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Arbeitsrecht
20.04.2016
Arbeitsrecht
BAG: Mehrere Betriebsübergänge - Widerspruchsrecht - Unterrichtung - unzulässige Rechtsausübung

Das BAG hat mit Urteil vom 19.11.2015 – 8 AZR 773/14 – wie folgt entschieden:

1. Der Arbeitnehmer kann den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB nur gegenüber dem „bisherigen Arbeitgeber“ und dem „neuen Inhaber“ erklären. „Neuer Inhaber“ iSv. § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB ist stets derjenige, der beim letzten Betriebsübergang den Betrieb erworben hat. „Bisheriger Arbeitgeber“ iSv. § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB kann nur derjenige sein, der bis zum letzten Betriebsübergang, also vor dem neuen Inhaber den Betrieb innehatte und nicht mehr der vormalige Arbeitgeber, also nicht mehr der Arbeitgeber, mit dem bis zu dem dem letzten Betriebsübergang vorangegangenen Betriebsübergang ein Arbeitsverhältnis bestand.

2. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB knüpft an die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt des jeweils letzten Betriebsübergangs und nicht an eine fiktive Rechtslage an, die bestehen würde, wenn der Arbeitnehmer ein etwa noch bestehendes Recht zum Widerspruch bezogen auf den vorangegangenen Betriebsübergang ausgeübt hätte.

3. Kommt es nach einem Betriebsübergang zu einem weiteren Betriebsübergang und hat der Arbeitnehmer bis dahin dem an den vorangegangenen Betriebsübergang geknüpften Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht widersprochen, verliert der vormalige Arbeitgeber seine Eigenschaft als „bisheriger“ Arbeitgeber iSv. § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB an den Zwischenerwerber. Will der Arbeitnehmer in einem solchen Fall mit einem Widerspruch einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem vormaligen Arbeitgeber bewirken, muss er deshalb zunächst erfolgreich dem mit dem letzten Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber widersprechen. Nur dann können der vormalige Arbeitgeber seine Stellung als „bisheriger Arbeitgeber“ iSv. § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB und der Zwischenerwerber seine Eigenschaft als „neuer Inhaber“ iSv. § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB - beides auf den vorangegangenen Betriebsübergang bezogen - wiedererlangen.

4. Hat der Arbeitnehmer dem mit dem weiteren Betriebsübergang eintretenden Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber erfolgreich widersprochen, so führt dies jedoch nicht in jedem Fall dazu, dass er ein etwa noch bestehendes Recht, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses vom vormaligen Arbeitgeber auf den Zwischenerwerber zu widersprechen, bis zur Grenze der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) ausüben könnte. Das Recht, dem infolge des vorangegangenen Betriebsübergangs eingetretenen Übergang des Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, kann zuvor erloschen sein.

5. Ein Erlöschen ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen einer Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB von den dort genannten Personen über den mit dem letzten und dem vorangegangenen Betriebsübergang verbundenen jeweiligen Übergang seines Arbeitsverhältnisses unter Mitteilung des Zeitpunktes oder des geplanten Zeitpunktes sowie des Gegenstandes des Betriebsübergangs und des Betriebsübernehmers in Textform in Kenntnis gesetzt wurde und er dem infolge des vorangegangenen Betriebsübergangs eingetretenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht binnen einer Frist von einem Monat nach Zugang der Unterrichtung über den infolge des weiteren Betriebsübergangs eintretenden Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Monatsfrist noch vor dem weiteren Betriebsübergang abläuft bzw. abgelaufen ist.

6. Darauf, ob die Unterrichtungen über den an den vorangegangenen und weiteren Betriebsübergang geknüpften jeweiligen Übergang des Arbeitsverhältnisses im Übrigen ordnungsgemäß iSv. § 613a Abs. 5 BGB sind, kommt es insoweit nicht an.

BGB § 613a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5, Abs. 6, § 242; GG Art. 12 Abs. 1; Richtlinie 2001/23/EG; Richtlinie 77/187/EWG

 

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