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Arbeitsrecht
18.08.2020
Arbeitsrecht
BAG: Formatfehler Schriftsatz - Gesamtzusage - arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

Das BAG hat mit Urteil vom 3.6.2020 – 3 AZR 730/19 – wie folgt entschieden:

1. Alle elektronisch übermittelten Dokumente - und damit auch die Revisionsbegründung, § 551 Abs. 2 Satz 1 ZPO - sind bei fehlender elektronischer Durchsuchbarkeit nicht geeignet, die Formanforderungen zu erfüllen. Bei Formatfehlern besteht allerdings die Möglichkeit der rückwirkenden Korrektur. Der Fehler ist dem Absender nach § 130a Abs. 6 Satz 1 ZPO unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt gemäß § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt (Rn. 32).

2. Das Gericht hat im Freibeweis zu prüfen, ob es sich um das inhaltlich identische Dokument handelt. Dem steht nicht entgegen, dass der Bevollmächtigte die inhaltliche Gleichheit glaubhaft versichern muss. Zweck des Versicherns ist es, eine Prüfung der inhaltlichen Übereinstimmung durch das Gericht auf der Grundlage der Glaubhaftmachung zu eröffnen (Rn. 33, 37).

3. Da sich die Glaubhaftmachung nur auf die Identität der Schriftsätze bezieht, ist es unerheblich, ob der Absender die Einreichung eines ungeeigneten elektronischen Dokuments verschuldet hat (Rn. 38).

 4. Im Betriebsrentenrecht hat der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kraft Gesetzes anspruchsbegründende Wirkung. Gemäß § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG können Versorgungsverpflichtungen nicht nur auf einer Versorgungszusage, sondern auch auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhen. Außerhalb des Betriebsrentenrechts gilt Ähnliches. Als privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG bildet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz eine Anspruchsgrundlage, die auch auf ungleich behandelnde Regelungen in Gesamtzusagen Anwendung findet. Die sachlich nicht gerechtfertigte Gruppenbildung führt zur Anpassung der Regelung (Rn. 41 ff.).

5. Bei Gesamtzusagen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Ihre Inhalte sind daher nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind (Rn. 51).

6. Der pauschale Ausschluss von Arbeitnehmern aus einer Versorgungsordnung wegen einer anderen einzelvertraglichen Leistungszusage verstößt gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn ein Arbeitnehmer mit individueller Zusage im Versorgungsfall nicht eine zumindest annähernd gleichwertige Versorgung erhält (Rn. 69).

7. Der Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz richtet sich bei einer vom Arbeitgeber getragenen Versorgung darauf, mit anderen Arbeitnehmern gleichbehandelt zu werden. Der Arbeitnehmer kann daher eine Arbeitgeberleistung von gleichem wirtschaftlichen Wert verlangen, aber nicht mehr als den Ausgleich der Differenzen (Rn. 72).

8. Grundlegende verfassungs- und AGB-rechtliche Vorgaben sprechen dafür, das Rechtsfolgenkonzept des § 306 BGB auf Regelungen in Gesamtzusagen jedenfalls im Betriebsrentenrecht nicht anzuwenden, wenn und soweit sie gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Die unzulässige Gruppenbildung in einer Gesamtzusage führt vielmehr zu dem Bestehen des Anspruchs im Zusammenspiel mit der vom Arbeitgeber geschaffenen Regelung, nicht jedoch zur Unwirksamkeit der ungleich behandelnden Bestimmung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz beinhaltet ein spezielleres und abgeschlossenes Regelungs- und Rechtsfolgenkonzept. Er bildet damit eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB. Das schließt es aus, auf von einer Gesamtzusage ausgeschlossene Versorgungsberechtigte mit eigener Leistungszusage sowohl die Gesamtzusage als auch ihre individuelle Regelung nebeneinander anzuwenden (Rn. 79 ff.).

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