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Arbeitsrecht
10.10.2013
Arbeitsrecht
ArbG Berlin: Abgrenzung einer Arbeitnehmerüberlassung von Werk- bzw. Dienstvertrag

ArbG Berlin, Teilurteil vom 5.9.2013 - 33 Ca 5347/13


Leitsatz


1. Eine Überlassung zur Arbeitsleistung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat


2. Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich.


3. Werden Mitarbeiter eines Dienstleistungsunternehmens von dem Betreiber eines Konferenzzentrums für die dort auszuführenden Umbauarbeiten allein nach Weisung des Betreibers des Konferenzzentrums eingesetzt und beschränkt sich die Pflicht des Dienstleistungsunternehmens auf die Auswahl und Zurverfügungsstellung des Personals liegt Arbeitnehmerüberlassung vor.


4. Kommt mangels Vorliegens einer Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 AÜG deshalb zwischen dem eingesetzten Arbeitnehmer und dem Betreiber des Konferenzraums gem. §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 S. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande, kann dieser nach erstinstanzlichem Obsiegen mit einem hierauf gerichteten Feststellungsantrag entsprechend den Grundsätzen zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch im Kündigungsschutzprozess auch dann Beschäftigung verlangen, wenn er lediglich aufgrund des Vertrages mit dem Dienstleistungsunternehmen als dessen Erfüllungsgehilfe eingesetzt wird.


§ 9 Nr 1 AÜG, § 10 Abs 1 S 1 AÜG, § 611 BGB, § 631 BGB


Sachverhalt


Die Parteien streiten über das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses und die Zahlung von Vergütung.


Der Kläger ist seit dem 11.04.2008 bei der Firma X. Service GmbH (im Folgenden: Streitverkündete) beschäftigt, welche ihre Mitarbeiter bei Drittunternehmen einsetzt. Mit dieser schloss er einen schriftlichen Arbeitsvertrag vom 08.04.2008 (Bl. 21 f. d.A.) und bezog zuletzt eine Bruttostundenvergütung in Höhe 8,00 EUR.


Der Kläger wurde zunächst u.a. beim J. Museum und seit dem 01.08.2008 sodann bei der Beklagten eingesetzt. Die Beklagte führt in ihrem Konferenzzentrum und in anderen Lokalitäten Veranstaltungen durch. Für deren Durchführung beschäftigt sie Veranstaltungsassistenten, die nicht mit veranstaltungsbedingten Catering- oder Umbauarbeiten beschäftigt werden. Für diese Arbeiten griff sie auf Mitarbeiter der sich nicht im Besitz einer Erlaubnis für Arbeitnehmerüberlassung befindenden Streitverkündeten zurück, welche sich auf eine mit „Leistungsbeschreibung Leistung/Dienstleistung: Personalgestellung für Catering/Konferenzassistenz und Möblierung des Konferenzzentrums Beletage der H.-B.-Stiftung Sch.str. ... in Berlin Mitte" betitelte Ausschreibung der Beklagten vom Mai 2010 (Bl. 72 ff. dA.) mit Angebot vom 29.06.2010 (Bl. 80 ff. d.A.) erfolgreich beworben hatte. In der Leistungsbeschreibung führte die Beklagte u.a. aus:


Ziff. 2.2.1 Angaben zum Leistungsumfang Möblierung des Konferenzzentrums Beletage


Der Bieter/Die Bieterin muss sich verpflichten, das Personal aus einem festen Pool von eingearbeiteten Personen zu stellen. Die Einarbeitung erfolgt durch die H.-B.-Stiftung. Der Bieter/Die Bieterin muss der HBS das vorgesehene Personal vorab vorstellen, die HBS kann den Vorschlag ohne Nennung von Gründen annehmen oder ablehnen. Die Einweisung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die einzelnen Veranstaltungen vor Ort erfolgt durch die SachbearbeiterInnen des Tagungsbüros.


Der Kläger verrichtete bei der Beklagten zunächst Arbeiten sowohl in der Küche als auch im Umbau, seit dem 13.04.2011 nach mehreren Vorstellungsgesprächen dann nur noch im Umbau. Im Februar 2013 wurde er bei der Beklagten für 18,25 Stunden, im März 2013 für 24,25 Stunden und im Gesamtzeitraum vom 01.08.2008 bis zum 30.04.2013 für 543,47 Stunden eingesetzt.


Im Rahmen ihres Vertragsverhältnisses mit der Streitverkündeten forderte die Beklagte bei dieser Einsatzschichten für die vorgesehenen Veranstaltungen an. Schichtleiter der Streitverkündeten leiteten diese Anfrage an die von ihr für den Einsatz vorgesehenen Mitarbeiter weiter. Zu Beginn einer Schicht meldete sich der auf diese Weise für Arbeiten an einem bestimmten Tag vorgesehene Kläger am Empfang der Beklagten, wo er von Mitarbeitern der Beklagten einen Zettel erhielt, in dem die jeweils durchzuführenden Umbauarbeiten in den Räumen der Beklagten beschrieben waren (s. beispielhaft Bl. 24 ff. und 166 f. d.A.). Mitarbeiter der Beklagten machten auf diesen Zetteln gelegentlich handschriftliche Anmerkungen zu einzelnen Umbauarbeiten oder gaben dort ebenfalls gelegentlich handschriftlich ihre Telefonnummern bekannt.


In einer Email an die Streitverkündete vom 05.01.2010 (Bl. 135 d.A.) bat eine Mitarbeiterin der Beklagten um die Anberaumung eines Termins mit allen Umbauern, in dem es im Hinblick auf sehr viele kaputte Möbel um den Umgang mit diesen gehen solle.


Mit der am 11.04.2013 beim Arbeitsgericht Berlin in Telekopie eingegangenen und der Beklagten am 18.04.2013 zugestellten Klage macht der Kläger geltend, zwischen ihm und der Beklagten sei aufgrund unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung ab dem 13.04.2011 ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Er habe für die durchzuführenden Umbauarbeiten von Mitarbeiterinnen der Beklagten auch mündliche Weisungen und von der Beklagten ein die Beklagte ausweisendes Namensschild erhalten. Regelmäßig würden von der Beklagten Wünsche zu Änderungen bei der Schichtverteilung mitgeteilt, sofern die Streitverkündete nicht Abhilfe schaffen könne, würden diese Änderungen vor Ort von der Beklagten selbst durchgeführt und mit den eingesetzten Mitarbeitern der Streitverkündeten besprochen.


Der Kläger beantragt,


1. festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 13.04.2011 ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht;


2. die Beklagte - für den Fall des Obsiegens in der ersten Instanz - zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Ausgang des Rechtsstreits tatsächlich als „Mitarbeiter Umbau" zu beschäftigen.


3. a) die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger in entsprechender Anwendung des § 13 AÜG Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Beschäftigten zu erteilen, der in der Zeit seit 13.04.2011 als Veranstaltungsassistent beschäftigt gewesen ist;


und


3. b) die Beklagte nach der Auskunft zu 3.a) zu verurteilen,


3.aa) die sich auf Grund der Auskunft ergebende, noch zu bestimmende  Differenzvergütung für die Zeit seit 13.04.2011 nachzuzahlen, welche sich berechnet  aus dem regelmäßigen Entgelt abzüglich der bereits bezogenen Vergütung; die  nachzuzahlenden Beträge sind mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz  jeweils seit Fälligkeit zu verzinsen;


und


3.bb) dem Kläger über die Differenzvergütung hinaus beginnend ab dem 13.04.2011  diejenigen sonstigen noch zu bestimmenden Arbeitsbedingungen zu gewähren, die  ein Veranstaltungsassistent der Beklagten im Jahr 2011 und 2012 bezogen hat.


Die Beklagte beantragt,


die Klage abzuweisen.


Die Beklagte behauptet, die vom Kläger auszuführenden Umbauarbeiten beruhten auf einer werkvertraglichen Vereinbarung der Beklagten mit der Streitverkündeten. Die Umbauarbeiten seien im Wesentlichen stets gleich und variierten lediglich im Hinblick auf die Platzierung der Möbelstücke. Sie erforderten daher keine weiteren konkreten Anweisungen seitens der Beklagten. Die auf den von den Mitarbeiterinnen der Beklagten übergebenen Zetteln enthaltenen Informationen seien sämtlich gegenständlich begrenzt auf die zu erbringende Werkleistung. Die Mitarbeiter der Streitverkündeten könnten sich innerhalb eines veranstaltungsbedingt vorgegebenen Zeitrahmens grundsätzlich frei einteilen, wie sie die einzelnen Umbauaufgaben erledigten. Wie der Personaleinsatz geplant werde sei ausschließlich Sache der Streitverkündeten. Diese führe auch Schulungen für ihre Mitarbeiter durch und sorge dafür, dass ständig Ansprechpartner für Mitarbeiter und Auftraggeber zur Verfügung stünden.


Wegen des weiteren Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.


Aus den Gründen


I.


Der Rechtsstreit ist hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. zur Entscheidung reif. Die Kammer hat daher hierüber gem. § 301 Abs. 1 ZPO durch Teilurteil entschieden.


II.


Der gem. § 256 Abs. 1 zulässige Antrag zu 1. ist begründet. Zwischen den Parteien besteht gem. §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG spätestens seit dem 13.04.2011 ein Arbeitsverhältnis.


1.


Zwischen dem Kläger und der Streitverkündeten wurde am 08.04.2008 ein Arbeitsverhältnis vereinbart. Das ergibt sich bereits aus seiner Bezeichnung und daraus, dass der Kläger sich gegenüber der Streitverkündeten gem. Ziff. 1 Satz 2 des Vertrages verpflichtete, ihm übertragene Aufgaben sorgfältig auszuführen. Daran ändert auch nichts die Behauptung der Beklagten, er und die weiteren Mitarbeiter der Streitverkündeten hätten sich innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens die einzelnen Umbauaufgaben frei einteilen können. Ob dies so war kann offen bleiben. Wenn die Vertragsparteien, hier der Kläger und die Streitverkündete, den Abschluss eines Arbeitsverhältnisses ausdrücklich vereinbaren, kommt auch dann kein freies Dienstverhältnis zustande, wenn dem Arbeitnehmer hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeit oder Arbeitsinhalt wesentliche Entscheidungsfreiheiten zugestanden werden. Im Übrigen wurden dem Kläger und seinen Arbeitskollegen von der Streitverkündeten Arbeitszeit (Schicht) und Arbeitsort abschließend zugewiesen, auch hinsichtlich des Arbeitsinhaltes erhielten sie von Mitarbeiterinnen der Beklagten je Schicht auf Zetteln Einzelanweisungen zu den auszuführenden Umbauarbeiten, so dass selbst bei Vorhandensein einer Freiheit, den konkreten Ablauf der zugewiesenen Umbauarbeiten im vorgegebenen Zeitrahmen selbst zu bestimmen keine wesentliche Weisungsunabhängigkeit vorläge.


2.


Zwischen der Beklagten und der Streitverkündeten kam auf der Grundlage der von der Beklagten erstellten Leistungsbeschreibung spätestens ab Mitte 2010 ein Vertrag zustande, der die Streitverkündete verpflichtete, im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit Arbeitnehmer an die Beklagte zur Arbeitsleistung zu überlassen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG). Entgegen der Auffassung der Beklagten lag hingegen kein Werkvertrag (§ 631 BGB) vor. Auch ein Dienstvertrag (§ 611 BGB) wurde nicht abgeschlossen.


a)


Eine Überlassung zur Arbeitsleistung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterfällt nicht jeder in diesem Sinne drittbezogene Arbeitseinsatz dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Arbeitnehmerüberlassung ist vielmehr durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet.


Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführungen des Werks erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht erfasst.


Über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Die Vertragsschließenden können das Eingreifen zwingender Schutzvorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht dadurch vermeiden, dass sie einen vom Geschäftsinhalt abweichenden Vertragstyp wählen. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp. Einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung sind zur Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalts nur geeignet, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt (BAG v. 18.01.2012, 7 AZR 723/10).


b)


Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich ergeben soll, dass es sich bei einem drittbezogenen Personaleinsatz um Arbeitnehmerüberlassung handelt, trägt diejenige Partei, die daraus für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will. Das ist hier der Kläger. Da viele auf eine Arbeitnehmerüberlassung hindeutende Tatsachen (vertragliche Vereinbarungen zwischen Drittem und vermeintlichem Werkunternehmer, Weisungsstruktur: auf wen gehen Weisungen letztlich zurück?, faktische Geltendmachung von Gewährleistungsrechten) außerhalb des Wahrnehmungsbereichs des Arbeitnehmers liegen, droht ihm eine eklatante Darlegungs- und Beweisnot. Deshalb ist dem Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast die Möglichkeit einzuräumen, sich zunächst auf die Darlegung und den Beweis solcher Umstände zu beschränken, die seiner Wahrnehmung zugänglich sind und die auf eine Zuordnung zum Arbeitnehmerüberlassungsrecht sprechen. Sache des beklagten Arbeitgebers ist es dann die für das Gegenteil sprechenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, wonach die Abgrenzungskriterien Weisungsstruktur und Risikotragung auch in der gelebten Vertragsdurchführung werkvertragstypisch ausgestaltet sind (LAG Baden-Württemberg v. 01.08.2013, 2 Sa 6/13).


c)


Nach den tatsächlichen Gegebenheiten und der Leistungsbeschreibung der Beklagten im Vergabeverfahren schuldete die Streitverkündete lediglich die Auswahl und Zurverfügungstellung des Klägers und weiterer Mitarbeiter für Umbauarbeiten im Konferenzzentrum der Beklagten. Weiter gehende Verpflichtungen zur Erstellung eines abgrenzbaren Werkes oder einer Dienstleistung i.S.d. §§ 631, 611 BGB hat die Streitverkündete weder nach der Leistungsbeschreibung noch nach den tatsächlichen Umständen übernommen.


aa)


Bereits nach der Leistungsbeschreibung (Ziff. 2.2.1) soll es Sache des Bieters sein, Personal aus einem festen Pool von eingearbeitetem Personal zu stellen, während die Einarbeitung und die Einweisung der Mitarbeiter für die einzelnen Veranstaltungen vor Ort durch Sachbearbeiterinnen der Beklagten zu erfolgen hat. Sonstige Regelungen zu Weisungsbefugnissen des Bieters enthält die Leistungsbeschreibung nicht. Daraus folgt, dass bereits nach der Leistungsbeschreibung keine Einflussnahme des Bieters auf das zu erstellende Werk bzw. die zu erbringende Dienstleistung ersichtlich ist.


Ferner ist gem. Ziffer 4 der Leistungsbeschreibung die Beauftragung von Nachunternehmen ausgeschlossen, was ebenfalls gegen eigenständige Befugnisse hinsichtlich des zu erstellenden Werkes bzw. der zu erbringenden Dienstleistung und der konkreten Ausführung spricht.


bb)


Auch nach den vom Kläger im Rahmen der ihm nach vorgenannten Grundsätzen obliegenden Darlegungslast vorgetragenen tatsächlichen Umständen besteht keine Einflussnahme der Streitverkündeten auf die im Einzelnen durchzuführenden Möblierungsarbeiten. Der Kläger hat insoweit auf die ohne Zutun der Streitverkündeten bzw. ihrer Mitarbeiter erstellten Anweisungen auf den von Mitarbeiterinnen der Beklagten zu jeder Schicht überreichten Zettel mit Bestuhlungs- bzw. Möblierungsanweisungen verwiesen. Mitarbeiter der Streitverkündeten mit Weisungsbefugnis sind während der Schicht nicht zugegen, auch fernmündlich oder schriftlich ergehen keine Anweisungen der Streitverkündeten betreffend den Inhalt der bei der Beklagten durchzuführenden Umbauarbeiten. Diesen Vortrag hat die Beklagte nicht substantiiert erwidert. Ihr Hinweis auf die Möglichkeit, Mitarbeiter der Streitverkündeten zu kontaktieren ist unerheblich. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass es tatsächlich regelmäßig zu Kontaktaufnahmen der eingesetzten Umbaukräfte mit weisungsbefugten Mitarbeitern der Streitverkündeten kommt, die den Zweck haben, Weisungen zur Ausführung der Umbauarbeiten entgegen zu nehmen. Es ist ohnehin unklar, welche Kenntnisse weisungsbefugte Mitarbeiter der Streitverkündeten zur Möblierung des Konferenzzentrums der Beklagten haben, aufgrund derer sie derartige Weisungen erteilen könnten. Auch der Umstand, dass die meisten Veranstaltungen der Beklagten längere Zeit im Voraus feststehen und dass nach der Behauptung der Beklagten die zu erbringenden Möblierungsarbeiten regelmäßig wiederkehrenden Sachverhalten entsprechen ändert nichts daran, dass die Streitverkündete bei der Erstellung des Werkes bzw. der Ausführung der Dienstleistungen mit Ausnahme der Auswahl und Gestellung von Personal keinen weiteren Beitrag erbringt. Der Hinweis der Beklagten auf § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB führt insoweit nicht weiter, denn es liegen neben unstreitig von den Mitarbeiterinnen der Beklagten vorgenommenen Anweisung zur jeweiligen Möblierung der Veranstaltungsräume keinerlei inhaltliche Weisungen der Streitverkündeten an das eingesetzte Personal vor. Weisungen des Bestellers i.S.d. § 645 Abs. 1 Satz 1 an den Werkunternehmer bzw. dessen Erfüllungsgehilfen sind gegeben, wenn sie im Rahmen der Ausführung eines in Eigenverantwortung durch den Werkunternehmer herzustellenden Werkes erfolgen. Handeln vom Auftragnehmer eingesetzte Personen ausschließlich auf Anweisung des Auftraggebers, liegt eine eigenverantwortliche Herstellung des Werkes durch den Auftragnehmer nicht vor. Derartige Weisungen können dann auch nicht als solche i.S.d. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB zu qualifizieren sein.


Da bereits die vom Kläger vorgetragenen und von der Beklagten nicht hinreichend bestrittenen Umstände bei der Abwicklung der Umbauarbeiten (Übergabe von Zetteln mit Anweisungen zu den Umbauarbeiten; Fehlen von Weisungen der Streitverkündeten zur Ausführung derselben) deutlich gegen das Vorliegen eines Werk- oder Dienstvertrages sprechen, kann dahinstehen, ob der Kläger und die weiteren Umbaumitarbeiter zusätzlich auch mündliche Anweisungen von der Beklagten erhielten und ob Änderungen bei der Schichtverteilung kurzfristig auch von der Beklagten durchgeführt wurden, wie der Kläger behauptet.


cc)


Auch der Umstand, dass die Streitverkündete von der Beklagten bislang nicht auf Gewährleistungsansprüche in Anspruch genommen wurde spricht gegen das Vorliegen eines Werk- bzw. Dienstvertrages. Das tatsächliche Nichtvorliegen der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen seitens des Auftraggebers stellt bei Abgrenzungsfragen der vorliegenden Art ein Indiz für Arbeitnehmerüberlassung dar (LAG Baden-Württemberg, a.a.O.). Denn dies spricht dafür, dass das Risiko der Schlechtleistung durch das eingesetzte Personal vertraglich beim Auftraggeber liegt, so wie dies bei einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, nicht jedoch bei einem Werk- oder Dienstvertrag der Fall ist. Dass es bisher im Vertragsverhältnis mit der Streitverkündeten zu keinerlei Inanspruchnahme derselben durch die Beklagte für mangelhafte Leistungen des eingesetzten Personals gegeben hat blieb unstreitig. Auf die entsprechende Behauptung des Klägers hat die Beklagte lediglich erwidert, dass es unzutreffend sei, dass die Beklagte keine Gewährleistungsansprüche gegen die Streitverkündete habe geltend machen können und hat auf § 16 der Vertragsbedingungen der Beklagten aus der Leistungsbeschreibung verwiesen. Damit blieb zunächst unstreitig, dass es in dem nunmehr mindestens drei Jahre, aufgrund des Einsatzes des Klägers seit August 2008 offensichtlich aber bereits seit fünf Jahren bestehenden Vertragsverhältnis mit der Streitverkündeten keine Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen der Beklagten für mangelhafte Werk- bzw. Dienstleistungen gegeben hat. Dagegen, dass dafür bislang kein Anlass gegeben war, spricht die vom Kläger vorgelegte Email der Beklagten an die Streitverkündete vom 05.10.2010 betreffend Schäden an Möbeln der Beklagten. Hieraus kann abgeleitet werden, dass die Beklagte von der Streitverkündeten für durch von dieser eingesetztes Personal verursachte Schäden nicht in Ausübung eines werk- oder dienstvertraglichen Gewährleistungsanspruches Schadensersatz verlangte.


§ 16 der Vertragsbedingungen, wonach bei Pflichtverletzungen des Auftragnehmers die gesetzlichen Regelungen nach Maßgabe der §§ 7 und 14 VOL/B Anwendung finden, entkräftet dieses für Arbeitnehmerüberlassung sprechende Indiz nicht. Dort ist nicht geregelt, ob insoweit auch Pflichten bezüglich der Beschaffenheit eines Werkes bzw. der Ordnungsgemäßheit einer Dienstleistung als Grundlage einer Haftung des Auftragnehmers in Betracht kommen. Die Pflichten, deren Verletzung in § 16 der Vertragsbedingungen geregelt sind, sind dort nicht beschrieben. Die Vorschrift hat auch dann einen Anwendungsbereich, wenn sich aus dem Vertragsverhältnis für die Streitverkündete lediglich Pflichten bei der Auswahl und Gestellung von eingearbeitetem Personal ergeben.


dd)


Schließlich spricht als Indiz für Arbeitnehmerüberlassung, dass sich die von der Streitverkündeten zu erbringenden Leistungen nach dem Bedarf der Beklagten richten (vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 12.12.2012, 15 Sa 1217/12). Zwar richtet sich auch der Inhalt eines Werk- oder Dienstvertrages i.S.d. §§ 631, 611 BGB grundsätzlich nach dem Bedarf des Auftraggebers. Je weniger der Bedarf jedoch im Einzelnen von Vorneherein feststeht, sondern erst von nach Abschluss des Vertrages vorliegenden Umständen abhängig ist, desto eher fehlt es an einem abgrenzbaren und dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbaren Werk bzw. einer ebensolchen Dienstleistung. Im vorliegenden Fall erfolgen gem. Ziff. 2.2.1 der Leistungsbeschreibung die Bedarfsmeldungen der Beklagten gegenüber der Streitverkündeten in der Regel am 1. des Monats für die zweite Monatshälfte und am 15. des Monats für die erste Hälfte des folgenden Monats. Die Personalbedarfsangaben in der Leistungsbeschreibung sind gem. Ziff. 2.1.1 und 2.2.1 bloße Richtwerte, teilweise nicht repräsentativ und ohne Garantie seitens der Beklagten angegeben worden. Bereits dieser vertraglich vorgegebene Vorlauf der Bedarfsmeldungen von ca. zwei Wochen spricht gegen das Vorliegen eines abgrenzbaren und der Streitverkündeten als eigene Leistung zurechenbaren Werkes. Hinzu kommt, dass der sich aus einer bzw. mehreren bestimmten bevorstehenden Veranstaltungen ergebende konkrete Umbaubedarf dem Kläger und den weiteren Umbaumitarbeitern von der Beklagten erst zu Beginn der jeweiligen Schicht mit Übergabe der Zettel mitgeteilt wird. Letztlich wird also der jeweilige Umbaubedarf erst am betroffenen Tag abgerufen, was deutlich gegen das Vorliegen einer selbständig erbrachten und abgrenzbaren Werk- bzw. Dienstleistung der Streitverkündeten spricht.


3.


Unstreitig blieb, dass die Streitverkündete nicht über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gem. § 1 Abs. 1 AÜG verfügt. Daher liegen die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 2. Alt. AÜG vor, der vom Kläger mit der Streitverkündeten abgeschlossene Arbeitsvertrag ist unwirksam. Gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gilt daher ein Arbeitsverhältnis zu dem für den Beginn der Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten vorgesehene Zeitpunkt als zwischen den Parteien zustande gekommen. Dieser Zeitpunkt lag nicht nach dem 13.04.2011, so dass jedenfalls seit diesem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht.


III.


Auch der zulässigerweise als Hilfsantrag gestellte Antrag zu 2. ist begründet.


1.


Der Antrag zu 2., über den infolge der Stattgabe zum Antrag zu 1. zu entscheiden ist, ist nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Zwar wurde der Kläger von der Beklagten nach dem Sach- und Streitstand bis zuletzt als Umbaumitarbeiter in den Räumen der Beklagten eingesetzt, jedoch erfolgte dies lediglich im Rahmen des mit der Streitverkündeten bestehenden Vertragsverhältnisses der Beklagten. Es ist bereits fraglich, ob die Entgegennahme einer Leistung des Klägers als Erfüllungsgehilfe der Streitverkündeten zur Erfüllung des geltend gemachten und auf das zwischen den Parteien zustande gekommene Arbeitsverhältnis gestützten Weiterbeschäftigungsanspruches führt. Doch selbst wenn man das bejahen wollte kann dem Antrag zu 2. das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden. Nach den Bedingungen dieses Vertragsverhältnisses kann die Beklagte gem. Ziff. 2.2.1 der Leistungsbeschreibung jederzeit und ohne Nennung von Gründen den Einsatz des Klägers ablehnen. Solange also die Beklagte davon ausgeht, den Kläger allein aufgrund des mit der Streitverkündeten abgeschlossenen Vertrages einzusetzen, besteht die Besorgnis, dass sie sich der rechtzeitigen Leistung künftig entziehen könne, sei es, weil sie den weiteren Einsatz des Klägers ablehnt, sei es, weil sie das Vertragsverhältnis mit der Streitverkündeten beendet. Jedenfalls gem. § 259 ZPO besteht daher ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag zu 2..


2.


Da erstinstanzlich das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festzustellen ist und keine Umstände ersichtlich sind, die es der Beklagten gleichwohl unzumutbar machen, den Kläger für die Dauer dieses Verfahrens zu beschäftigen, kann der Kläger auch dies von der Beklagten gem. §§ 242, 611 BGB, Art. 1, 2 GG verlangen. Die Grundsätze zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch im Kündigungsschutzverfahren (BAG GS v. 27.02.1985, GS 1/84) sind auf die vorliegende Fallgestaltung des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG sinngemäß zu übertragen (LAG Berlin-Brandenburg v. 09.01.2013, 15 Sa 1635/12).


IV.


Die Nebenentscheidungen für dieses Teilurteil folgen aus den §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff ZPO. Bei der Streitwertfestsetzung wurde dem Antrag zu 1. das Dreifache der Bruttomonatsvergütung des Klägers zugrunde gelegt, dem Antrag zu 2. ein Drittel des Wertes des Antrages zu 1.. Bei der Berechnung der Bruttomonatsvergütung hat die Kammer den durchschnittlichen Einsatz des Klägers im Zeitraum vom 01.08.2008 bis zum 30.04.2013 zugrunde gelegt (9,53 Stunden im Monat). Der Kläger hat nicht dargelegt, warum demgegenüber der in den Monaten Februar und März 2013 erfolgte Einsatz repräsentativ ist. Ferner hat die Kammer im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Satz 4 AÜG bei der Berechnung den sich nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand bei Zugrundelegung der Entgelttabelle des TVöD ergebenden Stundenlohn des Klägers (Entgeltgruppe 1, Stufe 3 = 9,26 EUR) zugrunde gelegt.

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