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Arbeitsrecht
27.03.2014
Arbeitsrecht
BAG: Vorsatzanfechtung - Bargeschäft - Benachteiligungsvorsatz des Schuldners

Das BAG hat mit Urteil vom 29.1.2014 - 6 AZR 345/12 - entschieden: Für die Vorsatzanfechtung genügt eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung. Dass die Entgeltzahlung im Wege eines Bargeschäfts erfolgte, schließt eine solche Benachteiligung nicht aus, weil die erbrachte Arbeitsleistung den Insolvenzgläubigern nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit gewährt, wie sie die abgeflossenen Zahlungsmittel geboten hätten. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann bei derartigen Entgeltzahlungen allenfalls dann ausscheiden, wenn sich wegen eines ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuchs das Interesse der Gläubiger darauf richtet, dass die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird. Ein pauschales und stereotypes Anknüpfen der subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung an das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit und ihrer Kenntnis wird dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht. Das gilt insbesondere, wenn der spätere Schuldner unanfechtbar begründete Entgeltansprüche von Arbeitnehmern im Wege des Bargeschäfts erfüllt. Das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit kann vielmehr - wie jedes andere Beweisanzeichen auch - entkräftet werden und muss deshalb vom Tatsachengericht einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Bei der Prüfung, welchen Beweiswert das Beweisanzeichen der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage im Einzelfall für die Vorsatzanfechtung hat, ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt und dass dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis zu § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO Rechnung getragen wird; es ist stets zu prüfen, ob die Zahlung im Einzelfall tatsächlich den Rückschluss auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners zulässt. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass dem Arbeitgeber eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist. Dann fehlt es bereits am Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Wird eine Entgeltzahlung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht, spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen darf, dass er nur bekommen hat, was ihm zustand, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend ist und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht gläubigerbenachteiligend ansieht. Etwas anderes gilt, wenn besondere Umstände des Einzelfalls dem Tatsachengericht gleichwohl die Überzeugung von der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Kenntnis des Arbeitnehmers von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners verschaffen. Zahlt der Arbeitgeber das Entgelt an den Arbeitnehmer, der im Wege der Vorleistung seiner Arbeitspflicht genügt hat, obwohl er zahlungsunfähig ist, pünktlich, verhalten sich weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer in einer von § 133 InsO missbilligten Weise. Der Arbeitnehmer soll nicht zum Nachteil anderer Gläubiger bevorzugt werden. In einem solchen Fall ist die Anwendung des § 133 InsO grundsätzlich nicht gerechtfertigt. Durch die Vorsatzanfechtung würde im Regelfall nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil des Arbeitnehmers rückgängig gemacht, sondern vom Arbeitnehmer, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt. Das würde dem Normzweck des § 133 InsO nicht gerecht und zugleich das erforderliche Stufenverhältnis zur Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht wahren. Auch für Entgeltzahlungen, die für den Insolvenzgeldzeitraum gezahlt worden sind, ist Anfechtungsgegner grundsätzlich der Arbeitnehmer. Nach der gesetzlichen Systematik des § 169 SGB III gilt etwas anderes nur dann, wenn die Anfechtung erfolgt, nachdem der Insolvenzgeldantrag gestellt worden ist und eine zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass die Insolvenzgeldzahlung in Betracht kommt. Dann ist Anfechtungsgegnerin die Bundesagentur für Arbeit. Wird eine Entgeltzahlung im Wege der Insolvenzanfechtung zur Masse gezogen, lebt gemäß § 144 Abs. 1 InsO die Netto-Entgeltforderung des Arbeitnehmers rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlöschens als Insolvenzforderung wieder auf. Der Arbeitnehmer erwirbt Anspruch auf Insolvenzgeld, dem jedoch die Ausschlussfristen des § 324 Abs. 3 SGB III entgegenstehen können. Art. 1 Abs. 1 GG iVm. Art. 20 Abs. 1 GG gewährleistet ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. In Wechselwirkung mit dem durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich verbietet dieses Grundrecht dem Staat, auf den Kernbestand des selbst erzielten Einkommens des Grundrechtsträgers zuzugreifen. Die Anfechtungsbestimmungen in §§ 129 ff. InsO lassen den rückwirkenden Zugriff des Insolvenzverwalters auf das Existenzminium für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu. Der Arbeitnehmer kann für diesen Zeitraum in der Regel keine staatliche oder über eine Umlage der Arbeitgeber finanzierte Leistung erhalten, die den Teil des zurückzuzahlenden Betrags aus-gleicht, der das Existenzminimum abdeckte. Der Arbeitnehmer hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, auch keine adäquaten arbeits- oder sozialrechtlichen Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Der Senat hat daher erwogen, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

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