieses Schriftstücks überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung zum Ausdruck gebracht haben sollte, auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage und die Geltendmachung daraus resultierender Ansprüche verzichten zu wollen (vgl. insoweit verneinend zu einer exakt gleichlautenden vorformulierten Erklärung, BAG v. 7.11.2007, - 5 AZR 880/06 - zit. nach JURIS), stellt ein solcher, ohne Gegenleistung erklärter formularmäßiger Verzicht eines Arbeitnehmers auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage jedenfalls eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar (vgl. nur BAG v. 6.9.2007 - 2 AZR 722/06 -, Rd.-Ziff. 29 ff - zit. nach JURIS). Der reine Klageverzicht ohne jede arbeitgeberseitige Kompensation (etwa in Bezug auf den Beendigungszeitpunkt, die Beendigungsart, Zahlung einer Entlassungsentschädigung, Verzicht auf eigene Ersatzansprüche, etc.) ist unangemessen (BAG v. 6.9.2007 - 2 AZR 722/06 -, Rd.-Ziff. 37 mit einer Vielzahl von Nachweisen). c. Unangemessene Geschäftsbedingungen sind unwirksam mit der Folge, dass sie keine Rechtswirkung entfalten können. Sie entfallen ersatzlos. Daher kann die Unterschrift unter die Erklärung vom 24.9.2007, - von wem auch immer sie geleistet wurde -, der Geltendmachung der vorliegenden Ansprüche der Klägerin nicht entgegen gehalten werden.
2. Die Kündigung des Beklagten vermochte das Arbeitsverhältnis nach § 622 Abs. 2 BGB erst mit Ablauf des 30.11.2007 aufzulösen. § 622 Abs. 2 S. 2 BGB ist wegen Verstoßes gegen den europarechtlichen Gleichheitssatz nicht anwendbar. a. Gemäß § 622 Abs. 2 S. 1 BGB beträgt die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber 2 Monate zum Ende des Kalendermonats, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen 5 Jahre bestanden hat. Die Klägerin stand bei Erhalt der Kündigung am 1.9.2007 5 ½ Jahre in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten, so dass sie an sich in den Genuss der verlängerten Kündigungsfrist kommen müsste. Gemäß § 622 Abs. 2 S. 2 BGB werden bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer jedoch Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt. Die Klägerin war bei Beginn des Arbeitsverhältnisses am 17.1.2002 knapp 20 Jahre alt und erhielt die Kündigung im Alter von 25 Jahren. Damit wurde ihre 5-jährige, vor der Vollendung des 25. Lebensjahres liegende Beschäftigungsdauer gemäß § 622 Abs. 2 S. 2 BGB bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt. b. Diese Regelung ist rechtswidrig. § 622 Abs. 2 S. 2 BGB verstößt gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, niedergelegt unter anderem in der Richtlinie (im Folgenden: RL) 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABI.EG 2000 L 303, Seite 16).
aa. Nach Artikel 1 der RL 2000/78/EG ist ihr Zweck die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, wegen einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten. Artikel 2 der RL legt fest, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung u.a. wegen des Alters geben darf. Da-nach liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person u.a. wegen des Alters in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person.
Eine Ungleichbehandlung wegen des Alters kann allerdings dann gerechtfertigt sein, wenn die Voraussetzungen des Artikels 6 der RL erfüllt sind. Danach können Mitgliedsstaaten vorsehen, das Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind. Des Weiteren müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein.
bb) Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz untersagt nicht nur eine Ungleichbehandlung wegen hohen Alters, sondern jede Anknüpfung an das Alter, sofern sie nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gestattet ist (Annuß, BB 2006, S. 325 ff, 325).
cc. Der Wortlaut des § 622 Abs. 2 S. 2 BGB ist unmissverständlich und eindeutig. Danach werden für die Berechnung der jeweils maßgeblichen Kündigungsfrist nur die Betriebszugehörigkeitszeiten ab Vollendung des 25. Lebensjahres berücksichtigt. Mit dieser Vorschrift erfahren demnach jüngere Arbeitnehmer ausschließlich aufgrund ihres Lebensalters eine weniger günstige Behandlung als ältere Arbeitnehmer. Ihre vor dem 25. Lebensjahr liegende Betriebszugehörigkeit führt grundsätzlich zu keiner Verlängerung der Kündigungsfrist. Bei der Berechnung der Kündigungsfrist werden sie so behandelt, als seien sie erst mit Erreichen des 25. Lebensalters in den Betrieb eingetreten. Davor liegende Jahre der Betriebszugehörigkeit bleiben unbeachtlich, „verfallen" quasi für sie. Demgegenüber wird bei Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis erst nach dem 25. Lebensjahr begonnen haben, deren Betriebszugehörigkeit in vollem Umfang für die Berechnung der Kündigungsfristen anerkannt. Darin liegt eine Ungleichbehandlung, die an das Alter anknüpft und somit objektiv die Voraussetzungen der Artikel 1 und 2 der RL 2000/78/EG erfüllt.
dd. Diese Ungleichbehandlung ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt nach Artikel 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG gerechtfertigt (so auch LAG Berlin-Brandenburg vom 24.7.2007 - 7 Sa 561/07 - zitiert nach JURIS). Sie ist weder objektiv noch angemessen noch durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt, auch nicht durch ein Ziel aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung. (1) Zweifelsfrei dienen verlängerte Kündigungsfristen vorrangig dem Ziel, dem Arbeitnehmer mit verlängerten Kündigungsfristen die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz während des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zu erleichtern und einen möglichst nahtlosen Übergang in ein neues Beschäftigungsverhältnis ohne wirtschaftliche Nachteile zu ermöglichen (Tavakoli/Westhauser, Vorlegen oder Durchentscheiden? DB 2008, 702 ff (706) m.w.N.). Ebenso ist Sinn und Zweck verlängerter Kündigungsfristen bei Langzeitbeschäftigten, dass diesen in der Regel älteren Arbeitnehmern nicht oder doch nur in zweiter Linie gekündigt wird (LAG Berlin-Brandenburg v. 24.7.2007 - 7 Sa 561/07 -, zit. nach JURIS, Rd.-Ziff. 42). Hieraus ergibt sich jedoch noch keine rechtmäßige arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Zielsetzung im Sinne des Artikel 6 Abs. 2 der RL 2000/78/EG für die nur jüngere Arbeitnehmer treffende Regelung des § 622 Abs. 2 S. 2 BGB. Insofern beschränkt sich der Zweck dieser Regelung darauf, jüngeren Arbeitnehmern den Vorteil der ver-längerten Kündigungsfrist vorzuenthalten (Löwisch in Festschrift für Schwerdtner 769, 771). Das ist von vornherein kein legitimes Ziel aus den Bereichen der Beschäftigungspolitik oder des Arbeitsmarktes (Löwisch a.a.O.).
(2) Auch aus der gesetzlichen Entstehungsgeschichte ergibt sich kein Rechtfertigungsgrund. Nach der Gesetzesbegründung aus dem Jahre 1926 wollte der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Einführung der Altersschwelle (Arbeiter: 25. Lebensjahr; Angestellte: 30. Lebensjahr) den älteren Arbeitnehmer vor Arbeitslosigkeit schützen, weil ihn „jede Arbeitslosigkeit" ungleich härter als jüngere Arbeitskräfte trifft; weil er in der Regel eine Familie zu versorgen hat und weil ihm ein Berufs- oder Wohnortwechsel besonders schwer fallen wird ( vgl. RArbBl. 1926, Nr. 28, Seite 488). Es ist jedoch nicht ersichtlich und durch nichts belegt, vor welchem tatsächlichen Hintergrund die „Altersschwelle 25" hier gerade als Abgrenzungskriterium dafür galt und nach wie vor gilt, dass Arbeitnehmer unter 25 in der Regel noch keine Fami-lie zu versorgen haben, also nicht längerer Kündigungsfristen bedürfen. Ebenso we-nig ist belegt, ab welchem Alter einem schon früh ins Berufsleben eingetretenen Ar-beitnehmer ein Berufs- oder Wohnortwechsel schwerer fällt, so dass er nunmehr aus
diesem Grunde längere Kündigungsfristen benötigt und ab wann statistisch gesehen ein Schutz vor Arbeitslosigkeit wegen ungleicher härterer Betroffenheit einsetzen muss. Warum gerade ab dem Alter von 25 - und damals (1926) noch bei den Angestellten hingegen sogar erst ab 30 differenziert wird/wurde, erschließt sich der Kammer nicht. Abgesehen davon beruht die Verknüpfung der Kündigungsfristverlängerung mit einem Mindestalter vor dem vorstehend genannten Hintergrund ersichtlich wesentlich auf sozial-, gesellschafts- und familienpolitischen Erwägungen, aber nicht auf beschäftigungspolitischen und arbeitsmarktpolitischen Erwägungen (so auch LAG Düsseldorf v. 21.11.2007 - 12 Sa 1311/07 - Rd.-Ziff. 69, zit. nach JURIS, m.w.N.). (3) Auch wenn § 622 Abs. 2 S. 2 BGB im Gesamtkontext des § 622 BGB beurteilt wird, wie von Tavakoli/Westhauser gefordert (DB 2008, S.702 ff, 706), ergibt sich nichts anderes. Selbst wenn die für den Arbeitgeber aus längeren Kündigungsfristen resultierenden wirtschaftlichen Belastungen durch die „Altersschwelle 25" wirtschaft-lich abgefedert und damit der Bestandsschutz älterer Arbeitnehmer kompensiert werden soll, bedarf dieser Eingriff einer arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitisch fundierten, nachweisbaren, ausgewogenen Rechtfertigung, um keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darzustellen. Es gibt jedoch keine Untersuchungen, die belegen, dass die Verlängerung der Kündigungsfrist wegen einer typischen und generellen Betroffenheit der Arbeitnehmer ab dem vollendeten 25. Lebensjahr eine angemessene und erforderliche Reaktion in der Verfolgung beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischer Ziele sein könnte. Auch ist nicht zu übersehen, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Altersschwelle im Jahre 1926 bei Arbeitern die „Altersschwelle 25" und bei Angestellten die „Altersschwelle 30" gewählt hat, ohne dass hierfür eine beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitische Zielsetzung ersichtlich wäre. Erst recht fehlt eine „andere" fundierte arbeitsmarkt- und beschäftigungs-politische neue Zielsetzung für die gesetzliche Neuregelung und Vereinheitlichung der „Altersschwelle" für Arbeiter und Angestellte im Rahmen des Kündigungsfristengesetzes vom 7.10.1993 auf das Alter 25.
(4) Außerdem ist nicht unberücksichtigt zu lassen, dass die „Altersgrenze 25" auch die jungen Menschen ungleich trifft. Jene Gruppe, die ohne oder nach nur kurzer Berufsausbildung früh eine Arbeitstätigkeit aufnimmt, ist härter betroffen als die andere Gruppe, die nach langer Ausbildung erst spät in den Beruf eintritt. Auch insoweit ist es nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu vereinbaren, sozialen Schutzbedarf pauschal am Mindestalter 25 festzumachen (vgl. hierzu auch LAG Düsseldorf, a.a.O.). (5) Daher ist mit der überwiegenden Meinung in der Literatur davon auszugehen, dass § 622 Abs. 2 BGB eine nach Artikel 2 Abs. 1 RL 2000/78/EG unzulässige Diskriminierung wegen des Alters enthält (so auch LAG Berlin-Brandenburg v. 24.7.2007, 7 Sa 561/07; unentschlossen: LAG Düsseldorf v. 21.11.2007, - 12 Sa 1311/07 -; ferner Annuß, BB 2006, 325, 326; Müller-Glöge in ErfK, 7. Auflage 2007 Rd.-Ziff. 2 zu § 622 BGB; Schleusener, Europarechts- und Grundgesetzwidrigkeit von § 622 II 2 BGB, NZA 2007, S.358 ff, 359; Preis, NZA 2006, S. 401 ff, 406; Wolff FA 2006, S. 260 ff, 263; Waltermann, NZA 2005, S.1265 ff, 1270; Löwisch in Festschrift für Schwerdtner S. 769 ff, 771; anderer Ansicht Tavakoli/Westhauser DB 2008, S.702 ff, 707). 3. Die festgestellte unzulässige Diskriminierung hat zur Folge, dass § 622 Abs. 2 S. 2 BGB vorliegend ohne Vorlage an den Europäischen Gerichtshof wegen Verstoßes gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung nicht mehr anzuwenden ist. a. Dem steht nicht entgegen, dass europarechtliche Richtlinien „nur" sogenanntes Sekundärrecht darstellen. Sie regeln nach dem Wortlaut des Artikels 242 EGV keine individuellen Rechte eines Einzelnen gegenüber einer anderen Einzelperson. Dem Einzelnen ist daher eine Berufung auf die Richtlinie als solche regelmäßig nicht möglich (EuGH v. 7.9.2006, - C 81/05, Cordero Alonso NJW 2006, 623 ff). Um unmittelbare Auswirkungen auf ein Verhältnis zweier Privater haben zu können, bedarf es normalerweise regelmäßig einer richtlinienkonformen Auslegung/Umsetzung in nationales Recht, jedenfalls eines Vorlagebeschlusses.
b. Für eine richtlinienkonforme Auslegung ist vorliegend kein Raum. Es ist kein Auslegungsspielraum ersichtlich.
c. Eines Vorlagebeschlusses bedarf es hier aber nicht. Das Verbot der Altersdiskriminierung wirkt vorliegend ausnahmsweise unmittelbar zwischen Privatpersonen, da es auf allgemeingültigem, übergeordnetem Gemeinschaftsrecht beruht.
aa. Nach dem Urteil des EuGH vom 25.11.2005 - C 144/04 (Werner Mangold gegen Rüdiger Helm - NZA 2005, 1345 ff) hat das in der RL 2000/78/EG fixierte Verbot der Altersdiskriminierung seinen Ursprung in den verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen und den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedsstaaten. Es ist daher als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen (EuGH v. 22.11.2005, a.a.O.).
bb. Allgemeines, primäres Gemeinschaftsrecht ist aber innerhalb der Grenzen der verfassungsrechtlichen Ermächtigung durch Artikel 23 GG gegenüber früherem oder späterem innerstaatlichem Recht vorrangig anzuwenden. Der Status des Verbots der Altersdiskriminierung als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts hat dessen Teilhabe am unmittelbar geltenden primären Gemeinschaftsrecht und damit auch nach deutschem Verfassungsrecht zwingend seinen Anwendungsvorrang in den Mitgliedsstaaten zur Folge (vgl. Kreft, Die Auslegung europäischen oder die Anwendung nationalen Rechts?, Vortrag zum europarechtlichen Symposium des BAG im Jahre 2006, Seite 15 f des Skripts; im Ergebnis auch BAG v. 26.4.2006 - 7 AZR 500/04 -, zit. nach JURIS). cc. Dem folgt das Berufungsgericht. Insoweit handelt es sich um einen auch für nationale Gerichte rechtsverbindlichen Ausspruch des EuGH. Die Zuständigkeit des europäischen Gerichtshofs erstreckt sich nicht nur auf die Entscheidung über die Rechtsgültigkeit der Normen des Gemeinschaftsrechts, sondern auch über die nach seiner Auffassung existierenden ungeschriebenen Normen des Gemeinschaftsrechts und ihrer Auslegung, die als primäres Gemeinschaftsrecht dann Geltung entfalten (BVerfG 29.5.1974 - 2 BvL 52/71 = BVerfGE 37, 271, 281).
dd. Das Verbot der Altersdiskriminierung als solches - nicht etwa seine detaillierte Ausgestaltung im Einzelnen in Gesetzen der Mitgliedsstaaten- ist Teil des primären Gemeinschaftsrechts und hat seinen Ursprung unter anderem in den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedsstaaten (Kreft, a.a.O., Seite 18). In begrenztem Rahmen ist der EuGH daher auch zu einer Rechtsfortbildung des europarechtlichen Gemeinschaftsrechts berufen (vgl. BAG v. 26.4.2006 - 7 AZR 500/04 -, Rd.-Ziff. 19 m.w.N.). ee. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, die Existenz derartigen Primär-rechtes sei zweifelhaft und den vom EuGH angeführten völkerrechtlichen Verträgen nicht zu entnehmen (Tavacoli/Westhauser, DB 2008, S.702 ff, 703; Preis, NZA 2006, S. 401 ff, 406). Es mag durchaus zutreffen, dass sich lediglich in den Verfassungstexten Finnlands und Portugals ein ausdrückliches Verbot der Altersdiskriminierung befindet. Das besagt jedoch nichts darüber, dass es den vom EuGH angeführten „allgemeinen ungeschriebenen Grundsatz des gemeinschaftsrechtlichen Verbots der Altersdiskriminierung" nicht gibt. Insoweit ist es unbeachtlich, ob der vom EuGH an-geführte allgemeine Grundsatz des Gemeinschaftsrechts: „Verbot der Diskriminierung wegen des Alters" schriftlich fixiert wurde oder „nur" einen in allen Rechtsordnungen generell vorausgesetzten Behandlungsgrundsatz darstellt. Maßgeblich ist allein, dass er als tragendes allgemeingültiges Rechtsgut existiert. Letzteres ist zwei-felsfrei der Fall. ff. Als primäres Gemeinschaftsrecht wirkt der Grundsatz des Verbotes der Diskriminierung wegen des Alters daher unmittelbar horizontal, also auch zwischen Privaten. Der Status des Verbots der Altersdiskriminierung als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts hat damit auch zwingend seinen Anwendungsvorrang in den Mitgliedsstaaten zur Folge (vgl. Kreft, a.a.O.) § 622 Abs. 2 S. 2 BGB verstößt mithin als innerstaatliche Regelung gegen primäres Gemeinschaftsrecht.
d. Nach dem Urteil des EuGH vom 22.11.2005, Az. C 144/04, Mangold gegen Helm (NZA 2005, 1345) hat das nationale Gericht nationales Recht, dass dem allgemeinen Verbot der Diskriminierung wegen des Alters entgegensteht, unangewendet zu lassen, um den rechtlichen Schutz, der sich für die Menschen aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt, zu gewährleisten und die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu garantieren. Insoweit bedarf es auch nicht der vorherigen Aufhebung durch den Gesetzgeber. Diese muss weder beantragt noch von dem entscheidenden Gericht abgewartet werden (vgl. BAG v. 26.4.2006 - 7 AZR 500/04 -; auch BAG v. 3.4.2007 - 9 AZR 823/07- jeweils zitiert nach JURIS). e. Dem steht auch nicht entgegen, dass grundsätzlich die deutschen Gerichte verfassungsrechtlich verpflichtet sind, die geltenden Gesetzesnormen und also auch § 622 Abs. 2 S. 2 BGB anzuwenden. Ein deutsches Gericht darf ein deutsches Gesetz nicht anwenden, wenn dieses gegen unmittelbar anzuwendendes Primär- und Sekundärrecht verstößt. Das ist dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts geschuldet. Dieser Vorrang ist seinerseits durch Artikel 23 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich abge-sichert. Zu dieser Befugnis der Nichtanwendung bedarf das Gericht keiner irgendwie einzuholenden Erlaubnis aus Karlsruhe (BVerfG v. 8.4.1987 - 2 BvR 687/85 - (Cloppenburg) NJW 1988, 1459, zu B 3 der Gründe m.w.N.). Abgesehen davon ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 2 GG nicht einzuholen, da die Normen der Europäischen Gemeinschaft keine allgemeinen Regeln im Sinne des Art. 25 GG sind (BVerfG vom 26.3. 1986, BB 1986,1070). Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG wäre unzulässig. Danach kann ein Gericht die Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsgemäßheit einer Norm nur einholen, wenn es auf ihre Gültigkeit ankommt. An der Entscheidungserheblichkeit im sinne von Art. 1oo Abs. 1 GG fehlt es aber, wenn feststeht, das ein Gesetz auf Grund entgegenstehenden Gemeinschaftsrechts nicht angewandt werden darf (Schleusener, NZA 2007, 358ff, 360f m.w.N.).
f. Der „Durchentscheidung" der nationalen Gerichte ohne erneuten Vorlagebeschluss an den EuGH kann auch nicht entgegengehalten werden, dass es insoweit zu einer „Erosion der Rechtssicherheit" kommen könnte, wenn Rechtsprechung davon abhinge, ob die jeweils angerufenen Gerichte nationales Gesetzrecht anwenden oder, weil sie es für EG-primärrechtswidrig erachten, übergehen (so aber LAG Düsseldorf vom 21.11.2007 - 12 Sa 1311/07 - zitiert nach JURIS- Rd.-Ziff. 92). Die nationalen Ge-richte sind zur Beachtung des Gemeinschaftsrechts verpflichtet. Die Vorlagepflicht nach Artikel 234 Abs.3 EG betrifft nur die Auslegung von Normen des Gemeinschaftsrechts, nicht dagegen die hierzu in Vorabentscheidungsverfahren vom europäischen Gerichtshof aufgestellten Rechtssätze, mögen diese auch ihrerseits bei der Anwendung im Einzelfall interpretationsbedürftig sein (BAG v. 26.4.2006 - 7 AZR 500/04 -, Rd.-Ziff. 36 m.w.N.). Abgesehen davon besteht eine Pflicht zur Vorlage an den EuGH nach Maßgabe des Art. 243 Abs. 3 EG nur für die letztinstanzlichen Gerichte der Mitgliedstaaten.
4. Letztendlich stellt sich auch nicht die Frage des gemeinschaftsrechtlichen Vertrauensschutzes.
a. Es ist bereits fraglich, ob es Vertrauensschutz für Diskriminierungshandlungen überhaupt geben kann. Er würde den Diskriminierungstatbestand zu Lasten des sich gerade wehrenden Diskriminierten perpetuieren (siehe Kreft, a.a.O. Seite 20). b. Der Vertrauensschutzgedanke ist vorliegend jedoch nicht tangiert. Vertrauensschutz bedeutet u.a. Schutz vor Rückwirkung. Zwar erzeugen höchstrichterliche Entscheidungen keine dem Gesetzesrecht vergleichbaren Rechtsbindungen. Sie stellen lediglich die Rechtslage in einem konkreten Fall fest. Gleichwohl darf ein Bürger auf die durch höchstrichterliche Rechtsprechung konkretisierte Rechtslage und deren Bestand vertrauen. In den Fällen, in denen ein Gestaltungsrecht bereits ausgeübt wurde, liefe es auf eine im Ergebnis unzulässige im Ergebnis echte Rückwirkung hinaus, wenn eine Rechtsprechungsänderung voll durchschlüge. Deshalb darf unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes eine Rechtsprechungsveränderung nicht dazu führen, einer Partei rückwirkend Handlungspflichten aufzuerlegen, die sie nachträglich nicht mehr erfüllen kann (BAG v. 23.3.2006 - 2 AZR 343/05- zitiert nach JU-RIS, Rd.-Ziff. 33)
c. Es geht vorliegend jedoch nicht um die Wirksamkeit der Kündigung an sich, sondern lediglich um den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der an sich rechtswirksamen Kündigungserklärung des Beklagten (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rd.-Ziff. 49). Damit wird der gestaltenden Handlung des Beklagten - dem Ausspruch der Kündigung - nicht rückwirkend die Grundlage entzogen. Vielmehr wird als Folge der Unanwendbarkeit des § 622 Abs. 2 S. 2 BGB lediglich der Lauf der Kündigungsfrist verlängert. Derartiges ist arbeitsrechtlich durchaus üblich. Entsprechend wird seitens der Gerichte stets vorgegangen, wenn Arbeitnehmer oder Arbeitgeber die falsche Kündigungsfrist gewählt haben. 5. Aus den genannten Gründen war § 622 Abs. 2 S. 2 BGB vorliegend für die Berechnung der Kündigungsfrist nicht anzuwenden. Die Kündigungsfrist der Klägerin, die im Alter von 25 Jahren länger als 5 Jahre bei dem Beklagten beschäftigt war, beträgt unter Außerachtlassung der „Altersgrenze 25" gem. § 622 Abs. 2 S. 1 BGB zwei Monate zum Monatsende. Das Arbeitsgericht hat daher zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung des Beklagten vom 1.9.2007 nicht zum 30.9.2007 beendet worden ist, sondern bis zum 30.11.2007 fort-bestanden hat. Die Berufung war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 269 ZPO. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage der Wirksamkeit des § 622 Abs. 2 S. 2 BGB zuzulassen.