BAG: Mitbestimmung bei Ein- und Umgruppierung - Zustimmungsersetzung - Berechnung der Berufsjahre bei Teilzeitbeschäftigten
Das BAG hat mit Beschluss vom 29.1.2020 – 4 ABR 26/19 – wie folgt entschieden:
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG besteht nur, wenn der Arbeitgeber die personelle Maßnahme noch durchzuführen beabsichtigt. Bei einer Ein- oder Umgruppierung ist das nur so lange der Fall, wie der Arbeitnehmer mit unveränderter Eingruppierung beschäftigt ist (Rn. 14).
2. Bereits eine Änderung der Stufenzuordnung eines Arbeitnehmers innerhalb einer Gehaltsgruppe löst ein erneutes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aus. Die Zuordnung zu einer anderen Stufe stellt eine Umgruppierung und damit gegenüber der zuvor beabsichtigten Eingruppierung eine neue personelle Einzelmaßnahme iSd. § 99 Abs. 1 BetrVG dar. Diese bedarf, auch wenn zwischen den Betriebsparteien über den reinen Zeitablauf für die Stufensteigerung kein Streit besteht, der Zustimmung des Betriebsrats (Rn. 19).
3. Hat sich während eines Zustimmungsersetzungsverfahrens eine Maßnahme aufgrund einer in Folge Zeitablaufs geänderten Stufenzuordnung erledigt, kann der Arbeitgeber die neue, die Stufenänderung berücksichtigende Maßnahme nach Durchführung des innerbetrieblichen Mitwirkungsverfahrens nach § 99 BetrVG bei erneuter Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nach den allgemeinen Regeln zur Antragsänderung und -erweiterung in das gerichtliche Verfahren einführen (Rn. 20).
4. Im Zustimmungsersetzungsverfahren sind grundsätzlich nur diejenigen Einwände zu berücksichtigen, die der Betriebsrat innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG dem Arbeitgeber schriftlich mitgeteilt hat. Ein Einwand gegen die beabsichtigte Maßnahme, der die Wirksamkeit einer Rechtsnorm betrifft, ist jedoch unabhängig davon zu berücksichtigen. Die Gerichte dürfen ungültige Normen nicht zur Grundlage ihrer Entscheidung machen (Rn. 24).
5. Eine schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten ist nur dann iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG gerechtfertigt, wenn die Ungleichbehandlung einem echten Bedarf entspricht und zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist (Rn. 28).
6. Die Tarifvertragsparteien können den Zweck einer Leistung im Rahmen ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie festlegen. Allein die Tatsache, dass eine schlechtere Behandlung iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG in einem Tarifvertrag vorgesehen ist, führt aber nicht bereits zur sachlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung (Rn. 32).
7. Vorliegend ist § 6 Nr. 4 Abs. 2 MTV wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG nach § 134 BGB nichtig. Die dort vorgesehene schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten mit einer Arbeitszeit von weniger als 19 Wochenstunden bei der Berechnung der Berufsjahre für einen Stufenaufstieg innerhalb einer Gehaltsgruppe ist sachlich nicht gerechtfertigt (Rn. 29 ff.).