BAG: Kündigung zum „nächstzulässigen Termin“ - Sonderkündigungsschutz behinderter, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellter Arbeitnehmer
Das BAG hat mit Urteil vom 10.4.2014 - 2 AZR 647/13 - entschieden:
Eine „hilfsweise" oder „vorsorglich" erklärte Kündigung steht unter der - zulässigen - auflösenden Rechtsbedingung iSv. § 158 Abs. 2 BGB, dass das Arbeitsverhältnis nicht schon aufgrund eines anderen Umstands endet. Ihre Wirkung endigt, wenn feststeht, dass das Arbeitsverhältnis bereits durch den anderen Been-digungstatbestand aufgelöst worden ist. Eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin" oder „nächstmöglichen Zeitpunkt" ist typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen will, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühestmöglicher Beendigungstermin ergibt. Sie ist jedenfalls dann hinreichend bestimmt, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn ohne umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen feststellbar ist. Die Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Kündigung ist de lege lata - außer bei der Verdachtskündigung - keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers, der mit einem Grad von weniger als 50 behindert ist, bedarf nach § 85 SGB IX iVm. § 68 Abs. 1 und 3, § 2 Abs. 3 SGB IX nur dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts, wenn der Arbeitnehmer iSd. § 2 Abs. 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist. Die Gleichstellung erfolgt gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen durch eine Feststellung der Bundesagentur für Arbeit nach § 69 SGB IX. Im Unterschied zu den kraft Gesetzes geschützten Personen, bei denen durch die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch der schon bestehende Schutz nur festgestellt wird, wird der Schutz des Behinderten durch die Gleichstellung erst begründet. Die Gleichstellung wird gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 SGB IX mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. Die kündigungsrechtlich unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 und schwerbehinderten Arbeitnehmern iSv. § 2 Abs. 2 SGB IX stellt keine Diskriminierung der weniger stark behinderten Arbeitnehmer nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. Nr. L 303 S. 16) dar. Die weniger stark behinderten Arbeitnehmer erfahren nicht „wegen ihrer Behinderung" eine ungünstigere Behandlung. Sie werden nicht weniger günstig als nicht behinderte Arbeitnehmer behandelt, sondern weniger günstig als stärker behinderte.