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Arbeitsrecht
12.04.2016
Arbeitsrecht
BAG: Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer - Wahlart - Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei dem Schwellenwert in § 9 MitbestG

Das BAG hat mit Beschluss vom 4.11.2015 – 7 ABR 42/13 – wie folgt entschieden:

1. Nach § 9 Abs. 1 MitbestG werden die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer eines Unternehmens mit in der Regel mehr als 8000 Arbeitnehmern durch Delegierte gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die unmittelbare Wahl beschließen. § 9 Abs. 2 MitbestG bestimmt, dass die Wahl in Unternehmen mit in der Regel nicht mehr als 8000 Arbeitnehmern in unmittelbarer Wahl erfolgt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die Wahl durch Delegierte beschließen. Die Wahlart hängt daher von der Anzahl der dem Unternehmen in der Regel angehörenden Arbeitnehmer ab.

2. Das Mitbestimmungsgesetz definiert den Begriff „Arbeitnehmer“ nicht selbst. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG verweist auf den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff des § 5 Abs. 1 BetrVG, der ebenfalls keine Definition des Arbeitnehmerbegriffs enthält, sondern diesen voraussetzt. Die für den betriebsverfassungs-rechtlichen Arbeitnehmerbegriff grundsätzlich maßgebliche „Zwei-Komponenten-Lehre“, nach der zu den konstitutiven Merkmalen einerseits ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber, andererseits die tatsächliche Eingliederung des Arbeitnehmers in dessen Betriebsorganisation gehört, führt beim drittbezogenen Personaleinsatz und einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Wegen der insoweit gebotenen normzweckorientierten Auslegung der jeweiligen, auf den oder die Arbeitnehmer abstellenden Vorschrift lässt sich auch die Frage, ob Leiharbeitnehmer bei den Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung zu berücksichtigen sind, nicht allgemein, sondern nur bezogen auf den jeweiligen Schwellenwert beantworten.

3. Unter Berücksichtigung der Funktion des Arbeitnehmerbegriffs im Hinblick auf den für das Wahlverfahren maßgeblichen Schwellenwert des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG zählen auf Stammarbeitsplätzen eingesetzte wahlberechtigte Leiharbeitnehmer danach zu den Arbeitnehmern im Sinne der Vorschrift. Die in § 9 MitbestG zum Ausdruck gelangte Wertentscheidung, dass die Wahlberechtigten über die Art der Wahl befinden können, schließt es aus, wahlberechtigte Personen bei dem Schwellenwert nicht zu berücksichtigen.

4. Anders als bei Betriebsratswahlen sind gerichtliche Eingriffe in das vom Hauptwahlvorstand eingeleitete, noch nicht abgeschlossene Wahlverfahren nicht auf Nichtigkeitsfälle begrenzt. Die anfechtungsberechtigten Arbeitnehmer sind deshalb nicht darauf verwiesen, die vom Hauptwahlvorstand eingeleitete Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer abzuwarten und diese ggf. anschließend anzufechten. Vielmehr ist zur Vermeidung einer Wahlanfechtung eine gerichtliche Kontrolle bereits während des Wahlverfahrens zulässig, um rechtzeitig fehlerhafte Maßnahmen des Hauptwahlvorstands korrigieren, unterlassene Handlungen durchsetzen und Störungen ausschließen zu können. Anders als bei einer Betriebsratswahl kann dadurch kein mitbestimmungsfreier Zustand entstehen, sondern allenfalls eine zeitlich begrenzte Ersatzbestellung der Arbeitnehmervertreter nach § 104 Abs. 2 und Abs. 3 AktG erforderlich werden.

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