ArbG Essen: Urteile im Verfahren gegen ThyssenKrupp-Vorstand zum Schienen- Kartell
Das Arbeitsgericht Essen hat in drei Verfahren verschiedener Unternehmen des ThyssenKrupp- Konzerns, in denen diese von dem früheren Bereichsvorstand bzw. Geschäftsführer Uwe Sehlbach Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sogenannten Schienenkartell verlangen, die begründeten Urteile zugestellt. Der Konzern sieht sich seit einigen Jahren Ermittlungen bezüglich kartellrechtswidriger Absprachen im Bereich des Verkaufs von Schienen ausgesetzt. Das Bundeskartellamt hat mit Bescheiden aus den Jahren 2012 und 2013 Bußgelder in Höhe von insgesamt 191 000 000,00 Euro gegenüber einem Konzernunternehmen festgesetzt. Zivilrechtliche Ansprüche der möglicherweise geschädigten Kunden sind noch nicht geklärt. Hintergrund des sogenannten Schienenkartells ist zum einen der Vorwurf der Absprache mit einem Lieferanten von Schienen über eine Exklusivabnahme sowie zum anderen die Praktizierung von Quoten- und Preisabsprachen zwischen den Wettbewerbern sowohl auf dem Privatmarkt als auch gegenüber der Deutschen Bahn AG. Bereits in den Jahren 2004 und 2006 wurde konzernintern eine Compliance-Prüfung durchgeführt, die ergebnislos verlief. Die Unternehmen verlangen von dem Beklagten den Ersatz aller durch das Schienenkartell in Betracht kommenden Schäden einschließlich der konkret bezifferten Kartellstrafe. Ihm wird vorgeworfen, er selbst habe von den Preis- und Quotenabsprachen zwischen den Wettbewerbern gewusst und diese geduldet, zumindest aber seine Aufsichtspflichten als Geschäftsführer verletzt. Darüber hinaus habe er mit einem Schienenlieferanten eine Nebenabrede zu einem Vertriebsvertrag vereinbart, mittels derer eine marktbeherrschende Stellung zumindest im Bereich Schienen begründet worden sei. Das Arbeitsgericht hat die Klagen in sämtlichen Verfahren abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gegründet, dass der Beklagte die gelebte Praxis eines Exklusivvertriebs gegenüber den ihm übergeordneten Verantwortlichen im Konzern bereits im Jahr 2004 und auch im Rahmen einer Compliance-Prüfung im Jahr 2006 offengelegt hat, ohne dass Maßnahmen ergriffen wurden. Das Gericht hat auch eine Haftung für Preis- und Quotenabsprachen im Rahmen der Überwachungspflichten als Geschäftsführer abgelehnt. Da die Leitung der Vertriebsaktivitäten in die Zuständigkeit des weiteren Geschäftsführers gehörte, sei dem Beklagten allenfalls vorzuwerfen, diesen nicht hinreichend überwacht zu haben. Hier sei ein überwiegendes Mitverschulden der übergeordneten Stellen im Konzern zu berücksichtigen, die Hinweise auf dieses Kartell im Rahmen der Compliance-Prüfung im Jahr 2006 nicht hinreichend verfolgt hätten. Bezüglich der Konzernmutter sei auch kein Schaden ersichtlich. Soweit diese die Entwertung ihrer Anteile an ihren Tochtergesellschaften heranzöge, könnte sie einen Ersatz nur an ihre Tochtergesellschaft verlangen. Bei dem Umfang des geltend gemachten Schadens der Tochterunternehmen sei zudem nicht berücksichtigt, dass eine Versicherung zum Schutz vor Vermögensschäden durch Handlungen der Organe (D & O-Versicherung) existiere und dass die Unternehmen durch die erhöhten Preise auch wirtschaftlich profitiert hätten. Zudem komme nach dem Rechtsgedanken des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) allenfalls eine Haftung in Höhe von 1 000 000,00 Euro für die Kartellstrafe in Betracht. Der Ersatz von Rechtsverfolgungskosten der Konzernmutter, mit der Herr Sehlbach seit dem Jahre 2009 in einem Arbeitsverhältnis stand, sei bereits dadurch ausgeschlossen, dass in dem zum 30.6.2011 geschlossenen Aufhebungsvertrag die Zahlung eines Betrags von 50 000,00 Euro zur Deckung von Kosten für die arbeits- und strafrechtliche Beratung vereinbart worden sei. Die Forderung eigener Rechtsverfolgungskosten sei vor diesem Hintergrund widersprüchlich.
ArbG Essen, Urteile vom 19.12.2013 – 1 Ca 3569/12, 1 Ca 657/13 und 1 Ca 658/13
(PM ArbG Essen vom 11.4.2014)