LAG Köln: Altersdiskriminierung; Bewerbung; Entschädigung
LAG Köln, Urteil vom 10.9.2021 –10 Sa 1264/20
ECLI:DE:LAGK:2021:0910.10SA1264.20.00
Volltext: BB-Online BBL2022-1724-1
Leitsatz der Redaktion
1. Trägt eine Partei Indizien vor, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit daraufschließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
2. Gemäß § 11 AGG dürfen Stellenanzeigen nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus §7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden.
AGG §§ 1, 3, 7, 11, 15, 22; ArbGG §§ 64, 66; ZPO § 97 Abs.
Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zu zahlen.
Der 49-jährige Kläger, Jurist, bewarb sich mit Schreiben vom 01.12.2019 auf eine Stellenanzeige der Beklagten aus Dezember 2019 auf der Online-Jobplattform „Step Stone“ auf die ausgeschriebene Stelle als Legal Consultant.
In der Stellenanzeige lautet es auszugsweise wie folgt:
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Die Beklagte lehnte die Bewerbung des Klägers mit E-Mail vom 30.12.2019 ab.
Daraufhin machte der Kläger mit Schreiben vom 05.01.2020, welches am 07.01.2020 bei der Beklagten zugegangen ist, geltend, einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung i. H. v. 4900 € anzuerkennen. Dies lehnte die Beklagte durch ihre Mitteilung vom 10.01.2020 gegenüber dem Kläger ab.
Sein Entschädigungsverlangen verfolgt der Kläger in Höhe von 7.900.- € mit seiner Klage vom 10.03.2020, die am 12.03.2020 beim Arbeitsgericht in Köln eingegangen ist, weiter.
Der Kläger hat erstinstanzlich geltend gemacht, aus der Stellenanzeige der Beklagten ließen sich hinreichende Indizien für eine Altersdiskriminierung gegenüber ihm herleiten. Dies ergebe sich hinreichend durch die Wahl der Duz-Form gegenüber den potentiellen Bewerbern in der Ausschreibung. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass in der Ausschreibung das Merkmal der „ersten Erfahrung in der Rechtsberatung“ aufgeführt sei. Zudem fordere die Beklagte in der Stellenanzeige die Bewerber auf, sich nach Absolvierung des Studiums „jetzt“ zu bewerben. Indiziell sei auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte keine Zeugnisse im Rahmen der Ausschreibung verlangt habe. Die Bewerbung des Klägers weise keine erheblichen Lücken im Lebenslauf auf. Der berufliche Bezug des Klägers zum Bereich des E-Commerce ergebe sich hinreichend aus seinen einschlägigen Qualifikationen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch 7800 € nicht unterschreiten sollte, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2020.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Rechtsauffassung vertreten, eine hinreichende Indizwirkung hinsichtlich einer etwaigen Altersdiskriminierung sei der Stellenausschreibung der Beklagten nicht zu entnehmen. Die Anrede in der Stellenausschreibung gegenüber den Bewerbern mit der Verwendung der Anredeform „Du“ entspreche der Unternehmenskultur bei der Beklagten auf jeder Hierarchieebene und sei im Übrigen auch branchenüblich. Die Anforderung der „ersten Erfahrung in der Rechtsberatung“ in der Stellenausschreibung sei zum einen nicht als zwingend formuliert. Zudem bestehe kein Erfahrungssatz dahingehend, dass Bewerber mit einer längeren Berufserfahrung typischerweise älter sein müssten. Die Formulierung stelle allenfalls eine Öffnung für jüngere Bewerber dar und keine Benachteiligung von lebensälteren Stellenbewerbern. Die Aufforderung, sich jetzt nach dem Studium zu bewerben, ziele nicht auf das Lebensalter ab. Weiterhin sei kein Kausalzusammenhang mit der Ablehnung gegenüber dem Kläger gegeben. Die Beklagte wende diskriminierungsfrei ihre Einstellungsgrundsätze an. Zudem sei von einer treuwidrigen Bewerbung des Klägers wegen seiner lückenhaften Bewerbung auszugehen.
Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 13.11.2020 - 1 Ca 1564/20 - die Klage als unbegründet abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG nicht hinreichend zu erkennen sei, da der Kläger hierfür keine hinreichenden Indizien vorgetragen habe.
Gegen das ihm am 05.12.2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 30.12.2020 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
Der Kläger hält der erstinstanzlichen Entscheidung entgegen, hinreichende Indizien für eine Altersdiskriminierung bei Ablehnung seiner Bewerbung auf die Stelle des Legal Consultant bei der Beklagten seien hinreichend dargetan. Die Aufforderung in der Stellenausschreibung, sich „jetzt“ nach dem Studium zu bewerben verdeutliche den Zusammenhang zwischen dem Studienabschluss und dem daraus zu folgernden Umstand, dass dies in jüngerem Alter geschehe. Die gewünschten Bewerber seien daher nach Abschluss des Studiums regelmäßig jünger. Die Anforderung der „ersten Erfahrung in der Rechtsberatung“ deute ebenfalls auf die Altersdiskriminierung älterer Bewerber hin. Die Rechtsberatung sei kein spezielles Fachgebiet, sondern in den meisten juristischen Berufen relevant. Erste Erfahrungen in diesem Bereich würden typischerweise in jüngeren Lebensjahren gesammelt. Der Gebrauch der „Duz“-Form in der Stellenausschreibung verdeutliche, dass hiermit jüngere Menschen angesprochen werden sollten. In der Gesamtschau der aus der Stellenausschreibung herzuleitenden Indizien sei die Altersdiskriminierung des Klägers hinreichend herzuleiten.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.11.2020, AZ. 1 Ca 1564/20 abzuändern;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 7800 € nicht unterschreiten sollte, nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2020.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung ihres Sachvortrags. Die Aufforderung in der Stellenausschreibung sich „jetzt“ bewerben, beziehe sich nur auf eine zeitnahe Bewerbung im Hinblick auf den gewünschten Einstellungszeitpunkt. Ohnehin seien Studienabschlüsse nicht untrennbar mit dem Alter verbunden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit als Indiz gemäß § 22 AG sei hieraus nicht herzuleiten. Die Anforderung der „ersten Erfahrung in der Rechtsberatung“ stelle allenfalls eine Öffnung für Bewerber und kein Muss–Kriterium dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst den zu den Akten gereichten Anlagen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend verwiesen.
Aus den Gründen
I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft und fristgerecht eingelegt wie auch begründet worden ist (§§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das Arbeitsgericht zu Recht und mit überzeugender Begründung das Entschädigungsbegehren des Klägers wegen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG abgelehnt hat.
1. Von der Wahrung der Fristen gemäß § 15 Abs. 4 AGG – durch das außergerichtliche Schreiben des Klägers vom 05.01.2020 – und gemäß § 61 b ArbGG – durch die Klageerhebung vom 10.03.2020 mit Eingang beim Arbeitsgericht am 12.03.2020 – ist auszugehen.
2. Jedoch ist kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGBG wegen Altersdiskriminierung des Klägers festzustellen.
a. § 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, u. a. wegen des Alters, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
b. Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst allerdings nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund i. S. v. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; es muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund i. S. v. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt (vgl. etwa BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34 m. w. N.).
c. § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65, BAGE 141, 48). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 m. w. N.; 10. Juli 2008 - C-54/07 - [Feryn] Rn. 32, Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 27). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 33). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (vgl. etwa BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45).
d. Nach § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden.
Das AGG knüpft an einen Verstoß gegen § 11 AGG keine unmittelbaren Rechtsfolgen. Der Arbeitgeber schuldet einem/einer abgelehnten Bewerber/in eine Entschädigung oder Schadensersatz auch nicht allein deshalb, weil die Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben.
Schreibt der Arbeitgeber eine Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG aus, so kann dies allerdings die Vermutung i. S. v. § 22 AGG begründen, dass der/die erfolglose Bewerber/in im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines Grundes i. S. v. § 1 AGG benachteiligt wurde. Zwar verweist § 11 AGG nach seinem Wortlaut nur auf § 7 Abs. 1 AGG; dennoch muss die Bestimmung so ausgelegt werden, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht vorliegt, wenn die mögliche mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG oder die unmittelbare Benachteiligung nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG gerechtfertigt ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Stellenausschreibungen strengeren Anforderungen unterliegen sollten als dies bei allen anderen benachteiligenden Handlungen i. S. d. AGG der Fall ist. Dies hat zur Folge, dass bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken, ein Verstoß gegen § 11 AGG nicht vorliegt, wenn die Diskriminierung nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG zulässig ist und dass bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine mittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken können, nach § 3 Abs. 2 AGG ein Verstoß gegen § 11 AGG dann ausscheidet, wenn die Anforderung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Enthält eine Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, kann dies nach alledem die Vermutung nach § 22 AGG begründen, der/die erfolglose Bewerber/in sei im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden.
e. Zu prüfen verbleibt, ob aus der Stellenausschreibung der Beklagten in der Jobplattform Step Stone hinreichende Indizien für eine Altersdiskriminierung des Klägers als Bewerber auf die ausgeschriebene Stelle gemäß § 22 AGG herzuleiten sind.
aa. Die Auslegung des Textes veröffentlichter Stellenanzeigen richtet sich nach folgenden Maßstäben: Unter einer Ausschreibung im Sinne von § 11 AGBG ist die an eine unbekannte Vielzahl von Personen gerichtete Aufforderung eines Arbeitgebers zu verstehen, sich auf die ausgeschriebene Stelle zu bewerben. Danach ist die Stellenausschreibung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen potentiellen Bewerbern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Bewerbers zugrunde zu legen sind (BAG, Urteil vom 16.12.2015 - 5 AZR 567/14, Rn. 12).
bb. Hieraus ergibt sich für die einzelnen Passagen des Ausschreibungstextes der Beklagten folgendes Auslegungsergebnis:
(1.) Die Textpassage hinsichtlich der Anforderung eines erfolgreichen Abschlusses eines juristischen Studiums enthält keine unmittelbare Altersangabe.
Eine Einschränkung dahingehend, dass das Studium erst kürzlich abgeschlossen sein sollte oder müsste, ist dem nicht zu entnehmen (vergleiche BAG, Urteil vom 23.11.2017 – 8 AZR 372/16, Rn. 32). Bestärkt wird dieses Auslegungsergebnis durch die weitere Formulierung in der Stellenausschreibung der Beklagten, wonach gute Kenntnisse in relevanten Rechtsgebieten gewünscht werden, die in speziellen Rechtsgebieten angesiedelt und typischerweise nicht von Berufsanfängern bzw. Hochschulabsolventen beherrscht werden. So bezieht sich die Beklagte in der Stellenausschreibung auf gute Kenntnisse in den Rechtsgebieten Datenschutzrecht, E-Commerce-Recht, Verbraucherschutzrecht, Wettbewerbsrecht und AGB-Recht.
(2.) Die Passage in der Stellenausschreibung, mit der die Beklagte auf den Vorteil hinweist, dass bereits erste Erfahrungen in der Rechtsberatung mitgebracht werden, stellt typischerweise einen Altersbezug her (vergleiche BAG, Urteil vom 19.05.2016 – 8 AZR 583/14, Rz. 70). Allerdings ist dieser Gesichtspunkt im Rahmen der gebotenen Auslegung unter Berücksichtigung des gesamten Kontextes der Ausschreibung zu würdigen. Hierbei ist festzuhalten, dass erste Erfahrungen in der Rechtsberatung speziell in der Ausschreibung angesprochen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers ist aber nicht als typisch anzusehen, dass Rechtsberatung in einem bestimmten Alter begonnen bzw. ausgeübt wird (vergleiche BAG, Urteil vom 26.01.2017 – 8 AZR 73/16, Rz. 32). Dabei ist der Gesamtkontext der Ausschreibung mit einzubeziehen. Hier gilt es die Formulierung zu berücksichtigen, dass in der Ausschreibung gewünscht wird, dass dank rascher Auffassungsgabe und Know-How in der juristischen Recherche eine Einarbeitung in neue Rechtsgebiete als möglich angesehen wird. Dabei wird in der Stellenausschreibung von einem vorhandenen Know-how ausgegangen, dass für Berufsanfänger ohne weiteres nicht typisch ist.
cc. Auch die Formulierung in der Stellenausschreibung, dass für den Fall des Abschlusses des Studiums der Rechtswissenschaften oder des Wirtschaftsrechts „jetzt Lust darauf bestehe“, sich zu bewerben, eine sinnvolle Verstärkung des Teams gewünscht sei, lässt keinen hinreichenden Schluss im Sinne eines tragfähigen Indizes gemäß § 22 AGG für eine Altersdiskriminierung des Klägers zu. Die zeitliche Festlegung ist aufgrund des zuvor dargestellten Gesamtzusammenhangs der Stellenausschreibung nicht als nahe zeitliche Abfolge von Studienabschluss und Bewerbung zu verstehen. Wiederum fällt ins Gewicht, dass im sonstigen Kontext der Stellenausschreibung ein vorhandenes – für Berufsanfänger bzw. jüngere Mitarbeiter – ohne weiteres nicht kennzeichnendes Know-how angesprochen ist.
dd. Die gewählte Duz-Form in der Stellenausschreibung hinsichtlich der Ansprache an die potentiellen Stellenbewerber ist gemäß den Ausführungen des Arbeitsgerichts nicht als hinreichendes Indiz für eine Altersdiskriminierung anzusehen, sondern lässt sich plausibel auf die von der Beklagtenseite gewählte Unternehmenssprache zurückführen.
Nach alldem liegen hinreichende diskriminierungsbegründende Indizien im Sinne von § 7 Abs. 1 AGG i. V. m. § 22 AGG nicht vor, so dass dem Entschädigungsbegehren des Klägers vom Arbeitsgericht zu Recht nicht entsprochen worden ist. Die Berufung des Klägers hiergegen ist unbegründet.
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt nach § 97 ZPO der unterlegene Kläger.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 ArbGG sind nicht gegeben, da die Entscheidung unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den Umständen des Einzelfalles beruht.