BAG: Insolvenzanfechtung - kongruente Deckung - Zahlung über das Konto eines Dritten - Vorsatzanfechtung - Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners – Kenntnis des Arbeitnehmers vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners
Das BAG hat mit Urteil vom 22.10.2015 – 6 AZR 538/14 – wie folgt entschieden:
1. Inkongruenz liegt vor, wenn die konkrete Deckungshandlung vom Inhalt des Schuldverhältnisses abweicht, das zwischen Insolvenzgläubiger und Schuldner besteht, sofern die Abweichung von der nach dem Inhalt des Anspruchs typischen und gesetzmäßigen Erfüllung mehr als geringfügig ist und nicht mehr der Verkehrssitte oder Handelsbräuchen entspricht.
2. Hat der Gläubiger keinen Anspruch darauf, dass seine Forderung in der gewählten Art durch einen Dritten erfüllt wird, liegt darin im Regelfall eine nicht unerhebliche Abweichung vom üblichen Erfüllungsweg.
3. Liegt einer Entgeltzahlung, die über das Konto eines Dritten erfolgt, jedoch eine insolvenzfeste dreiseitige Abrede zugrunde, ist die Zahlung in der Regel kongruent.
4. Eine Entgeltzahlung, die über das Konto des Sohnes des späteren Schuldners erfolgt, ist deshalb ausnahmsweise kongruent und nicht nach § 131 InsO anfechtbar, wenn es sich bei diesem Konto um das Geschäftskonto des Arbeitgebers handelt und das Entgelt während des gesamten Arbeitsverhältnisses über dieses Konto gezahlt worden ist.
5. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausches, erschöpft sich der Wille des Schuldners in der Regel auch dann, wenn im Zeitpunkt der Zahlung Zahlungsunfähigkeit bestand und ihm diese bekannt war, darin, eine gleichwertige Gegenleistung für die zur Fortführung seines Unternehmens unentbehrliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu erbringen, so dass ihm eine mögliche mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist. Zur Darlegung des von § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO geforderten Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes muss der Insolvenzverwalter deshalb konkrete Umstände vortragen, die den Schluss zulassen, dass der Schuldner ausnahmsweise doch im Bewusstsein der Gläubigerbenachteiligung gehandelt hat.
6. Der Arbeitnehmer geht bei pünktlicher Entgeltzahlung in der Regel davon aus, dass er nur bekommen hat, was ihm zusteht, die Unternehmensfortführung erfolgversprechend sei und deshalb die Zahlung keine Gläubigerbenachteiligung zur Folge habe. Darum ist es zur Darlegung der von § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO zusätzlich verlangten Kenntnis des Arbeitnehmers von einem etwaigen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners erforderlich, Umstände aufzuzeigen, die auf eine abweichende Kenntnislage des Arbeitnehmers schließen lassen.