BAG: Wiedereinstellung nach § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II
Das BAG hat mit Urteil vom 28.1.2020 – 9 AZR 493/18 – wie folgt entschieden:
1. Die Regelung in § 6c Abs. 1 SGB II über den gesetzlichen Übertritt von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Bundesagentur in den Dienst eines zugelassenen kommunalen Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG (Rn. 29 ff.).
2. Nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II treten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur, die am Tag vor der Zulassung eines weiteren kommunalen Trägers nach § 6a Abs. 2 SGB II und mindestens seit 24 Monaten Aufgaben der Bundesagentur als Träger nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in dem Gebiet des kommunalen Trägers wahrgenommen haben, zum Zeitpunkt der Neuzulassung kraft Gesetzes in den Dienst des kommunalen Trägers über. Eine Unterbrechung der tatsächlichen Tätigkeit durch Elternzeit steht dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht entgegen, es sei denn, der/die Beschäftigte hat im Referenzzeitraum keine aktive Tätigkeit im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeübt (Rn. 26).
3. Die Bundesagentur ist unter den Voraussetzungen des § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II verpflichtet, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nach § 6c Abs. 1 SGB II in den Dienst eines zugelassenen kommunalen Trägers übergetreten sind, durch Abschluss eines Arbeitsvertrages zu den bisherigen Bedingungen wiedereinzustellen. Dabei handelt es sich nicht um einen Übertritt kraft Gesetzes in den Dienst eines anderen Trägers, sondern um die vertragliche Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses (Rn. 47). Sie setzt voraus, dass der kommunale Träger vorbehaltlos von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die zur Erfüllung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht benötigten Beschäftigten nach § 6c Abs. 1 Satz 3 bis Satz 5 SGB II der Bundesagentur wieder zur Verfügung zu stellen und die Betroffenen erklärt haben, dass sie „dazu bereit sind“ (Rn. 62).
4. Der Vorschlag des zugelassenen kommunalen Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II zur Wiedereinstellung und die Zustimmung der vorgeschlagenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu einem erneuten Arbeitgeberwechsel sind rechtsgeschäftsähnliche Handlungen. Sie lösen die in § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II genannten Rechtsfolgen kraft Gesetzes aus (Rn. 68).
5. Hat der kommunale Träger durch Erklärung der Bundesagentur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorbehaltlos gemäß § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II zur Wiedereinstellung vorgeschlagen, ist er grundsätzlich an diese Erklärung gebunden (Rn. 73).
6. Die Zustimmung der vorgeschlagenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Wiedereinstellung durch die Bundesagentur erfordert eine ausdrückliche oder konkludente, nicht formgebundene Erklärung der Vorgeschlagenen gegenüber der Bundesagentur, aus der sich aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers eindeutig ergibt, dass die Bereitschaft zur Wiedereinstellung besteht. Ein Schweigen oder Untätigbleiben reicht grundsätzlich nicht aus. Ebenso wenig genügt es, wenn die Bundesagentur nicht durch die vorgeschlagenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auf andere Art und Weise von dessen Rückkehrwunsch erfährt (Rn. 75 f.).
7. Sind die Voraussetzungen einer Wiedereinstellung der auf den kommunalen Träger übergegangenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gemäß § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II erfüllt, besteht für die Bundesagentur ein Kontrahierungszwang. Ihr obliegt es, den Vorgeschlagenen zur Erfüllung dieser Verpflichtung (vgl. Rn. 62 und 72) ein annahmefähiges Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages zu unterbreiten. Dieser Verpflichtung kann sie sich nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB weder durch eine anderweitige Einstellung entziehen noch einwenden, die Wiedereinstellung sei nicht, wie es § 6c Abs. 1 Satz 5 SGB II verlange, innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt der Neuzulassung erfolgt (Rn. 81).